L 2 U 84/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 3 U 51/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 2 U 84/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Versicherungsschutz als Gemeindevertreter besteht nur dann, wenn die unfallbringende Tätigkeit mit der Tätigkeit als Gemeindevertreter in einem inneren Zusammenhang steht. Das die unfallbringende Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang mit der Ausübung des Amtes als Gemeindevertreters steht, ist im Vollbeweis festzustellen.
2. Dieser Vollbeweis ist nicht schon dann erbracht, wenn der Gemeindevertreter geltend macht, in Ausübung allgemeinder Kontrollpflichten einen Gang durch die Gemeinde übernommen zu haben. Dies gilt zumindest dann, wenn objektiv feststellbare Gründe gegen eine solche Handlungstendenz sprechen.
3. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 10 a SGB 7 umfasst nur konrete, dem Ehrenamt zurechenbare Tätigkeiten. Der Status als Gemeindevertreter reicht allein nicht aus, um Versicherungsschutz zu begründen. Deshalb bleibt der Spaziergang eines Gemeindevertreters unversichert.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung eines Ereignisses am 27. November 2006 als Arbeitsunfall/Wegeunfall. Dabei ist streitig, ob er sich auf einem als ehrenamtlicher Gemeindevertreter versicherten Weg befand.

Der 1946 geborene Kläger war seit Oktober 2003 Gemeindevertreter der Gemeinde P. Durch Wahl der Gemeindevertretung am 14. Juli 2005 wurde er Mitglied des Bauausschusses. Sitzungen des Gemeinderates fanden im Jahr 2006 am 26. Januar, 02. Februar, 23. Februar, 23. März, 27. April, 23. Mai, 01. Juni, 29. Juni, 27. Juli, 24. August, 21. September, 02. und 23. November statt. An den Sitzungen am 27. Juli, 21. September sowie 02. und 23. November 2006 nahm der Kläger nicht teil. Hierzu führte er in einem an die Vorsitzende der
Gemeindevertretung gerichteten Schreiben vom 12. Januar 2007 aus, auf Anraten seines Arztes habe er als Folge eines Zusammenbruchs im Sommer 2006 kürzer treten und jede Aufregung vermeiden müssen. Als persönliches Ziel habe er sich den Januar 2007 gestellt, um wieder aktiver tätig zu werden.

Mit Schreiben vom 3. Dezember 2006 teilte der Kläger der Gemeinde P mit, dass er am 27. November 2006 gegen 17:15 Uhr auf dem Bürgersteig der Lstraße gestürzt sei und sich das rechte Knie verletzt habe. Dass er hierbei in Ausübung seiner Tätigkeit als Gemeindevertreter gehandelt habe, teilte er nicht mit, er verwies vielmehr auf die Pflicht der Gemeinde für eine gefahrlose Nutzung des Bürgersteigs zu sorgen und behielt sich eventuelle Regressforderungen vor. Insoweit gab es ein zwischen dem Kläger und der Gemeinde P bzw. dem Kommunalen Schadensausgleich geführtes zivilrechtliches Verfahren. Mit oben genanntem Schreiben vom 12. Januar 2007 teilte der Kläger der Vorsitzenden der Gemeindevertretung mit, dass er am 27. November 2006 den Fortschritt der Bauarbeiten am S-Bahnhof P inspiziert und infolgedessen einen Wegeunfall auf dem Heimweg erlitten habe. Eine Unfallanzeige vom 27. November 2006 habe er zu Händen des Bürgermeisters geschickt. Auf Nachfrage der Beklagten beim Bürgermeister teilte dieser mit bei der Beklagten am 16. Oktober 2007 eingegangenem Schreiben mit, der Kläger habe zwar mit Schreiben vom 3. Dezember 2006 mitgeteilt, dass er einen Wegeunfall erlitten habe, eine frühere Anzeige liege jedoch nicht vor. Dass eine solche mündlich erstellt worden sei, halte er wegen der gewöhnlichen Arbeitszeit seiner Mitarbeiter und dem Unfallzeitpunkt für unwahrscheinlich.

