L 3 AL 4156/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 3260/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 4156/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 31. August 2012 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klage betrifft Ansprüche des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg). Der Kläger bezog ab dem 21.08.2006 Alg nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) von der Beklagten, wobei er von der Agentur für Arbeit R. betreut wurde. Nachdem Poststücke an den Kläger mehrfach als nicht zustellbar zurückgekehrt waren, kam es am 28.09.2006 zu einem Kontakt des Klägers mit seinem Ansprechpartner in R ... Dabei erklärte der Kläger, er wolle ab dem 13.09.2006 seine minderjährige Tochter (geb. 28.04.2005) betreuen, und stehe daher den Vermittlungsbemühungen der Beklagten nicht mehr zur Verfügung. Den Aktenvermerk über dieses Gespräch unterzeichnete er persönlich. Die Beklagte stellte sodann mit Bescheid vom 16.10.2006 die Leistungsgewährung ab dem 13.09.2006 ein. Gegen diesen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.11.2006 richtete sich die Klage S 12 AS 343/06 vor dem Sozialgericht R., mit der Kläger Alg auch vom 13. bis 27.09.2006 verlangte. Das Sozialgericht R. wies die Klage mit Urteil vom 30.04.2008 ab, das Bayerischen Landessozialgericht wies die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers mit Beschluss vom 30.11.2009 zurück. Der Kläger meldete sich am 14.07.2008 bei der Agentur für Arbeit R. erneut arbeitslos. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 23.07.2008 die Gewährung von Alg ab, da der Kläger wegen der Betreuung der Klägerin zu 2 nicht verfügbar sei. Der Kläger meldete sich am 09.07.2010 bei der Agentur für Arbeit Regensburg erneut arbeitslos. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 12.07.2010 die Gewährung von Alg ab, da der Kläger wegen der Betreuung der Klägerin zu 2 nicht verfügbar sei. Anscheinend fragte der Kläger mit Schreiben vom 13.09.2010 wegen seines Restanspruchs auf Alg aus dem Leitungsbezug bis 2006 nach. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 23.09.2010 – ohne Rechtsbehelfsbelehrung – mit, sein restlicher Anspruch von noch 157 Tagen sei am 22.08.2010, vier Jahre nach seinem Entstehen, erloschen. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2010 als unzulässig verwarf, weil das Schreiben vom 23.09.2010 keinen Verwaltungsakt dargestellt habe. Hiergegen erhob der Kläger für sich und auch im Namen seiner Tochter Klage zum Sozialgericht R. (S 12 AL 247/10), die mit Gerichtsbescheid vom 05.09.2012 abgewiesen worden ist. Über die hiergegen eingelegte Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht (L 9 AL 280/12) nach Aktenlage noch nicht entschieden. Der Kläger war zwischenzeitlich nach Baden-Württemberg verzogen und bezieht dort mit seiner Tochter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Er meldete sich bei der nunmehr zuständigen Agentur für Arbeit am 08.09.2011 arbeitslos und beantragte Alg. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26.09.2011 ab. Der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, da er in der zweijährigen Rahmenfrist vor der Arbeitslosmeldung nicht wenigstens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig beschäftigt gewesen sei. Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger für sich und namens seiner Tochter vor, er habe sehr wohl Anspruch auf Alg. Er habe in den letzten Jahren seine Tochter betreut und seine pflegebedürftige Mutter gepflegt. Niemand habe ihn auf seine Rechte hingewiesen und keine Behörde habe mitgeteilt, wer für ihn und seine Tochter aufkommen müsse. Er werde seit langem diskriminiert, genötigt, erpresst und gehindert, insbesondere von der R. Justiz. