L 9 U 4415/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 U 1961/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4415/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 12. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt wegen der Folgen eines von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalles vom 20.11.1999 die Gewährung von Verletztenrente ab dem 28.11.2006.

Der 1949 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt als Schlosser/Schweißer beschäftigt. Auf dem Weg von seiner Arbeitsstelle nach Hause fuhr er am 20.11.1999 mit dem Fahrrad auf einen PKW auf. Er trug zum Unfallzeitpunkt keinen Fahrradhelm. Der Kläger zog sich eine mediale, leicht dislozierte Clavikulafraktur links, eine Schädelkontusion links mit Kopfplatzwunde parieto-temporal links sowie eine Rippenserienfraktur der 5. bis 10. Rippe links zu und befand sich deshalb bis 29.11.1999 in stationärer Behandlung (Durchgangsarztbericht des Dr. T.vom 22.11.1999, Zwischenbericht vom 17.12.1999, Bl. 2 und 22 f. Verwaltungsakte der Beklagten - VA). Die am 23.11.1999 durchgeführte Computertomographie der Halswirbelsäule zeigte erhebliche degenerative Veränderungen der oberen Halswirbelsäule, vor allem auch Randausziehungen des degenerativ-veränderten Dens axis sowie eine Spondylose bei C 2/3 mehr als bei C 3/4 (Bericht des Radiologen Kaufmann vom 24.11.1999, Bl. 129 VA). Der Neurologe und Psychiater S. fand in einem EEG keinen krankhaften Befund. Der psychische Befund war nicht auffällig (Bericht vom 17.01.2000, Bl. 41 VA). Der HNO-Arzt Dr. K. diagnostizierte aufgrund der Anamnese einen posttraumatischen Innenohrabfall links und empfahl eine Hörgeräteversorgung (Berichte vom 17.01.2000 und 05.04.2000, Bl. 42/43 und 127 VA). Der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. W. fand bei seiner Konsiliaruntersuchung am 25.02.2000 keine Hinweise auf eine signifikante Schädigung der Lunge durch das Thoraxtrauma. Die leichte Atemwegsrestriktion sei durch die Folgen der knöchernen Verletzung mit begleitender pleuraler Reaktion erklärbar (Bericht vom 14.03.2000, Bl. 137 VA). Ein MRT der linken Schulter vom 09.03.2000 erbrachte den Nachweis eines diskreten Gelenksergusses im Bereich der glenoidalen Gelenkfläche und einer kleinen Knochenzyste im medialseitigen Humeruskopf, ergab jedoch keine Hinweise auf eine Rotatorenmanschettenruptur bei Nachweis einer intakten Sehne des M. supraspinatus ohne Kontinuitätsunterbrechung (Befundbericht der Universitätsklinik Ulm vom 13.03.2000, Bl. 165 VA; vgl. auch Zwischenbericht vom 22.03.2000, Bl. 124 VA).

Vom 23.05.2000 bis 29.06.2000 wurde ein stationäres Heilverfahren mit intensiver physikalischer Therapie und Befundabklärung auf hno-ärztlichem, neurologischem und urologischem Fachgebiet in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Murnau durchgeführt. Nach dem Abschlussbericht des Prof. Dr. B. vom 29.06.2000 (Bl. 220 VA) seien in das rechte Bein ausstrahlende Schmerzen durch einen in der Kernspintomographie nachgewiesenen Bandscheibenvorfall L 4/L 5 rechtsseitig erklärt. Hinsichtlich der Commotio cerebri und der Distorsion der Halswirbelsäule seien keine neurologischen Ausfälle nachweisbar. Auf Grund des bei der urologischen Abklärung geäußerten Verdachts auf eine zentralmotorische Enthemmung bei Commotio cerebri sei ein medikamentöser Therapieversuch empfohlen worden. Eine unfallbedingte Hörstörung sei auszuschließen. Bei der Unterfunktion des linken peripheren Vestibularorgans im Sinne einer unvollständig kompensierten peripheren vestibulären Störung mit geringen Schwindelbeschwerden handele es sich um eine unfallunabhängige Erkrankung. Hinsichtlich der Rippenserienfraktur zeigten die Röntgenaufnahmen rechtsseitig einen regelrechten Befund, linksseitig lateral und basal Pleuraverschwielungen. Eine Lungenfunktionsprüfung habe eine sehr leichtgradige restriktive Ventilationsstörung ohne Anhalt für Obstruktion und eine leichtgradige Minderung der Diffusionskapazität ergeben. Die Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule seien unfallunabhängig. Die Bewegung der linken Schulter sei endgradig eingeschränkt und schmerzhaft, als fassbare Unfallfolge jedoch nicht nachweisbar. Arbeitsfähigkeit bestehe spätestens ab 24.07.2000. Nach einer Belastungserprobung und Urlaub vom 14.08.2000 bis 25.08.2000 nahm der Kläger am 28.08.2000 seine Tätigkeit vollschichtig wieder auf. Die Süddeutsche Metall-Berufsgenossenschaft, eine der Rechtsvorgängerinnen der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) zahlte Verletztengeld vom 03.01.2000 bis 13.08.2000.