Mit Unfallanzeige vom 9. Februar 2007 zeigte die Gemeinde P den Unfall bei der Beklagten an und führte aus, es habe sich erst jetzt herausgestellt, dass der Kläger in seiner Eigenschaft als Gemeindevertreter den Fortschritt der Bauarbeiten am S-Bahnhof P habe inspizieren wollen und auf dem Heimweg dann den Wegeunfall erlitten habe. Es sei danach davon auszugehen, dass der gesetzliche Unfallversicherungsschutz für kommunale Mandatsträger der Beklagten greife.

Mit Bescheid vom 28. August 2008 lehnte die Beklagte eine Entschädigung für das Ereignis vom 27. November 2006 ab und führte zur Begründung unter anderem aus, es sei im Ergebnis nicht eindeutig festzustellen, dass der Kläger sich zum Zeitpunkt des Ereignisses auf einem versicherten Weg befunden habe. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2009 zurück, nachdem sie den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Fraktion des Klägers sowie erneut die Gemeinde P, die Protokolle der Sitzungen der Gemeindevertretung des Jahres 2006 übersandte, befragt hatte (hinsichtlich der Einzelheiten dieser angeforderten Unterlagen wird auf Blatt 251 bis 273 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen).

Auf die anschließende Klage hob das Sozialgericht Frankfurt (Oder) den Bescheid der Beklagten vom 28. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. März 2009 mit Urteil vom 30. September 2010 auf und stellte fest, dass der Kläger am 27. November 2006 bei Ausübung einer versicherten Tätigkeit einen Wegeunfall erlitten habe. Zur Begründung führte es unter anderem aus, das Ereignis vom 27. November 2006 sei ein Arbeitsunfall (Wegeunfall). Der Kläger habe bei seinem Wegeunfall unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden, denn die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII seien gegeben. Nach dieser Bestimmung seien kraft Gesetzes Personen versichert, die für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften oder für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen ehrenamtlich tätig seien oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen würden. Zum Unfallzeitpunkt sei der Kläger als Gemeindevertreter der von den Bürgern gewählten Gemeindevertretung der Gemeinde P angehörig gewesen und habe somit ein öffentlich-rechtliches Ehrenamt ausgeübt, für das er eine nicht der Bestreitung des laufenden Lebensunterhalts dienende monatliche Aufwandsentschädigung erhalten haben. Der Kläger habe damit grundsätzlich zu dem von § 2 Abs. 1 Nr. 10 SGB VII erfassten Personenkreis gehört. Zur Überzeugung des Gerichts habe der Unfall des Klägers auf dem Rückweg von der Besichtigung einer gemeindlichen Baustelle und eines Bebauungsplanbereichs am 27. November 2006 in einem rechtlich wesentlichen inneren Zusammenhang mit dem Kernbereich der versicherten (ehrenamtlichen) Tätigkeit gestanden. Für die Beurteilung dieser Frage sei die Gesamtheit aller tatsächlichen Umstände des Einzelfalls entscheidend. Der Versicherungsschutz sei auch nicht ausschließlich auf die Teilnahme an Veranstaltungen der Gremien selbst beschränkt, denen der Betroffene als Mitglied angehöre (Bundessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 1980 – 8a RU 46/79). Nach der inzwischen fortentwickelten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Begriff der ehrenamtlichen Tätigkeit setze die Vorschrift einen bestimmten, qualifizierten Aufgaben- und organisatorischen Verantwortungsbereich der öffentlich-rechtlichen Körperschaft voraus, innerhalb dessen die ehrenamtliche Tätigkeit für die Körperschaft ausgeübt werden müsse (Bundessozialgericht, SozR 3-2200, § 539 Nrn. 11, 14, 31). Die Besichtigung des mit Bebauungsplan zu planenden Bereiches W-Str. bzw. die Baustelle am S-Bahnhof P sei nicht von der Gemeinde P oder deren Gemeindevertretung organisiert und durchgeführt worden. Die Besichtigung sei vielmehr aufgrund des eigenen Entschlusses des Klägers erfolgt. Es möge dahingestellt bleiben, ob der Kläger hierzu durch Diskussionen in seinem Fachausschuss, der Gemeindevertretung oder seiner Fraktion in der Gemeindevertretung herausgefordert