L 3 U 127/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 12 U 139/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 127/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 08. April 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v.H ...

Der 1960 geborene Kläger erlitt als Teppichverkäufer bei der Firma R GmbH & Co. KG am 17. April 2001 einen Verkehrsunfall (Wegeunfall), als er als mit seinem Pkw auf dem Weg zur Arbeit frontal mit einem ins Schleudern geratenen Pkw zusammen stieß und eine dislozierte Sternumfraktur, eine Lungenkontusion, eine Schädelprellung mit dislozierter Nasenbeinfraktur, eine dislozierte Patellafraktur links sowie multiple Prellungen und Schürfungen erlitt. Er wurde mit dem Rettungshubschrauber in das Unfallkrankenhaus B (UKB) gebracht, wo eine Osteosynthese der Patella links sowie eine chirurgische Wundversorgung des rechten Kniegelenks mit Bursektomie der Bursa präpatellaris vorgenommen wurde. Die Sternumfraktur und Nasenbeinfraktur wurden konservativ behandelt. Am 30. April 2001 wurde der Kläger aus der stationären Behandlung entlassen. In der Folgezeit wurde der Kläger zunächst von dem Chirurgen und Durchgangsarzt Dr. L behandelt. Eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit (AU) wurde von Dr. L über einen Zeitraum von 8 bis 9 Wochen nach dem Unfall angenommen. Eine MdE in rentenberechtigender Höhe werde vermutlich nicht verbleiben. Im Mai 2002 erfolgte eine Materialentfernung im Krankenhaus L und im Juli/August 2002 eine ambulante Rehabilitation im Reha-Zentrum T.

Am 24. Juli 2003 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Bewilligung einer Verletztenrente. Er legte ein von dem Facharzt für Orthopädie Dr. P für die gegnerische Haftpflichtversicherung erstelltes Gutachten vom 29. März 2003 vor, in welchem folgende unfallbedingte Gesundheitsstörungen festgestellt wurden: Bewegungseinschränkung bei Beugung des linken Kniegelenkes bei knöchern ohne Fehlstellung oder Stufenbildung verheilter Patellaquerfraktur, Teilfixierung der Patella, Druckempfindlichkeit beim Knien sowie Bewegungsschmerz bei belasteter Beugung, etwa beim Treppensteigen, Verschmächtigung der linksseitigen Oberschenkelmuskulatur, Z. n. operativer Versorgung der Patellafraktur und Materialentfernung, reizfreie Narbenverhältnisse, vollständig ohne Fehlstellung verheilte Nasenbeinfraktur, Z. n. konservativer Behandlung, Ausheilung ohne Funktionsbeeinträchtigung, knöchern ausgeheilte Brustbeinfraktur, mit reizfreier Narbenbildung ausgeheilte Platzwunde des rechten Knies, Z. n. chirurgischer Wundversorgung und Schleimbeutelentfernung. Unfallunabhängig würden bestehen: eine leichte X-Beinfehlstellung der Beinachsen (Genua valga), ein zweitgradiger Knorpelschaden im Bereich des Femurs sowie er Tibia in der Hauptbelastungszone, eine degenerativ bedingte Innenmeniskushinterhornläsion Grad II bis III des linken Kniegelenkes. Dr. P hielt wegen der unfallbedingten Beeinträchtigungen sowie der Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur links eine MdE ab dem 18. April 2002 von 20 v. H. auf Dauer für gerechtfertigt. Dem vom Kläger vorgelegten Bescheid des Amtes für Soziales und Versorgung Potsdam vom 08. Juli 2002 über eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit von 30 v. H. sei nicht zu folgen, denn möglicherweise seien hier auch andere Gebrechen in die Bewertung mit einbezogen.

Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 05. März 2004 ab.

Im Rahmen des hiergegen gerichteten Widerspruchsverfahrens stellte sich der Kläger am 13. Mai 2004 im UKB zur Begutachtung vor. Prof. Dr. E (Oberarzt Dr. G, Assistenzarzt Dr. F) erstattete am 24. Mai 2004 ein erstes Rentengutachten, in welchem er - nebst ergänzendem Schreiben vom 15. September 2004 - zur Feststellung folgender Unfallfolgen gelangte:

• die folgenlos ausgeheilte Nasenbeinfraktur, • die folgenlos ausgeheilte Sternumfraktur, • im Bereich der linken unteren Extremität die Störung des Gangbildes bei muskulärer Insuffizienz, • die hochgradige Muskelverschmächtigung der linksseitigen Oberschenkelmuskulatur mit fehlender muskulärer Stabilisierung des linken Kniegelenkes, • der Patellatiefstand links, • die beschriebene Narbensituation, • die beschriebenen radiologischen Befunde

Dagegen sei die Chondropathie 2. Grades im Bereich des Femur, der Tibia sowie der Patella, welche sich im Fremd-MRT vom 30. Juni 2002 abgezeichnet habe, als unfallunabhängig zu werten. Auch in der postoperativ durchgeführten MRT-Diagnostik sei keine Stufenbildung in der retropatellaren Gleitfläche nachweisbar gewesen. Die ab dem 02. Juli 2001 verbleibende MdE werde mit 20 v. H. eingeschätzt.

Mit Bescheid vom 26. November 2004 half die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05. März 2004 dem Widerspruch des Klägers insoweit ab, als sie ihm unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Begutachtung durch Prof. Dr. E (Oberarzt Dr. G, Assistenzarzt Dr. F) aufgrund des Arbeitsunfalls vom 17. April 2001 eine Verletztenrente in Höhe einer MdE von 20 v. H. ab dem 02. Juli 2001 auf unbestimmte Zeit gewährte.

Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch verwies der Kläger darauf, dass er aufgrund seiner Schmerzen geringer belastbar sei und Gangschwierigkeiten habe. Er habe sich einen Automatikwagen kaufen und wegen des Treppensteigens die Wohnung wechseln müssen. Zudem habe er seine Arbeit verloren. Auch seien infolge seines gestörten Gangbildes Spätfolgen wie frühzeitiger Verschleiß von Hüfte, Sprunggelenk, Rücken und Knie zu erwarten. Eine MdE von 20 v. H. sei zu gering.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob der Kläger Klage bei dem Sozialgericht (SG) Potsdam (S 2 U 18/05) und machte geltend, dass bei ihm aufgrund von Unfallfolgen eine dauerhafte MdE von mehr als 20 v. H. vorliege. Er habe große Schmerzen im linken Kniegelenk, sei in seiner Beweglichkeit sehr stark beeinträchtigt, könne sich nicht hinknien, rennen, tanzen oder in die Hocke gehen und Treppen steigen gehe nur mit dem gestreckten linken Bein, welches er nachziehen müsse. Aufgrund dieser Einschränkungen sei er von der Firma R GmbH & Co. KG gekündigt worden wie der beigefügte Vertrag betreffend die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30. September 2003 beweise. Er habe 9 Jahre dort gearbeitet und entsprechende Anwartschaften hinsichtlich seiner Kündigungsfristen erworben, worauf er auch verzichten müsse. Eine neue Arbeit habe er nicht gefunden, seine körperliche Beeinträchtigung sei so erheblich, dass eine regelmäßige Beschäftigung nicht mehr zumutbar sei.

Im Auftrag des SG Potsdam erstattete der Chirurg Dr. B am 21. April 2006 ein Sachverständigengutachten, in welchem er zur Feststellung folgender unfallbedingter Gesundheitseinschränkungen gelangte: Z. n. operativer Behandlung einer Kniescheibenfraktur mit nachfolgender Materialentfernung, Muskelminderung am linken Oberschenkel. Demgegenüber sei der im MRT-Befund vom 30. Juni 2002 beschriebene Knorpelschaden unfallunabhängig und durch Verschleißprozesse bedingt.

Der Sachverständige Dr. B gelangte zu der Einschätzung, dass die Unfallfolgen eine MdE von 20 v. H. ab dem 02. Juli 2001 und zum Zeitpunkt der Untersuchung durch Prof. Dr. E am 24. Mai 2004 bedingt hätten. Zum Zeitpunkt der heutigen Untersuchung betrage die MdE lediglich noch 10 v. H., da nunmehr ausschließlich die linke untere Extremität betroffen sei und nach dem Ergebnis der Untersuchung und nach Angaben des Klägers die ehemals dislozierte Sternum- und Nasenbeinfraktur und die Schädelprellung sowie die Platzwunde vor der rechten Kniescheibe, die eine chirurgische Entfernung des Schleimbeutels notwendig gemacht habe, ohne funktionelle Beeinträchtigung und ohne Restbeschwerden abgeheilt seien.

Mit zum Gegenstand des Klageverfahrens (§ 96 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) gewordenem Bescheid vom 25. Juli 2006 entzog die Beklagte daraufhin die Unfallrente nach § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Ablauf des Monats Juli 2006.

Zur Untermauerung seiner Ansicht, dass eine MdE von mindestens 20 v. H. weiterhin bestehe, legte der Kläger einen Bericht des Facharztes für Neurologie Dr. B vom 15. März 2004 vorgelegt, demzufolge durch eine schmerzbedingte Schonhaltung eine Verschmächtigung des linken Oberschenkels von 2 bis 2,5 cm bestehe und es beim Versuch, den Muskel anzuspannen, zur Verkrampfung und grobschlächtigem unregelmäßigem Zittern des Beines gekommen sei. Ausweislich eines ebenfalls vorgelegten Schreibens von Prof. Dr. H, M-Krankenhaus, vom 05. April 2004 lägen nur relative Indikationen vor, eine arthroskopische OP des fraglich geschädigten Innenmeniskus und eine Verlängerungs-OP des Kniescheibenbandes vorzunehmen, weil es beim Kläger zu einer Überlagerung des Gesamtgeschehens gekommen sei, die eine komplette Wiederherstellung beeinträchtigen würde.

Der Gutachter Dr. B ist in seiner Stellungnahme vom 17. Oktober 2007 zu den Befunden von Prof. Dr. H und Dr. B bei seiner Auffassung geblieben.