Im fachärztlich-internistischen Befundbericht vom 29.06.2000 (Bl. 256 ff. VA) bezeichnete Dr. L. eine sehr leichtgradige restriktive Ventilationsstörung bei Pleuraschwielenbildung linksseitig nach Rippenreihenfraktur ohne subjektive Beschwerden als Unfallfolge.

In dem chirurgischen Gutachten vom 19.09.2000 (Bl. 350 VA) bezeichnete Dr. G. auf seinem Fachgebiet ein posttraumatisches Impingementsyndrom der linken Schulter nach Schulterblattfraktur und acromionnaher Fraktur der Clavicula mit leichter Verkürzung der Schulter und muskulären Verspannungen sowie glaubhafte Belastungsbeschwerden und Bewegungseinschränkung der linken Schulter als Unfallfolgen. Die noch geklagten Bewegungsbeschwerden im Bereich der Halswirbelsäule ließen sich dem Unfallereignis nicht mehr zuordnen. Sie seien vielmehr auf eine erhebliche degenerative Erkrankung der oberen und mittleren Halswirbelsäule zurückzuführen. Wesentliche Unfallfolgen lägen auch auf neurologischem und hno-ärztlichem Gebiet nicht mehr vor. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch die Unfallfolgen werde vom 14.08.2000 bis 31.12.2000 auf 20 v.H., danach auf 10 v.H. eingeschätzt.

Das neuropsychiatrische Zusatzgutachten des Dr. B. vom 18.08.2000 (Bl. 359 VA) kam zu dem Ergebnis, dass auf neuropsychiatrischem Gebiet wesentliche Unfallfolgen nicht mehr vorlägen.

Mit HNO-ärztlichem Befundbericht vom 15.06.2000 (Bl. 317 VA) äußerte Dr. H. den Verdacht auf Simulation einer Hörstörung. Letztlich habe sich Normalhörigkeit beidseits herausgestellt. Eine unfallbedingte Hörstörung sei auszuschließen, Hörgeräteanpassung sei nicht indiziert. Es bestünden aber eine Unterfunktion des linken peripheren Vestibularorgans im Sinne einer unvollständig kompensierten peripher-vestibulären Störung mit geringen Schwindelbeschwerden und ein glaubhafter Tinnitus. Der HNO-Arzt Dr. S. führte im Gutachten vom 30.08.2000 (Bl. 371 VA) aus, auf Grund der Hörbefunde vor dem Unfall und ca. 2 Monate nach dem Unfall und dem jetzigen Untersuchungsbefund sei eine Contusio labyrinthi im Rahmen des Schädelhirntraumas möglich, welche die geringgradige Hörminderung (prozentualer Hörverlust links 30%) mit einer MdE von 0 v.H. verursacht habe. Der Tinnitus, der beidseitig und von wechselnder Intensität sei, könne bei entsprechendem Befund der Halswirbelsäule cervikogen bedingt sein und es sei ein MdE Zuschlag von 5 v.H. möglich. Ein Unfallzusammenhang mit den Schwindelbeschwerden, die weder von der Symptomatik noch vom Untersuchungsergebnis mit einer vestibulären Genese zu vereinbaren seien, sei auszuschließen.

Prof. Dr. E. erstattete das urologische Gutachten vom 16.02.2001 (Bl. 506 ff. VA). Er diagnostizierte eine neurogene Blasenentleerungsstörung im Sinne einer zerebral enthemmten Blase mit hyperreflektivem Detrusor ohne Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie, eine Stressinkontinenz Grad I und eine erektile Dysfunktion. Der Zusammenhang zwischen der neurogenen Blasenentleerungsstörung mit imperativem Harndrang und dem Unfallereignis mit schwerer Commotio cerebri sei wahrscheinlich. Nach Angaben des Klägers sei die Miktion vor dem Unfallereignis völlig normal gewesen. Andere Ursachen für eine derartige Blasenentleerungsstörung hätten durch das neuropsychiatrische Vorgutachten ausgeschlossen werden können. Die MdE auf urologischem Gebiet liege bei 15 v.H.

Der Neurologe und Psychiater Dr. B. führte in einer nervenärztlichen Stellungnahme vom 13.03.2001 (Bl. 533 VA) zu diesem urologischen Gutachten aus, bei der Unfalldiagnose einer Commotio cerebri könne die festgestellte neurogene Störung der Blasenfunktion nicht mit hinreichender Sicherheit auf die Hirnschädigung zurückgeführt werden.

Der Orthopäde Dr. M. erstattete das Rentengutachten vom 15.03.2001 (Bl. 555-561 VA). Hiernach könne nicht davon ausgegangen werden, dass ein knöchern auch unter Fehlstellung und Verkürzung fest durchgeheilter Schlüsselbeinbruch zu einer Funktionseinbuße des linken Schultergelenkes führe, wie sie anlässlich der Untersuchung durch den Versicherten dargestellt worden sei, zumal sich Parameter für eine deutlichere Schonung der linken oberen Gliedmaße im Sinne einer zu rechts nachweisbaren deutlicheren Umfangsminderung der Muskulatur anlässlich der Untersuchung nicht hätten nachweisen lassen, insbesondere nicht unter Berücksichtigung des Langzeitverlaufs. Die MdE durch die Verletzungsfolgen betrage ab 01.01.2001 unter 10 v.H.

