Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 SB 254/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 SB 23/09
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum Streitgegenstand und zum maßgeblichen Zeitpunkt bei einer Entscheidung gemäß § 48 SGB X betreffend die Herabsetzung des GdB nach Eintritt der Heilungsbewährung.
2. Die Zulassung einer Klageänderung durch das Sozialgericht bindet das Berufungsgericht gemäß § 99 Abs. 4 SGG. Auf die Frage, ob die Klageänderung und/oder die geänderte Klage zulässig gewesen sind, kommt es nicht an.
3. Zur Bildung des Gesamt-GdB
2. Die Zulassung einer Klageänderung durch das Sozialgericht bindet das Berufungsgericht gemäß § 99 Abs. 4 SGG. Auf die Frage, ob die Klageänderung und/oder die geänderte Klage zulässig gewesen sind, kommt es nicht an.
3. Zur Bildung des Gesamt-GdB
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Herabsetzung des Grads der Behinderung (GdB) gemäß § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) von 50 auf 30 nach Eintritt der Heilungsbewährung berechtigt gewesen ist und ob sich nach der Herabsetzung die gesundheitlichen Verhältnisse so verschlechtert haben, dass wieder ein GdB von mindestens 50 festzustellen ist.
Bei im Jahr 1953 geborenen Klägerin war mit Bescheid vom 23.11.2001 wegen Erkrankung der Brust links (in Heilungsbewährung) ein GdB von 50 festgestellt worden. Nach Eintritt der Heilungsbewährung stellte der Beklagte den GdB mit Bescheid vom 03.11.2006 mit 30 fest. Berücksichtigt wurden nunmehr:
- Funktionsbehinderung des Schultergelenks links, Brachialgie, rezidivierende Gesichtsschwellung nach brusterhaltender Therapie links (Einzel-GdB 20),
- depressives Syndrom (Einzel-GdB 20).
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2006 Widerspruch ein mit der Begründung, ein GdB von 30 entspreche nicht den tatsächlichen Gesundheitsstörungen.
Eine Auswertung vorgelegter ärztlicher Unterlagen durch den versorgungsärztlichen Dienst am 21.03.2007 ergab folgende Bewertungen:
- Atypischer Gesichtsschmerz, rezidivierende Gesichtsschwellung nach brusterhaltender Therapie links, depressives Syndrom (Einzel-GdB 30),
- Funktionsbehinderung des Schultergelenkes links, Brachialgie (Einzel-GdB 10),
- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Wirbelsäulenverformung und muskulären Verspannungen (Einzel-GdB 10).
Der Gesamt-GdB betrage 30.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 05.06.2007 hat die Klägerin Klage zum Sozialgerichts Augsburg erhoben. Der Gesichtsschmerz infolge der brusterhaltenden Therapie sei - so die Bevollmächtigte in der Klagebegründung vom 17.09.2007 - mit einem Einzel-GdB von 30 zu niedrig bewertet. Die Klägerin habe ständig Kiefer- und Gesichtsschmerzen, zudem ständig Druckschmerzen und ein Ziehen zu den Ohren. Im Laufe des Tages werde der Oberkiefer pelzig. Sie habe auch im hinteren rechten Oberkiefer einen bohrenden Schmerz. Die Beeinträchtigungen infolge der brusterhaltenden Therapie seien mit einem Einzel-GdB von 10 zu niedrig bewertet. Die Klägerin habe beim Drehen Schmerzen im Brustbereich. Auch seien die psychischen Beeinträchtigungen nicht berücksichtigt worden. Sie leide an Angststörungen, Schlafstörungen, Unruhe und Nervosität sowie einem dauernden Pfeifton im Ohr. Seit 2003 habe sie unregelmäßig Schwindelgefühle.
Nach Einholung von Befundberichten hat Frau Dr. F. am 12.02.2008 im Auftrag des Gerichts ein nervenärztliches Gutachten erstellt. Die Gesundheitsstörungen der Klägerin seit November 2006 bis zur Begutachtung seien - so die Sachverständige - mit einem Gesamt-GdB von 30 zu bewerten. Wegen des atypischen Gesichtsschmerzes und der mittelgradig depressiven Episode sei ein Einzel-GdB von 30 im Sinne einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit anzunehmen. Darunter zu subsumieren seien auch der Tinnitus und der Schwindel. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu beurteilen, genauso die Funktionsbehinderung des Schultergelenks. Ab der Untersuchung sei wegen des atypischen Gesichtsschmerzes, der somatoformen Schmerzstörung und einer mittelgradig bis schweren depressiven Episode bei mittlerweile auch Therapieresistenz auf viele Behandlungen von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen und hierfür ein Einzel-GdB von 40 inklusive Tinnitus und Schwindel anzusetzen. Die Höherbewertung sei damit zu begründen, dass sich mittlerweile trotz regelmäßiger nervenärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung kein gebessertes, sondern eher ein zunehmend depressives Zustandsbild ergeben habe. Die übrigen Funktionsbehinderungen seien unverändert, so dass ab der Untersuchung ein Gesamt-GdB von 40 anzunehmen sei.
Die Klägerin hat ihre Beschwerden in diesem Gutachten nicht ausreichend berücksichtigt gesehen. Ein dem Ergebnis des Gutachtens entsprechendes Vergleichsangebot des Beklagten hat die Klägerin nicht angenommen.
Am 08.08.2008 hat der HNO-Arzt Dr. W. ein Gutachten erstellt. Einen krankhaften Befund im HNO-Bereich hat er nicht objektivieren können. Der Tinnitus scheine zumindest weitgehend kompensiert zu sein und sei allenfalls mit einem GdB von 5 zu bewerten.
Gegen dieses Gutachten hat die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 30.09.2009 eingewandt, dass bei der Klägerin ein monosymptomatischer Morbus Menière vorliegen dürfte, wie dies auch der behandelnde Arzt vermute.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.12.2008 ist der Beklagte verurteilt worden, in Abänderung des Bescheides vom 03.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2007 gemäß Vergleichsangebot des Beklagten vom 15.04.2008 ab dem 07.02.2008 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
Am 06.02.2009 hat die Bevollmächtigte der Klägerin Berufung eingelegt. Die bei ihr vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen würden einen GdB von 50 begründen. Unter anderem hat sie vorgetragen, die bei der Klägerin vorliegende Symptomatik sei mit einem Morbus Menière zu vereinbaren, der mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Auch sei die Klägerin bei der Ausübung sozialer Kontakte erheblich eingeschränkt. Unter Mobilisierung aller Kräfte arbeite sie nur noch Teilzeit und lebe stark zurückgezogen. Sie habe beidseitig Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk mittleren Grades, welche einen GdB von 40 rechtfertigen würden. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei erheblich.
Auf Antrag der Klägerin hat der HNO-Arzt Prof. Dr. G. am 25.08.2009 ein Gutachten erstellt. Der Sachverständige ist bei Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin eine Menière sche Erkrankung rechts vorliege. Diese sei mit einem GdB von 10 einzuschätzen. Insgesamt betrage der GdB 50.
Mit Schreiben vom 03.12.2009 hat sich die Bevollmächtigte der Klägerin dahingehend geäußert, dass bei der Klägerin beidseitig Kniebeschwerden mit Bewegungseinschränkungen mittleren Grades gegeben seien, welche einen GdB von 40 begründen würden. Sofern - wie vom Beklagten und vom Gericht - die Ansicht vertreten werde, dass ein Morbus Menière mit einem Einzel-GdB von 10 den Gesamt-GdB nicht erhöhe, sei dies falsch. Warum von den Feststellungen des HNO-ärztlichen Gutachters mit einem GdB von 50 abgewichen werden sollte, sei nicht nachvollziehbar. Offensichtlich werde verkannt, dass bei der Beurteilung des Gesamt-GdB die ärztliche Gesamtschau beachtet werden müsse. Dies bedeute, dass auch ein Behinderungsgrad von 10 hinzugefügt werden müsse.
Im Auftrag des Gerichts hat der Dr. H. am 30.04.2010 ein Gutachten erstellt. Der Gutachter ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wirbelsäulenproblematik geringe funktionelle Auswirkungen habe und daher mit einem Einzel-GdB von 10 einzuschätzen sei, die Funktionsstörung der linken Schulter mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei und die Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks einen Einzel-GdB von 10 bedinge. Der Gesamt-GdB betrage nach wie vor 40 und werde durch die erhöhte Einschätzung der Schulterproblematik nicht weiter erhöht.
Am 19.06.2011 hat der Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin und Allgemeinmedizin C. auf Antrag der Klägerin ein Gutachten erstellt. Dabei ist er zu der gleichen Einschätzung wie der Vorgutachter Dr. H. gekommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.12.2008 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Änderungsbescheids vom 03.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2007 zu verurteilen, einen GdB von 50 anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Augsburg beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Entscheidung des Sozialgerichts, der Klage nur insofern stattzugeben, als der GdB ab dem 07.02.2008 nicht mehr nur 30, sondern 40 beträgt, ist nicht zu beanstanden. Ein höherer GdB als 40 ist bis heute nicht nachgewiesen.