Mit Urteil vom 18. Oktober 2007 hat das SG Potsdam die Klage unter Hinweis auf das Gutachten von Dr. B abgewiesen und ausgeführt, dass dem Kläger ab dem 02. Juli 2001 keine höhere MdE als 20 v. H. zustehe. Das bei der Begutachtung durch Prof. Dr. E beschriebene Muskelzittern beim Hochheben des Beines sei bei der Untersuchung von Dr. B nicht mehr vorhanden gewesen, zudem sei die Minderung der Oberschenkelmuskulatur nicht mehr so gravierend, sondern habe sich von 5 cm auf 2 cm reduziert. Unter Berücksichtigung der noch vorliegenden Unfallfolgen betreffend die linke untere Extremität sei entsprechend den überzeugenden Ausführungen von Dr. Bab dem 20. April 2006 nur noch von einer MdE von 10 v. H. auszugehen. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Mit Schreiben vom 12. Oktober 2008 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Verletztenrente. Er fügte eine psychotherapeutische Stellungnahme der Dipl.-Psych. H vom 19. Januar 2008 bei, derzufolge er sich von April 2004 bis November 2006 wegen einer gemischten Angst- und Panikstörung sowie einer chronifizierten somatoformen Schmerzstörung (u. a. Fibromyalgie) in psychotherapeutischer Behandlung befunden habe. Der Kläger führte aus, er leide infolge des Autounfalls immer noch unter Schmerzen im Knie- und Brustbereich, Angstattacken, vor allem beim Autofahren, sowie Depressionen. Des Weiteren legte er einen Bericht über ein MRT des linken Kniegelenks vom 11. Januar 2008 vor.

Im Auftrag der Beklagten erstatte der Facharzt für Chirurgie Dr. V am 07. Januar 2009 ein Gutachten zur Nachprüfung der MdE, in welchem er nach Untersuchung des Klägers am 29. Dezember 2008 zur Feststellung folgender Unfallfolgen gelangte: &61656; nachweisbare Muskelmantelminderung der linksseitigen Oberschenkelmuskulatur um bis zu 1 cm, &61656; reizlose Narbenverhältnisse nach Metallentfernung einer Patellazuggurtung links, &61656; eingeschränkte Hockstellung (um etwas die Hälfte), &61656; im MRT beschriebene, beginnende posttraumatische degenerative Veränderung der Patellarückfläche, &61656; folgenlos ausgeheilte Sternumfraktur und Nasenbeintrümmerfraktur, &61656; glaubhafte Beschwerden des Versicherten.

Im Vergleich zum Vorgutachten von Dr. B vom 21. April 2006 lasse sich keine Verschlimmerung nachweisen. Die MdE aus Folgen des Unfalls vom 17. April 2001 sei auf 10 v. H. auf Dauer einzuschätzen. Eine psychiatrische Zusatzbegutachtung erscheine notwendig.

Nachdem der Kläger eine ergänzende psychotherapeutische Stellungnahme der Dipl.-Psych. H vom 06. März 2009 vorgelegt hatte, die über eine Verschlimmerung der Beschwerden seit Herbst 2008, insbesondere der Herz-Kreislauf- und Panikanfälle, berichtete, beauftragte die Beklagte die Fachärztin für Psychiatrie Dr. B mit der Begutachtung des Klägers.

In ihrem Gutachten vom 06. Mai 2009 gelangte die Sachverständige Dr. B zu dem Ergebnis, dass beim Kläger eine Panikstörung, eine reaktive Depression bei depressiv-zwanghafter Persönlichkeitsstruktur mit narzistischer Abwehr und eine somatoforme Schmerzstörung vorlägen. Zwischen den psychischen Gesundheitsstörungen und dem Unfallereignis bestehe kein ursächlicher Zusammenhang. Bei dem unverschuldeten Verkehrsunfall, bei dem der Kläger schwere Verletzungen davongetragen habe, handele es sich um ein zwar schwerwiegendes, aber gleichwohl alltägliches Ereignis. Die erlittenen Verletzungen seien weder geeignet gewesen, eine akute Belastungsreaktion noch eine depressive Episode auszulösen. Die Verletzungen auf chirurgischem Fachgebiet seien bis auf eine, eine MdE von 10 v. H. begründende Einschränkung folgenlos verheilt. Unfallchirurgisch hätten diese Folgeerscheinungen keinesfalls eine AU begründet. Ab dem Beginn der psychotherapeutischen Behandlung seien die vom Kläger beklagten Einschränkungen als chronifizierte somatoforme Schmerzstörung eingeordnet worden. Die nach dem Unfall gehäuft aufgetretenen Panikattacken hätten auch vorher schon bestanden und seien Ausdruck der Unfähigkeit des Klägers, die durch den Unfall erlebte narzistische Kränkung zu verarbeiten. In diesem Zusammenhang sei auch die von der Psychotherapeutin beschriebene depressive Störung mit Existenzsorgen, Unrechtsempfinden und Minderwertigkeitsgefühlen, Kastrationserleben einzuordnen. Bereits im Juli 2000 sei eine somatoforme Störung diagnostiziert worden, und im Übrigen fänden sich zahlreiche Hinweis für eine psychisch relevante Schadensanlage in Form einer besonderen Persönlichkeitsstruktur. Da die psychischen Gesundheitsstörungen nicht als unfallbedingt anzusehen seien, sei auch keine MdE einzuschätzen.

Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 08. Juni 2009 die Gewährung einer Rente unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Begutachtungen durch Dr. V und Dr. B ab und wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 29. Oktober 2009 als unbegründet zurück.

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Vorbringens vorgetragen, dass das Gutachten von Dr. B lückenhaft und nicht verwertbar sei. Die von der Gutachterin geäußerte Annahme, bei ihm hätte spätestens seit 1999 eine Vorerkrankung im Sinne einer Panikstörung vorgelegen, sei nicht nachvollziehbar. Auch ihre Einschätzung, dass die festgestellten Gesundheitsstörungen nicht auf dem Unfall beruhen würden, habe die Gutachterin nicht begründet. Nicht nachvollziehbar sei schließlich die Aussage, dass der Unfall, bei dem der Kläger unverschuldet schwere Verletzungen davongetragen habe, ein alltägliches Ereignis sei. Nur unzureichend begründet sei auch die Auffassung der Gutachterin, die Panikattacken stünden nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfallereignis, sondern seien Ausdruck der Unfähigkeit des Klägers, die durch den Unfall erlebte narzistische Kränkung zu verarbeiten. Völlig fehle es an einer Aussage, ob mögliche Vorerkrankungen durch das Unfallereignis verschlimmert worden seien.

