L 4 R 4921/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 4921/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 4921/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 08. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Vormerkung weiterer Pflichtbeitragszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung während eines Auslandsaufenthaltes.

Die 1965 geborene Klägerin ist Diplom-Kauffrau und seit 1993 verheiratet. Sie hat vier Kinder, geboren am 1995, 1996, 1998 und 2001. Vom 1. Dezember 2000 bis 30. Juni 2004 hielt sich die Familie in den Vereinigten Staaten von Amerika auf, wo der Ehemann der Klägerin vom 1. Oktober 2000 bis 30. September 2003 im Rahmen eines Forschungsstipendiums der A. v. H.-Stiftung am L. B. N. Laboratory tätig war. Dieses unterlag nicht der Sozialversicherungspflicht. Die Klägerin übte in dieser Zeit keine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit aus. Der Ehemann der Klägerin war bis zum Antritt des Auslandsaufenthaltes Beamter auf Zeit, seit 2009 ist er als Professor an einer Universität Beamter auf Lebenszeit. Bei ihm wurde der Zeitraum vom 1. Oktober 2000 bis 30. September 2001 als ruhegehaltsfähige Dienstzeit wegen vorgeschriebener berufspraktischer Qualifikation und der Zeitraum 1. Oktober 2001 bis 31. August 2004 wegen des Erwerbs besonderer Fachkenntnisse über die vorgeschriebene berufspraktische Qualifikation hinaus anerkannt. Nach einem weiteren Auslandsaufenthalt in Großbritannien kehrte die Klägerin mit ihrer Familie im August 2009 nach Deutschland zurück.

Am 5. Mai 2010 beantragte sie in einem Kontenklärungsverfahren bei der Beklagten die Feststellung von Pflichtbeitragszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 2010 stellte die Beklagte die Daten im Versicherungsverlauf vom selben Tage bis zum 31. Dezember 2003 verbindlich fest. Vorgemerkt wurden Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung vom 1. März 1995 bis 28. Februar 1998 für das erste Kind, vom 1. Dezember 1996 bis 30. November 1999 für das zweite Kind und vom 1. August 1998 bis 30. November 2000 für das dritte Kind sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom 15. Februar 1995 für das erste Kind, vom 18. November 1996 für das zweite Kind, vom 18. Juli 1998 für das dritte Kind, jeweils bis 30. November 2000, und vom 1. August 2009 bis 30. April 2010 für das vierte Kind. Nicht als Kindererziehungszeiten oder Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorgemerkt wurden Zeiten vom 1. Dezember 2000 bis 31. Juli 2009, weil die Kinder in dieser Zeit im Ausland erzogen wurden. Wegen der gleichzeitigen Erziehung mehrerer Kinder wurden als (verlängerte) Zeiten der Kindererziehung zusätzlich die Monate von Dezember 2000 bis Juni 2003 vorgemerkt.

Mit ihrem Widerspruch vom 8. November 2010 wandte sich die Klägerin gegen die Nichtberücksichtigung von Erziehungszeiten in der Zeit vom 1. Dezember 2000 bis 31. Dezember 2003 während des Aufenthaltes in den USA und machte geltend, da die Stipendiatenzeit bei ihrem Ehemann als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt worden sei, müsse sie bei ihr gemäß § 56 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) als Erziehungszeit angerechnet werden, da die Erziehung einer solchen im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleichstehe.

Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2011 zurück. Gemäß § 56 SGB VI seien Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Eine Kindererziehungszeit werde für einen Elternteil angerechnet, wenn die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen sei, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei oder einer solchen gleichstehe und der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen sei. Nach § 56 Abs. 3 SGB VI sei eine Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten habe. Einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland stehe gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten habe und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten habe. Dies gelte bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten habe oder nur deshalb nicht habe, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehöre oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei. Da der Ehemann der Klägerin als Stipendiat nicht in einem Beschäftigungsverhältnis nach § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) gestanden habe, habe bereits dem Grunde nach keine Versicherungspflicht nach deutschen Rechtsvorschriften bestanden.

Mit ihrer am 24. März 2010 zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Gleichstellung eines sich im Ausland aufhaltenden Ehegatten oder Lebenspartners, der von der Versicherungspflicht befreit sei, nach § 56 Abs. 3 SGB VI greife ein, da ihr Ehemann im Ausland nicht der Versicherungspflicht unterlegen habe. Das Stipendium habe gerade die Lebenshaltungskosten abgedeckt. Bei der Bemessung sei berücksichtigt, dass der Stipendiat keine Rentenversicherungsbeiträge zahlen müsse. Die Krankenversicherung sei von dem amerikanischen Institut getragen worden, an dem ihr Ehemann seinen Forschungsauftrag gehabt habe. Sie (die Klägerin) sei bis zum Umzug ins Ausland berufstätig gewesen und habe im Ausland die Hauptlast der Kindererziehung getragen. Durch den Auslandsaufenthalt und die Erziehung der Kinder habe sie gravierende berufliche Nachteile in Kauf nehmen müssen und empfinde es daher als unbillig, gegenüber einer in Deutschland verbliebenen Familie benachteiligt zu werden.