worden sei. Darauf komme es nach Auffassung der Kammer nicht an. Der Kläger sei als Gemeindevertreter dem Status nach nicht Parlamentsabgeordneten gleichgestellt, aber er sei ähnlich der Regelung des Artikels 38 Abs. 1 S. 2 Grundgesetz verpflichtet, sein Ehrenamt ausschließlich nach dem Gesetz auszuüben, und zwar nach seiner freien, dem Gemeinwohl verpflichteten Überzeugung. An Aufträge und Weisungen sei er nicht gebunden (siehe § 37 Abs. 1 Gemeindeordnung für das Land Brandenburg). Ein so genanntes interaktives Mandat oder ein förmlicher Fraktionszwang seien deshalb mit der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg in der damals geltenden Fassung nicht vereinbar gewesen (Nierhaus, Kommunalrecht für Brandenburg, 1. Auflage 2003, Rn. 396 f.; Muth, Plumbaum und andere, Potsdamer Kommentar zur Kommunalverfassung des Landes Brandenburg, 1995, Gemeindeordnung, § 37, Erl. 1 ff.). Die §§ 36 und 37 der
Gemeindeordnung für das Land Brandenburg hätten dem Kläger als Gemeindevertreter bei der Beratung und Entscheidung in allen Gemeindeangelegenheiten umfassende Mitwirkungs- und Kontrollrechte gegeben. Als Mitglied der Gemeindevertretung sei es auch Angelegenheit des Klägers gewesen die Kontrollbefugnis der Vertretungskörperschaft insgesamt als deren Kompetenz zu schützen. Die Gemeindevertretung habe die Ausführung ihrer Beschlüsse zu überwachen und die Gemeindeverwaltung zu kontrollieren. Beim Auftreten von Missständen in der Gemeindeverwaltung sorge die Vertretung für deren Beseitigung (Gern, Deutsches Kommunalrecht, 2. Auflage, 1997, Rn. 316). Insbesondere die Vorschriften der §§ 36 und 37 der Gemeindeordnung für das Land Brandenburg würden belegen, dass mit dem Begriff "Tätigkeit" der Gemeindevertreter nicht nur die Teilnahme an Sitzungen der Vertretung oder an Sitzungen von Fachausschüssen umfasst sein könne, sondern alle Tätigkeiten, die sich aus der Wahrnehmung des freien Mandats ergeben würden, darunter zu fassen seien. Insbesondere bei gemeindlichen Bauvorhaben werde es für Gemeindevertreter notwendig sein, durch Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten - dies gelte erst recht nach der Bildung von Großgemeinden im Land Brandenburg -, Gespräche mit Bürgern vor Ort und anderen denkbaren Informationsgewinnungsverfahren die vorhandenen Kontrollrechte bei der Vorbereitung von Beschlüssen, der Abfassung der Beschlüsse in der Vertretung und der Ausführung der Beschlüsse durch die Verwaltung überhaupt erst effektiv nutzbar zu machen. Zur Überzeugung der Kammer stehe die Baustellenbesichtigung und die Besichtigung des Bebauungsplanbereiches am Unfalltag – so wie sie vom Kläger geschildert worden sei - in einem engen inneren Zusammenhang mit der unmittelbaren Wahrnehmung des Mandats des Klägers als Gemeindevertreter. Für den Besuch der Baustelle und des Bebauungsplanbereichs habe es keiner äußeren Veranlassung durch Fraktion, Fachausschuss oder Tagesordnung der Gemeindevertretung bedurft. Wann und wo ein Gemeindevertreter in Ausübung bzw. Vorbereitung seiner Mitwirkungs- und Kontrollrechte Informationen sammle, entscheide der Gemeindevertreter selbst. Der Gemeindevertreter entscheide, wann eine Information für ihn sachgerecht sei und wie er mit dieser Information in der
Gemeindevertretung umzugehen gedenke. Es komme nicht zwingend darauf an, dass unmittelbar nach der Informationsgewinnung eine Unterrichtung in der Fraktion, dem Fachausschuss oder der
Gemeindevertretung dokumentiert werde. Das Sammeln von Informationen könne, aber müsse nicht mit einem auf der Tagesordnung der Gemeindevertretung stehenden Punkt im Zusammenhang stehen. Die Einbeziehung solcher Informationen in die eigene Willensbildung könne auch erst zu einem späteren Zeitpunkt in Anträgen an die Gemeindevertretung oder Anfragen an die Gemeindeverwaltung münden. Überdies sei dem Kläger nach seinem Unfall zunächst auch eine Mitarbeit in der Gemeindevertretung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich gewesen, so dass aus der Nichtverwendung der an der Baustelle gesammelten Informationen keine Rückschlüsse gezogen werden könnten.

