L 6 RA 44/02

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 14 RA 131/99
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 6 RA 44/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2002 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten inzwischen nur noch die Vormerkung der Zeit vom 1. Juli 1940 bis zum 17. Januar 1945 als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit nach dem Fremdrentengesetz (FRG).

Der 1921 in P geborene Kläger gehört als Jude zum Personenkreis der rassisch Verfolgten im Sinne des § 1 Bundesentschädigungsgesetz (BEG). Er ist im August 1945 über I in das damalige P ausgewandert; seit dem 15. Mai 1948 besitzt er die israelische Staatsangehörigkeit.

Im April 1990 beantragte er bei der Beklagten u.a. die Anrechnung “aller Versicherungszeiten” und trug zur Begründung vor, nach dem Abitur im Frühjahr 1939 (Abiturzeugnis vom 23. Mai 1939) bis Mitte 1940 als Fotograf in dem Geschäft seines Vaters in der Stadt C/Tgegen Tarif” gearbeitet zu haben. Danach sei er von 1940 bis Mitte 1941 als Sekretär bei der Gesundheitskommission des Judenrates, von 1941 bis Oktober 1943 als Arbeiter der Metallfabrik H & Co., einem Zweigbetrieb der H G-Werke, und von November 1943 bis Januar 1945 als Arbeiter bei der Munitionsfabrik der H S Aktiengesellschaft Metallwarenfabrik, L (HASAG), P, jeweils in der Stadt C/T, tätig gewesen. Für sämtliche dieser Tätigkeiten machte er keine Angaben zu Entgelt, Sachbezügen bzw. steuerpflichtigen Einnahmen. Nach Auswertung der beigezogenen, den Kläger betreffenden Entschädigungsakte, wies die Beklagte den Kläger darauf hin, dass seine jetzigen Angaben im Widerspruch zu denen im Entschädigungsverfahren stünden, da daraus hervorginge, dass er nach der Besetzung Polens im September 1939 lediglich Zwangsarbeit geleistet habe. Hierzu erklärte der Kläger, er sei bereits seit seiner Tätigkeit im Fotostudio seines Vaters zu Zwangsarbeiten herangezogen worden. Das Geschäft seines Vaters sei im Juni 1940 enteignet worden. Im Juni 1940 sei ihm vom Judenrat eine Arbeit bei der ärztlichen Kommission zugewiesen worden, wo er hauptsächlich Büroarbeiten ausgeführt habe. Für diese Arbeit habe er ein kleines Entgelt erhalten, um sich Brot kaufen zu können. Im Anschluss merkte die Beklagte für den Kläger eine Ausfallzeit wegen Schulausbildung vom 7. Mai 1937 bis zum 23. Mai 1939 sowie eine Ersatzzeit wegen Verfolgung vom 1. Dezember 1939 bis zum 17. Januar 1945 vor; im Übrigen lehnte sie es u.a. ab, den Zeitraum von Juni 1939 bis Juni 1940 als Beschäftigungs- bzw. Beitragszeit anzuerkennen (Bescheid vom 15. Juli 1991 in der Fassung des Bescheides vom 9. Oktober 1991, jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 1992; bestätigt durch Urteil des Sozialgerichts -SG- Berlin vom 6. Oktober 1993, Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 9. Juni 1997; die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde wurde durch Beschluss des Bundessozialgerichts vom 30. Oktober 1997 als unzulässig verworfen).