Die Beklagte trat der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid entgegen.

Mit Urteil vom 8. September 2011 wies das SG die Klage ab. Voraussetzung für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten sei nach dem im Sozialversicherungsrecht geltenden, in § 3 SGB IV ausdrücklich niedergelegten, Territorialitätsprinzip grundsätzlich, dass die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolge (§ 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VI), der Erziehende sich mit dem Kind gewöhnlich dort aufhalte (§ 56 Abs. 1 Satz 3 Satz 1 SGB VI). Den in § 56 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB VI geregelten Ausnahmen sei gemein, dass nicht der Auslandsaufenthalt als solcher, sondern die Kindererziehung den Erwerb inländischer Versicherungszeiten verhindert habe. Daneben sei eine Gleichstellung mit inländischen Kindererziehungszeiten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in den Fällen einer sogenannten Quasi-Entsendung und des Fortbestehens eines inländischen Rumpfarbeitsverhältnisses vorzunehmen, da auch in diesen Fällen hinreichende Anknüpfungen an das inländische Arbeits- und Erwerbsleben bestünden. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Das Erfordernis der fortbestehenden Inlandsintegration sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 2. Juli 1998 - 1 BvR 810/90 - in juris). Gemäß § 56 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB VI stehe es einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten habe und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten habe. Bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland gelte dies auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten habe oder nur deshalb nicht habe, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehöre oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei. Die Klägerin sei während des Auslandaufenthaltes in den Vereinigten Staaten keiner Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit nachgegangen. Sie könne eine Versicherungspflicht daher allenfalls aus dem versicherungsrechtlichen Status ihres Ehemannes ableiten. Dieser habe aber während oder unmittelbar vor den streitgegenständlichen Kindererziehungszeiten ebenfalls keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt. Da eine nach § 2 SGB VI versicherungspflichtige Selbstständigkeit nicht vorgelegen habe, sei Voraussetzung eine abhängige Beschäftigung (§ 1 SGB VI). Beschäftigung sei gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte hierfür seien eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Beschäftigter Arbeitnehmer sei, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig sei (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 1982 - 10 RAr 10/81 - in juris). Das Forschungsstipendium begründe kein Beschäftigungsverhältnis. Der Ehemann der Klägerin habe seine Forschungen in den Vereinigten Staaten nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages aufgenommen, in dem Umfang, Art, Ort und Zeit seiner Tätigkeit festgelegt worden sei. Das Stipendium sei nur die wirtschaftliche Grundlage gewesen, um dem Ehemann der Klägerin die Forschungen im Ausland zu ermöglichen. Nach den vorgelegten Bescheinigungen habe er als Stipendiat nicht der Versicherungspflicht unterlegen. Der Ehemann der Klägerin habe nicht zu dem in § 5 Abs. 1 oder 4 SGB VI genannten Personenkreis gehört. Er sei nicht von der Versicherungspflicht befreit gewesen, denn eine Befreiung setze das Bestehen einer Versicherungspflicht voraus, die aufgrund des Stipendiatenstatus nicht bestanden habe. Ein Fall der Quasi-Entsendung oder des Rumpfarbeitsverhältnisses liege ebenfalls nicht vor. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung zwei Fallgruppen anerkannt, auf welche die Gleichstellung mit einer Erziehung im Inland nach § 56 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB VI gleichfalls anzuwenden sei, nämlich im öffentlich-rechtlichen Bereich die Quasi-Entsendung und im privatrechtlichen Bereich das Rumpfarbeitsverhältnis (vgl. zur Quasi-Entsendung BSG, Urteil vom 12. Juli 1990 - 4 RA 49/89 -; zum Rumpfarbeitsverhältnis BSG, Urteil vom 17. November 1992 - 4 RA 15/91 -, beide in juris). Diese Ausnahmen seine abschließend (BSG, Urteil vom 22. Oktober 2003 - B 4 RA 15/03 - in juris). Die hier für den Ehemann der Klägerin, der unmittelbar vor dem Aufenthalt in den Vereinigten Staaten Beamter auf Zeit gewesen sei, allein in Betracht kommende beamtenrechtliche Quasi-Entsendung setze voraus, dass eine Entsendung nach oder entsprechend den beamtenrechtlichen Vorschriften unter Bewilligung von Sonderurlaub im Interesse des Dienstherrn vorliege, bei der das Besoldungsdienstalter nicht verändert werde und die Zeit der Entsendung als ruhegehaltsfähig zugrunde gelegt werde. Die Entsendung müsse von vornherein zeitlich begrenzt sein. Während der Entsendung müsse das Dienstverhältnis zum deutschen Dienstherrn fortbestehen; nur die Hauptpflichten der Erbringung der Dienstleistung sowie die Nebenpflichten und rechte, die einen Inlandsaufenthalt voraussetzten, und der Entgeltzahlung dürften suspendiert sein (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 2003 - B 4 RA 15/03 R - in juris). Vorliegend sei die Zeit des Auslandsaufenthaltes zwar als ruhegehaltsfähige Dienstzeit anerkannt worden, allerdings nicht aufgrund eines Entsendungstatbestandes, sondern wegen des Erwerbs besonderer Fachkenntnisse im Hinblick auf die spätere Dienstzeit (vgl. § 23 Landesbeamtenversorgungsgesetz Baden-Württemberg). Der Ehemann der Klägerin habe mithin während des Auslandsaufenthaltes nicht in einem bestehenden Beamtenverhältnis gestanden, das aufgrund der Bewilligung von Sonderurlaub für einen vorher bestimmtem Zeitraum geruht habe. Damit fehle an einer Inlandsverknüpfung als Grundlage für die begehrte Gleichstellung mit inländischen Kindererziehungszeiten.