1. Streitgegenstand
1.1. Anfechtungsklage
Streitgegenstand ist zunächst die mit Bescheid vom 03.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2007 getroffene Entscheidung des Beklagten, nach Eintritt der Heilungsbewährung den GdB von 50 auf 30 herabzusetzen, die mit der Anfechtungsklage angegriffen wird. Bei dieser Entscheidung gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil sich der Regelungsgehalt des Herabsetzungsbescheids im teilweisen Entzug des vormals festgestellten GdB erschöpft und keine darüber hinausgehende Dauerwirkung hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG - Urteile vom 07.12.1983, Az.: 9a RV 26/82, vom 23.06.1993, Az.: 9/9a RVs 1/92; und vom 15.08.1996, Az.: 9 RVs 10/94). Die Frage, ob die Herabsetzung rechtmäßig ist, beurteilt sich daher nicht nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz, sondern nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (vgl. BSG, Urteile vom 20.04.1993; Az.: 2 RU 52/92, vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RVs 2/92 und vom 10.09.1997, Az.: 9 RVs 15/96). Würde der maßgebliche Zeitpunkt hingegen auf die letzte mündliche Verhandlung verlegt, würde dies dazu führen, dass behauptete oder während des Gerichtsverfahrens tatsächlich eingetretene Änderungen in den gesundheitlichen Verhältnissen des Behinderten zu immer neuen Ermittlungen Anlass gäben und den Abschluss des Gerichtsverfahrens in zahlreichen Fällen erheblich verzögern würden. Dies sieht das BSG als unvertretbar an (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.1996, Az.: 9 RVs 5/95). Änderungen in den Verhältnissen, die während der Anhängigkeit einer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung eines die Schwerbehinderung feststellenden Verwaltungsaktes eingetreten sind, sind daher grundsätzlich rechtlich unbeachtlich (vgl. BSG vom 15.08.1996, Az.: 9 RVs 10/94).
1.2. Verpflichtungsklage
Zum weiteren Streitgegenstand ist infolge einer Klageänderung im Verfahren vor dem Sozialgericht gemäß § 99 SGG auch die Frage geworden, ob sich nicht seit Erlass des Herabsetzungsbescheids weitere Änderungen ergeben haben, die wieder einen höheren GdB begründen würden; dabei handelt es sich um eine Verpflichtungsklage. Wie schon dem Tenor des sozialgerichtlichen Gerichtsbescheids vom 19.12.2008 zu entnehmen ist, ist das Sozialgericht zumindest konkludent von der Zulässigkeit der Klageänderung und der Zulässigkeit der geänderten Klage ausgegangen. An diese Zulassung der Klageänderung ist der Senat gemäß § 99 Abs. 4 SGG gebunden (vgl. BSG, Beschluss vom 04.05.1999, Az.: B 2 U 89/98 B, Urteil vom 09.11.2010, Az.: B 2 U 14/10 R). Auf die Frage, ob das Sozialgericht die Klageänderung zulassen hätte müssen oder - wofür Vieles spricht - eine Klageänderung wegen fehlender Sachdienlichkeit hätte ablehnen können, kommt es daher nicht an. Auf die Frage, ob die geänderte Klage nicht unzulässig gewesen wäre, da überhaupt kein Bescheid, der Gegenstand einer Klage hätte werden können, vorgelegen hat, kommt es ebenfalls nicht an.
2. Zur Anfechtungsklage
Die Anfechtungsklage ist unbegründet, da die Herabsetzung des GdB mit Bescheid vom 03.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2007 rechtmäßig war. Der Beklagte hat den GdB im A. 2007, dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Anfechtungsklage, zutreffend mit 30 bewertet.
Rechtsgrundlage des mit der Klage angefochtenen Bescheids ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Bei Feststellungsbescheiden nach § 69 Abs. 1 SGB IX handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. - noch zum Schwerbehindertengesetz - BSG, Urteil vom 19.09.2000, Az.: B 9 SB 3/00 R). Eine Aufhebung ist dabei nur insoweit zulässig, als eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung (oder Verschlechterung) der Behinderung eine Herabsetzung (oder Erhöhung) des GdB um wenigstens 10 ergibt. Handelt es sich bei den festgestellten Behinderungen um solche, bei denen - wie dies bei Krebserkrankungen der Fall ist - der GdB wegen der Art der Erkrankung zunächst höher festgestellt worden ist, als es die tatsächlichen Funktionseinschränkungen erfordern, liegt eine Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 48 SGB X auch dann vor, wenn bei der der Feststellung des GdB zugrunde liegenden Erkrankung die Zeit der sogenannten Heilungsbewährung ohne das Auftreten eines Rezidivs abgelaufen ist.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung und des GdB ist § 69 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit den seit dem 01.01.2009 maßgeblichen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung. Die VG haben die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) abgelöst, die für die Zeit vor dem 01.01.2009 weiterhin als antizipierte Sachverständigengutachten beachtlich sind (vgl. BSG, Urteile vom 18.09.2003, Az.: B 9 SB 3/02 R, und vom 24.04.2008, Az.: B 9/9a SB 10/06 R; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.03.1995, Az.: 1 BvR 60/95). Die VG sind - wie schon zuvor die AHP - ein auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhendes Regelwerk, das die möglichst gleichmäßige Anwendung der Bewertungsmaßstäbe im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes bezweckt und dem Ziel des einheitlichen Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung dient.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass im Gesundheitszustand der Klägerin im Vergleich zu den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem bestandskräftigen Bescheid vom 23.11.2001 zugrunde gelegen haben, durch den rezidivfreien Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung von fünf Jahren eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Dies rechtfertigt bei Berücksichtigung der Vorgaben der VG, die insofern mit den Vorgaben der AHP für die hier vorliegenden Gesundheitsstörungen übereinstimmen, die Herabsetzung des GdB auf 30 (wegen der Übereinstimmung von VG und AHP werden im Folgenden nur die VG zitiert).
Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf die überzeugenden und nachvollziehbar begründeten Gutachten der nervenärztlichen Sachverständigen Dr. F. und des Orthopäden Dr. H ... Beide Gutachter haben die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und in Übereinstimmung mit den zu beachtenden Vorgaben der VG zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen. Weiter stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. G., soweit dieser die auf HNO-ärztlichem Fachgebiet bestehende Erkrankung würdigt.
Im Einzelnen ist zu den jeweiligen Gesundheitsstörungen und deren Bewertung Folgendes festzuhalten:
2.1. Atypischer Gesichtsschmerz, somatoforme Schmerzstörung, depressive Erkrankung
Der Einzel-GdB beträgt hierfür 30.
Der Hausarzt der Klägerin hat im September 2006 von einer depressiven Entwicklung berichtet. Von nervenärztlicher Seite ist erstmals im Januar 2007 ein atypischer Gesichtsschmerz und eine mittelgradige depressive Episode angegeben worden. Nach den damaligen Berichten ist die Klägerin noch in der Lage gewesen, ihre Alltagsaktivitäten zu entwickeln.
Wegen des atypischen Gesichtsschmerzes und der mittelgradig depressiven Episode ist, wie die Sachverständige Dr. F. überzeugend ausgeführt hat, von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen. Diese psychische Erkrankung ist, wie die Gutachterin in Übereinstimmung mit den VG (vgl. dort Teil B Nr. 3.7) festgestellt hat, mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Dass die Sachverständige - zu diesem Zeitpunkt zutreffend, da der Nachweis des Morbus Menière noch nicht geführt war, wie Prof. Dr. G. ausdrücklich ausgeführt hat - den Tinnitus und den Schwindel dem Erkrankungskomplex "atypischer Gesichtsschmerz, somatoforme Störung, depressive Erkrankung" zugeordnet hat, stellt den von der Sachverständigen angenommenen GdB von 30 nicht als zu hoch infrage. Denn der Tinnitus und der Schwindel können, wie sich auch aus der Bewertung des Prof. Dr. G. ergibt, keinen entscheidenden Einfluss auf die Bewertung des GdB mit 30 gehabt haben.
2.2. Morbus Menière (Schwindel, Tinnitus)
Der Einzel-GdB beträgt hierfür 10.
Nach den Ausführungen des Prof. Dr. G., auf die sich der Senat bezüglich der Feststellung und Bewertung des Morbus Menière stützt, kann vom Vorliegen eines Morbus Menière auch schon im Jahr 2006 ausgegangen werden. Der Sachverständige hat erstmals die vorher nur als Verdachtsdiagnose benannte Erkrankung aufgrund der Vorgeschichte und der erhobenen Befunde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen können. Den GdB für diese Erkrankung, die neben den Anfällen mit Schwindel auch einen Tinnitus umfasst, hat er bei Berücksichtigung der Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 5.3) mit 10 zutreffend bewertet. Dieser Einschätzung folgt der Senat.