Nachdem der Kläger eine Einschränkung der Lungenfunktion geltend gemacht hatte, veranlasste die Beklagte das internistische Gutachten des Dr. L. vom 02.08.2001 (Bl. 709 VA). Dieser kam zu dem Ergebnis, auf internistischem Gebiet lägen als Unfallfolgen eine knöchern in geringer Fehlstellung verheilte Rippenreihenfraktur links und eine Pleuraschwiele mit Volumenreduktion der linken Lunge ohne Anhalt für eine restriktive Ventilationsstörung vor. Die MdE im internistischen Gebiet betrage weniger als 10 v.H. Zusätzlich erstattete Prof. Dr. B. das chirurgische Gutachten vom 01.08.2001 (Bl. 666 ff. VA). Hiernach lägen als Unfallfolgen eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks nach Clavikulafraktur links und Skapulafraktur links sowie eine knöchern fest verheilte Rippenserienfraktur links vor. Die Beschwerdesymptomatik im Bereich der Wirbelsäule, des Kopfes und der Ohren liege in unfallunabhängiger Ursache. Die MdE liege auf chirurgischem und internistischem Gebiet bei jeweils 10 v.H. Der bisherigen Einschätzung der MdE vom 14.08.2000 bis 31.12.2000 mit 20 v.H. sei chirurgischerseits zuzustimmen. Die Gesamt-MdE schätzte er für die Unfallfolgen auf seinem Fachgebiet auf 10 v.H. ein (Stellungnahme vom 13.09.2001, BL. 707 VA). Unter Mitberücksichtigung des von Dr. L. erstatteten internistischen Gutachtens vom 02.08.2001 schätzte er die Gesamt-MdE ebenfalls mit 10 v.H. ab 01.01.2001 ein (Stellungnahme vom 21.09.2001, Bl. 749 VA).

Die Beklagte erkannte den Unfall vom 20.11.1999 als Arbeitsunfall an und bewilligte eine Verletztenrente vom 14.08.2000 bis 31.12.2000 nach einer MdE von 20 v.H. Über den 31.12.2000 hinaus lehnte sie die Gewährung einer Rente ab, weil die MdE unter 20 v.H. liege (Bescheid vom 25.10.2001, Bl. 767 VA). Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie an: "Bruch des linken Schulterblattes, des linken Schlüsselbeins und der Rippen 4 bis 10 links, Gehirnerschütterung, Kopfplatzwunde. Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenks, Schwielenbildung am linken Brustfell mit Volumeneinschränkung des linken Lungenflügels ohne Anhalt für eine Störung der Lungenbelüftung. Der Bruch des linken Schulterblattes ist knöchern fest mit geringgradiger Seitverbiegung verheilt. Die Brüche des linken Schlüsselbein und der Rippen linksseitig sind knöchern fest verheilt." Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte sie nicht an: "Zustand nach Schädelhirntrauma im November 1995, Spannungskopfschmerzen, Hörstörungen am linken Ohr sowie Ohrgeräusche beidseits, degenerative Veränderungen an Hals- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschaden an der Lendenwirbelsäule, Zustand nach Oberarmbruch rechts, Bruch des linken kleinen Fingers, Empfindungsstörungen an beiden Oberschenkeln beidseits, Schlafstörungen, Bluthochdruck, Blasenentleerungsstörungen, Schwindelgefühle, Atemwegsbeschwerden." Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 05.05.2004 (Bl. 1209 VA) zurück. Zur Begründung führte sie aus, nach dem Ergebnis der Begutachtungen sei die Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk sowie die Schwielenbildung am linken Brustfell mit Volumeneinschränkung des linken Lungenflügels, aber ohne Anhalt für eine Störung der Lungenbelüftung, ursächlich auf das Unfallereignis vom 20.11.1999 zurückzuführen. Diese Unfallfolgen rechtfertigten nur vorübergehend bis zum 31.12.2000 eine MdE in Höhe von 20 v.H. Über den 31.12.2000 hinaus lasse sich eine MdE von 20 v.H. nicht begründen.

Die hiergegen am 28.05.2004 mit dem Begehren, ihm Rente über den 31.12.2000 hinaus zu gewähren, erhobene Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) wies dieses ohne weitere Ermittlungen mit Urteil vom 15.11.2005 ab und stützte sich in den Gründen der Entscheidung hinsichtlich der Unfallfolgen und der Einschätzung der MdE auf die Gutachten des Prof. Dr. B. und des Dr. L ... Weitere Unfallfolgen, insbesondere auf urologischem Gebiet, sah es nicht als nachgewiesen an. Prof. Dr. E. gehe in seinem Gutachten unzutreffenderweise davon aus, der Kläger habe bei dem Arbeitsunfall eine schwere Commotio cerebri erlitten und stütze sich bei seiner Einschätzung allein auf die Angaben des Klägers. Im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) legte der Kläger ein unfallchirurgisches Gutachten des Prof. Dr. Maurer vom 22.02.2005 vor (Bl. 25 ff. der Akte L 1 U 498/06). Das LSG wies die Berufung mit Beschluss vom 16.08.2006 (Bl. 54 ff.) zurück. In den Gründen führte es aus, der Kläger habe bei dem Arbeitsunfall einen Bruch des Schlüsselbeins und einen Bruch des Schulterblattes links erlitten. Funktionell bestehe deshalb noch eine Bewegungseinschränkung bei der Armhebung vorwärts und seitwärts. Eine ebenfalls erlittene Rippenserienfraktur sei knöchern ohne funktionelle Auswirkungen verheilt. Auch eine erlittene Gehirnerschütterung habe nicht zu dauerhaften Beeinträchtigungen geführt. Auf neurologischem Fachgebiet habe das LSG insgesamt Unfallfolgen nicht zu erkennen vermocht. Für eine Hirnkontusion habe es keine Anhaltspunkte gefunden, ebenfalls nicht für eine schwere Gehirnerschütterung oder gar eine substantielle Hirnverletzung. Sämtliche Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, mithin sowohl im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) als auch der Lendenwirbelsäule (LWS) seien auf degenerative Veränderungen zurückzuführen. Die degenerativen Veränderungen würden, was sich aus dem Gutachten Dr. Scheithauer ergebe, auch den vom Kläger geklagten Tinnitus erklären. Bei der MdE-Höhe schloss sich das LSG der Einschätzung von Prof. Dr. B. (10 v.H. ab 01.01.2001) an. Die nachfolgend vom Kläger eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 14.01.2008 (Bl. 76 der Akte L 1 U 498/06) zurück.