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 zurück. Einen neuen Anspruch auf Alg habe der Kläger nicht erworben, da er nicht versicherungspflichtig tätig gewesen sei. Der Rest seines Anspruchs auf Alg ab dem 21.08.2006 sei nach vier Jahren erloschen. Mit Antrag vom 04.10.2011 hat der Kläger außerdem ein Überprüfungsverfahren hinsichtlich der früheren Bescheide der Beklagten eingeleitet. Dieser Komplex ist Gegenstand des parallel verlaufenden Klageverfahrens S 2 AL 3573/11 vor dem Sozialgericht Konstanz (SG) und Berufungsverfahrens L 3 AL 4189/12 vor dem erkennenden Senat. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 haben der Kläger und ausdrücklich auch die Klägerin am 20.11.2011 Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. In ihrem Schriftsatz vom 27.07.2012, der auch das Parallelverfahren betraf, hat er zu dem hier streitigen Komplex vorgetragen, er habe seit 2006 ununterbrochen – bis zum 10.08.2011 – seine Mutter gepflegt. Dies sei keine ehrenamtliche Tätigkeit gewesen; er habe gearbeitet. Mindestens ab dem 11.08.2011 müsse ihm daher Alg zustehen. Hierzu hat der Kläger den Betreuerausweis des Amtsgerichts R. vom 12.07.2012 vorgelegt, wonach er rechtlicher Betreuer seiner Mutter sei. In einem weiteren Schriftsatz vom 03.08.2012 hat der Kläger umfangreich zu seinem Leistungsbezug in der Grundsicherung für Arbeitsuchende und zu vermeintlichen Ansprüchen gegen das zuständige Jobcenter ausgeführt. Mit Gerichtsbescheid vom 31.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage der Klägerin sei unzulässig, da sie durch die Ablehnung des Alg-Antrags ihres Vaters nicht beschwert sei und ersichtlich als derzeit 7-jähriges Kind auch keine Ansprüche auf Alg haben könne. Die Klage des Klägers sei unbegründet. Er habe vor der nunmehrigen Arbeitslosmeldung nicht mindestens zwölf Monate sozialversicherungspflichtig gearbeitet und daher die Anwartschaftszeit nach § 118 Abs. 1 Nr. 3, § 123 Abs. 1 SGB III a.F. nicht erfüllt. Die Pflege seiner Mutter sei keine Beschäftigung im Rechtssinne gewesen. Ihr zeitlicher Umfang sei nicht bekannt. Es gebe auch keine Anhaltspunkte, dass der Kläger bei seiner Mutter angestellt gewesen sei. Der Kläger habe auch kein Arbeitsentgelt erhalten. Er habe für die Pflege auch keine Pflegezeit im Sinne des Pflegezeitgesetzes in Anspruch genommen, sodass er nicht nach § 26 Abs. 2b SGB III versicherungspflichtig gewesen sei. Auch eine Versicherungspflicht wegen der Betreuung der Tochter habe nicht vorgelegen, da dies nach § 26 Abs. 2a SGB III – unter anderem – voraussetze, dass das Kind noch keine drei Jahre alt gewesen sei. Seine Tochter sei jedoch bereits am 28.04.2005 geboren. Letztlich sei auch der nicht verbrauchte Rest des am 21.08.2006 entstandenen Anspruchs auf Alg nach vier Jahren, also vor dem Jahre 2011, erloschen. Gegen diesen, ihm am 04.09.2012 zugestellten Gerichtsbescheid haben die Kläger am 04.10.2012 per Telefax Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Er werde seit vielen Jahren systematisch schikaniert, tyrannisiert, zu Unrecht strafrechtlich verfolgt, er sei aus Regensburg und Bayern vertrieben worden. Die Kläger beantragen sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 31. August 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 26. September 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Oktober 2011 zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.09.2011 Arbeitslosengeld zu gewähren. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Zu einem Erörterungstermin am 08.11.2012, zu dem sein persönliches Erscheinen angeordnet war, ist der Kläger nicht erschienen, ohne dies zu entschuldigen oder auch nur Gründe dafür anzugeben. Der Kläger hat die Akten der Beklagten und alle Gerichtsakten am 11.12.2012 bei dem Amtsgericht Radolfzell eingesehen. Am 02.02.2013 hat der Kläger ausgeführt, der auf den 06.02.2013 angesetzte Termin zur mündlichen Verhandlung sei hinfällig, weil ihm - dem Kläger - nicht mitgeteilt worden sei, ob dieser Termin öffentlich oder nichtöffentlich sei. Es werde darauf bestanden, einen neuen Termin anzukündigen. Er - der Kläger - werde ein ärztliches Attest einreichen, wonach er am Verhandlungstag nicht verhandlungsfähig sei. Ein Attest ist nicht eingegangen. Einen zur Terminsstunde am 06.02.2013 telefonisch gestellten, nicht begründeten Befangenheitsantrag des Klägers gegen Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht S. hat der Senat ohne Beteiligung der abgelehnten Richterin in der Verhandlung durch Beschluss zurückgewiesen. Auf das Protokoll wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufungen der Kläger in regulärer Besetzung einschließlich seiner Vorsitzenden, nachdem das gegen sie gerichtete Befangenheitsgesuch durch Beschluss zurückgewiesen worden ist. Der Senat konnte trotz des Schriftsatzes des Klägers vom 02.02.2013 entscheiden. Zwar kann in jenem Schriftsatz noch ein Verlegungsantrag im Sinne von §§ 110 Abs. 1, 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 227 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) gesehen werden, denn der Kläger hat dort gebeten, ihm einen "neuen Termin anzukündigen". Einem Verlegungsantrag muss jedoch nach § 227 Abs. 1 ZPO nur stattgegeben werden, wenn ein erheblicher Grund vorliegt. Dieser muss vorgetragen sein oder für das Gericht erkennbar vorliegen (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 227 Rn. 4). Eine Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) ist nach § 227 Abs. 2 ZPO dagegen nur auf Verlangen des Vorsitzenden nötig. Der Kläger hat schon keinen Verlegungsgrund genannt, sodass eine Glaubhaftmachung nicht zu fordern war. Eine dauerhafte krankheitsbedingte Verhandlungsunfähigkeit ist nicht erkennbar und wurde vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Und dass der Kläger bei Einreichung seines Schriftsatzes vom 02.02.2013 schon wusste, dass er am 06.02.2013 akut erkrankt sein würde, ist nicht anzunehmen. Er hat auch keinen Grund für seine künftige Verhandlungsunfähigkeit genannt, auch nicht in seinem Anruf zur Terminsstunde am Verhandlungstag. Es fehlt damit an einem schlüssigen Vortrag des Klägers, weshalb er am Verhandlungstag nicht erscheinen kann. Die Berufungen beider Kläger sind zulässig (§ 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143, § 151 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) der Kläger abgewiesen. Die Klage der Klägerin ist unzulässig, denn da weder der Ablehnungsbescheid vom 26.09.2011 noch der Widerspruchsbescheid vom 18.10.2011 an sie adressiert waren, fehlt es im Verhältnis zwischen ihr und der Beklagten an einem anfechtbaren Bescheid als auch an dem nach § 78 Abs. 1 SGG ebenfalls notwendigen Vorverfahren. Hinzu kommt, worauf auch das SG zu Recht hingewiesen hat, dass der Klägerin als nicht erwerbsfähigem Kind offensichtlich keine Ansprüche auf Alg zustehen können, sodass es ihr auch an der nach § 54 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 SGG notwendigen Klagebefugnis mangelt. Die Klage des Klägers ist unbegründet. Ihm steht ab dem 01.09.2008 oder einem anderen Zeitpunkt nach seiner Arbeitslosmeldung an diesem Tag kein Anspruch auf Alg gegen die Beklagte zu. Es fehlt an den notwendigen Vorversicherungszeiten (Anwartschaft), da weder die unentgeltliche Pflege der Mutter noch die Betreuung der über 3 Jahre alten Klägerin ein Versicherungspflichtverhältnis waren, aus dem Beiträge zur Arbeitslosenversicherung abgeführt worden wären. Zutreffend hat das SG auch entschieden, dass der Rest des Alg-Anspruchs, der dem Kläger ab dem 21.08.2006 entstanden war, nach Ablauf der in § 147 Abs. 2 SGB III a.F. vorgesehenen Frist von vier Jahren erloschen ist. Wegen der Begründung im Übrigen verweist der Senat auf die Ausführungen des SG in dem angegriffenen Gerichtsbescheid (§ 153 Abs. 2 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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