Das SG Potsdam hat Befundbericht (BB) des Facharztes für Allgemeinmedizin Dipl.-Med. P vom 06. Februar 2010 angefordert, beigefügt war u. a. der Bericht der Blinik B, Abteilung Psychosomatik, vom 25. April 2006 über eine zehnwöchige, stationäre Rehabilitation.

Mit Urteil vom 08. April 2011 hat das SG Potsdam die Klage unter Bezugnahme auf das unfallchirurgische Gutachten von Dr. V abgewiesen, gegen das der Kläger Einwendungen nicht vorgetragen habe. Die ausweislich des Gutachtens bestehenden Gesundheitsstörungen (Muskelmantelminderung der linksseitigen Oberschenkelmuskulatur um bis zu 1 cm, reizlose Narbenverhältnisse, eingeschränkte tiefe Hockstellung (um etwa die Hälfte), beginnende posttraumatische degenerative Veränderung der Patellarückfläche und folgenlos ausgeheilte Sternum- und Nasenbeintrümmerfraktur) würden insgesamt keine MdE von mindestens 20 v. H. begründen. Die Panikstörung des Klägers könne demgegenüber nicht auf das Unfallgeschehen zurückgeführt werden, wie sich aus dem widerspruchsfreien, in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten von Dr. B vom 06. Mai 2009 wie auch aus dem Reha-Bericht der Bklinik B vom 25. April 2006 ergebe. Eine wesentliche Verschlimmerung sei nicht anzunehmen, da bereits vor dem Unfallereignis eine Herzkatheteruntersuchung im Jahre 2000 durchgeführt worden sei. Dieser massive invasive Eingriff habe nur bei erheblichen Beschwerden des Klägers medizinisch gerechtfertigt sein können.

Mit seiner gegen das Urteil des SG Potsdam bei dem Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg erhobenen Berufung verfolgt der Kläger sein Ziel auf Gewährung einer Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. April 2001 weiter.

Auf Antrag nach § 109 SGG hat der Facharzt für Orthopädie Dr. M am 29. März 2012 nach Untersuchung des Klägers am selben Tag ein Gutachten erstellt, in welchem er zur Diagnose eines unfallbedingten Kniegelenksverschleißes (posttraumatische Gonarthrose) links gelangt ist. Insoweit sei eine Verschlechterung des unfallbedingten Leidens seit dem Gutachten von Dr. B nicht eingetreten, ebenso wenig seit dem Verschlimmerungsantrag des Klägers am 12. Oktober 2008. Die arbeitsunfallbedingten Gesundheitsstörungen im Bereich des Bewegungsapparates würden eine MdE von 10 v. H. begründen (s. a. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2008).

Der Kläger hat zum Gutachten von Dr. M ausgeführt, dass die Herz-Kreislauf- und Panikanfälle vor dem Arbeitsunfall nicht in dieser Form vorgelegen hätten. Selbst bei Vorliegen eines gewissen Vorschadens sei die Verschlimmerung auf das Unfallereignis zurückzuführen. Zu dem Gutachten von Dr. M sei anzumerken, dass dieser sich für das Gespräche lediglich 45 Minuten Zeit genommen, ausschließlich am Computer gesessen und keine weitere Untersuchung an ihm vorgenommen habe. Wesentliche Angaben bzw. Verhaltensweisen seien nicht korrekt angegeben worden, es habe für ihn den Anschein gehabt, als sei das Gutachten schon zum Zeitpunkt seines Erscheinens zu ärztlichen Untersuchung "fertig" gewesen. Im Einzelnen sei Folgendes richtig zu stellen: Punkt I (c.1.) – er wohnt nicht in Hochparterre, sondern in Parterre. Punkt I (d) – Der Kläger trinkt nie Alkohol und raucht auch nie, da er Nichtraucher ist. Punkt II. zweiter Absatz – Es fehlen die Angaben bei den nichtorthopädischen Beschwerden über die Psychotherapie, die der Kläger und Berufungskläger absolvierte und über die Zähne des Klägers und Berufungsklägers. Unter Punkt II (a) ist zu korrigieren, dass Dr. H in T und nicht in Teunik sitzt. Frau H sitzt in M und nicht in Mahlau. Unter Punkt II (c.1 und c.2) ist festzustellen, dass Psychotherapien auch eine bisherige Therapiemaßnahme darstellen. Unter Punkt III (a) ist festzustellen, dass der Konstitutionstypus des Klägers und Berufungsklägers nicht athletisch ist, da der Kläger und Berufungskläger keinen Sport macht. Unter Punkt III (b) ist zu korrigieren, dass der Kläger und Berufungskläger nicht permanent eine Brille zum Ausgleich des Visus benötigt, sondern lediglich zeitweise. Unter Punkt III (h) ist zu korrigieren, dass der Kläger und Berufungskläger sehr wohl ein Standbein, nämlich rechts bevorzugt wegen der Verletzung am linken Bein. Unter Punkt VII 2. c) ist darauf hinzuweisen, dass der Kläger und Berufungskläger gerade wegen der Verschlechterung der unfallbedingten Leiden den Verschlimmerungsantrag gestellt hat. Punkt VII 3., zweiter Absatz - Der Kläger und Berufungskläger bestreitet, dass er nur einen leichten unfallbedingten Kniegelenksverschleiß hat. Nach seiner Auffassung ist der Kniegelenksverschleiß links sehr erheblich.