Mit Schreiben vom 27.02.2007 (richtig: 27.02.2008, Bl. 1883 VA) beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Unfalls vom 20.11.1999 und führte aus, allein wegen der Bewegungseinschränkung an der linken Schulter sei eine Verletztenrente weiterhin gerechtfertigt. Mit schriftlicher Erklärung vom 02.04.2008 (Bl. 1885) beklagte der Kläger eine kontinuierliche Verschlechterung seiner Beschwerden; seine Schmerzen hätten an Intensität zugenommen.

Professor Dr. G. vom Universitätsklinikum U. berichtete mit Schreiben vom 10.04.2008 (Bl. 1886 VA), der Kläger habe sich mit exakt der gleichen Beschwerdesymptomatik wie bereits im Jahr 2006 vorgestellt. Nachdem ein MRT dem Kläger wegen seiner Körperfülle nicht möglich sei, seien die Möglichkeiten eines Arthro-CT zu weiterführenden Diagnostik mit dem Kläger erörtert worden. Die Bewegungsmaße der linken Schulter hätten 80/0/30° (Ante-/Retroversion), 90/0/30° (Abduktion/Adduktion) bzw. 30/0/90° (Innen-/Außenrotation) betragen.

Mit weiterem Bericht vom 01.07.2008 (Bl. 1915 VA) führte Professor Dr. G. aus, die Durchführung eines Arthro-CT mit Kontrastmittel sei beim Kläger wegen einer Marcumar-Medikation nicht möglich. Nachdem der Kläger von einer mäßigen Besserung im Bereich der linken Schulter berichtet habe, sei ihm – auch angesichts eines deutlich erhöhten kardialen Risikos – empfohlen worden, auf ein Arthro-CT zu verzichten. Die Bewegungsmaße der linken Schulter gab er mit 90/0/30° (Ante-/Retroversion), 80/0/30° (Abduktion/Adduktion) bzw. 30/0/80° (Innen-/Außenrotation), die Bewegungsmaße der rechten Schulter mit 120/0/40° (Ante-/Retroversion), 120/0/40° (Abduktion/Adduktion) bzw. 40/0/80° (Innen-/Außenrotation) an. Im gesamten Bereich der Schulter-Nacken-Region habe ein diffuses Schmerzempfinden bestanden; die Schmerzprojektion bei der Testdurchführung sei nicht an der schmerzspezifischen Stelle eruierbar gewesen.

Am 12.09.2008 unternahm der Kläger den Versuch der Durchführung einer MRT-Untersuchung. Es kam zum Abbruch wegen Platzangst (Befundbericht vom 19.09.2008, Bl. 1925 VA).

Am 10.06.2009 erstattete auf Veranlassung der Beklagten Professor Dr. C. ein radiologisches Gutachten (Bl. 1965 ff. VA) aufgrund einer am 19.05.2009 beim Kläger durchgeführten Magnetresonanztomographie. Ihm lagen auch die Originalbilder des MRT vom 09.03.2000 vor. Er führte aus, bildmorphologisch hätten sich Zeichen einer Pseudarthrose im lateralen Anteil des Clavikulaschafts mit im Verlauf zunehmender ossärer Auftreibung gezeigt, ebenfalls jetzt neu aufgetreten sei eine deutliche Tendinopathie der Sehne des Musculus supraspinatus und etwas geringer ausgeprägt des ventralen Anteils des Musculus infraspinatus. Neu aufgetreten seien auch eine mäßiggradig ausgeprägte Omarthrose und ein deutlicher Gelenkserguss im linken Schultergelenk. Der Musculus subscapularis weise cranial eine Läsion auf, die am ehesten einer älteren Verletzung nach Teilruptur entspreche. Prof. Dr. C. äußerte den Verdacht einer Pseudarthrose im linken Clavikulaschaft mit konsekutiv zunehmender ossärer Auftreibung. Neu aufgetreten seien auch eine deutliche Tendinopathie der Sehnen des Musculus supraspinatus und Musculus infraspinatus. Die Läsion am Musculus subscapularis sei passend zu einem Zustand nach Teilruptur im Rahmen des Fahrradunfalls; zusätzlich bestehe eine zunehmende Omarthrose und ein neu aufgetretener deutlicher Gelenkserguss.