Im September 1997 beantragte der Kläger, den jetzt noch streitigen Zeitraum als Beitragszeit für “geleistete Arbeitseinsätze” vorzumerken. Hierzu verwies er zur Begründung auf den entsprechenden Vortrag im vorangegangenen Verfahren und auf die Urteile des 5. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. Juni 1997 (5 RJ 66/95, SozR 3-2200 § 1248 Nr. 15, und 5 RJ 68/95, ZfS 1998, S. 19) zur Anerkennung von Arbeitszeiten im Ghetto Lals Beitragszeiten i.S.v§ 15 FRG. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe im Entschädigungsverfahren im Jahre 1954 (15. August 1954) eine Schilderung seiner Beschäftigungen abgegeben, die im deutlichen Widerspruch zu dem nunmehr behaupteten, auf die Anerkennung einer Beitragszeit abzielenden Sachverhalt stehe. Er habe damals u.a. behauptet, von März 1940 bis Ende 1942 in einer Fabrik zwangsweise für die deutschen Besatzer gearbeitet zu haben. Im Jahre 1990 habe er angegeben, während dieser Zeitspanne Tätigkeiten als Fotograf, als Sekretär und Arbeiter ausgeübt zu haben. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte vor, die seine Angaben bestätigten, bei der Firma H als Arbeiter tätig gewesen zu sein. Hinsichtlich der Tätigkeit bei der “HASAG-Munitionsfabrik” sei zu bemerken, dass es sich dabei um eine Tätigkeit gehandelt haben dürfte, während der er sich im Zwangsarbeitslager befunden haben dürfte. Seine Angaben im Entschädigungsverfahren unterstützten diese Vermutung. Auch die Angaben von Dr. R Vgemeint waren die Angaben des Klägers, die er vor einem Notar dieses Namens am 26. Juli 1956 gemacht hatte), die dieser im Entschädigungsverfahren gemacht habe, deuteten nicht auf ein freiwillig eingegangenes Beschäftigungsverhältnis hin. So habe er z.B. von einer “strengen Bewachung” des Ghettos gesprochen und mitgeteilt, dass der Weg zum Arbeitsplatz unter Bewachung der SS zurückgelegt worden sei. Da auch eine Entlohnung der Häftlinge nicht glaubhaft gemacht worden sei, lägen keinerlei Merkmale vor, die auf ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis schließen ließen (Bescheid vom 24. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1998).

Mit seiner Klage hat der Kläger nicht nur den jetzt noch geltend gemachten Anspruch verfolgt, sondern darüber hinaus die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Altersruhegeldes ab Vollendung des 65. Lebensjahres erstrebt. Zur Begründung hat er vorgetragen, der von ihm geltend gemachte Zeitraum vom 1. Juni 1940 bis zum 17. Januar 1945 sei als glaubhaft gemachte Beitragszeit anzuerkennen. Insoweit berufe er sich auf Urteile des SG Düsseldorf, das festgestellt habe, dass insoweit nur zu prüfen sei, ob es sich um Tätigkeiten gehandelt habe, die unter Hinwegdenken des nationalsozialistischen Unrechts in einer zivilisierten Gesellschaft - auch in Kriegszeiten - aufgrund einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausschließlich gegen die Zahlung von Lohn oder Gehalt ausgeübt worden wären. Die Zahlung eines Arbeitsentgelts sei dann ebenso zu unterstellen wie eine Abführung von Beiträgen zu dem jeweiligen Träger der Rentenversicherung. Insoweit werde auch auf § 14 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) hingewiesen.

Das SG Berlin hat durch Urteil vom 18. März 2002 die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Klage sei bereits mangels Bescheides unzulässig, soweit sie auf die Gewährung eines Altersruhegeldes gerichtet sei. Im Übrigen sei sie unbegründet, da die behauptete Beitragszeit bzw. Beschäftigungszeit nicht glaubhaft gemacht sei. Es fehle bereits an der Glaubhaftmachung von Beschäftigungsverhältnissen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger nur noch den Vormerkungsanspruch.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 18. März 2002 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1998 zu verurteilen, die Zeit vom 1. Juli 1940 bis zum 17. Januar 1947 als Beitrags bzw. Beschäftigungszeit nach dem Fremdrentengesetz vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der angefochtene Bescheid (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides) sei rechtens, mithin das Urteil des SG Berlin zutreffend. Die vom Kläger in Bezug genommenen Urteile des 5. Senats des BSG vom 18. Juni 1997 beträfen nicht die vorliegende Problematik, da dort keine Tätigkeiten in Zwangsarbeitslagern behandelt worden seien. Auch die zitierte Rechtsprechung des SG Düsseldorf könne nicht überzeugen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, die Rentenakte der Beklagten sowie die den Kläger betreffende Akte des Amtes für Wiedergutmachung in Saarburg Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte den Rechtsstreit aufgrund einseitiger mündlicher Verhandlung durch Urteil entscheiden, denn der Kläger ist zum Termin zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß mit dem Hinweis geladen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann.

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Der geltend gemachte Vormerkungsanspruch besteht nicht. Daher sind sowohl das Urteil des Sozialgerichts in dem zur Überprüfung gestellten Umfang als auch der angefochtene Bescheid vom 24. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1998 rechtens.