2.3. Linkes Schultergelenk, Brachialgie
Der Einzel-GdB beträgt hierfür großzügig bewertet 20.
Der Sachverständige Dr. H. hat zwar seiner Beurteilung im Wesentlichen den Zustand der Klägerin zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im Jahr 2010 zugrunde gelegt. Dieser Zustand dürfte weitgehend dem im A. 2007 entsprechen. Jedenfalls war der gesundheitliche Zustand der Klägerin im A. 2007 keinesfalls schlechter als im Jahr 2010, da die Klägerin und ihre Bevollmächtigte durchweg eine Verschlechterung der gesundheitlichen Beschwerde der Klägerin vortragen haben.
Zugunsten der Klägerin davon ausgehend, dass der Zustand bei der Begutachtung durch Dr. H. auch schon im A. 2007 vorgelegen hat, ist von einer freien Beweglichkeit der rechten Schulter auszugehen. Bei der linken Schulter hat die Klägerin Schmerzen ab einer Anhebung von 70 Grad angegeben, wobei die Anhebung selbst bei der Untersuchung durch Dr. H. bis 100 Grad durchführbar gewesen ist. Unter Beachtung der Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.13) lässt sich dafür nur bei großzügiger Betrachtung und besonderer Berücksichtigung der Schmerzangaben der Klägerin und einer Muskelschwäche ein GdB von 20, der grundsätzlich erst ab einer Beschränkung der Armhebung bis zu 90 Grad vorgesehen ist, begründen.
2.4. Wirbelsäule
Der Einzel-GdB beträgt hierfür 10.
Nach den überzeugenden und übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. F. und Dr. H. ist die Entfaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule normal, die Rotation der Halswirbelsäule nur leicht eingeschränkt. Sensomotorische Defizite sind nicht festzustellen. Die Einschätzung der Sachverständigen, dass dafür ein GdB von 10 anzusetzen sei, steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.9); der Senat macht sich diese Einschätzung zu eigen. Mehr als geringe funktionelle Auswirkungen sind bei der Klägerin nicht nachgewiesen.
2.5. Knie
Der Einzel-GdB beträgt hierfür großzügig bewertet 10.
Nach den überzeugenden Feststellungen des Dr. H. ist die Kniebeugung lediglich links und auch nur diskret gemindert. Ein funktionelles Defizit hat der Sachverständige nicht feststellen können. Ein eindeutiger Gelenkerguss, der zumindest einen Reizzustand belegen würde, hat nicht vorgelegen. Die Annahme eines GdB von 10 ist angesichts der Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.14) als ausgesprochen großzügig zu beurteilen und kann nur durch eine Berücksichtigung der von der Klägerin gemachten überdurchschnittlichen Schmerzangaben begründet werden.
2.6. Krebserkrankung
Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist für die rezidivfrei überstandene Krebserkrankung kein eigener GdB mehr anzusetzen.
2.7. Gesamt-GdB
Der Gesamt-GdB beträgt 30.
Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. F ... Diese stehen in Übereinstimmung mit den Feststellungen aller anderen Gutachter mit Ausnahme des Prof. Dr. G ... Der Senat macht sich die Bewertung der Sachverständigen zu eigen; diese Einschätzung ist nachvollziehbar und überzeugend. Sie steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG.
Nach den VG verbieten sich bei der Ermittlung des Gesamt-GdB jegliche Rechenmethoden. Insbesondere ist eine Addition der Werte für die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen unzulässig. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (vgl. VG Teil A Nr. 3 a). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der am höchsten bewerteten Gesundheitsstörung auszugehen. Anschließend ist im Hinblick auf die weiteren vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit dadurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (vgl. VG Teil A Nr. 3 c; BSG, Urteil vom 02.12.2010, Az.: B 9 SB 4/10 R). Von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. VG Teil A Nr. 3 d ee). Dies gilt umso eher, wenn die funktionelle Störung nur mit einem "schwachen" GdB von 20 zu beurteilen ist (vgl. Landessozialgericht - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2010, Az.: L 6 SB 187/09, wobei das LSG Nordrhein-Westfalen in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass ein "schwacher" GdB von 20 grundsätzlich nicht in die Gesamt-GdB-Bildung einfließen kann).
Ausgangspunkt ist vorliegend die mit einem Einzel-GdB von 30 bewertete Gesundheitsstörung "atypischer Gesichtsschmerz, somatoforme Schmerzstörung depressive Erkrankung". Die weiter vorliegenden Einzel-GdB von 10 haben für den Gesamt-GdB keine Bedeutung. Auch der Einzel-GdB von 20 für die Schulterbeschwerden ist für den Gesamt-GdB ohne Bedeutung. Dies hat der Sachverständige Dr. H. ausdrücklich festgehalten. Der Senat folgt dieser Einschätzung. Denn mit den Schulterbeschwerden liegt eine funktionelle Beeinträchtigung vor, die nur mit einem schwachen Einzel-GdB von 20 bewertet werden kann.
Der Annahme des Gutachters Prof. Dr. G., dass der Gesamt-GdB mehr als 30 betrage, kann sich der Senat nicht anschließen. Zum einen bezieht sich die Annahme dieses Gutachters, der Gesamt-GdB betrage 50, eindeutig erst auf die Zeit ab der erneut eingetretenen Verschlechterung, d.h. ab dem 07.02.2008, nicht aber auf die Zeit davor. Die Bewertung des GdB mit 50 (ab dem 07.02.2008) lässt aber den Schluss zu, dass Prof. Dr. G. für die Zeit vor Februar 2008 von einem GdB von 40 ausgeht, da er die Ansicht zu vertreten scheint, dass der für den Morbus Menière anzunehmende Einzel-GdB von 10 zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führe. Der Sachverständige Prof. Dr. G. legt damit offensichtlich seiner Einschätzung des Gesamt-GdB eine Additionsmethode zugrunde, die in Widerspruch zu den Vorgaben der VG steht, und trifft eine Einschätzung unter eklatantem Verstoß gegen die Vorgaben in den VG (vgl. dort Teil A Nr. 3 d ee). Irgendwelche Gründe, warum es sich um einen ganz seltenen Ausnahmefall handeln sollte, in dem auch ein Einzel-GdB von 10 erhöhend auf den Gesamt-GdB wirkt, hat weder der Sachverständige angeführt noch sind sie ersichtlich.
3. Zur Verpflichtungsklage
Gegenüber dem für die Anfechtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt hat sich zwischenzeitlich eine Verschlechterung nur auf nervenärztlichem Fachgebiet ergeben, die eine Erhöhung des GdB auf 40 begründet. Dieser Änderung hat das Sozialgericht im Gerichtsbescheid vom 19.12.2008 zutreffend Rechnung getragen. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 besteht aber nicht. Ein GdB von 50 oder mehr ist nicht nachgewiesen. Auch hier stützt sich der Senat - wie bei der Anfechtungsklage - auf die Feststellungen der oben genannten Sachverständigen.
Der bei der Klägerin im Rahmen der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. F. festgestellte Gesundheitszustand ist nach der Überzeugung des Senats mit einer Höhe von 40 zutreffend bewertet; die Voraussetzungen für einen höheren GdB als 40 sind auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 17.07.2012, dem für die Verpflichtungsklage maßgeblichen Zeitpunk, nicht nachgewiesen.
Die Sachverständige Dr. F. hat die Verschlechterung damit begründet, dass sich trotz regelmäßiger nervenärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung kein gebessertes, sondern eher ein zunehmend depressives Zustandsbild ergeben habe. Von daher hat sie es für gerechtfertigt gehalten, den von den VG (vgl. dort Teil B Nr. 3.7) eröffneten Ermessensspielraum der stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit 40 voll auszuschöpfen. Der Senat macht sich diese überzeugend begründete Einschätzung zu eigen.