Mit Stellungnahme vom 14.07.2009 (Bl. 1973 f. VA) stimmte die beratende Fachärztin für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K. der Einschätzung der Sachbearbeitung der Beklagten, wonach nur ein Teil der Bewegungseinschränkungen im linken Schultergelenk mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 20.11.1999 zurückgeführt werden könne und der andere Teil der Bewegungseinschränkungen durch degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule und des Schultergelenks verursacht sei, weshalb die MdE weiterhin 10 v.H. betrage, zu. Auch die Beweglichkeit der nicht verletzten Gegenseite habe sich seit 2001 bezüglich der maßgeblichen Vorhalte von 170° auf 120° verschlechtert, die verletzte Seite habe sich von 150° auf 90° verschlechtert. Die Verschlechterung der Beweglichkeit sei im Wesentlichen auf die unfallunabhängigen Veränderungen zurückzuführen. Eine Pseudarthrose liege nicht vor, da nur auf einer Ebene im MRT eine durchgängige Linie zu sehen sei und auf allen anderen Schichten der Knochen eine gute Brücke bilde. Auch auf Belastungsaufnahmen aus dem Jahr 2005 sei keinerlei Bewegung im Bereich der Fraktur auszumachen gewesen.

Hierauf lehnte die Beklagte die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 20.11.1999 mit Bescheid vom 28.08.2009 (Bl. 1975 VA) ab. Bereits Prof. Dr. M. habe in einem Gutachten vom 22.05.2005 degenerative Veränderungen an der unverletzten rechten Schulter und Bewegungseinschränkungen dort nachgewiesen und festgehalten, dass die Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk sowohl auf den Schlüsselbeinbruch, welcher unter geringer Fehlstellung knöchern verheilt sei, als auch auf die unfallunabhängigen Wirbelsäulenerkrankungen zurückzuführen seien und die Bewegungseinschränkung nicht in vollem Umfang den Unfallfolgen zugeordnet werden könne. Zwar habe sich die Beweglichkeit im linken Schultergelenk verschlechtert, diese Verschlechterung sei jedoch im Wesentlichen auf unfallunabhängige verschleißbedingte Veränderungen der Wirbelsäule bzw. der linken Schulter zurückzuführen. Die im Rahmen der am 19.05.2009 durchgeführten MRT-Untersuchung festgestellten Schädigungen an der Rotatorenmanschette, Knorpelschäden und Zystenbildungen im Bereich der Schultergelenkspfanne und des Oberarmkopfes sowie degenerative Veränderungen im Schultergelenk hätten allein auf schicksalhafte altersbedingte Verschleißerscheinungen hingedeutet. Die beschriebenen Zeichen einer Pseudarthrose hätten nach Auswertung der Bilder nicht bestätigt werden können. Die vom Kläger geklagten Beschwerden im Schulter-Nacken-Bereich seien ebenfalls nicht mit den Unfallfolgen vereinbar. Bereits 1996 habe wegen eines chronischen Hals- und Lendenwirbelsäulensyndroms bei vorliegenden degenerativen Veränderungen eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu Lasten des Rentenversicherungsträgers stattgefunden. Insgesamt könne eine Bewegungseinschränkung der linken Schulter nur anteilig (endgradig) als Unfallfolge anerkannt werden, da unfallbedingt nur die im MRT beschriebene überschießende Knochenbildung am Schlüsselbein vorliege, die für sich gesehen keine größeren funktionellen Einschränkungen zur Folge habe. Die Zunahme der Bewegungseinschränkung sei als unfallunabhängiger Nachschaden zu bewerten. Die Unfallfolgen bedingten weiterhin keine MdE in rentenberechtigendem Grade.

Den Widerspruch des Klägers vom 22.09.2009 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2010 (Bl. 2019 VA) zurück. Die bestehenden Bewegungseinschränkungen im Bereich der linken Schulter sowie die weiteren geklagten Beschwerden und Beeinträchtigungen seien auf unfallunabhängige Ursachen zurückzuführen und könnten sich daher nicht MdE erhöhend auswirken. Mit der hiergegen am 05.06.2010 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, Dr. G. habe schon in seinem Gutachten vom 19.09.2000 ein posttraumatisches Impingementsyndrom bestätigt. Dies ergebe sich auch aus dem radiologischen Gutachten der Universitätsklinik Tübingen (UKT) vom 10.06.2009. Seine infolge der Rippenserienfraktur bestehenden Atembeschwerden würden eine MdE von mindestens 10 v.H. bedingen. Hinzu kämen Unfallfolgen auf internistischem Fachgebiet und eine bislang überhaupt nicht berücksichtigte Blasenfunktionsstörung. Daneben leide er unter Einschränkungen des Hörvermögens, welche ebenfalls mit einer MdE von 10 v.H. zu bewerten seien. Darüber hinaus leide er auch unter einer seelischen Beeinträchtigung, die jedoch bislang noch nicht behandelt worden sei. Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf ihr Vorbringen im Widerspruchsbescheid entgegengetreten.