Ob die Beklagte verpflichtet ist, für den Kläger im Zeitraum vom 1. Juli 1940 bis zum 17. Januar 1945 einen Beitrags- bzw. Beschäftigungszeittatbestand vorzumerken, beurteilt sich nach dem im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats maßgeblichen Recht (BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 9 S. 50) im Verfahren nach § 149 Abs. 1, 5 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB VI - (BSG SozR 3-6180 Art. 13 S. 7 f.).

Der nach seinem Vorbringen in der Stadt C/T zurückgelegte Zeitraum beurteilt sich nach den Bestimmungen des FRG, denn diese Stadt lag im so genannten Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete. Sie gehörte zum Distrikt Radom (vgl. Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im SGB, Zwischenstaatliches Sozialversicherungsrecht, Polen, Teil C, Anhang 1, S. C 4/Mischkowsky, Die eingegliederten Ostgebiete und das Generalgouvernement, 1951, S. 91, S. 93). Das Generalgouvernement wurde durch den Erlass des “Führers und Reichskanzlers” über die Verwaltung der besetzten polnischen Gebiete vom 12. Oktober 1939 (RGBl. I 2077) errichtet. Im Gegensatz zu anderen Gebieten Polens wurde es dem Deutschen Reich zwar an-, aber nicht eingegliedert (vgl. Majer, VerwArch 1999, S. 163, S. 168 f.). Trotz vielfältiger Abhängigkeiten war das Generalgouvernement mithin dem Deutschen Reich gegenüber Ausland. Das bisher geltende Recht blieb grundsätzlich in Kraft, wurde jedoch in der Folgezeit verschiedentlich geändert (vgl. hierzu BSG SozR 3-2600 § 1248 Nr. 17).

Im Bereich der Sozialversicherung ergab sich im Wesentlichen folgenden Rechtslage: Hinsichtlich der Versicherungspflicht galten weiterhin die polnischen Sozialversicherungsgesetze fort (vgl. §§ 1 f. der Verordnung über die Sozialversicherung in den besetzten polnischen Gebieten vom 17. Oktober 1939, Verordnungsblatt für die besetzten Gebiete in Polen). Für die im Generalgouvernement beschäftigten deutschen Staatsangehörigen wurden allerdings durch die Verordnung über die Sozialversicherung der deutschen Staatsangehörigen im Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete vom 17. Juni 1940 rückwirkend zum 1. Oktober 1939 - mit gewissen Abweichungen - die Vorschriften der Reichsversicherung eingeführt. Dieser Personenkreis erweiterte sich später um Angehörige des Protektorats Böhmen und Mähren sowie Ausländer (vgl. zu den einzelnen Rechtsgrundlagen BSG, a.a.O., S. 67 f.).

Als polnischer Staatsangehöriger, der nach damaliger deutscher Rechtsauffassung sogar als staatenlos angesehen wurde, unterlag der Kläger bei der Ausübung einer abhängigen Beschäftigung nicht den Reichsversicherungsgesetzen. Anders als für den ehemaligen Reichsgau Warteland sind für das Generalgouvernement auch keine Regelungen ersichtlich, durch die ein ursprünglich den polnischen Sozialversicherungsgesetzen unterfallendes Versicherungsverhältnis später in die Reichsversicherung überführt worden sein könnte. Aus heutiger Sicht erscheint es nicht möglich, den Kläger dem Personenkreis gleichzustellen, für den seinerzeit bei einer Beschäftigung im Generalgouvernement die Reichsversicherungsgesetze galten. Wenn damals auf polnische Versicherte die polnischen Sozialversicherungsgesetze anwendbar blieben, so liegt darin entgegen der Auffassung, die das SG D in seinem Urteil vom 23. März 2000 () vertreten hat, keine gegen fundamentale Prinzipien der Gerechtigkeit verstoßende Behandlung, deren Fortwirkung im derzeitigen Recht verhindert werden müsste. Dabei ist vor allem zu berücksichtigen, dass diese Regelung die gesamte polnische Bevölkerung, also nicht nur deren jüdischen Teil, betraf. Soweit für diesen Personenkreis leistungsrechtliche Einschränkungen vorgenommen wurden, wirken diese sich heute nicht mehr aus (vgl. BSG, a.a.O., S. 68).