Gegen das ihr am 7. Oktober 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. November 2011 Berufung eingelegt und begehrt nunmehr die Vormerkung der Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für Kindererziehung für die Zeit vom 1. Dezember 2000 bis 30. September 2003. Die enge Auslegung des § 56 Abs. 3 SGB VI sei für sie nicht nachvollziehbar, da das BVerfG den Gesetzgeber als verpflichtet ansehe, die durch Kindererziehung bedingten Nachteile bei der Altersversorgung in weiterem Umfang als bisher auszugleichen (BVerfG, Urteil vom 7. Juli 1992 - 1 BvL 51/86 - in juris). Bei der Ablehnung eines Rumpfbeschäftigungsverhältnisses habe das SG nicht berücksichtigt, dass dieser Umstand in der Natur der wissenschaftlichen Tätigkeit begründet sei. In Deutschland seien bis zum Erreichen einer Professur befristete Arbeitsverhältnisse die Regel; es werde übergangslos von einem befristeten Beschäftigungsverhältnis zum nächsten gewechselt, häufig ohne dass sich der Arbeitsplatz oder die Aufgabe änderten. Ihr Ehemann habe von 1993 bis 2000 in derselben Stellung beim DESY in Hamburg geforscht, zwischendurch jedoch vom Angestelltenverhältnis beim DESY zu einem befristeten Angestelltenverhältnis mit der Universität Heidelberg und dann zum befristeten Beamtenverhältnis des Landes Baden-Württemberg gewechselt. Das an diese befristete Beamtenstelle unmittelbar anknüpfende Stipendium habe der Fortsetzung der Forschungstätigkeit in den USA gedient. Der Umstand der Auslandstätigkeit sei darin begründet gewesen, dass das Fachgebiet Elementarteilchenphysik extrem international ausgerichtet sei. Die Quasi-Entsendung sei unter Nachwuchswissenschaftlern nicht üblich, die nach der gegebenen Sachlage fortgesetzte Forschungstätigkeit entspreche aber einer Quasi-Entsendung. Die Rechtsprechung sei zu starr an den in der Wirtschaft üblichen Angestelltenverhältnissen ausgerichtet. Für die in der Wissenschaft üblichen Postdoc-Stipendien müsse analog verfahren werden, um diese Sachverhalte abzudecken und den Mangel des Rentenversicherungssystems in der gebotenen Weise auszugleichen. Das SG unterstelle zu Unrecht, dass das Stipendium keine Beschäftigung, sondern eine Fortbildung sei. Ihr Ehegatte sei am Lawrence Berkeley National Laboratory tätig und vollständig in das Arbeitsleben des Instituts integriert gewesen mit verbindlichen Anwesenheitszeiten, Urlaubstagen, zu betreuenden Doktoranden und einer weisungsgebenden Chefin. Dass das Stipendium nicht sozialversicherungspflichtig sei, resultiere aus dem Übereinkommen der Behörden und Stiftungen, den Stiftungen möglichst geringe Kosten zu verursachen, um viele Stipendien vergeben zu können. Mittel zur Abdeckung von Sozialversicherungen seien in den monatlichen Zahlungen nicht enthalten gewesen. Ihre Familie sei während des Aufenthaltes in bürokratischer Hinsicht Deutschland zugeordnet gewesen. Das spezielle Visum habe Steuerfreiheit in den USA garantiert, es sei keine Integration in das amerikanische Rechts- und Sozialsystem erfolgt. Während der Stipendiatenzeit hätten keine Sozialleistungen für Kindererziehung oder ähnliches bezogen werden können. Da die Stipendiatenzeit für ihren Ehemann als ruhegehaltsfähige Dienstzeit berücksichtigt worden sei, gebiete der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes (GG), auch die wesentliche Erziehungsleistung der Ehefrau rentenwirksam zu berücksichtigen. Zudem habe das BSG in seinem grundlegenden Urteil vom 17. November 1992 (4 RA 15/91, in juris) formuliert, dass durch die Anerkennung von Kindererziehungszeiten eine möglichst umfassende Einbeziehung der Erziehenden in das System der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgen solle. Sie (die Klägerin) habe wegen des Auslandsaufenthaltes ihres Ehemannes ihre eigene Karriere aufgegeben, sei im Ausland ihren Erziehungspflichten nachgekommen und habe die vier Kinder wieder dem deutschen Heimatland zugeführt. Damit sei sie dem Auftrag der Sicherung des Generationenvertrages mehr als nachgekommen und müsse zumindest die dafür vorgesehene Anerkennung in Form der Anrechnung von Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten für Kindererziehung der deutschen Rentenversicherung erhalten. Ihr Fall sei nicht vergleichbar mit dem vom Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 24. März 2006 (L 1 RA 109/03; in juris) entschiedenen. Für ihren Ehemann sei die Forschungstätigkeit im Ausland originärer Teil seines Berufslebens gewesen, im Falle des Arztes in dem genannten Urteil wohl reine Ausbildung/Fortbildung, die nicht als Beschäftigungszeit nach § 19 Bundesangestelltentarif anerkannt worden sei.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 8. September 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 14. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2011 auch Zeiten vom 1. Juli bis 30. September 2003 als Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung sowie Zeiten vom 1. Dezember 2000 bis 30. September 2003 als Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr bisheriges Vorbringen und die Gründe des angefochtenen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Senatsakte, die SG-Akte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und auch statthaft. Ein Berufungsausschlussgrund nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG liegt nicht vor. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Vormerkung von Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung (vom 1. Juli bis 30. September 2003; dazu sogleich) und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für die Zeit vom 1. Dezember 2000 bis 30. September 2003 hat. Der angegriffene Bescheid vom 14. Oktober 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2011 ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Die Klägerin begehrt im Berufungsverfahren noch, Pflichtbeitragszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung auch für die Zeit vom 1. Dezember 2000 bis 30. September 2003 vorzumerken. Im angefochtenen Bescheid sind wegen der Verlängerung bei sich überschneidender Erziehung von mehreren Kindern (§ 56 Abs. 5 Satz 2 SGB VI) bereits Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung bis einschließlich 30. Juni 2003 vorgemerkt. Das Begehren der Klägerin kann deshalb nur dahin gehen, Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung auch vom 1. Juli bis 30. September 2003 sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung - bei denen eine Verlängerung bei sich überschneidender Erziehung von mehreren Kindern nicht erfolgt - vom 1. Dezember 2000 bis 30. September 2003 vorzumerken.