Schließlich habe Dr. M sich die mitgebrachten Röntgen- und MRT-Aufnahmen sowie Arztberichte, Atteste und Rentenbescheide nicht angesehen, sondern seine Entscheidung anscheinend auf die Aussagen der Vorgutachter gestützt. Demgegenüber habe Prof. Dr. S im Rahmen des Antrags auf Erwerbsminderungsrente am 25. Juni 2008 ein Gutachten erstellt und sich dabei auf einen Befund der Ärzte für Radiologie Dres. N vom 16. Januar 2008 bezogen, in dem es über ein MRT vom linken Knie vom 11. Januar 2008 u. a. heiße: "Die Kniegelenkveränderungen sind neben der Einengung der Foramina intervertebralia die 2. somatische Disposition als Handicap zu betrachten, die körperlich Leistungsfähigkeit beeinträchtigend".

Dr. M hat in einer ergänzenden Stellungnahme vom 08. Juni 2012 ausgeführt, dass die Äußerungen des Klägers emotional überlagert und sachlich unrichtig seien. Er habe nicht ausschließlich am Computer gesessen, sondern alle im Gutachten beschriebenen Untersuchungen selbst durchgeführt. Er habe den Kläger gründlich und ausführlich untersucht und dabei alle Gelenke sowie Umfangsmaße der Extremitäten abgemessen, insoweit sei auf die Messblätter (Kapitel III und IV des Gutachtens) zu verweisen. Die geschilderten Beanstandungen seien wohl Ausdrucksform der psychischen Überlagerung, der Kläger befinde sich in ambulanter Psychotherapie.

Der Kläger hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 08. April 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2009 aufzuheben und ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 17. April 2001 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben mit Schreiben vom 15. Juni 2012 sowie 02. Juli 2012 einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats zugestimmt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsakten der Beklagten (3 Bände) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berichterstatterin kann, weil die vorliegende Streitsache weder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist noch von grundsätzlicher Bedeutung ist, in Ausübung des insofern eröffneten richterlichen Ermessens anstelle des Senats im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ 155 Abs. 3 und 4, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG Potsdam hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen, indem es davon ausgegangen ist, dass beim Kläger keine messbaren, rentenberechtigenden Krankheitsfolgen des Unfalls vom 17. April 2001 mehr bestehen. Das Gericht lässt hierbei dahingestellt, ob die Klage nicht zunächst auf die Feststellung konkret bezeichneter Unfallfolgen hätte gestützt werden müssen (§ 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG), um im Anschluss daran zu beurteilen, ob diese Unfallfolgen eine MdE in rentenberechtigender Höhe begründen würden. Jedenfalls werden im Rahmen der erhobenen Anfechtungs-/Verpflichtungsklage bei der Prüfung der Frage, welche MdE beim Kläger vorliegt, von Amts wegen sämtliche Unfallfolgen in die Würdigung einbezogen, unabhängig davon, ob sie formell anerkannt sind oder nicht und ob sie ev. erst später aufgetreten sind.

Dies vorausgeschickt erweisen sich der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 08. Juni 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Oktober 2009 im Ergebnis als rechtmäßig und beschweren den Kläger nicht.

Ein Anspruch auf eine Verletztenrente setzt gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) voraus, dass die Erwerbsfähigkeit des Versicherten infolge des Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um mindestens 20 v. H. gemindert ist. Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle der Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Der Gesetzgeber bringt mit der Formulierung "infolge" in § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII das Erfordernis eines Zusammenhangs zum Ausdruck. Es muss nicht nur eine kausale Verknüpfung des Unfalls mit der betrieblichen Sphäre bestehen, sondern darüber hinaus auch zwischen Unfallereignis und Gesundheitserstschaden und zwischen Gesundheitserstschaden und länger andauernden Unfallfolgen (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 09. Mai 2006, B 2 U 1/05 R, in juris, Rn. 10, 13 ff.; Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, 1.4, S. 21 f.). Die vorgenannten Merkmale der versicherten Tätigkeit und des Unfallereignisses müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen wogegen für die Beurteilung des kausalen Zusammenhangs zwischen dem Arbeitsunfall und der Gesundheitsstörung der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, genügt (BSG, Urteil vom 27. Juni 2006, B 2 U 20/04 R, in juris). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20).

Die Gewährung von Verletztenrente setzt außerdem voraus, dass überhaupt eine MdE des Versicherten in Folge des Arbeitsunfalls gegeben ist. Nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII richtet sich die Höhe der MdE nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Die Bemessung des Grades der MdE ist eine tatsächliche Feststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Bei der Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten sind die medizinischen oder sonstigen Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens zu berücksichtigen. Diese Beurteilung liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet, es sind aber auch die vom versicherungsrechtlichen und medizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen bilden und einem ständigen Wandel unterliegen (vgl. zu allem BSG, Urteil vom 18. März 2003, B 2 U 31/02 R, in juris).

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 SGG) kann nicht festgestellt werden, dass sich nach der rechtskräftigen Entziehung der Unfallrente durch Bescheid vom 25. Juli 2006 beim Kläger körperliche oder psychische Unfallfolgen manifestiert hätten, die eine (rentenberechtigende) MdE von mindestens 20 v. H. bedingen würden.