Gegen das ihr am 3. März 2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 31. März 2011 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegte Berufung der Beklagten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 30. September 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakten (Az. 07 06492) der Beklagten Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht verurteilt, das Ereignis vom 27. November 2006 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Nach der Legaldefinition des § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper
einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall eines Versicherten ist danach im Regelfall erforderlich, dass seine Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer oder sachlicher Zusammenhang), sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen
Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Feststellung eines Arbeitsunfalls (vgl. BSG Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 RBSGE 94, 262, RdNr 5; Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 RBSGE 94, 269, RdNr 5; Urteil vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 RBSGE 96, 196, 198 RdNr 10; Urteil vom 4. September 2007 - B 2 U 24/06 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 24) Der Kläger war gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 10 a SGB VII in der hier gültigen ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung als Gemeindevertreter grundsätzlich in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Danach sind Personen, die

a) für Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände oder Arbeitsgemeinschaften, für die in den Nummern 2 und 8 genannten Einrichtungen oder für privatrechtliche Organisationen im Auftrag oder mit ausdrücklicher Einwilligung, in besonderen Fällen mit schriftlicher Genehmigung von Gebietskörperschaften ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen,

versichert.

Insoweit hat das Sozialgericht zwar zutreffend festgestellt, dass der Kläger als Gemeindevertreter grundsätzlich dem Versicherungsschutz des § 2 Abs. 1 Nr. 10 a SGB VII unterfällt, es steht aber zur Überzeugung des Senates nicht mit der notwendigen Sicherheit fest, dass die Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, dass also der innere oder sachliche Zusammenhang zwischen der zum Unfall führenden Verrichtung und der versicherten Tätigkeit gegeben ist.

Versicherungsschutz als Gemeindevertreter besteht nur dann, wenn die unfallbringende Tätigkeit mit der Tätigkeit als Gemeindevertreter in einem inneren Zusammenhang steht. Anders als von dem Kläger vorgetragen, reicht für die Begründung dieses Zusammenhangs nicht bereits der von ihm für jede subjektiv dem Amt dienliche (Kontroll-)Handlung in Anspruch genommene Status als Gemeindevertreter aus, um Versicherungsschutz zu begründen. Der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10 a SGB VII umfasst vielmehr nur konkrete, dem Ehrenamt objektiv zurechenbare Tätigkeiten. Dies ergibt sich mit ausreichender Sicherheit aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Nr. 10 a SGB VII, der nicht auf den Status als Ehrenamtlicher abstellt, sondern auf die ehrenamtliche Tätigkeit ( ehrenamtlich tätig sind ). Der notwendig subjektiv bestimmten Handlungstendenz kommt entscheidende Bedeutung nur dann zu, wenn sie durch objektiv belegbare Umstände bestätigt wird. In einer solchen Auslegung des § 2 Abs. 1 Nr. 10 a SGB VII liegt auch entgegen der Auffassung des Klägers keineswegs eine Benachteiligung oder Herabwürdigung des Ehrenamtes, sondern vielmehr die vom Gesetzgeber gewollte Stärkung des Ehrenamtes, denn der Versicherungsschutz wird dadurch an die tatsächliche Ausübung des Ehrenamtes gebunden und kommt damit den aktiven ehrenamtlich Tätigen zugute, nicht aber demjenigen, der zwar ein Ehrenamt innehat, dieses aber - aus welchen Gründen auch immer - nicht ausübt. Versicherungsschutz als Gemeindevertreter besteht damit nur dann, wenn die unfallbringende Tätigkeit mit der Tätigkeit als Gemeindevertreter in einem objektiv belegbaren inneren/sachlichen Zusammenhang steht.