2. Anspruchsgrundlage ist § 149 Abs. 5 SGB VI. Nach Satz 1 dieser Vorschrift stellt der Versicherungsträger, nachdem er das Versicherungskonto geklärt hat, die im Versicherungsverlauf enthaltenen und nicht bereits festgestellten Daten, die länger als sechs Kalenderjahre zurückliegen, durch Bescheid fest (sog Vormerkungsbescheid). Der Versicherungsträger ist befugt, wenn auch nicht verpflichtet, auf Antrag auch solche geklärten Daten durch Bescheid festzustellen, die noch keine sechs Jahre zurückliegen. Leitet er also antragsgemäß ein Vormerkungsverfahren im Blick auf solche Daten ein, hat er einen inhaltlich zutreffenden Vormerkungsbescheid zu erlassen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Oktober 2005 - B 4 RA 6/05 R; in juris). Die Klägerin begehrt die Vormerkung von Erziehungszeittatbeständen für die Erziehung ihrer Kinder während eines Auslandsaufenthaltes in den Vereinigten Staaten. Grundsätzlich kann die Erziehung von Kindern im Ausland die Tatbestände von Pflichtbeitragszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung nicht erfüllen; nur ausnahmsweise stellt das Gesetz eine Auslandserziehung (und den gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland) der Inlandserziehung gleich (§ 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

3. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sind Personen versicherungspflichtig in der Zeit, für die ihnen Kindererziehungszeiten anzurechnen sind (§ 56 SGB VI). Kindererziehungszeiten sind nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Einem Elternteil wird gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn (1) die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, (2) die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und (3) der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind (allein) erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind erzogen, ohne dass sie "gemeinsam" erzogen haben, ist nach Satz 9 die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind "überwiegend" erzogen hat. Haben Eltern ihr Kind, wie es regelmäßig wegen der ihnen gemeinsam zustehenden elterlichen Sorge (§ 1626 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB) der Fall sein wird, "gemeinsam" erzogen, wird die Erziehungszeit nur einem von ihnen zugeordnet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 SGB VI), wobei sie nach Satz 3 der Vorschrift durch übereinstimmende Erklärung bestimmen können, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist.