Der Gesamt-GdB beträgt bei Berücksichtigung der Verschlechterung des Gesundheitszustands 40. Der vom Sachverständigen Prof. Dr. G. angenommene Gesamt-GdB von 50 ist nicht begründbar (vgl. die Ausführungen oben unter Ziff. 2.7)
4. Zu den Einwänden der Klägerin
Gegen die ganz eindeutige Gutachtenslage hat die Klägerin immer wieder versucht, mit Argumenten zu operieren, die zum großen Teil abwegig und wegen der darin enthaltenen Verzerrung der Realität inakzeptabel sind:
Die Bevollmächtigte der Klägerin beanstandet am Gutachten von Dr. F. sinngemäß, dass diese Sachverständige die Beeinträchtigung der Klägerin durch den Tinnitus verharmlost habe. Dem kann der Senat nicht folgen. Vielmehr hat sich die Sachverständige auf die Angaben der Klägerin bei der Begutachtung gestützt. Wenn die Bevollmächtigte anschließend versucht, die Beschwerden zur Erreichung des Klageziels schlimmer darzustellen, als dies die Klägerin in der Begutachtungssituation gemacht hat, ist dies unbehelflich. Die Angaben der Bevollmächtigten erscheinen dem Senat auch deshalb fragwürdig, weil die Klägerin selbst bei weiteren Begutachtungen die Beeinträchtigung durch den Tinnitus nicht als besonders ausgeprägt dargestellt hat. Auch die weiteren Gutachter, darunter der von der Klägerin selbst benannte HNO-ärztliche Sachverständige, haben im Übrigen eine maßgebliche Beeinträchtigung durch den Tinnitus nicht erkennen können und keinen höheren GdB gesehen.
Wenn die Bevollmächtige vorträgt, dass die aus ihrer Sicht bestehende massive Beeinträchtigung der erheblich eingeschränkten Gesundheit der Klägerin durch die Reduzierung der Wochenarbeitszeit belegt sei, muss dem entgegen gehalten werden, dass die Reduzierung zeitnah zur Krebserkrankung im Jahr 2001 erfolgt ist. Der zuerst erweckte Eindruck, die Klägerin habe die Arbeitszeit erst infolge der weit später entstandenen psychischen Erkrankung reduziert, ist damit falsch. Eine durch die Entwicklung der psychischen Erkrankung bedingte Reduzierung der Wochenarbeitszeit, die einen Hinweis auf eine eingeschränkte Belastbarkeit geben könnte, liegt damit nicht vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2012 hat die Klägerin vorgetragen, ihre Belastbarkeit infolge der vorliegenden Erkrankungen habe sich weiter verschlechtert, so dass sie in naher Zukunft ihre Wochenarbeitszeit weiter zurückfahren müsse. Als Beleg dafür hat sie ein aktuelles Attest ihres Hausarztes vorgelegt. Der Senat kann daraus aber keine weiter reduzierte Belastbarkeit der Klägerin ablesen. Vielmehr ist dem Attest zu entnehmen, dass die Klägerin einer Doppelbelastung durch Schule und Pflege ihrer demenzkranken Mutter ausgesetzt ist. Diese Doppelbelastung hat die Klägerin bisher nicht angegeben. Es ist daher anzunehmen, dass sie erst in jüngerer Vergangenheit entstanden ist. Dass angesichts dieser Doppelbelastung die Klägerin ihre Arbeitszeit weiter reduzieren will, hält der Senat für nachvollziehbar. Eine derartige Reduzierung kann aber keine weiter eingeschränkte Belastung durch eine psychische Erkrankung belegen, sondern ist lediglich die Reaktion auf eine gegenüber früher erhöhte Belastung durch berufliche und private Rahmenbedingungen. Zudem zeigt die offenbar von der Klägerin neben ihrer Arbeit als Lehrerin in einer Berufsschule praktizierte Pflege ihrer demenzkranken Mutter eine durchaus hohe Belastbarkeit, da sowohl eine Lehrer- als auch eine Pflegetätigkeit gerade mit nicht unerheblichen - vor allem psychischen - Belastungen verbunden sind.
Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin gegen das Gutachten von Dr. F. einwendet, der Klägerin sei wegen der Erschöpfungszustände die Führung ihres Haushalts nur sehr eingeschränkt möglich und die Klägerin habe sich wegen der dauerhaften täglichen Beschwerden sozial sehr zurückziehen müssen, scheinen diese Angaben die tatsächlich vorhandenen Beeinträchtigungen deutlich übertrieben darzustellen. Dies gilt auch für den behaupteten sozialen Rückzug. Die von der Klägerin selbst bei der Begutachtung durch Dr. F. gemachten Angaben zum Tagesablauf zeigen keine eklatanten Abweichungen vom Tagesablauf eines "Durchschnittsmenschen". Bei der Begutachtung hat die Klägerin selbst durchaus soziale Kontakte, Restaurant- und Theaterbesuche angegeben. Die nachgeschobenen Einwände der Bevollmächtigten können daher nur als der untaugliche Versuch gesehen werden, wahrheitsgemäße Angaben der Klägerin, die für die Erreichung des Klageziels hinderlich sind, wieder aus der Welt zu schaffen.
Bei der Begutachtung durch Dr. F. hat die Klägerin als Hobby das Radfahren angegeben. Wenn die Bevollmächtige der Klägerin diese Angabe in der Folge, als deutlich geworden ist, dass das Vorhandensein von Hobbys ein Gesichtspunkt bei der Beurteilung des Umfangs der Beeinträchtigung durch die psychische Erkrankung ist, als letztlich bedeutungslos darzustellen versucht, kann der Senat diese Argumentation zurückhaltend nur als fernliegend bezeichnen. Die Angabe von Hobbys lediglich als Ausfluss völlig praxisfernen Wunschdenkens darzustellen, wie dies die Bevollmächtigte tut, widerspricht jeglicher Lebenserfahrung und wird der Klägerin nicht gerecht.
Wenn die Bevollmächtigte beidseitige Bewegungseinschränkungen der Knie mittleren Grades, die einen GdB von 40 begründen würden, angibt, widerspricht dieser Vortrag sämtlichen Tatsachen. Weder hat die Klägerin beidseitige Beschwerden bei den Begutachtungen und Untersuchungen durch ihre behandelnden Ärzte angegeben noch haben die Sachverständigen und Behandler derartige Schäden - weder beidseits noch in der behaupteten Ausprägung - feststellen können. Wie die Bevollmächtigte auf derartige, durch nichts belegte Behauptungen kommen kann, ist sachlich nicht nachvollziehbar.
Der zur mündlichen Verhandlung mitgebrachte Bericht über eine Kernspintomographie stellt die von den Gutachtern getroffene Einschätzung nicht in Frage. Ganz abgesehen davon, dass der GdB nicht von radiologischen Befunden, sondern nur durch die tatsächlich vorliegenden funktionellen Einschränkungen bestimmt wird, ist bei dieser Kernspintomographie nachgewiesen worden, dass ein Gelenkerguss nicht vorliegt. Ein solcher Gelenkerguss wäre aber bei sich auch funktionell auswirkenden Gelenkveränderungen und damit in Verbindung stehenden Reizzuständen zu erwarten.
Dass nicht mit der bloßen Anwesenheit der Klägerin bei der mündlichen Verhandlung die sachverständigen Feststellungen in Frage gestellt werden können, was die Bevollmächtige offenbar erhofft hat, liegt auf der Hand. Das Gericht besitzt keine eigene medizinische Sachkunde, die es zulassen würde, durch eine Inaugenscheinnahme der Klägerin die sachverständigen Feststellungen in Zweifel zu ziehen, die auch von Gutachtern, die die Klägerin selbst benannt hat, z.B. Herrn C., bestätigt werden. Auf diesen Gesichtspunkt hat die Bevollmächtigte auch selbst hingewiesen, als ihr dies für die Klägerin nutzbringend erschienen ist. So hat sie beispielsweise den Hinweis des Gerichts auf die rechtsfehlerhafte Bildung des Gesamt-GdB durch den Gutachter Prof. Dr. G. damit kommentiert, dass dies einer ärztlichen Gesamtschau vorbehalten bleiben müsse. In diesem Zusammenhang kann der Senat auch nur seine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass die Klägerin nicht nur die Feststellungen der gemäß § 106 SGG beauftragten, sondern auch der von ihr selbst gemäß § 109 SGG benannten Sachverständigen weitgehend nicht wahrhaben will.
Der Tatsache, dass die Klägerin mit der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft möglicherweise erhebliche Vorteile in der weiteren Ausgestaltung ihres Berufslebens erlangen könnte, ist sich der Senat zwar bewusst; ein entscheidungserheblicher Gesichtspunkt ist sie aber nicht.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Klägerin mit ihrer Berufung unter keinem Gesichtspunkt Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Herabsetzung des Grads der Behinderung (GdB) gemäß § 69 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) von 50 auf 30 nach Eintritt der Heilungsbewährung berechtigt gewesen ist und ob sich nach der Herabsetzung die gesundheitlichen Verhältnisse so verschlechtert haben, dass wieder ein GdB von mindestens 50 festzustellen ist.
Bei im Jahr 1953 geborenen Klägerin war mit Bescheid vom 23.11.2001 wegen Erkrankung der Brust links (in Heilungsbewährung) ein GdB von 50 festgestellt worden. Nach Eintritt der Heilungsbewährung stellte der Beklagte den GdB mit Bescheid vom 03.11.2006 mit 30 fest. Berücksichtigt wurden nunmehr:
- Funktionsbehinderung des Schultergelenks links, Brachialgie, rezidivierende Gesichtsschwellung nach brusterhaltender Therapie links (Einzel-GdB 20),
- depressives Syndrom (Einzel-GdB 20).
Dagegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 29.11.2006 Widerspruch ein mit der Begründung, ein GdB von 30 entspreche nicht den tatsächlichen Gesundheitsstörungen.
Eine Auswertung vorgelegter ärztlicher Unterlagen durch den versorgungsärztlichen Dienst am 21.03.2007 ergab folgende Bewertungen:
- Atypischer Gesichtsschmerz, rezidivierende Gesichtsschwellung nach brusterhaltender Therapie links, depressives Syndrom (Einzel-GdB 30),
- Funktionsbehinderung des Schultergelenkes links, Brachialgie (Einzel-GdB 10),
- Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit Wirbelsäulenverformung und muskulären Verspannungen (Einzel-GdB 10).
Der Gesamt-GdB betrage 30.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2007 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Am 05.06.2007 hat die Klägerin Klage zum Sozialgerichts Augsburg erhoben. Der Gesichtsschmerz infolge der brusterhaltenden Therapie sei - so die Bevollmächtigte in der Klagebegründung vom 17.09.2007 - mit einem Einzel-GdB von 30 zu niedrig bewertet. Die Klägerin habe ständig Kiefer- und Gesichtsschmerzen, zudem ständig Druckschmerzen und ein Ziehen zu den Ohren. Im Laufe des Tages werde der Oberkiefer pelzig. Sie habe auch im hinteren rechten Oberkiefer einen bohrenden Schmerz. Die Beeinträchtigungen infolge der brusterhaltenden Therapie seien mit einem Einzel-GdB von 10 zu niedrig bewertet. Die Klägerin habe beim Drehen Schmerzen im Brustbereich. Auch seien die psychischen Beeinträchtigungen nicht berücksichtigt worden. Sie leide an Angststörungen, Schlafstörungen, Unruhe und Nervosität sowie einem dauernden Pfeifton im Ohr. Seit 2003 habe sie unregelmäßig Schwindelgefühle.
Nach Einholung von Befundberichten hat Frau Dr. F. am 12.02.2008 im Auftrag des Gerichts ein nervenärztliches Gutachten erstellt. Die Gesundheitsstörungen der Klägerin seit November 2006 bis zur Begutachtung seien - so die Sachverständige - mit einem Gesamt-GdB von 30 zu bewerten. Wegen des atypischen Gesichtsschmerzes und der mittelgradig depressiven Episode sei ein Einzel-GdB von 30 im Sinne einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit anzunehmen. Darunter zu subsumieren seien auch der Tinnitus und der Schwindel. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei mit einem Einzel-GdB von 10 zu beurteilen, genauso die Funktionsbehinderung des Schultergelenks. Ab der Untersuchung sei wegen des atypischen Gesichtsschmerzes, der somatoformen Schmerzstörung und einer mittelgradig bis schweren depressiven Episode bei mittlerweile auch Therapieresistenz auf viele Behandlungen von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen und hierfür ein Einzel-GdB von 40 inklusive Tinnitus und Schwindel anzusetzen. Die Höherbewertung sei damit zu begründen, dass sich mittlerweile trotz regelmäßiger nervenärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung kein gebessertes, sondern eher ein zunehmend depressives Zustandsbild ergeben habe. Die übrigen Funktionsbehinderungen seien unverändert, so dass ab der Untersuchung ein Gesamt-GdB von 40 anzunehmen sei.
Die Klägerin hat ihre Beschwerden in diesem Gutachten nicht ausreichend berücksichtigt gesehen. Ein dem Ergebnis des Gutachtens entsprechendes Vergleichsangebot des Beklagten hat die Klägerin nicht angenommen.
Am 08.08.2008 hat der HNO-Arzt Dr. W. ein Gutachten erstellt. Einen krankhaften Befund im HNO-Bereich hat er nicht objektivieren können. Der Tinnitus scheine zumindest weitgehend kompensiert zu sein und sei allenfalls mit einem GdB von 5 zu bewerten.
Gegen dieses Gutachten hat die Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 30.09.2009 eingewandt, dass bei der Klägerin ein monosymptomatischer Morbus Menière vorliegen dürfte, wie dies auch der behandelnde Arzt vermute.
Mit Gerichtsbescheid vom 19.12.2008 ist der Beklagte verurteilt worden, in Abänderung des Bescheides vom 03.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2007 gemäß Vergleichsangebot des Beklagten vom 15.04.2008 ab dem 07.02.2008 einen GdB von 40 festzustellen. Im Übrigen ist die Klage abgewiesen worden.
Am 06.02.2009 hat die Bevollmächtigte der Klägerin Berufung eingelegt. Die bei ihr vorliegenden Gesundheitsbeeinträchtigungen würden einen GdB von 50 begründen. Unter anderem hat sie vorgetragen, die bei der Klägerin vorliegende Symptomatik sei mit einem Morbus Menière zu vereinbaren, der mit einem GdB von 50 zu bewerten sei. Auch sei die Klägerin bei der Ausübung sozialer Kontakte erheblich eingeschränkt. Unter Mobilisierung aller Kräfte arbeite sie nur noch Teilzeit und lebe stark zurückgezogen. Sie habe beidseitig Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk mittleren Grades, welche einen GdB von 40 rechtfertigen würden. Die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei erheblich.
Auf Antrag der Klägerin hat der HNO-Arzt Prof. Dr. G. am 25.08.2009 ein Gutachten erstellt. Der Sachverständige ist bei Abwägung aller Umstände zu dem Ergebnis gekommen, dass bei der Klägerin eine Menière sche Erkrankung rechts vorliege. Diese sei mit einem GdB von 10 einzuschätzen. Insgesamt betrage der GdB 50.
Mit Schreiben vom 03.12.2009 hat sich die Bevollmächtigte der Klägerin dahingehend geäußert, dass bei der Klägerin beidseitig Kniebeschwerden mit Bewegungseinschränkungen mittleren Grades gegeben seien, welche einen GdB von 40 begründen würden. Sofern - wie vom Beklagten und vom Gericht - die Ansicht vertreten werde, dass ein Morbus Menière mit einem Einzel-GdB von 10 den Gesamt-GdB nicht erhöhe, sei dies falsch. Warum von den Feststellungen des HNO-ärztlichen Gutachters mit einem GdB von 50 abgewichen werden sollte, sei nicht nachvollziehbar. Offensichtlich werde verkannt, dass bei der Beurteilung des Gesamt-GdB die ärztliche Gesamtschau beachtet werden müsse. Dies bedeute, dass auch ein Behinderungsgrad von 10 hinzugefügt werden müsse.
Im Auftrag des Gerichts hat der Dr. H. am 30.04.2010 ein Gutachten erstellt. Der Gutachter ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wirbelsäulenproblematik geringe funktionelle Auswirkungen habe und daher mit einem Einzel-GdB von 10 einzuschätzen sei, die Funktionsstörung der linken Schulter mit einem Einzel-GdB von 20 zu bewerten sei und die Funktionseinschränkung des linken Kniegelenks einen Einzel-GdB von 10 bedinge. Der Gesamt-GdB betrage nach wie vor 40 und werde durch die erhöhte Einschätzung der Schulterproblematik nicht weiter erhöht.
Am 19.06.2011 hat der Facharzt für physikalische und rehabilitative Medizin und Allgemeinmedizin C. auf Antrag der Klägerin ein Gutachten erstellt. Dabei ist er zu der gleichen Einschätzung wie der Vorgutachter Dr. H. gekommen.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 19.12.2008 abzuändern und den Beklagten unter Aufhebung des Änderungsbescheids vom 03.11.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2007 zu verurteilen, einen GdB von 50 anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat die Akten des Beklagten und des Sozialgerichts Augsburg beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Die Entscheidung des Sozialgerichts, der Klage nur insofern stattzugeben, als der GdB ab dem 07.02.2008 nicht mehr nur 30, sondern 40 beträgt, ist nicht zu beanstanden. Ein höherer GdB als 40 ist bis heute nicht nachgewiesen.