Dies ergibt sich zunächst aus dem im erstinstanzlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten des Facharztes für Chirurgie Dr. V vom 07. Januar 2009. Das Gutachten ist nach Untersuchung des Klägers am 29. Dezember 2008 sorgfältig erhoben und nachvollziehbar begründet. Insbesondere berücksichtigt es den Umstand, dass die der MdE-Einschätzung zugrunde liegende Rentenbegutachtung eine Funktionsbegutachtung ist (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2008, Seite 96 ff. m. w. N.). Dies bedeutet, dass der nach der Neutral-Null-Methode erfolgten Feststellung der dem Kläger möglichen Bewegungsausmaße sowie der Umfangsmaße entscheidende Bedeutung zukommt. Insoweit lässt sich dem Messblatt für untere Gliedmaße entnehmen, dass die Streckung/Beugung der Kniegelenke links wie rechts seitengleich möglich war (0/0/140). Auch im übrigen stellte sich die Untersuchung des linken Kniegelenks im Vergleich zum rechten Kniegelenk als unauffällig dar. Es bestand lediglich noch eine Muskelmantelminderung der linksseitige Oberschenkelmuskulatur um 0,5 bis 1 cm, aber keine Umfangsverminderung der linksseitigen Unterschenkelmuskulatur und keine Umfangsvermehrung des linksseitigen Kniegelenks im Seitenvergleich. Der Sachverständige hat im übrigen ausgeführt, dass der Kläger bei der körperlichen Untersuchung den Raum mit flüssigem, raumgreifendem, hinkfreiem Gangbild betreten habe und auch auf Nachfragen verneint habe, noch zu hinken. Der Kläger sei in der Lage gewesen, den Zehenspitz- und Fersengang sowie den Einbeinstand gut und sicher vorzuführen. Lediglich die tiefe Hocke sei etwa um die Hälfte eingeschränkt gewesen, wobei ein belastungsabhängiger Schmerz oberhalb der Kniescheibe bestanden habe. Schließlich hat Dr. V auch das vom Kläger erwähnte und von ihm in dem Gutachten von Dr. M vermisste MRT des linken Knies vom 11. Januar 2008 einbezogen und gewürdigt.

Die Untersuchungsergebnisse des Sachverständigen Dr. V tragen seine abschließende Feststellung, dass sich im Vergleich zu dem maßgeblichen Vorgutachten von Dr. B vom 21. April 2006 keine Verschlimmerung der unfallbedingten Gesundheitsschäden nachweisen lasse. Vielmehr liegt sogar eine Verbesserung vor. Bereits Dr. B hatte keinen schwerwiegenden pathologischen Befund am linken Knie mehr feststellen können. Die Streckung/Beugung der Kniegelenke links wie rechts war auch dort bereits seitengleich möglich (0/0/130), die Muskelmantelminderung war noch höher und betrug am linken Oberschenkel 2 cm im Vergleich zum rechten. Auch dort hatte der Kläger bereits ein raumgreifendes unauffälliges Gangbild gezeigt und benutzte keine orthopädischen Hilfsmittel.

Auch das auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. M vom 29. März 2012 verhilft der Berufung nicht zum Erfolg. Der Gutachter hat letztlich die Feststellungen der Sachverständigen Dr. V und Dr. B bestätigt, dass sich keine Verschlimmerung der unfallbedingten Gesundheitsschäden nachweisen lasse. Bei der körperlichen Untersuchung hat der Kläger nach den Feststellungen des Gutachters Dr. M ein unauffälliges raumgreifendes Gangbild mit seitengleicher Schrittlänge gezeigt, das Aufrichten aus sitzender Körperhaltung sei unauffällig erfolgt, das Entkleiden vorwiegend im Stehen. Der Kläger trage normale Konfektionsschuhe ohne spezielle orthopädische Schuhversorgung, lediglich Schuheinlagen bei Bedarf. Die Untersuchung habe keine Auffälligkeiten hinsichtlich des Gefäßstatus, der Muskulatur und der Ausbildung des Skelettes ergeben, die Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten sei uneingeschränkt gewesen, der neurologische Status unauffällig. Bei der Prüfung der groben Kraft der Beine und der Umfangsmaße hätten sich bei normaler Muskelfunktion keine Defizite im Seitenvergleich gezeigt. Diese Feststellungen tragen die Einschätzung, dass eine Verschlechterung des unfallbedingten Kniegelenksverschleißes (posttraumatische Gonarthrose) nicht eingetreten ist. Nachvollziehbar ist auch die anhand der unfallmedizinischen Literatur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a. a. O.) getroffene Einschätzung, dass die unfallbedingten Gesundheitsstörungen im Bereich des Bewegungsapparates lediglich eine MdE von 10 v. H. bedingen würden. Die vom Kläger gerügten Ungenauigkeiten im Gutachten von Dr. M betreffen zum einen nicht die Einschätzung der Unfallfolgen (Wohnung nicht im Hochparterre, sondern im Parterre, kein Alkohol, kein Rauchen, Anschrift des Dr. H sei T und nicht Teunik, Anschrift der Frau H sei M und nicht Mahlau, kein athletischer Konstitutionstypus, da der Kläger keinen Sport mache, keine Notwendigkeit, permanent eine Brille zum Ausgleich des Visus zu tragen, sondern lediglich zeitweise), zum anderen fachfremde Bereiche (fehlende Angaben der nichtorthopädischen Beschwerden, über die Psychotherapie und die Zähne) und schließlich Umstände aus der subjektiven Sicht des Klägers, die schon aufgrund der Feststellungen in der körperlichen Untersuchung nicht zwingend den Schluss auf eine fehlerhafte Einschätzung des Gesundheitszustandes des Klägers von Seiten des Gutachters zulassen (Kläger bevorzuge das rechte Bein als Standbein wegen der Verletzung am linken Bein, Kläger habe wegen der von ihm angenommenen Verschlechterung der unfallbedingten Leiden den Verschlimmerungsantrag gestellt, Kläger halte den Kniegelenksverschleiß links für sehr erheblich). Zu den übrigen Rügen, dass der Gutachter Dr. M sich für das Gespräche lediglich 45 Minuten Zeit genommen, ausschließlich am Computer gesessen und keine weitere Untersuchung an ihm vorgenommen, zuvor erforderte Untersuchungsunterlagen wie Röntgen- und MRT-Aufnahmen sowie Arztberichte, Atteste und Rentenbescheide nicht angesehen habe, hat Dr. M in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 08. Juni 2012 ausgeführt, dass die Äußerungen emotional überlagert und sachlich unrichtig seien, dass alle im Gutachten beschriebenen Untersuchungen durch ihn selbst durchgeführt worden seien. Da die der MdE-Einschätzung zugrunde liegende Rentenbegutachtung eine Funktionsbegutachtung ist, kommt der nach der Neutral-Null-Methode erfolgten Feststellung der dem Kläger möglichen Bewegungsausmaße sowie der Umfangsmaße – wie bereits ausgeführt - entscheidende Bedeutung zu. Diese Messungen hat der Sachverständige Dr. M aber ausgeführt, wie die Seiten 5 – 14 des Gutachtens und die erhobenen Messwerte (Seite 15 – 17) zeigen.