Die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VI sind nicht gegeben.

a) Eine Erziehung ist im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat (§ 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI). Dies war in dem im Berufungsverfahren noch streitigen Zeitraum bis 30. September 2003 nicht der Fall. Denn die Klägerin hielt sich mit ihren Kindern in den Vereinigten Staaten von Amerika gewöhnlich auf.

b) Die Klägerin erfüllt auch nicht den Gleichstellungstatbestand des § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI. Dieser stellt die Auslandserziehung der Inlandserziehung gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat - dies liegt hier vor - und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit (inländische) Pflichtbeitragszeiten hat. Das ist hier nicht der Fall, weil die Klägerin im streitigen Zeitraum weder in den Vereinigten Staaten noch in Deutschland eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit ausgeübt hat.

c) Sie kann eine Vormerkung der streitigen Berücksichtigungs- und Beitragszeittatbestände auch nicht gemäß § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI beanspruchen, weil ihr Ehemann solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war. Dies war nämlich nicht der Fall.

aa) Er hatte keine Pflichtbeitragszeiten wegen einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Denn er stand im Sinne von § 7 SGB IV weder in einem Beschäftigungsverhältnis zur Alexander von Humboldt-Stiftung, noch zum Lawrence Berkeley National Laboratory. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt (vgl. z.B. Urteil vom 2. September 2011 - L 4 R 1036/10; in juris), setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer in einem Verhältnis "persönlicher Abhängigkeit" zum Arbeitgeber steht. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (z.B. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R - m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit der anhand dieser Kriterien häufig schwierigen Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 -, beide in juris). Maßgebend ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R - in juris). Der Ehemann der Klägerin hat die Tätigkeit nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages aufgenommen, der im Einzelnen die Arbeitspflichten des Arbeitnehmers hinsichtlich Umfang, Art, Ort und Zeit festlegt. Die Zuwendungen der Stiftung erfolgten, um Forschungen zu ermöglichen, nicht als Arbeitsentgelt. Dass es hinsichtlich der Tätigkeit im Institut organisatorische Beschränkungen in zeitlicher und örtlicher Hinsicht gab, ergibt sich aus dem Charakter des Forschungsstipendiums (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Juni 2006 - L 9 KR 73/00 -; in juris). Die Stiftung erteilte keine Weisungen, ihr schuldete der Ehemann der Klägerin keine Arbeitsleistung. Vom Institut erhielt er kein Arbeitsentgelt, es wurden keine Sozialversicherungsbeiträge für ihn abgeführt.

bb) Der Ehemann der Klägerin gehörte auch nicht zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten versicherungsfreien Personen und war auch nicht von der Versicherungspflicht befreit, was von der Klägerin auch nicht behauptet wird.

4. § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI ist entgegen der Ansicht der Klägerin in Fällen der vorliegenden Art, der Rechtsprechung des BSG folgend, nicht in ausdehnender Auslegung anzuwenden. Das BSG hat bereits mit seinem Urteil vom 17. November 1992 (4 RA 15/91; in juris) klargestellt, dass § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI in verfassungskonformer Auslegung des Abs. 3 Sätze 2 und 3 tragenden Rechtsgedankens unter bestimmten Voraussetzungen auch erziehende Elternteile begünstigt, die den im Ausland erwerbstätigen und beschäftigten Ehegatten nachfolgen, um mit diesem und dem Kind als Familie zusammen zu leben (BSG, Urteil vom 23. Oktober 2003 - B 4 RA 15/03 R - in juris). Das BSG hat ausgeführt:

"a) Die differenzierte Regelung im Normprogramm des § 56 Abs 3 Sätze 2 und 3 SGB VI stellt sich als Ausprägung eines einheitlichen Grundgedankens dar, der die Gleichbehandlung der Erziehenden trotz der unterschiedlichen Erziehungsorte gewährleistet. Der Erziehende oder sein Ehegatte müssen auf Grund und im Rahmen einer im Inland (grundsätzlich) pflichtversicherten Beschäftigung (oder Tätigkeit) vom Arbeitgeber vorübergehend zur Arbeitsleistung ins Ausland entsandt worden sein, sodass deswegen die Erziehung im Ausland erfolgte, während die Beschäftigung dort (ggf bis unmittelbar vor der Geburt) nach deutschem Recht inländische Pflichtbeitragszeiten begründet. In diesem strengen Sinne müssen nach dem Gesetz die Erziehenden vor der Geburt oder während der Kindererziehung in derart enger Beziehung zum inländischen Arbeits- und Erwerbsleben stehen, dass die - typisierende und pauschalierende - Grundwertung des Gesetzes Platz greifen kann, während dieser Zeit seien ihnen nicht wegen der Integration in eine ausländische Arbeitswelt, sondern im Wesentlichen wegen der Kindererziehung deutsche Rentenanwartschaften entgangen (vgl BSGE 71, 227, 230 f = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 14 ff).

b) Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung zu Kindererziehungszeiten bei Auslandserziehung (vgl stellvertretend BSG SozR 3-2200 § 1227a Nr 1; BSG SozR 3-2200 § 1251a Nr 6) abschließend zwei weitere Fallgruppen anerkannt, auf welche die Gleichstellung einer Erziehung im Ausland mit einer Inlandserziehung nach § 56 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB VI gleichfalls anzuwenden ist, nämlich im öffentlich-rechtlichem Bereich die "Quasi-Entsendung" und im privatrechtlichen Bereich das "Rumpfarbeitsverhältnis" (vgl BSGE 71, 227, 233 ff = SozR 3-2600 § 56 Nr 4 S 17 ff). Am abschließenden Charakter dieser verfassungskonformen ausdehnenden Auslegung ist festzuhalten (vgl zum sog Rumpfarbeitsverhältnis: Urteil vom 16. November 1993 - 4 RA 39/92, unveröffentlicht; Urteil vom 29. September 1998 - B 4 RA 9/98 R, SGb 1999, 23; Urteil vom 10. November 1998 - B 4 RA 39/98 R, SozR 3-2600 § 56 Nr 13). Beide Fallgruppen setzen negativ voraus, dass die vermittelnde Auslandsbeschäftigung (oder -tätigkeit) des Ehegatten nicht auf Grund der Ausstrahlung iS von § 4 SGB IV inländische Pflichtbeitragszeiten begründet (oder nur wegen Versicherungsfreiheit oder Befreiung von der Versicherungspflicht nicht begründet).

aa) Die sog Quasi-Entsendung beseitigt im öffentlich-rechtlichen Anstellungswesen ("Beamtenrecht"/öffentliches Dienstrecht) die Ungleichbehandlung der Erziehenden, die sich aus der Beschränkung der Erfüllbarkeit öffentlich-rechtlicher Aufgaben des Staates im Ausland ergibt. Soweit der Staat (oder eine andere Körperschaft des öffentlichen Rechts) als Arbeitgeber (Dienstherr) seine öffentlich-rechtlichen Aufgaben im Ausland erfüllen muss und dafür "Beamte" einsetzen will, kann er diese (außerhalb der völkerrechtlich speziell geregelten Bereiche - zB Diplomatie) zumindest nicht iS von § 4 SGB IV "entsenden", also den Erfüllungsort der Arbeitspflicht ins Ausland verlegen. Vielmehr muss der "Beamte" regelmäßig im Ausland dort nach dessen Recht ein (entgeltliches) Arbeitsverhältnis begründen, kann also gerade seine Arbeitspflicht (Dienstpflicht) im Inland nicht mehr erfüllen und Entgelt nicht beanspruchen. Wenn der Arbeitgeber wegen seines Interesses an der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben ihn gleichwohl veranlasst, im Rahmen des (im Übrigen) im Inland (fort-)bestehenden Beschäftigungsverhältnisses für eine im Voraus begrenzte Zeit im Ausland "seinen Dienst" nach Maßgabe eines von ihm nach fremden Recht begründeten Arbeitsverhältnisses zu leisten, ist es nach § 56 Abs 3 SGB VI vor dem Hintergrund von Art 6 Abs 1 und 2 GG iVm Art 3 Abs 1 GG geboten, eine deswegen erfolgte Auslandserziehung durch den Ehegatten der Inlandserziehung gleichzustellen.

Eine beamtenrechtliche Quasi-Entsendung setzt danach (vgl SozR 3-2200 § 1227a Nr 1 S 5 f; SozR 3-2200 § 1251a Nr 6 S 16 f) voraus, dass es sich um eine Entsendung nach (oder entsprechend den) beamtenrechtlichen Vorschriften unter Bewilligung von Sonderurlaub (im Interesse des Dienstherrn) handelt, bei der das Besoldungsdienstalter nicht verändert und die Zeit der Entsendung als ruhegehaltsfähig zu Grunde gelegt wird. Die Entsendung muss als Voraussetzung für die Beurlaubung im Interesse des Dienstherrn liegen und von vornherein zeitlich begrenzt sein. Schließlich muss während der beamtenrechtlichen Entsendung das Dienstverhältnis (Beschäftigungsverhältnis) zu dem deutschen Dienstherrn (Arbeitgeber) fortbestehen; nur die Hauptpflichten der Erbringung der Dienstleistung sowie die Nebenpflichten und -rechte, die einen Inlandsaufenthalt voraussetzen und der Entgeltzahlung dürfen suspendiert sein.

bb) Gleichwertige Lagen finden sich im privatrechtlichen Wirtschaftsleben, wenn Unternehmen (jüngere) Mitarbeiter des (im Regelfall mittleren oder gehobenen) Managements von vornherein befristet zu Tochter- oder Partnerunternehmen ins Ausland "schicken", die dort nach fremdem Recht Arbeitsverhältnisse begründen müssen, um die Interessen ihres inländischen Arbeitgebers wahrzunehmen. Ähnliche Konstellationen treten auch in der privatrechtlichen Entwicklungshilfe (zB bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden) auf. Die "ausstrahlungsgleiche" Lage besteht hier aber nur, wenn die (ursprünglich im Arbeitsrecht entwickelten) Kriterien des Fortbestandes eines inländischen sog Rumpfarbeitsverhältnisses erfüllt sind.

