L 4 AS 32/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 51 AS 978/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 32/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird verworfen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich im Wesentlichen gegen einen Schriftsatz des Beklagten in einem gerichtlichen Verfahren.

Der 1947 geborene Kläger war bis Oktober 1975 für den N. Rundfunk tätig. Anschließend bezog er Leistungen bei Arbeitslosigkeit von der Bundesanstalt für Arbeit.

Auf entsprechende Anträge seines damaligen Pflegers vom 18. September 1984 und 23. November 1984 stellte die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte als zuständiger Träger der gesetzlichen Rentenversicherung die Erwerbsunfähigkeit des Klägers fest und bewilligte ihm für die Zeit ab 1. November 1983 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, ohne diese zu befristen. Seither ist der Kläger Inhaber eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, nunmehr gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund, die tatsächlich anzunehmen er sich jedoch seit vielen Jahren nicht bereit zeigt. Der Kläger erhielt in der Vergangenheit und erhält auch derzeit von der Freien und Hansestadt H. aufgrund seiner durch die Nichtannahme der Rente bedingten Hilfebedürftigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), da anerkannt ist, dass er aus gesundheitlichen Gründen zur Annahme der Rentenzahlung nicht in der Lage ist (siehe nur LSG Hamburg, Beschluss vom 4.12.2006 – L 4 B 486/06 ER SO; Beschluss vom 23.4.2007 – L 4 B 116/07 ER SO).

In Vergangenheit wie Gegenwart nahm und nimmt der Kläger exzessiv und ungezügelt die h. Gerichte mit Verfahren und Anträgen, die in Zusammenhang mit der Beendigung seiner Tätigkeit beim N. Rundfunk, seiner nachfolgenden Arbeitslosigkeit und dem Begehren nach Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche trotz festgestellter Erwerbsunfähigkeit stehen, in Anspruch. Die maßlos übertriebene Inanspruchnahme allein der h. Sozialgerichte wird bereits daraus deutlich, dass im Zeitraum nur vom Inkrafttreten des Zweiten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB II) am 1. Januar 2005 bis Anfang 2009 am Sozialgericht Hamburg 52 und am Landessozialgericht Hamburg 72 Verfahren als vom Kläger anhängig gemacht erfasst worden sind. Hinzu kommen seine unzähligen Anträge auf Wiederaufnahme von früheren, teils Jahrzehnte zurückreichenden Verfahren vor dem Sozial- oder Landessozialgericht Hamburg, seine massenhaften Widersprüche, Erinnerungen und Gegenvor¬stellungen, Ablehnungsanträge und Dienstaufsichtsbeschwerden, Kostenanträge und Anträge auf Abgabe von Akten.

Der Kläger begehrte seit 2005 in einer Vielzahl von Hauptsacheverfahren gegen die Beklagte Leistungen nach dem SGB II. Die Klagen wurden vom Sozialgericht Hamburg aufgrund des bestandskräftig festgestellten Rentenanspruches wegen fehlender Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit des Klägers jeweils abgewiesen. Die dagegen in elf Verfahren erhobenen Berufungen verwarf das Landessozialgericht Hamburg durch Urteil vom 10. Dezember 2009 (L 5 AS 6/09 u.a.) wegen partieller Prozessunfähigkeit des Klägers als unzulässig. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers verwarf das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 19. Dezember 2011 (B 14 AS 1/10 B) als unzulässig: Klagen und Berufungen seien jedenfalls deshalb unzulässig, weil es dem Kläger am Rechtsschutzbedürfnis fehle; er habe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II, da ein Rentenstammrecht bestehe und daraus bedarfsdeckende Zahlungsansprüche geltend gemacht werden könnten.

Im Klageverfahren L 4 AS 202/12 (S 51 AS 4376/10) des Klägers, in dem es um Leistungsansprüche seit dem Jahr 1981 geht, beantragte der Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Februar 2011 Klagabweisung. Der vom Kläger dagegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2011 zurückgewiesen; er sei unzulässig, da kein Verwaltungsakt vorliege. Dagegen hat sich der Kläger mit der am 18. März 2011 erhobenen Klage gewandt.

Mit Gerichtsbescheid vom 21. Dezember 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei wegen der partiellen Prozessunfähigkeit des Klägers unzulässig. Im Übrigen sei der Widerspruchsbescheid nicht zu beanstanden.

Dagegen hat der Kläger am 3. Januar 2012 Berufung eingelegt. Er hat umfänglich Schriftsätze zur Akte gereicht, auf die verwiesen wird.