Soweit sich der Kläger auf einen Befund der Dres. N und anderer Ärzte für Radiologie aus der Gemeinschaftspraxis in K W vom 16. Januar 2008 bezieht, der im Rahmen des Antrags auf Erwerbsminderungsrente dem Gutachten von Prof. Dr. S vom 25. Juni 2008 beigefügt gewesen sei, ist darauf hinzuweisen, dass dieses MRT bereits bei der Begutachtung durch den Sachverständigen Dr. V vorgelegen hat und bei der Feststellung der Unfallfolgen gewürdigt und einbezogen worden ist.

Schließlich vermag auch das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. P vom 29. März 2003 keine andere Entscheidung zu begründen. Abgesehen davon, dass Dr. P keine im Wesentlichen von den in diesem Verfahren eingeholten medizinischen Äußerungen abweichenden Befunde und Diagnosen gestellt hat, handelt es sich um ein von der gegnerischen Haftpflichtversicherung eingeholtes Gutachten, das zivilrechtlichen Bewertungskriterien folgt, die sich von denjenigen der gesetzlichen Unfallversicherung unterscheiden.

Ein psychischer Gesundheitsschaden, insbesondere in Form einer Panikstörung, einer Depression oder somatoformen Erkrankung, der einen Anspruch auf Entschädigungsleistungen begründen würde, ist unter Berücksichtigung der vorliegenden Anknüpfungstatsachen nicht in dem erforderlichen Vollbeweis gesichert. Zwar erscheint nachvollziehbar, dass der Kläger, durch die Folgen des Unfalls psychisch sehr belastet sei, wie die Dipl.-Psych. H in ihrer psychotherapeutischen Stellungnahme vom 06. März 2009 gegenüber der Beklagten ausgeführt hat. Der Kläger hat aufgrund der Unfallfolgen seinen Arbeitsplatz und den damit verbunden sozialen Status als Arbeitnehmer verloren, er musste von einer Erwerbsminderungsrente von 660,00 Euro leben, auch gibt er an, dass seine Partnerschaft in die Brüche gegangen sei und er sich nicht traue, eine neue einzugehen. Gleichwohl hat die Sachverständige Dr. B in ihrem Gutachten vom 06. Mai 2009 nachvollziehbar ausgeführt, dass die beim Kläger diagnostizierte Panikstörung, die reaktive Depression und die somatoforme Schmerzstörung nicht ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen seien, sondern ihre Grundlage in einer bereits vor dem Unfall beim Kläger bestehenden depressiv-zwanghaften Persönlichkeitsstruktur mit narzistischer Abwehrhaltung hätten. Das Gericht lässt bei seiner Würdigung dahin stehen, ob es sich der Formulierung der Sachverständigen Dr. B, bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall, der zu schweren Verletzungen führt, handele es sich um ein schwerwiegendes, aber gleichwohl alltägliches Ereignis, anschließen könnte. Diese Einschätzung mag provozierend formuliert sein, ist aber ersichtlich gemeint im Vergleich zu Katastrophenereignissen, wie sie für die Anerkennung z. B. des Posttraumatischen Belastungssyndroms vorliegen müssen, und soll keinesfalls den erlittenen Unfall im Sinn einer alltäglichen Begebenheit wie der Teilnahme am Straßenverkehr bagatellisieren. Auch die Aussage, dass die erlittenen Verletzungen ungeeignet gewesen seien, eine akute Belastungsreaktion oder depressive Episode auszulösen, beziehen sie allein auf die Unfallfolgen auf orthopädischem Gebiet, wie der nachfolgende Hinweis auf das folgenlose Verheilen der Verletzungen und die eingeschätzte MdE von 10 v. H. zeigt. Im übrigen bestätigen die einzelnen aktenkundigen Umstände aber die Einschätzung der Sachverständigen Dr. B, es handle sich bei den diagnostizierten psychischen Leiden nicht um Unfallfolgen. Zu Recht weist sie darauf hin, dass bereits ab dem Beginn der psychotherapeutischen Behandlung die vom Kläger beklagten Einschränkungen als chronifizierte somatoforme Schmerzstörung eingeordnet worden seien. Zwar seien nach dem Unfall Panikattacken gehäuft aufgetreten, allerdings hätten diese auch vorher schon bestanden. Zudem stünden die Panikattacken nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfallereignis, sondern seien Ausdruck der Unfähigkeit des Klägers, die durch den Unfall erlebte narzistische Kränkung zu verarbeiten. In diesem Zusammenhang sei auch die von der Psychotherapeutin Dipl.-Psych. H beschriebene depressive Störung mit Existenzsorgen, Unrechtsempfinden und Minderwertigkeitsgefühlen, Kastrationserleben einzuordnen. Das Ausmaß der narzistischen Kränkung darüber, dass ein anderer Mensch ihn zum Opfer mache, werde deutlich in der Art und Weise, wie der Kläger das Ereignis zelebriere (Bilderrahmen mit Zeitungsausschnitten und eigenem Bild). Der Kläger strebe Wiedergutmachung an, durch den Unfallverursacher und die Beklagte, wobei die psychische Erkrankung Ausdruck des sekundären Krankheitsgewinnes sei.