1. Streitgegenstand
1.1. Anfechtungsklage
Streitgegenstand ist zunächst die mit Bescheid vom 03.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2007 getroffene Entscheidung des Beklagten, nach Eintritt der Heilungsbewährung den GdB von 50 auf 30 herabzusetzen, die mit der Anfechtungsklage angegriffen wird. Bei dieser Entscheidung gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil sich der Regelungsgehalt des Herabsetzungsbescheids im teilweisen Entzug des vormals festgestellten GdB erschöpft und keine darüber hinausgehende Dauerwirkung hat (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Bundessozialgericht - BSG - Urteile vom 07.12.1983, Az.: 9a RV 26/82, vom 23.06.1993, Az.: 9/9a RVs 1/92; und vom 15.08.1996, Az.: 9 RVs 10/94). Die Frage, ob die Herabsetzung rechtmäßig ist, beurteilt sich daher nicht nach dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz, sondern nach dem Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens (vgl. BSG, Urteile vom 20.04.1993; Az.: 2 RU 52/92, vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RVs 2/92 und vom 10.09.1997, Az.: 9 RVs 15/96). Würde der maßgebliche Zeitpunkt hingegen auf die letzte mündliche Verhandlung verlegt, würde dies dazu führen, dass behauptete oder während des Gerichtsverfahrens tatsächlich eingetretene Änderungen in den gesundheitlichen Verhältnissen des Behinderten zu immer neuen Ermittlungen Anlass gäben und den Abschluss des Gerichtsverfahrens in zahlreichen Fällen erheblich verzögern würden. Dies sieht das BSG als unvertretbar an (vgl. BSG, Urteil vom 12.11.1996, Az.: 9 RVs 5/95). Änderungen in den Verhältnissen, die während der Anhängigkeit einer Anfechtungsklage gegen die Aufhebung eines die Schwerbehinderung feststellenden Verwaltungsaktes eingetreten sind, sind daher grundsätzlich rechtlich unbeachtlich (vgl. BSG vom 15.08.1996, Az.: 9 RVs 10/94).
1.2. Verpflichtungsklage
Zum weiteren Streitgegenstand ist infolge einer Klageänderung im Verfahren vor dem Sozialgericht gemäß § 99 SGG auch die Frage geworden, ob sich nicht seit Erlass des Herabsetzungsbescheids weitere Änderungen ergeben haben, die wieder einen höheren GdB begründen würden; dabei handelt es sich um eine Verpflichtungsklage. Wie schon dem Tenor des sozialgerichtlichen Gerichtsbescheids vom 19.12.2008 zu entnehmen ist, ist das Sozialgericht zumindest konkludent von der Zulässigkeit der Klageänderung und der Zulässigkeit der geänderten Klage ausgegangen. An diese Zulassung der Klageänderung ist der Senat gemäß § 99 Abs. 4 SGG gebunden (vgl. BSG, Beschluss vom 04.05.1999, Az.: B 2 U 89/98 B, Urteil vom 09.11.2010, Az.: B 2 U 14/10 R). Auf die Frage, ob das Sozialgericht die Klageänderung zulassen hätte müssen oder - wofür Vieles spricht - eine Klageänderung wegen fehlender Sachdienlichkeit hätte ablehnen können, kommt es daher nicht an. Auf die Frage, ob die geänderte Klage nicht unzulässig gewesen wäre, da überhaupt kein Bescheid, der Gegenstand einer Klage hätte werden können, vorgelegen hat, kommt es ebenfalls nicht an.
2. Zur Anfechtungsklage
Die Anfechtungsklage ist unbegründet, da die Herabsetzung des GdB mit Bescheid vom 03.11.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.05.2007 rechtmäßig war. Der Beklagte hat den GdB im A. 2007, dem maßgeblichen Zeitpunkt für die Anfechtungsklage, zutreffend mit 30 bewertet.
Rechtsgrundlage des mit der Klage angefochtenen Bescheids ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Bei Feststellungsbescheiden nach § 69 Abs. 1 SGB IX handelt es sich um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung (vgl. - noch zum Schwerbehindertengesetz - BSG, Urteil vom 19.09.2000, Az.: B 9 SB 3/00 R). Eine Aufhebung ist dabei nur insoweit zulässig, als eine wesentliche Änderung der Verhältnisse eingetreten ist. Eine wesentliche Änderung ist dann anzunehmen, wenn sich durch eine Besserung (oder Verschlechterung) der Behinderung eine Herabsetzung (oder Erhöhung) des GdB um wenigstens 10 ergibt. Handelt es sich bei den festgestellten Behinderungen um solche, bei denen - wie dies bei Krebserkrankungen der Fall ist - der GdB wegen der Art der Erkrankung zunächst höher festgestellt worden ist, als es die tatsächlichen Funktionseinschränkungen erfordern, liegt eine Änderung der Verhältnisse im Sinn des § 48 SGB X auch dann vor, wenn bei der der Feststellung des GdB zugrunde liegenden Erkrankung die Zeit der sogenannten Heilungsbewährung ohne das Auftreten eines Rezidivs abgelaufen ist.
Rechtsgrundlage für die Feststellung des Vorliegens einer Behinderung und des GdB ist § 69 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit den seit dem 01.01.2009 maßgeblichen Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG), Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung. Die VG haben die Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) abgelöst, die für die Zeit vor dem 01.01.2009 weiterhin als antizipierte Sachverständigengutachten beachtlich sind (vgl. BSG, Urteile vom 18.09.2003, Az.: B 9 SB 3/02 R, und vom 24.04.2008, Az.: B 9/9a SB 10/06 R; Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 06.03.1995, Az.: 1 BvR 60/95). Die VG sind - wie schon zuvor die AHP - ein auf besonderer medizinischer Sachkunde beruhendes Regelwerk, das die möglichst gleichmäßige Anwendung der Bewertungsmaßstäbe im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes bezweckt und dem Ziel des einheitlichen Verwaltungshandelns und der Gleichbehandlung dient.
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht es zur Überzeugung des Senats fest, dass im Gesundheitszustand der Klägerin im Vergleich zu den gesundheitlichen Verhältnissen, die dem bestandskräftigen Bescheid vom 23.11.2001 zugrunde gelegen haben, durch den rezidivfreien Ablauf der Zeit der Heilungsbewährung von fünf Jahren eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X eingetreten ist. Dies rechtfertigt bei Berücksichtigung der Vorgaben der VG, die insofern mit den Vorgaben der AHP für die hier vorliegenden Gesundheitsstörungen übereinstimmen, die Herabsetzung des GdB auf 30 (wegen der Übereinstimmung von VG und AHP werden im Folgenden nur die VG zitiert).
Bei dieser Einschätzung stützt sich der Senat auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere auf die überzeugenden und nachvollziehbar begründeten Gutachten der nervenärztlichen Sachverständigen Dr. F. und des Orthopäden Dr. H ... Beide Gutachter haben die bei der Klägerin vorliegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen vollständig erfasst und in Übereinstimmung mit den zu beachtenden Vorgaben der VG zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich diese sachverständigen Feststellungen zu eigen. Weiter stützt sich der Senat auf die Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. G., soweit dieser die auf HNO-ärztlichem Fachgebiet bestehende Erkrankung würdigt.
Im Einzelnen ist zu den jeweiligen Gesundheitsstörungen und deren Bewertung Folgendes festzuhalten:
2.1. Atypischer Gesichtsschmerz, somatoforme Schmerzstörung, depressive Erkrankung
Der Einzel-GdB beträgt hierfür 30.
Der Hausarzt der Klägerin hat im September 2006 von einer depressiven Entwicklung berichtet. Von nervenärztlicher Seite ist erstmals im Januar 2007 ein atypischer Gesichtsschmerz und eine mittelgradige depressive Episode angegeben worden. Nach den damaligen Berichten ist die Klägerin noch in der Lage gewesen, ihre Alltagsaktivitäten zu entwickeln.
Wegen des atypischen Gesichtsschmerzes und der mittelgradig depressiven Episode ist, wie die Sachverständige Dr. F. überzeugend ausgeführt hat, von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen. Diese psychische Erkrankung ist, wie die Gutachterin in Übereinstimmung mit den VG (vgl. dort Teil B Nr. 3.7) festgestellt hat, mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten. Dass die Sachverständige - zu diesem Zeitpunkt zutreffend, da der Nachweis des Morbus Menière noch nicht geführt war, wie Prof. Dr. G. ausdrücklich ausgeführt hat - den Tinnitus und den Schwindel dem Erkrankungskomplex "atypischer Gesichtsschmerz, somatoforme Störung, depressive Erkrankung" zugeordnet hat, stellt den von der Sachverständigen angenommenen GdB von 30 nicht als zu hoch infrage. Denn der Tinnitus und der Schwindel können, wie sich auch aus der Bewertung des Prof. Dr. G. ergibt, keinen entscheidenden Einfluss auf die Bewertung des GdB mit 30 gehabt haben.
2.2. Morbus Menière (Schwindel, Tinnitus)
Der Einzel-GdB beträgt hierfür 10.
Nach den Ausführungen des Prof. Dr. G., auf die sich der Senat bezüglich der Feststellung und Bewertung des Morbus Menière stützt, kann vom Vorliegen eines Morbus Menière auch schon im Jahr 2006 ausgegangen werden. Der Sachverständige hat erstmals die vorher nur als Verdachtsdiagnose benannte Erkrankung aufgrund der Vorgeschichte und der erhobenen Befunde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststellen können. Den GdB für diese Erkrankung, die neben den Anfällen mit Schwindel auch einen Tinnitus umfasst, hat er bei Berücksichtigung der Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 5.3) mit 10 zutreffend bewertet. Dieser Einschätzung folgt der Senat.