Der Kläger beantragt wörtlich,

rückwirkende Ansprüche die Löschung XXXXX1980 meiner Arbeitslosenhilfe aufzuheben. Da ich Arbeitslosenhilfe auf mein Konto bis XXXXX1981 überwiesen erhielt. Mein Weiterzahlungsantrag XXXXX1981 lag begründet gerechtfertigt vor. Somit ist die Ablehnung 13.12.2011 Bescheinigung auf Arbeitslosenhilfeversicherung und Hilfe für Leistung zum Lebensunterhalt rückwirkend zu erstatten von der Bundesagentur.

und weiter,

das Passivrubrum in den negativen Sperrungen, untragbare Urteil 5.3.1982 - 4 AR 276/81 und 4 AR 640/81 – untragbare Urteil 4.1.1995 - 8 AR 239/88 und 8 AR 116/91 - umzuwandeln und abzuändern.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Begründung des angefochtenen Gerichtsbescheides.

Durch Beschluss vom 2. März 2012 hat der Senat die Berufung nach § 153 Abs. 5 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dem Berichterstatter zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte und der Leistungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakte L 4 AS 202/12 (S 51 AS 4376/10) verwiesen. Diese Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in der Besetzung mit dem Berichterstatter und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandeln und entscheiden, weil das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und der Senat durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen hat, der nach § 153 Abs. 5 SGG zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

Streitgegenstand des Verfahrens ist weiterhin der Schriftsatz des Beklagten vom 18. Februar 2011. Sollte der Kläger mit dem zuletzt gestellten Antrag eine Klageänderung beabsichtigen, ist diese nach § 99 Abs. 1 SGG als unzulässig zurückzuweisen, denn weder hat sich der Beklagte darauf eingelassen noch ist sie – mangels Verständlichkeit und Zusammenhangs mit dem ursprünglichen Begehren – als sachdienlich zu betrachten

Die Berufung ist unzulässig. Eine Berufung ist nur dann zulässig, wenn neben den in §§ 143, 144 und 151 SGG genannten auch die übrigen Zulässigkeitsvoraussetzungen – insbesondere die Prozessvoraussetzungen – vorliegen. Zu diesen gehört auch die Prozessfähigkeit des Klägers (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, vor § 51 Rn. 15), also die Fähigkeit, einen Prozess selbst oder durch einen selbst bestellten Prozessbevollmächtigten zu führen sowie Prozesshandlungen selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter wirksam vorzunehmen und entgegenzunehmen (Leitherer, a.a.O., § 71 Rn. 1a).

Das Landesozialgericht Hamburg hat bereits mehrfach entschieden (z. B. Urteil vom 14.10.2004 – L 5 AL 57/04; Beschluss vom 1.9.2005 – L 5 B 88/05 ER AS; Beschlüsse vom 20.8.2008 – L 5 B 229/08 PKH AS u. a.; Beschluss vom 16.12.2008 – L 5 B 1077/08 PKH AS; Beschluss vom 9.11.2009 – L 5 B 411/09 ER AS; Urteil vom 10.12.2009 – L 5 AS 6/09 u.a.; ebenso Urteil des 1. Senats vom 11.10.2006 – L 1 KR 17/06), dass es den Kläger zwar nicht als vollen Umfangs geschäftsunfähig ansieht. Aufgrund der maßlosen Inanspruchnahme der Gerichte mit Verfahren, die in Zusammenhang mit der Beendigung seiner Tätigkeit beim N. Rundfunk, seiner nachfolgenden Arbeitslosigkeit und dem Begehren nach Leistungen bei Arbeitslosigkeit und Arbeitssuche trotz festgestellter Erwerbsunfähigkeit stehen, geht das Gericht jedoch insoweit von einer partiellen Geschäfts- und Prozessunfähigkeit des Klägers aus. Auf die ausführlichen Darlegungen in den vorgenannten Entscheidungen nimmt der Senat Bezug. Diese Lebensbereiche sind auch in dem vorliegenden Verfahren betroffen, in dem es dem Kläger letztlich der Sache nach um Leistungen für sich als erwerbsfähigem Hilfebedürftigen nach dem SGB II geht.

Der Senat kann offen lassen, ob diese Einschätzung fortbesteht – auch wenn wegen der fortgesetzten Maßlosigkeit der Inanspruchnahme der Gerichte und der ganz überwiegend unverständlichen und praktisch sinnlosen Schriftsätze in diesen Verfahren daran keine Zweifel bestehen. Denn es fehlt dem hier gegenständlichen Rechtsschutzbegehren an einer weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung – dem Rechtsschutzbedürfnis. Denn über das Klagabweisungsbegehren hinsichtlich des gerichtlichen Verfahrens L 4 AS 202/12, das in dem angegriffenen Schriftsatz des Beklagten zum Ausdruck kommt, ist in jenem Verfahren ohnehin zu entscheiden und bedarf es insoweit keines gesonderten Verfahrens.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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