L 18 AL 376/12 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 19 AL 306/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AL 376/12 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 7. November 2012 aufgehoben, soweit das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt hat. Der Antragstellerin wird für das Verfahren bei dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten bewilligt.

Gründe:

Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.

Der erstinstanzliche gestellte Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einer gerichtlichen Regelungsanordnung iSv § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verpflichten, für die Zeit ab 1. November 2012 für mindestens sechs weitere Monate die Kosten der Weiterbildungsmaßnahme (Umschulung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin) zu übernehmen, hatte bei der im Prozesskostenhilfe (PKH)-Verfahren (nur ) gebotenen summarischen Prüfung hinreichende Aussicht auf Erfolg (vgl § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung). Dies gilt ungeachtet der vom Sozialgericht (SG) getroffenen Sachentscheidung schon deshalb, weil die entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine im Rahmen der Förderung einer Weiterbildungsmaßnahme erfolgte (positive) Ermessensausübung die Antragsgegnerin bei der Ausübung ihres Ermessens anlässlich einer Entscheidung über die Förderung der Verlängerung dieser Maßnahme bindet, und wenn ja, in welchem Umfang, höchstrichterlich noch nicht entschieden ist.

Nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung – (SGB III) alter Fassung (aF) bzw der gleichlautenden, seit 1. April 2012 geltenden Nachfolgeregelung in § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist. Weitere Voraussetzungen dafür sind, dass vor Beginn der Teilnahme eine Beratung durch die Agentur für Arbeit erfolgt ist und die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind (vgl § 77 aF bzw § 81 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3 SGB III). Als Weiterbildung gilt die Zeit vom ersten Tag bis zum letzten Tag der Maßnahme mit Unterrichtsveranstaltungen, es sei denn, die Maßnahme ist vorzeitig beendet worden (§ 71 Abs. 1 Satz 2 aF bzw § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB III).

Im Rahmen des § 77 Abs. 1 Nr. 1 aF bzw des § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III ist zur Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzung (Notwendigkeit der beruflichen Weiterbildung, um den Arbeitnehmer bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern) überdies eine Prognoseentscheidung erforderlich, ob die Bildungsmaßnahme die Eingliederungschancen erhöht. Der Antragsgegnerin steht insoweit ein Beurteilungsspielraum zu; der gerichtlichen Kontrolle unterliegt lediglich, ob die Verwaltungsentscheidung in einer dem Sachverhalt angemessenen und methodisch einwandfreien Weise erarbeitet worden ist (vgl BSG, Urteil vom 3. Juli 2003 – B 7 AL 66/02 R = SozR 4-4300 § 77 Nr. 1 mwN). Die Antragsgegnerin hatte vorliegend für die geförderte Umschulungsmaßnahme eine positive Eingliederungsprognose abgegeben. Liegen die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 aF bzw des § 81 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 SGB III vor, so hat die Beklagte ihr pflichtgemäßes Ermessen auszuüben, ob die Teilnahme an einer Maßnahme und, wenn ja, zu welcher und in welchem Umfang gefördert wird (vgl. BSG aaO mwN). Abzustellen ist dabei als Beurteilungszeitpunkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl BSG aaO; BSG SozR 3-4100 § 36 Nrn. 1, 5). Auch dieses Ermessen hatte die Antragsgegnerin im Sinne einer Bewilligung der Umschulung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin ausgeübt.

Streitig war vorliegend ua, ob ein Anordnungsanspruch auf Förderung der Verlängerung der Maßnahme möglicherweise deshalb besteht, weil das der Antragsgegnerin grundsätzlich zustehende Ermessen, auch die Verlängerung der Umschulungsmaßnahme zu fördern, durch die bei Bewilligung der Maßnahme erfolgte Ausübung des Ermessens auf "Null" reduziert ist. Grundsätzlich umfasst die Ermessensentscheidung, die Umschulung als solche zu fördern, nur den gesetzlich geregelten Weiterbildungszeitraum des § 77 Abs. 1 Satz 2 aF bzw des § 81 Abs. 1 Satz 2 SGB III. Allerdings ist schon nicht geklärt, ob der "letzte Tag der Maßnahme mit Unterrichtsveranstaltungen" immer nur den Zeitraum bis zum regulären Unterrichtsabschluss (so Stratmann in: Niesel/Brand, SGB III, 5. Auflage 2010, § 71 Rn 21) oder – wie im Falle der Antragstellerin – auch ggfs Unterrichtsveranstaltungen während einer Verlängerung der Maßnahme umfasst. Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat sich bislang ersichtlich nur mit der Rechtsfrage befasst, wann die Voraussetzungen einer Teilnahme an einer beruflichen Fortbildung und somit ein Anspruch auf Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsförderungsgesetz vorlagen (vgl BSG SozR 4100 § 44 Nr 7) vorlagen, wobei nur der Beginn der Maßnahme in Streit stand. Zur Frage, ob die Verlängerung einer Weiterbildungsmaßnahme aus Gründen, die der Teilnehmer zu vertreten hat, als Weiterbildung iSv § 77 Abs. 1 Satz 1 aF bzw § 81 Abs. 1 Satz 1 SGB III gilt, hat sich das BSG bislang ersichtlich nicht verhalten. Sollte die Ermessensentscheidung, die Weiterbildungsmaßnahme der Antragstellerin zu fördern, von vornherein auch den Zeitraum einer ggfs wegen Nichtbestehens der Prüfung erforderlichen Verlängerung "mit Unterrichtsveranstaltungen" (vorliegend vier Monate) umfassen, wäre ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin ohnehin gegeben. Sollte hingegen eine neue Ermessensentscheidung erforderlich sein, spricht einiges dafür, dass sich die Antragsgegnerin zumindest in der vorliegenden Fallkonstellation des erstmaligen Nichtbestehens einer Abschlussprüfung durch ihre bei Bewilligung der Maßnahme erfolgte Ermessensausübung gebunden hat. Hierbei dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass die Antragsgegnerin in ihrem "Teilablehnungsbescheid" vom 21. September 2012 grundsätzlich eine Förderungswürdigkeit der Ausbildungsverlängerung anerkannt hat, die im Hinblick auf den erstrebten Abschluss als Gesundheits- und Krankenpflegerin auch außer Frage stehen dürfte.

Von hinreichenden Erfolgsaussichten in Bezug auf den zu fordernden Anordnungsgrund war schon deshalb auszugehen, weil die mittlerweile im Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) stehende Antragstellerin außerstande sein dürfte, die hohen Fahrkosten für die werktäglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort und Eisenhüttenstadt aufzubringen. Ggfs wäre das SG zumindest gehalten gewesen, Sachermittlungen anzustellen, ob die Antragstellerin über Vermögen oder andere Einnahmen verfügt, aus denen sie die Kosten der verlängerten Maßnahme bestreiten kann. Auch insoweit hätte dem Antrag aber die hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden können.

Kosten sind im PKH-Beschwerdeverfahren kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl § 127 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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