2.3. Linkes Schultergelenk, Brachialgie
Der Einzel-GdB beträgt hierfür großzügig bewertet 20.
Der Sachverständige Dr. H. hat zwar seiner Beurteilung im Wesentlichen den Zustand der Klägerin zum Zeitpunkt seiner Untersuchung im Jahr 2010 zugrunde gelegt. Dieser Zustand dürfte weitgehend dem im A. 2007 entsprechen. Jedenfalls war der gesundheitliche Zustand der Klägerin im A. 2007 keinesfalls schlechter als im Jahr 2010, da die Klägerin und ihre Bevollmächtigte durchweg eine Verschlechterung der gesundheitlichen Beschwerde der Klägerin vortragen haben.
Zugunsten der Klägerin davon ausgehend, dass der Zustand bei der Begutachtung durch Dr. H. auch schon im A. 2007 vorgelegen hat, ist von einer freien Beweglichkeit der rechten Schulter auszugehen. Bei der linken Schulter hat die Klägerin Schmerzen ab einer Anhebung von 70 Grad angegeben, wobei die Anhebung selbst bei der Untersuchung durch Dr. H. bis 100 Grad durchführbar gewesen ist. Unter Beachtung der Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.13) lässt sich dafür nur bei großzügiger Betrachtung und besonderer Berücksichtigung der Schmerzangaben der Klägerin und einer Muskelschwäche ein GdB von 20, der grundsätzlich erst ab einer Beschränkung der Armhebung bis zu 90 Grad vorgesehen ist, begründen.
2.4. Wirbelsäule
Der Einzel-GdB beträgt hierfür 10.
Nach den überzeugenden und übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. F. und Dr. H. ist die Entfaltung der Brust- und Lendenwirbelsäule normal, die Rotation der Halswirbelsäule nur leicht eingeschränkt. Sensomotorische Defizite sind nicht festzustellen. Die Einschätzung der Sachverständigen, dass dafür ein GdB von 10 anzusetzen sei, steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.9); der Senat macht sich diese Einschätzung zu eigen. Mehr als geringe funktionelle Auswirkungen sind bei der Klägerin nicht nachgewiesen.
2.5. Knie
Der Einzel-GdB beträgt hierfür großzügig bewertet 10.
Nach den überzeugenden Feststellungen des Dr. H. ist die Kniebeugung lediglich links und auch nur diskret gemindert. Ein funktionelles Defizit hat der Sachverständige nicht feststellen können. Ein eindeutiger Gelenkerguss, der zumindest einen Reizzustand belegen würde, hat nicht vorgelegen. Die Annahme eines GdB von 10 ist angesichts der Vorgaben der VG (vgl. dort Teil B Nr. 18.14) als ausgesprochen großzügig zu beurteilen und kann nur durch eine Berücksichtigung der von der Klägerin gemachten überdurchschnittlichen Schmerzangaben begründet werden.
2.6. Krebserkrankung
Nach Eintritt der Heilungsbewährung ist für die rezidivfrei überstandene Krebserkrankung kein eigener GdB mehr anzusetzen.
2.7. Gesamt-GdB
Der Gesamt-GdB beträgt 30.
Der Senat stützt sich dabei auf die überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. F ... Diese stehen in Übereinstimmung mit den Feststellungen aller anderen Gutachter mit Ausnahme des Prof. Dr. G ... Der Senat macht sich die Bewertung der Sachverständigen zu eigen; diese Einschätzung ist nachvollziehbar und überzeugend. Sie steht in Übereinstimmung mit den Vorgaben der VG.
Nach den VG verbieten sich bei der Ermittlung des Gesamt-GdB jegliche Rechenmethoden. Insbesondere ist eine Addition der Werte für die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen unzulässig. Maßgebend sind vielmehr die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander (vgl. VG Teil A Nr. 3 a). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der am höchsten bewerteten Gesundheitsstörung auszugehen. Anschließend ist im Hinblick auf die weiteren vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit dadurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (vgl. VG Teil A Nr. 3 c; BSG, Urteil vom 02.12.2010, Az.: B 9 SB 4/10 R). Von Ausnahmefällen (z. B. hochgradige Schwerhörigkeit eines Ohres bei schwerer beidseitiger Einschränkung der Sehfähigkeit) abgesehen, führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. VG Teil A Nr. 3 d ee). Dies gilt umso eher, wenn die funktionelle Störung nur mit einem "schwachen" GdB von 20 zu beurteilen ist (vgl. Landessozialgericht - LSG - für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.04.2010, Az.: L 6 SB 187/09, wobei das LSG Nordrhein-Westfalen in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass ein "schwacher" GdB von 20 grundsätzlich nicht in die Gesamt-GdB-Bildung einfließen kann).
Ausgangspunkt ist vorliegend die mit einem Einzel-GdB von 30 bewertete Gesundheitsstörung "atypischer Gesichtsschmerz, somatoforme Schmerzstörung depressive Erkrankung". Die weiter vorliegenden Einzel-GdB von 10 haben für den Gesamt-GdB keine Bedeutung. Auch der Einzel-GdB von 20 für die Schulterbeschwerden ist für den Gesamt-GdB ohne Bedeutung. Dies hat der Sachverständige Dr. H. ausdrücklich festgehalten. Der Senat folgt dieser Einschätzung. Denn mit den Schulterbeschwerden liegt eine funktionelle Beeinträchtigung vor, die nur mit einem schwachen Einzel-GdB von 20 bewertet werden kann.
Der Annahme des Gutachters Prof. Dr. G., dass der Gesamt-GdB mehr als 30 betrage, kann sich der Senat nicht anschließen. Zum einen bezieht sich die Annahme dieses Gutachters, der Gesamt-GdB betrage 50, eindeutig erst auf die Zeit ab der erneut eingetretenen Verschlechterung, d.h. ab dem 07.02.2008, nicht aber auf die Zeit davor. Die Bewertung des GdB mit 50 (ab dem 07.02.2008) lässt aber den Schluss zu, dass Prof. Dr. G. für die Zeit vor Februar 2008 von einem GdB von 40 ausgeht, da er die Ansicht zu vertreten scheint, dass der für den Morbus Menière anzunehmende Einzel-GdB von 10 zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führe. Der Sachverständige Prof. Dr. G. legt damit offensichtlich seiner Einschätzung des Gesamt-GdB eine Additionsmethode zugrunde, die in Widerspruch zu den Vorgaben der VG steht, und trifft eine Einschätzung unter eklatantem Verstoß gegen die Vorgaben in den VG (vgl. dort Teil A Nr. 3 d ee). Irgendwelche Gründe, warum es sich um einen ganz seltenen Ausnahmefall handeln sollte, in dem auch ein Einzel-GdB von 10 erhöhend auf den Gesamt-GdB wirkt, hat weder der Sachverständige angeführt noch sind sie ersichtlich.
3. Zur Verpflichtungsklage
Gegenüber dem für die Anfechtungsklage maßgeblichen Zeitpunkt hat sich zwischenzeitlich eine Verschlechterung nur auf nervenärztlichem Fachgebiet ergeben, die eine Erhöhung des GdB auf 40 begründet. Dieser Änderung hat das Sozialgericht im Gerichtsbescheid vom 19.12.2008 zutreffend Rechnung getragen. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB von 50 besteht aber nicht. Ein GdB von 50 oder mehr ist nicht nachgewiesen. Auch hier stützt sich der Senat - wie bei der Anfechtungsklage - auf die Feststellungen der oben genannten Sachverständigen.
Der bei der Klägerin im Rahmen der Untersuchung durch die Sachverständige Dr. F. festgestellte Gesundheitszustand ist nach der Überzeugung des Senats mit einer Höhe von 40 zutreffend bewertet; die Voraussetzungen für einen höheren GdB als 40 sind auch zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 17.07.2012, dem für die Verpflichtungsklage maßgeblichen Zeitpunk, nicht nachgewiesen.
Die Sachverständige Dr. F. hat die Verschlechterung damit begründet, dass sich trotz regelmäßiger nervenärztlicher und psychotherapeutischer Behandlung kein gebessertes, sondern eher ein zunehmend depressives Zustandsbild ergeben habe. Von daher hat sie es für gerechtfertigt gehalten, den von den VG (vgl. dort Teil B Nr. 3.7) eröffneten Ermessensspielraum der stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit 40 voll auszuschöpfen. Der Senat macht sich diese überzeugend begründete Einschätzung zu eigen.