Im Auftrag des SG hat Dr. B. am 13.05.2011 ein fachorthopädisches Gutachten über den Kläger erstattet. Er hat eine mäßige Einschränkung der aktiven und passiven Beweglichkeit der linken Schulter beschrieben; der linke Arm könne zur Seite und nach vorn nur um 70° angehoben werden. Er kam zu dem Ergebnis, die Verschlechterung der Bewegungsmaße gegenüber den dem Bescheid vom 25.10.2001 zugrunde liegenden Verhältnissen beruhe auf einem Impingementsyndrom der linken Schulter, welches sich unfallunabhängig entwickelt habe. Ansonsten hätten sich in den medizinischen Verhältnissen, welche dem Bescheid vom 25.10.2001 zu Grunde gelegen hätten, keine Änderungen ergeben. Die MdE betrage auch unter Berücksichtigung der Unfallfolgen auf internistischem Gebiet (Einschränkung der Lungenfunktion nach Rippenfrakturen) weiter 10 v.H.

Mit Gerichtsbescheid vom 12.09.2011 hat das SG die Klage gestützt auf das Gutachten des Dr. B. abgewiesen. Dieser habe überzeugend dargelegt, dass es sich bei dem neu aufgetretenen Impingementsyndrom nicht um eine Unfallfolge handele, da durch die laterale Clavikulafraktur kein Impingement bedingt sei, nachdem die Fraktur für eine Einengung des Subacromialraums zu weit medial gelegen sei. Auch habe Dr. B. eine Teilursächlichkeit des Unfalls verneint, nachdem das Schultereckgelenk nicht verletzt worden, nicht instabil oder von einer Sekundärarthrose betroffen sei. Hinweise auf eine restriktive Ventilationsstörung hätten sich im Rahmen der Begutachtung nicht gefunden. Das SG folge der Einschätzung von Dr. B., der die MdE mit 10 v.H. unter Berücksichtigung der Unfallfolgen auch auf internistischem Gebiet angegeben habe. Die Verursachung einer Blasenfunktionsstörung durch den Unfall sei nicht ersichtlich. Die Hörstörungen am linken Ohr seien bereits mit Bescheid vom 25.10.2001 nicht als Unfallfolge anerkannt worden. Für eine unfallbedingte psychische Beeinträchtigung bestünden keine Anhaltspunkte, zumal eine solche erstmals im Klageverfahren und somit fast zwölf Jahre nach dem Unfall geltend gemacht und darauf verwiesen worden sei, dass eine Behandlung derselben nicht stattfinde.

Hiergegen hat der Kläger am 11.10.2011 Berufung eingelegt und macht zur Begründung weiterhin eine Verschlechterung seines Gesundheitszustandes geltend. Probleme mit der rechten Schulter seien von ihm bislang weder behauptet worden noch seien diese bisher medizinisch attestiert. Das Gutachten des Dr. B. sei unschlüssig. Da er als Schlosser belastende Arbeiten und Überkopfarbeiten überwiegend mit dem rechten Arm ausgeführt habe, sei die Entstehung eines Impingementsyndroms rechts und nicht etwa links zu erwarten. Demgegenüber zeige im Falle des Klägers dessen linke Schulter Symptome. Dr. B. beschreibe in seinem Gutachten Symptome und Ursachen eines so genannten Outlet-Impingements und verschweige, dass Dr. G.r bereits mit Gutachten vom 19.09.2000 eine posttraumatisch verursachtes Non-Outlet-Impingementsyndrom belegt habe. Die links bestehende Muskelhypotrophie und eingeschränkte Beweglichkeit würden von Dr. B. als "mäßig" heruntergespielt, obwohl dies den tatsächlichen Bewegungsmaßen nicht entspreche. Er bezweifle die Qualität und Neutralität dieses Gutachters.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 12. September 2011 und den Bescheid vom 28. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Mai 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Verletztenrente ab dem 28. November 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie verweist auf den Inhalt ihrer Akten, den Vortrag in erster Instanz und die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides des SG. Dr. B. habe nachvollziehbar begründet, warum die beim Kläger vorliegende Impingement-Symptomatik nicht rechtlich wesentlich auf den Unfall vom 20.11.1999 zurückzuführen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Akte des SG, und die Akten vorangegangener Berufungsverfahren vor dem LSG (L 1 U 498/06, L 1 U 2308/06, L 8 U 2491/11) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegt worden.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) statthafte und auch sonst zulässige Klage zu Recht und mit zutreffender Begründung abgewiesen. Der Kläger hat wegen der Folgen des Unfalls vom 20.11.1999 auch weiterhin keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (BSGE, Urteil vom 2.4.2009 – B 2 U 29/07 R – in Juris m.w.N.).