Bei der Feststellung dieser sachlichen Verknüpfung geht es nicht um die Frage der Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne. Vielmehr ist der innere Zusammenhang wertend zu ermitteln, wobei es darauf ankommt, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSG, Urteil vom 05. Mai 1994 - 2 RU 26/93 - SozR 3-2200 § 548 Nr. 19 m. w. N.). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; es muss bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können; es muss also sicher feststehen, dass eine versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSG, Urteil vom 20. Januar 1987, 2 RU 27/86, BSGE 61, 127, 128 m. w. N.). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund. Die Zurechnung von Verrichtungen zur versicherten Tätigkeit erfolgt im Regelfall durch die wertende Feststellung der Handlungstendenz des Betroffenen, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Maßgebliche Frage ist dabei, ob die zum Unfall führende Verrichtung wesentlich dazu bestimmt war, dem Unternehmen bzw. der versicherten Tätigkeit - hier der ehrenamtlichen Tätigkeit als Mitglied der Gemeindevertretung - zu dienen, wobei alle entscheidenden Einzelheiten in der Person des Handelnden und im Arbeitsvorgang sowie das sich daraus ergebende Gesamtbild in Betracht zu ziehen sind (vgl. etwa BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 11/04 RSozR 4-2700 § 8 Nr. 14 Rn. 13-15 m. w. N.). Es ist somit im Vollbeweis festzustellen, dass die unfallbringende Tätigkeit in einem inneren Zusammenhang mit der Ausübung des Amtes des Gemeindevertreters stand.

Vorliegend ist ein sachlicher Zusammenhang zwischen der Verrichtung des Klägers zur Zeit des Unfalls und der versicherten Tätigkeit als Gemeindevertreter nicht nachgewiesen. Zu Inhalt und Umfang des Versicherungsschutzes eines Gemeindevertreters hat das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 31. Januar 1980 (Az. 8a RU 46/79), auf welches auch das Sozialgericht Bezug genommen hat, u. a. ausgeführt:

"

An einer Rats- oder Ausschusssitzung hat der Kläger zum Zeitpunkt des Unfalls nicht teilgenommen, er war auch nicht auf dem direkten Weg zu oder von einer solchen Sitzung.

Zur Überzeugung des Senats befand sich der Kläger auch nicht auf einem Weg, der aus einem anderen Grund mit seiner Tätigkeit als Gemeindevertreter in einem inneren Zusammenhang stand. Denn es ist schon nicht nachgewiesen, dass der Kläger sich zum Zeitpunkt des Unfalls auf dem Rückweg von der Besichtigung einer gemeindlichen Baustelle am Bahnhof befunden hat. Dabei kann der Senat offenlassen, ob die sehr weite Auslegung des Sozialgerichts zutrifft. Der Senat hegt eher Zweifel, ob "die Inaugenscheinnahme der örtlichen Gegebenheiten, ( ) Gespräche mit Bürgern vor Ort" und insbesondere ob "andere denkbare Informationsgewinnungsverfahren" als Ausfluss der Wahrnehmung des freien Mandats dazu führen können, dass quasi jeder Weg eines Gemeindevertreters, der noch mit seiner Tätigkeit in irgendeinem Zusammenhang steht, versichert ist, ob es also ausreicht, als Gemeindevertreter "mit offenen Augen durch die Gemeinde" zu gehen, um Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung zu genießen. Eine solche weite Auslegung lässt sich auch nicht dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 31. Januar 1980 entnehmen, denn in diesem wurde gerade der enge innere Zusammenhang zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und der unmittelbaren Wahrnehmung des Mandats sowie der enge zeitliche und sachliche Zusammenhang zu diesem betont. Im vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall diente der Weg, auf dem der dortige Versicherte verunglückte, der Vorbereitung einer am selben Tag stattfindenden Gemeinderatssitzung. Hier steht nicht einmal fest, ob der unfallbringende Gang überhaupt in irgendeinem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit als Gemeinderat stand.