Der Kläger erfüllt auch nicht die Voraussetzungen zur Berücksichtigung von Versicherungszeiten gemäß §§ 15, 16 FRG. § 15 Abs. 1 Satz 1 FRG sieht vor, dass Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleichstehen. Nach Maßgabe des § 16 FRG gilt entsprechendes für Beschäftigungszeiten im Vertreibungsgebiet. Wie bereits das SG kann auch der Senat offen lassen, ob die für die Anwendung der persönlichen Anrechnungsvoraussetzungen sowohl des § 20 WGSVG als auch des § 17 a FRG erforderliche (ehemalige) Zugehörigkeit zum deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) im vorliegenden Fall bejaht werden kann. Denn selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger zu den maßgebenden Stichtagen nach den vorgenannten Vorschriften dem dSK angehört hat, sind die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 15, 16 FRG nicht erfüllt.

Gemäß § 15 Abs. 1 FRG kommt es darauf an, ob nach dem seinerzeit im Generalgouvernement geltenden Recht eine Beitragszeit zurückgelegt worden ist. Nach § 15 Abs. 3 FRG stehen Zeiten einer Beschäftigung, die bei ihrer Zurücklegung nach dem zu dieser Zeit geltenden Recht als Beitragszeiten im Sinne des Absatzes 1 anrechnungsfähig waren und für die an einen Träger eines Systems der sozialen Sicherheit (vgl. § 15 Abs. 2 FRG) Beiträge nicht entrichtet worden sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich, soweit für sie nach Bundesrecht Beiträge zu zahlen gewesen wären. § 16 Abs. 1 Satz 2 FRG erfordert, dass die Beschäftigung nach dem am 1. März 1957 geltenden Bundesrecht Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach sich gezogen hätte, wenn sie im Bundesgebiet verrichtet worden wäre.

Der danach bedeutsame unbestimmte Rechtsbegriff der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Sinne des deutschen Sozialversicherungsrechts ist durch die Rechtsprechung des BSG gerade in Bezug auf Arbeiten, die während eines Ghettoaufenthalts verrichtet worden sind, näher konkretisiert worden. Danach ist eine von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmte Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, von nichtversicherungspflichtiger Zwangsarbeit abzugrenzen. Diese Merkmale sind auch in Anbetracht der in einem Ghetto herrschenden Umstände nationalsozialistischer Gewaltherrschaft unverzichtbar (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1248 Nr. 16; BSG SozR 3-5070 § 14 Nr. 3). Es besteht kein Anlass mit der vom Kläger in Bezug genommenen Rechtsprechung des SG Düsseldorf angesichts der besonderen Verhältnisse im damaligen Generalgouvernement von dieser Rechtsprechung abzuweichen (BSG SozR 3-2200 § 1248 Nr. 17 S. 71). Eine versicherungspflichtige Beschäftigung ist nach der Rechtsprechung des BSG nur zu bejahen, wenn der Betroffene aus eigenem Willensentschluss ein konkretes Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis eingegangen ist, er tatsächlich die von ihm auf der Grundlage des mit dem Arbeitgeber geschlossenen Vertrages geforderte Arbeit geleistet hat und ihm dafür im Austausch eine Gegenleistung als Bar- oder Sachlohn gewährt worden ist. Eine Automatik dergestalt, dass allein aus dem bloßen Aufenthalt in einem Ghetto auf das Zustandekommen und Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses geschlossen werden könnte, gibt es nicht. Dabei reicht für die Feststellung der nach dem FRG erheblichen Tatsachen die Glaubhaftmachung aus (§ 4 Abs. 1 Satz 1 FRG). Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache nur dann, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (§ 4 Abs. 1 Satz 2 FRG), d.h. mehr dafür als dagegen spricht.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist, bezogen auf die vom Kläger behaupteten Lebenssachverhalte in der Zeit vom 1. Juli 1940 bis zum 17. Januar 1945 die Glaubhaftmachung eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht gelungen.