Ein sog Rumpfarbeitsverhältnis, bei dem während der Auslandstätigkeit die Beziehungen zur inländischen Arbeits- und Erwerbswelt gelockert sind, setzt voraus, dass im Inland (zumindest) ein privatrechtliches Rechtsverhältnis mit einem inländischen Arbeitgeber fortbesteht. Ein solches Rumpfarbeitsverhältnis ist dann gegeben, wenn zwar die Hauptpflichten (Arbeitsleistung und Zahlung von Arbeitsentgelt) zum Ruhen gebracht worden sind, aber aus ihm (a) auch während der Auslandsbeschäftigung noch wechselseitige Rechte und Pflichten, insbesondere ein Rückrufrecht des Arbeitgebers, erwachsen, (b) die Auslandsbeschäftigung von vornherein zeitlich durch Vertrag oder ihrer Eigenart nach rechtlich begrenzt ist und (c) rechtlich von vornherein sichergestellt ist, dass das inländische Beschäftigungsverhältnis nach Beendigung der Auslandsbeschäftigung auch mit den Hauptpflichten in vollem Umfang wieder auflebt (vgl BSG SozR 3-2600 § 56 Nr 13 S 70 mwN)".

5. Der hier vorliegende Sachverhalt ist weder ein Rumpfarbeitsverhältnis noch eine Quasi-Entsendung. Für die Annahme eines Rumpfarbeitsverhältnisses fehlt es schon an einem (privatrechtlichen) Rechtsverhältnis mit einem inländischen Arbeitgeber. Eine Quasi-Entsendung liegt ebenfalls nicht vor. Der Ehemann der Klägerin stand vor dem Antritt des Auslandsaufenthaltes in einem Dienstverhältnis als Beamter auf Zeit; dies wurde beendet. 2009 wurde ein neues Dienstverhältnis als Beamter auf Lebenszeit begründet. Während des Auslandsaufenthaltes bestand kein Dienstverhältnis.

6. Dieses Ergebnis ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Auch insoweit folgt der Senat dem genannten Urteil des BSG vom 23. Oktober 2003 (a.a.O.), das ausgeführt hat:

"Art 3 Abs 1 GG ist bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen dann verletzt, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (vgl BVerfGE 82, 126, 146; 88, 87, 96 f; 95, 267, 317). Die Klägerin begehrt eine Gleichbehandlung mit solchen Personen, die sich wegen einer in Deutschland versicherungspflichtigen (uU freien oder befreiten) Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit, die sie - im Voraus zeitlich begrenzt - auf Veranlassung des inländischen Arbeitgebers im Ausland verrichten, während der Erziehungszeit im Ausland aufhalten und ihr Kind dort erziehen. Das BSG hat, wie bereits dargelegt, durch eine verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich des § 56 Abs 3 Satz 2 und 3 SGB VI für den Bereich der Besonderheiten einer "Entsendung" von Beamten ins Ausland, die dort im Auftrag und im Interesse ihres Dienstherrn nach Maßgabe des fremden Rechts tätig werden sollen, durch die sog Quasi-Entsendung erweitert und für die Besonderheiten der internationalen wirtschaftlichen (auch gewerkschaftlichen) Zusammenarbeit durch "Entsendung" von Mitarbeitern in ausländische Firmen oder Organisationen durch den Rückgriff auf die arbeitsrechtliche Figur des sog Rumpfarbeitsverhältnisses ausdehnend ausgelegt."