Der Senat kann deshalb offenlassen, ob auch eine Baustellenbesichtigung, die in keinem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zu einer Gemeindevertretersitzung steht, hierzu gehört, da bereits nicht im Vollbeweis feststeht, dass sich der Kläger auf dem Weg zu bzw. von einer Baustellenbesichtigung befand. Hierfür spricht lediglich, dass der Kläger dies behauptet. Objektive Nachweise dafür gibt es nicht. Weder wurde der Kläger auf seinem Weg begleitet noch hatte er einen entsprechenden Auftrag. Zwar stimmt der Senat dem Kläger zu, dass ein förmlicher Auftrag zur Baustellenbesichtigung - wegen des freien Mandats des Klägers - nicht notwendig war, er würde die Aussage des Klägers, dass er sich tatsächlich auf dem Weg zu bzw. von einer Baustellenbesichtigung befand, aber stützen. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen einer Sitzung der Gemeindevertretung und dem Unfalltag bestand nicht. An den drei letzten Sitzungen der Gemeindevertretung (21. September, 02. November und 23. November 2006) vor dem Unfalltag hatte der Kläger nach seinen eigenen Angaben im Schreiben vom 12. Januar 2007 aus gesundheitlichen Gründen nicht teilgenommen. Der Kläger zeigte den Unfall auch nicht unverzüglich den dafür zuständigen Stellen an. In seinen ersten Angaben zum Unfall im Schreiben vom 03. Dezember 2006 machte er keine Angaben dazu, dass er in seiner Eigenschaft als Gemeindevertreter verunglückt sei. Erst im Schreiben vom 12. Januar 2007 trug er vor, dass er sich auf dem Weg von einer Baustellenbesichtigung nach Hause befunden habe. Frühere Mitteilungen des Klägers über einen vermeintlich im Zusammenhang mit seiner Gemeindevertretertätigkeit stehenden Unfall ließen sich nicht ermitteln. Der Kläger hat auch keine Zeugen dafür benannt, dass er gerade am Unfalltag vorhatte, die Baustelle zu besichtigen, geschweige denn, dafür, dass er sich an diesem Tag auf dem Rückweg von einer Baustellenbesichtigung befand. Der von ihm im Widerspruchsverfahren als Zeuge benannte Vorsitzende seiner Fraktion K konnte lediglich bestätigen, dass am 13. November 2006 und am 4. Dezember 2006 Fraktionssitzungen stattgefunden haben. Wer an diesen teilgenommen hat, konnte er nicht sagen, da Protokolle und Anwesenheitslisten nicht geführt wurden. Aus seiner Erinnerung heraus habe der Kläger aber am 13. November 2006 erklärt, dass er in der nächsten Zeit erneut die Baustellensituation begutachten werde. Ob er dies am Unfalltag machen wollte, konnte er nicht sagen. Dann kann er aber erst recht nicht sagen, dass er dies am 27. November 2006 tatsächlich getan hat. Zudem lässt sich nicht im Vollbeweis - also nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - feststellen, ob der Kläger überhaupt vom Bahnhof P kam, geschweige denn aus welchem Grund er am Bahnhof war. Damit steht zur Überzeugung des Senates nicht im Vollbeweis fest, dass der Kläger sich, als er (ca.1,3 km vom S-Bahnhof P entfernt) verunglückte, auf dem Weg von der Baustelle nach Hause befunden hat. Er kann sich genauso gut auf jedem anderen Weg (mit oder ohne ein konkretes Ziel) innerhalb der Gemeinde befunden haben.

Lässt sich nicht klären, aus welchem Grund der Kläger zum Unfallzeitpunkt spazieren ging, so kommt es auf die Frage, ob ein Spaziergang zu einer gemeindlichen Baustelle überhaupt versichert ist, nicht an. Der notwendige Vollbeweis des inneren Zusammenhangs zwischen der unfallbringenden Tätigkeit und der versicherten Tätigkeit ist nicht schon dann erbracht, wenn der Gemeindevertreter geltend macht, in Ausübung allgemeiner Kontrollpflichten einen Gang durch die Gemeinde unternommen zu haben. Dies gilt zumindest dann, wenn - wie hier - objektiv feststellbare Gründe gegen eine solche Handlungstendenz sprechen. Da der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 10a SGB VII nur konkrete, dem Ehrenamt zurechenbare
Tätigkeiten umfasst und der Status als Gemeindevertreter zur Begründung des Versicherungsschutzes nicht ausreicht, bleibt der Spaziergang eines Gemeindevertreters durch die Gemeinde unversichert.

Nach alledem ist der Berufung der Beklagten stattzugeben und das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.

Anlass, die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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