Ausgangspunkt jeder Glaubhaftmachung ist eine nachvollziehbare und schlüssige Sachdarstellung des Klägers. Eine solche gewinnt gerade bei lange zurückliegenden Sachverhalten Bedeutung, bezüglich derer sonstige Erkenntnisquellen weitgehend fehlen. Dabei sind an Genauigkeit und Vollständigkeit wegen des Zeitablaufs, und da Ziel des Verfahrens die Glaubhaftmachung ist, keine übersteigerten Anforderungen zu stellen. Es ist aber zumindest zu verlangen, dass die Angaben im Wesentlichen widerspruchsfrei sind, bezüglich offensichtlich erheblicher (anderweitig bekannter) Tatsachen keine groben Auslassungen enthalten und zumindest den zeitlichen Ablauf der behaupteten Vorgänge zutreffend wiedergeben. Diese Sachdarstellung muss im weiteren Verfahren durch Zeugen und unter Einbeziehung allgemeinkundiger sowie ansonsten - etwa aus den Entschädigungsakten - bekannter Sachverhaltsumstände eine zur Glaubhaftmachung des behaupteten Sachverhalts in einer Gesamtwürdigung ausreichende Bestätigung erfahren.

Hier fehlt es bereits an der Darlegung eines Sachverhaltes, der - wenn er im Weiteren glaubhaft gemacht wäre - die Merkmale enthält, die für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses entscheidend sind (s.o. Freiwilligkeit, Entgeltlichkeit). Vielmehr hat der Kläger sich sowohl im Verwaltungs- als auch im Gerichtsverfahren darauf beschränkt, die - wie bereits ausgeführt unzutreffende - Rechtsbehauptung aufzustellen, es reiche aus, wenn er während dieses Zeitraums Tätigkeiten verrichtet habe, die unter Hinwegdenken des nationalsozialistischen Unrechts in einer zivilisierten Gesellschaft aufgrund einer Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gegen Zahlung von Lohn und Gehalt ausgeübt worden wäre; damit wird im Grunde eingeräumt, dass während des streitigen Zeitraums die tatsächlichen Voraussetzungen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht erfüllt waren. Dies wird in Bezug auf den geltend gemachten Zeitraum durch die Angaben des Klägers im Entschädigungsverfahren bestätigt. Dort hat er - wie sowohl von der Beklagten als auch vom SG zutreffend herausgestellt worden ist - in einer eidesstattlichen Versicherung vom 15. August 1954 angegeben, im März 1940 in das Ghetto Czestochowa eingewiesen worden zu sein, wo er in einer Fabrik habe arbeiten müssen, die die Deutschen aus einer Baubeschlagfabrik in eine Rüstungsfabrik umgebaut hätten. Von Ende 1942 an habe er dann bei der HASAG arbeiten müssen, bis er dann am 17. Januar 1945 im Zwangsarbeiterlager Czestochowa befreit worden sei. Dem entspricht auch die Darstellung des Klägers in seinem Antrag, den Schaden an Körper oder Gesundheit betreffend, er habe während seiner Verfolgungszeit sowohl im Ghetto als auch dann im Zwangsarbeitslager schwere Zwangsarbeit leisten müssen, bei der er Misshandlungen der Aufseher ausgesetzt gewesen sei. Abgesehen davon, dass sich aus diesen Schilderungen nicht ergibt, dass der Kläger zu irgendeinem Zeitpunkt als Sekretär beschäftigt war, zeigen sie in aller Deutlichkeit, dass er zu den während dieser Zeitspanne tatsächlich verrichteten Tätigkeiten zwangsweise herangezogen wurde. Dies wird auch in den Erklärungen der im Entschädigungsverfahren gehörten Zeugen R und Ibestätigt; sie enthalten ebenfalls keine Hinweise, dass der Kläger unter Bedingungen gearbeitet hat, die eine rechtliche Einordnung als Beschäftigungsverhältnis erlauben könnten.

Die Entscheidung des Senates konnte ohne Beiladung der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergehen. Obwohl es sich bei ihr mit Blick auf die vom Kläger in zeitlicher Hinsicht zuletzt geltend gemachte Vormerkung einer Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit in der Arbeiterrentenversicherung sowohl um den sachlich als auch den örtlich zuständigen Rentenversicherungsträger handelt, können Rechte der LVA wegen des Ausgangs des Verfahrens - hier: Unbegründetheit der Klage bzw. der Berufung - schlechthin nicht berührt werden, weil sie weder verfahrensrechtlich noch materiellrechtlich durch die getroffene Entscheidung benachteiligt werden kann (vgl. BSG SozR 3-2200 § 368 n Nr. 6 S. 12).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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