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung als Unfallfolge bei der Bemessung der MdE ist grundsätzlich u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und Juris).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (a.a.O. Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erreichen die Gesundheitsstörungen, deren wesentliche Ursache mit hinreichender Wahrscheinlichkeit das Unfallereignis vom 20.11.1999 ist, nicht den für die Gewährung einer Verletztenrente erforderlichen Grad der MdE von wenigstens 20 v.H. Ebenso wie das SG stützt sich auch der Senat maßgeblich auf die schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen Dr. B. in seinem Gutachten vom 13.05.2011. Neben den unverändert fortbestehenden Unfallfolgen auf internistisch-lungenärztlichem Fachgebiet, welche eine MdE von weniger als 10 v.H. bedingen (Pleuraschwiele mit Volumenreduktion der linken Lunge ohne Anhalt für restriktive Ventilationsstörung, vgl. Gutachten Dr. L. vom 02.08.2001), einer knöchern konsolidierten Rippenserienfraktur links und einer ohne Residuen abgeheilten Schädelprellung mit Kopfplatzwunde bestehen als Folgen des Unfalls vom 20.11.1999 jetzt noch eine stattgehabte Clavikulafraktur im lateralen Drittel des Schlüsselbeins und unverschobene Schulterblattfraktur mit einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung, wobei die wesentliche Ursache der Verschlechterung der Abspreizfähigkeit der linken Schulter nach Erteilung des bestandskräftigen Bescheides vom 25.10.2001 von ehemals ca. 100° auf nunmehr nur noch 70° ein neu entstandenes subacromiales Impingementsyndrom ist, für dessen Entstehung das Unfallereignis nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die wesentliche Ursache darstellt. Dem Senat ist insbesondere die Argumentation von Dr. B. nachvollziehbar, wonach durch die laterale Clavikulafraktur das von ihm festgestellte subacromiale Impingementsyndrom der linken Schulter nicht hat verursacht werden können, nachdem die Fraktur zu weit medial gelegen ist, um eine Einengung des Subacromialraumes zu verursachen. Zwar stellt sich die Bruchstelle kallös bzw. aufgetrieben dar, jedoch wird dadurch der Subacromialraum in keiner Weise eingeengt.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass Dr. G. in seinem Gutachten vom 19.09.2000 den Begriff eines posttraumatischen Impingementsyndroms der linken Schulter verwendet hat. Es handelt sich dabei allerdings nur um einen scheinbaren Widerspruch gegenüber der Feststellung von Dr. B., dass das Impingementsyndrom der linken Schulter neu hinzugetreten ist, denn Dr. Ganser hat versäumt klarzustellen, ob es sich bei dem von ihm erwähnten "posttraumatischen sog. Impingementsyndrom" um ein subacromiales Impingementsyndrom oder ein subcoracoidales Impingement gehandelt hat. Ersteres ist die Bezeichnung für ein Engpasssyndrom mit Einklemmungserscheinungen im subacromialen Raum, letzteres bezeichnet eine Einengung der Rotatorenmanschette zwischen Tuberculum minus und Coracoid. Es handelt sich dabei um keine Diagnosen im engeren Sinne, sondern um Bezeichnungen mit vielfältigem pathomorphologischem Substrat (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 521 f.). Mit Befundbericht vom 12.07.2000 (Bl. 249 VA) hatte bereits Prof. Dr. Kinzl (Universitätsklinikum Ulm) den Verdacht auf ein subcoracoidales Impingementsyndrom geäußert. Aus den von Dr. Ganser beschriebenen Befunden (Claviculafraktur in Fingerbreite neben dem Coracoid bzw. deutlich verformte Veränderung im Bereich des coracoclaviculären Bandes, Bl. 355 VA) folgert der Senat, dass Dr. Ganser mit der Bezeichnung "posttraumatisches sog. Impingementsyndrom der li. Schulter" hierauf rekurriert hat. Bei dem die Bewegungsmaße der linken Schulter des Klägers nunmehr limitierenden Impingementsyndrom handelt es sich demgegenüber um ein subacromiales Impingementsyndrom (vgl. Gutachten Dr. B., Bl. 38 SG-Akte). Einen entsprechenden Verdacht hatte Prof. Dr. K. erstmals mit Befundbericht vom 28.11.2006 (Bl. 1857 VA) geäußert, nachdem er einen Druckschmerz im Bereich der lateralen Clavikula und im Verlauf der Supraspinatussehne festgestellt hatte und die Tests nach Hawkins und Neer positiv ausgefallen waren. Demgegenüber waren die subacromialen Impingementtests nach Hawkins, Kennedy und Neer am 11.07.2000 noch negativ ausgefallen (dort auch Schmerzprojektion nicht auf das AC-Gelenk, sondern subcoracoidal links, vgl. Befundbericht vom 12.07.2000 a.a.O.). Mit Befundbericht vom 10.04.2008 (Bl. 1886 VA) hat Prof. Dr. G. (Nachfolger Prof. Dr. K. das Bestehen eines subacromialen Impingements nach erneut positiven Impingementtests und positiven Tests für die Bicepssehne bestätigt.

Den Umstand, dass Prof. Dr. M., dessen Gutachten (Bl. 25 ff. [48] der Akte des Verfahrens L 1 U 498/06) der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat, bereits im Jahr 2005 auf das Vorliegen degenerativer Veränderungen an der rechten Schulter hingewiesen hat (szintigraphischer Nachweis, siehe Szintigraphiebefund des Dr. Eichner vom 19.05.2003, Bl. 1187 VA: "Degenerative Mehranreicherung [ ] in der rechten Schulter"), wertet der Senat als Indiz für eine degenerative Entstehung des subacromialen Impingements an der Schulter links, ebenso wie den Umstand, dass sowohl bei der Untersuchung des Klägers durch Prof. Dr. M. am 08.03.2005 (Messblatt für Obere Gliedmaßen, Bl. 51 a.a.O.: rechter Arm seitwärts/körperwärts 0/0/130°, rückwärts/vorwärts 40/0/130°, auswärts/einwärts 60/0/90°) als auch bei der Untersuchung im Universitätsklinikum U. im Sommer 2008 Bewegungseinschränkungen auch der rechten Schulter nachgewiesen worden sind (Befundbericht Prof. Dr. G. vom 01.07.2008, Bl. 1915 VA: Rechte Schulter: Ante-/Retroversion 120/0/40°, Abduktion/Adduktion 120/0/40°, Außen-/Innenrotation 40/0/80°). Er stützt sich dabei auf die Stellungnahme der Fachärztin für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. K. vom 14.07.2009 (Bl. 1974 VA), welche er als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen verwertet hat.