Der von der Sachverständigen Dr. B nach alledem gezogene Schluss, dass alle aufgeführten psychischen Störungen unfallunabhängig seien, wird auch bestätigt durch die Vermerke im Vorerkrankungsverzeichnis vom 17. Februar 2009. Daraus ergibt sich, dass der Kläger bereits mindestens ab 1999 Symptome aufgewiesen hat, die ärztlicherseits einerseits als Angina pectoris, andererseits als funktionell eingeordnet wurden (Herzschmerzen, Schweißausbrüche, Herzrasen und Angstgefühle), die aber von der Sachverständigen Dr. B als Panikattacken identifizieren wurden. Auch die Diagnosen der Therapeutin H, die sich mit denjenigen der Gerichtssachverständigen Dr. B decken, zeigen, dass für die Beschwerden des Klägers u. a. unfallunabhängige Umstände, wie leichte Kränkbarkeit und Verletzlichkeit und auch ein Fibromyalgie-Leiden, verantwortlich sind. So wurde auch bereits im Juli 2000 eine somatoforme Störung diagnostiziert als Ausdruck einer psychisch relevanten Schadensanlage in Form einer besonderen Persönlichkeitsstruktur. In diesen Zusammenhang ordnet sich auch die von der Psychotherapeutin H beschriebene depressive Störung mit Existenzsorgen, Unrechtsempfinden und Minderwertigkeitsgefühlen, Kastrationserleben ein.

Auch im Reha-Bericht der Bklinik B vom 25. April 2006 über eine insgesamt zehnwöchige stationäre medizinische Rehabilitation des Klägers wurden die – unfallunabhängigen - Diagnosen einer ängstlichen Persönlichkeitsstörung mit narzistischen und zwanghaften Zügen, einer Angststörung, soziophobisch gefärbt, und einer somatoformen Funktionsstörung mit Auswirkungen auf das Herz- und Kreislaufsystem festgestellt. Im dortigen Aufnahmegespräch berichtete der Kläger, dass er schon ab dem 8. Lebensjahr in psychischer Behandlung wegen Verhaltensauffälligkeiten gewesen sei und in der Folge erhebliche Lernschwierigkeiten gehabt habe. Seit seinem 18. Lebensjahr leide er unter immer wieder auftretendem Herzrasen, Herschmerzen, Druckgefühl im Thorax, Schwindel, Benommenheit, Angst und Panikattacken und immer wieder auftretende Herz-Kreislaufproblemen. Aus alledem lässt sich entnehmen, dass die nach dem Unfall gehäuft aufgetretenen Panikattacken schon vorher beim Kläger bestanden. Auffällig ist auch, dass der Kläger seinen Unfall ausweislich des Reha-Berichts der Blinik B dort nicht weiter thematisiert zu haben scheint. Der fehlende Zusammenhang zum Unfall zeigt sich schließlich auch in dem Umstand, dass der Kläger sich nicht direkt nach dem Unfall in Therapie begeben, sondern die Dipl.-Psych. H erst Jahre später, nämlich im April 2004, aufgesucht hat.

Es bestätigt sich so in der Gesamtschau der Befunde die Einschätzung der Sachverständigen Dr. B, dass die beim Kläger zweifelsohne vorliegenden psychischen Gesundheitsstörungen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfallereignis entstanden, sondern Ausdruck der Unfähigkeit des Klägers sind, die durch den Unfall erlebte erhebliche narzistische Kränkung zu verarbeiten. Da sich die psychischen Störungen aus einem Konglomerat verschiedenster Belastungen entwickelt haben, können sie weder im Sinne der erstmaligen Entstehung noch im Sinne der wesentlichen Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens auf den Verkehrsunfall zurückgeführt werden.

Die Berufung war hiernach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist mangels Zulassungsgrundes nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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