Die Grenze der Auslegung - auch einer verfassungskonformen - ist bei § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI i.V.m. § 4 SGB IV überschritten, wenn eine Entsendung durch den Arbeitgeber (Dienstherrn) unter Fortbestand aller nicht vom Inlandsaufenthalt abhängigen Nebenpflichten und -rechte aus dem inländischen Arbeitsverhältnis (Dienstverhältnis) nicht gegeben ist. Das verfassungsgemäße und europarechtskonforme Erfordernis der Inlandserziehung erlaubt eine Gleichstellung der Auslandserziehung (außerhalb der Europäischen Union) nur dann, wenn der vorübergehende Auslandsaufenthalt mit den Kindern auf Grund einer inländischen Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit und in deren rechtlichen Rahmen auf Veranlassung des inländischen Arbeitgebers erforderlich wurde (BSG, Urteil vom 23. Oktober 2003 a.a.O.). Hierfür reicht das mit der Alexander von Humboldt-Stiftung in diesem Zeitraum begründete öffentlich-rechtliche Zuwendungsverhältnis, das gerade kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis war, nicht aus. Die Klägerin begehrt die Gleichbehandlung mit wesentlich Ungleichem. Eine weitere, über den vorstehend beschriebenen Anwendungsbereich des § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI hinausgehende ausdehnende Auslegung der Vorschriften ist nicht geboten. Das Gesetz enthält bezüglich der Gleichstellung einer Auslands- mit einer Inlandserziehung keine planwidrige Regelungslücke (BSG, Urteil vom 23. Oktober 2003 a.a.O.; vgl. schon BSG, Urteil vom 25. Januar 1994 - 4 RA 3/93;). Die Entscheidung darüber, ob für die Bereiche der Wissenschaft weitere Durchbrechungen des Prinzips der Inlandserziehung gerade im Blick auf ins Ausland mitziehende erziehende Elternteile angemessen sein könnten, steht allein dem Gesetzgeber zu.

7. Eine der Klägerin günstigere Regelung enthält auch das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika über Soziale Sicherheit vom 7. Januar 1976 (SVA USA - BGBl. II, S. 1358 -, in Kraft getreten am 1. Dezember 1979 - BGBl. II, S. 1283 -) nicht. Zwar gelten nach Art. 5 dieses Abkommens, soweit es nichts anderes bestimmt, die Rechtsvorschriften des einen Vertragsstaates, nach denen Ansprüche auf oder die Zahlung von Geldleistungen vom Inlandsaufenthalt abhängen, u.a. nicht für die Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei im Sinne von Art 3 Buchstabe a SVA USA. Diese stehen vielmehr nach Art. 4 Abs. 1 SVA USA bei Anwendung der Rechtsvorschriften eines Vertragsstaates grundsätzlich dessen Staatsangehörigen gleich, wenn sie sich gewöhnlich im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates aufhalten. Daher steht bei Anwendung des § 56 SGB VI der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Klägerin mit ihrer Familie in den USA dem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland gleich. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach § 56 SGB VI setzt aber außerdem voraus, dass die Versicherte ihr Kind im Inland erzogen hat. Die Klägerin hat jedoch ihre Kinder in den USA erzogen. Obwohl der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt von Eltern und Kindern im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei im Regelfall untrennbar mit der Erziehung der Kinder durch die Eltern verknüpft ist, erfasst die Gebietsgleichstellung nach Art. 5 SVA USA nur den "Aufenthalt" im Gebiet der anderen Vertragspartei, nicht aber die dort erfolgende Erziehung. Eine ausdrückliche Regelung über die Bedeutung des Ausdrucks "Inlandsaufenthalt" im Sinne von Art. 5 SVA USA trifft das SVA USA nicht. Nach Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (WVK - BGBl. 1985 II, S. 926 - in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 20. August 1987 - BGBl. II, S. 757), der insoweit bereits zuvor geltendes Völkergewohnheitsrecht kodifiziert (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, Urteil vom 21. Februar 1975, Series A Vol. 18 S. 14; BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1975 - 1 BvR 274/72 u.a. -; vgl. auch Internationaler Gerichtshof, ICJ Reports 1971, S. 40), ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen. Unter "Aufenthalt" ist aber nach der gewöhnlichen, auch dem SVA USA zugrundeliegenden Bedeutung ausschließlich der für die zulässige Ausübung von Staatsgewalt bedeutsame tatsächliche Umstand zu verstehen, dass sich eine Person im Hoheitsgebiet eines Staates befindet. Eine weitergehende, die Kindererziehung im Aufenthaltsgebiet erfassende Bedeutung haben die Parteien des SVA USA nicht vereinbart. Dies lag auch nicht in ihrem Blick, weil es bei Inkrafttreten des Abkommens nach deutschem Recht noch keine Versicherungszeiten wegen Kindererziehung im Inland gab. Eine ergänzende (sog. evolutive bzw. dynamische) Auslegung des Wortlauts des Art. 5 SVA USA, der wie allgemein bei zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommen - der Interpretation enge Grenzen setzt, ist hier schon deswegen nicht zulässig, weil "Aufenthalt" kein offener, dem Wandel tatsächlicher Umstände oder rechtlicher Bewertungen ausgesetzter Vertragsbegriff ist ( zum Ganzen: BSG, Urteil vom 12. Juli 1988 - 4/11a RA 36/87).

8. Ein Anspruch auf Vormerkung von Berücksichtigungszeiten vom 1. Dezember 2000 bis 30. September 2003 gemäß § 57 SGB VI besteht ebenfalls nicht, weil diese nur bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Anrechnung einer Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung für die Zeit des Aufenthalts in der Vereinigten Staaten von Amerika gegeben sind.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf §193 SGG.

III. Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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