Als nicht nachgewiesen erachtet der Senat, dass sich im Bereich der Frakturlinie tatsächlich eine Pseudarthrose entwickelt hat, wie von Dr. B. in seinem Gutachten ohne nähere Begründung angenommen. So hat Prof. Dr. C. in seinem radiologischen Gutachten vom 10.06.2009 nur einen entsprechenden Verdacht geäußert und von "Zeichen einer Pseudarthrose" gesprochen und die beratende Ärztin Dr. K. in ihrer Stellungnahme vom 14.07.2009 darauf hingewiesen, dass im MRT nur auf einer Ebene eine durchgängige Linie zu sehen ist und in allen anderen Schichten der Knochen eine gute Brücke bildet. Nachgewiesen sind allerdings eine zunehmende Auftreibung und kallöse Ummantelung des Frakturspalts. Der bloße Streit um die diagnostische Einordnung des von sämtlichen Ärzten im Wesentlichen identisch beschriebenen Befundes im Bereich der stattgehabten Fraktur entfaltet nach Auffassung des Senats für die Beurteilung der Höhe der MdE keine entscheidende Relevanz.

Nachdem die Verschlechterung der Beweglichkeit des linken Schultergelenks ihre Ursache in dem neu hinzugetretenen und mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht unfallverursachten, sondern schicksalhaft entstandenen, subacromialen Impingementsyndrom hat, und die aufgrund dessen erklärbare Verschlechterung der Abspreizfähigkeit nach vorne und zur Seite von etwa 100° auf nunmehr etwa 70° nicht auf Unfallfolgen zurückführbar ist, ist die Einschätzung der Höhe der MdE durch Dr. B. mit weiterhin 10 v.H.– unter Mitberücksichtigung der auf internistisch-lungenärztlichem Fachgebiet bestehenden Unfallfolgen – für den Senat nachvollziehbar; eine wesentliche Änderung in den Unfallfolgen seit Erteilung des Bescheides vom 25.10.2001 ist nicht eingetreten, so dass die Ausführungen im Beschluss des LSG vom 16.08.2006 (L 1 U 498/06), auf welche zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird, weiterhin Geltung beanspruchen. Dabei ergeben sich nach Aktenlage und aus dem Vorbringen des Klägers keinerlei Anhaltspunkte für eine Verschlechterung des internistisch-lungenfachärztlichen Befundes.

Auch die vom Kläger angeführten Gesundheitsstörungen auf anderen als den orthopädisch-chirurgischen und internistisch-lungenärztlichen Fachgebieten vermögen eine höhere MdE-Bewertung nicht zu begründen. Soweit der Kläger sein Klagebegehren auf Einschränkungen des Hörvermögens und eine Blasenfunktionsstörung gestützt hat, steht dem, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, die nach Ausschöpfung des Rechtsweges bestandskräftig gewordene und damit zwischen den Beteiligten bindende (§ 77 SGG) Ablehnung einer Hörstörung, von Ohrgeräuschen und von Blasenentleerungsstörungen als Unfallfolgen entgegen. Den Antrag des Klägers mit Schreiben vom 27.02.2008 hat die Beklagte zutreffend als Geltendmachung einer Verschlimmerung der durch die anerkannten Unfallfolgen verursachten Beschwerden interpretiert und mit Bescheid vom 28.08.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2010 auch nur darüber entschieden, nicht aber, was ansonsten nur im Wege des sog. "Zugunstenverfahrens" nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) möglich gewesen wäre, über die Aufhebung der bindend gewordenen Feststellung der Unfallfolgen mit Bescheid vom 25.10.2001 und über eine Anerkennung weiterer Unfallfolgen entgegen den dort getroffenen ausdrücklichen Feststellungen. Ob angesichts dessen die erstmals im Klageverfahren geltend gemachten "seelischen Beschwerden", welche im Bescheid vom 04.05.2010 keinerlei Erwähnung gefunden haben, bei der MdE-Bemessung überhaupt Berücksichtigung finden können, erscheint hiernach bereits zweifelhaft. Unter Zurückstellung der Zweifel vermag der Senat gleichwohl weder nach Aktenlage noch aufgrund des diesbezüglichen – unsubstantiierten – Vorbringens im Klageverfahren Anhaltspunkte für das tatsächliche Vorliegen dem nervenärztlichen Fachgebiet zuzuordnender Gesundheitsstörungen des Klägers zu erkennen, zumal dieser auch eingeräumt hat, sich diesbezüglich nicht in ärztlicher Behandlung zu befinden. Der Senat hat sich aufgrund dessen auch nicht zu weiteren Ermittlungen "ins Blaue hinein" gedrängt gesehen.

Aus den dargelegten Gründen war die Berufung des Klägers insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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