Der Gesamt-GdB beträgt bei Berücksichtigung der Verschlechterung des Gesundheitszustands 40. Der vom Sachverständigen Prof. Dr. G. angenommene Gesamt-GdB von 50 ist nicht begründbar (vgl. die Ausführungen oben unter Ziff. 2.7)
4. Zu den Einwänden der Klägerin
Gegen die ganz eindeutige Gutachtenslage hat die Klägerin immer wieder versucht, mit Argumenten zu operieren, die zum großen Teil abwegig und wegen der darin enthaltenen Verzerrung der Realität inakzeptabel sind:
Die Bevollmächtigte der Klägerin beanstandet am Gutachten von Dr. F. sinngemäß, dass diese Sachverständige die Beeinträchtigung der Klägerin durch den Tinnitus verharmlost habe. Dem kann der Senat nicht folgen. Vielmehr hat sich die Sachverständige auf die Angaben der Klägerin bei der Begutachtung gestützt. Wenn die Bevollmächtigte anschließend versucht, die Beschwerden zur Erreichung des Klageziels schlimmer darzustellen, als dies die Klägerin in der Begutachtungssituation gemacht hat, ist dies unbehelflich. Die Angaben der Bevollmächtigten erscheinen dem Senat auch deshalb fragwürdig, weil die Klägerin selbst bei weiteren Begutachtungen die Beeinträchtigung durch den Tinnitus nicht als besonders ausgeprägt dargestellt hat. Auch die weiteren Gutachter, darunter der von der Klägerin selbst benannte HNO-ärztliche Sachverständige, haben im Übrigen eine maßgebliche Beeinträchtigung durch den Tinnitus nicht erkennen können und keinen höheren GdB gesehen.
Wenn die Bevollmächtige vorträgt, dass die aus ihrer Sicht bestehende massive Beeinträchtigung der erheblich eingeschränkten Gesundheit der Klägerin durch die Reduzierung der Wochenarbeitszeit belegt sei, muss dem entgegen gehalten werden, dass die Reduzierung zeitnah zur Krebserkrankung im Jahr 2001 erfolgt ist. Der zuerst erweckte Eindruck, die Klägerin habe die Arbeitszeit erst infolge der weit später entstandenen psychischen Erkrankung reduziert, ist damit falsch. Eine durch die Entwicklung der psychischen Erkrankung bedingte Reduzierung der Wochenarbeitszeit, die einen Hinweis auf eine eingeschränkte Belastbarkeit geben könnte, liegt damit nicht vor.
In der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2012 hat die Klägerin vorgetragen, ihre Belastbarkeit infolge der vorliegenden Erkrankungen habe sich weiter verschlechtert, so dass sie in naher Zukunft ihre Wochenarbeitszeit weiter zurückfahren müsse. Als Beleg dafür hat sie ein aktuelles Attest ihres Hausarztes vorgelegt. Der Senat kann daraus aber keine weiter reduzierte Belastbarkeit der Klägerin ablesen. Vielmehr ist dem Attest zu entnehmen, dass die Klägerin einer Doppelbelastung durch Schule und Pflege ihrer demenzkranken Mutter ausgesetzt ist. Diese Doppelbelastung hat die Klägerin bisher nicht angegeben. Es ist daher anzunehmen, dass sie erst in jüngerer Vergangenheit entstanden ist. Dass angesichts dieser Doppelbelastung die Klägerin ihre Arbeitszeit weiter reduzieren will, hält der Senat für nachvollziehbar. Eine derartige Reduzierung kann aber keine weiter eingeschränkte Belastung durch eine psychische Erkrankung belegen, sondern ist lediglich die Reaktion auf eine gegenüber früher erhöhte Belastung durch berufliche und private Rahmenbedingungen. Zudem zeigt die offenbar von der Klägerin neben ihrer Arbeit als Lehrerin in einer Berufsschule praktizierte Pflege ihrer demenzkranken Mutter eine durchaus hohe Belastbarkeit, da sowohl eine Lehrer- als auch eine Pflegetätigkeit gerade mit nicht unerheblichen - vor allem psychischen - Belastungen verbunden sind.
Sofern die Bevollmächtigte der Klägerin gegen das Gutachten von Dr. F. einwendet, der Klägerin sei wegen der Erschöpfungszustände die Führung ihres Haushalts nur sehr eingeschränkt möglich und die Klägerin habe sich wegen der dauerhaften täglichen Beschwerden sozial sehr zurückziehen müssen, scheinen diese Angaben die tatsächlich vorhandenen Beeinträchtigungen deutlich übertrieben darzustellen. Dies gilt auch für den behaupteten sozialen Rückzug. Die von der Klägerin selbst bei der Begutachtung durch Dr. F. gemachten Angaben zum Tagesablauf zeigen keine eklatanten Abweichungen vom Tagesablauf eines "Durchschnittsmenschen". Bei der Begutachtung hat die Klägerin selbst durchaus soziale Kontakte, Restaurant- und Theaterbesuche angegeben. Die nachgeschobenen Einwände der Bevollmächtigten können daher nur als der untaugliche Versuch gesehen werden, wahrheitsgemäße Angaben der Klägerin, die für die Erreichung des Klageziels hinderlich sind, wieder aus der Welt zu schaffen.
Bei der Begutachtung durch Dr. F. hat die Klägerin als Hobby das Radfahren angegeben. Wenn die Bevollmächtige der Klägerin diese Angabe in der Folge, als deutlich geworden ist, dass das Vorhandensein von Hobbys ein Gesichtspunkt bei der Beurteilung des Umfangs der Beeinträchtigung durch die psychische Erkrankung ist, als letztlich bedeutungslos darzustellen versucht, kann der Senat diese Argumentation zurückhaltend nur als fernliegend bezeichnen. Die Angabe von Hobbys lediglich als Ausfluss völlig praxisfernen Wunschdenkens darzustellen, wie dies die Bevollmächtigte tut, widerspricht jeglicher Lebenserfahrung und wird der Klägerin nicht gerecht.
Wenn die Bevollmächtigte beidseitige Bewegungseinschränkungen der Knie mittleren Grades, die einen GdB von 40 begründen würden, angibt, widerspricht dieser Vortrag sämtlichen Tatsachen. Weder hat die Klägerin beidseitige Beschwerden bei den Begutachtungen und Untersuchungen durch ihre behandelnden Ärzte angegeben noch haben die Sachverständigen und Behandler derartige Schäden - weder beidseits noch in der behaupteten Ausprägung - feststellen können. Wie die Bevollmächtigte auf derartige, durch nichts belegte Behauptungen kommen kann, ist sachlich nicht nachvollziehbar.
Der zur mündlichen Verhandlung mitgebrachte Bericht über eine Kernspintomographie stellt die von den Gutachtern getroffene Einschätzung nicht in Frage. Ganz abgesehen davon, dass der GdB nicht von radiologischen Befunden, sondern nur durch die tatsächlich vorliegenden funktionellen Einschränkungen bestimmt wird, ist bei dieser Kernspintomographie nachgewiesen worden, dass ein Gelenkerguss nicht vorliegt. Ein solcher Gelenkerguss wäre aber bei sich auch funktionell auswirkenden Gelenkveränderungen und damit in Verbindung stehenden Reizzuständen zu erwarten.
Dass nicht mit der bloßen Anwesenheit der Klägerin bei der mündlichen Verhandlung die sachverständigen Feststellungen in Frage gestellt werden können, was die Bevollmächtige offenbar erhofft hat, liegt auf der Hand. Das Gericht besitzt keine eigene medizinische Sachkunde, die es zulassen würde, durch eine Inaugenscheinnahme der Klägerin die sachverständigen Feststellungen in Zweifel zu ziehen, die auch von Gutachtern, die die Klägerin selbst benannt hat, z.B. Herrn C., bestätigt werden. Auf diesen Gesichtspunkt hat die Bevollmächtigte auch selbst hingewiesen, als ihr dies für die Klägerin nutzbringend erschienen ist. So hat sie beispielsweise den Hinweis des Gerichts auf die rechtsfehlerhafte Bildung des Gesamt-GdB durch den Gutachter Prof. Dr. G. damit kommentiert, dass dies einer ärztlichen Gesamtschau vorbehalten bleiben müsse. In diesem Zusammenhang kann der Senat auch nur seine Verwunderung darüber zum Ausdruck bringen, dass die Klägerin nicht nur die Feststellungen der gemäß § 106 SGG beauftragten, sondern auch der von ihr selbst gemäß § 109 SGG benannten Sachverständigen weitgehend nicht wahrhaben will.
Der Tatsache, dass die Klägerin mit der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft möglicherweise erhebliche Vorteile in der weiteren Ausgestaltung ihres Berufslebens erlangen könnte, ist sich der Senat zwar bewusst; ein entscheidungserheblicher Gesichtspunkt ist sie aber nicht.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Klägerin mit ihrer Berufung unter keinem Gesichtspunkt Erfolg hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
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