Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 10 R 1563/06
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 R 20/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Januar 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitgegenstand Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Vita Der 1958 geborene Kläger hat den Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs erlernt, ohne in diesem Beruf tätig gewesen zu sein. Von 1981 bis 1989 war er in einer Fabrik in B3 als Helfer beschäftigt. In der Folgezeit erhielt er verschiedene Lohnersatzleistungen und zuletzt bis April 2005 Arbeitslosengeld II. Umschulungen zum Büroinformationselektroniker und Bürokaufmann wurden in den Jahren 1991, 1992 und 1994 ohne Erfolg abgebrochen. Von 2006 bis 2009 war der Kläger im H1 in H. als Raumpfleger geringfügig beschäftigt. Seitdem hat er nicht mehr gearbeitet. Er ist verheiratet und hat ein Kind.
Vorgeschichte An Vorerkrankungen sind seit 1995 eine Alkoholabhängigkeit, seit 1996 Wirbelsäulenbeschwerden bei angeborenem Wirbelgleiten in Höhe L 5/S 1 und degenerativen Veränderungen sowie seit 1998 eine Abhängigkeit von Medikamenten, insbesondere Psychopharmaka und Benzodiazepin bekannt. Im Juli 2002 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt, dessen körperliche Folgen nach einer Bypassoperation weitgehend überwunden werden konnten. Während der im Juli und August 2002 durchgeführten Anschluss-Heilbehandlung in der Klinik F1 entwickelte der Kläger jedoch Angstattacken mit Luftnot, Übelkeit und Herzrasen und wurde deshalb als leistungsunfähig aus der Maßnahme entlassen. Er besuchte über längere Zeit einen offenen Gesprächskreis in der kirchlichen Einrichtung "Die B2" in H2. Von 2004 bis 2005 wurde er im Allgemeinen Krankenhauses H. von Dr. L. ambulant psychiatrisch behandelt; dort wurden die Diagnosen einer wiederkehrenden depressiven Störung, des Verdachts auf abhängige Persönlichkeitsstörung, einer Benzodiazepinabhängigkeit und einer Alkoholkrankheit, seit 2001 abstinent, gestellt. Der erste, am 30. Mai 2002 gestellte und mit einer Leberzirrhose, Herz- und Rückenbeschwerden sowie psychischen und nervlichen Problemen begründete Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung blieb ohne Erfolg, nachdem umfangreiche medizinische Ermittlungen erfolgt waren und dem Kläger trotz festgestellter körperlicher und seelischer Gesundheitsstörungen sowie einer fraglichen Benzodiazepinabhängigkeit von den gerichtlich bestellten nervenärztlichen Sachverständigen Dr. L1 (Gutachten vom 16. Januar 2004) und Dr. F. (Gutachten vom 12. April 2005) ein zwar qualitativ eingeschränktes, nicht aber quantitativ aufgehobenes Leistungsvermögen im Erwerbsleben bescheinigt worden war. Die gegen die Rentenablehnung der Beklagten durch die DGB Rechtsschutz GmbH erhobene Klage S 15 RJ 379/03) nahm der Kläger deshalb zurück.
Im Sommer 2005 durchlief der Kläger eine teilstationäre Behandlung in der Tagesklinik für Sozialpsychiatrie und Psychotherapie des damaligen Allgemeinen Krankenhauses H., wo u.a. eine wiederkehrende depressive Störung, die Abhängigkeit von Sedativa und eine gemischte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und abhängigen Anteilen diagnostiziert wurden. Die Behandlung wurde nach verschiedenen Konflikten vom Kläger selbst beendet.
Das Versorgungsamt H2 hat mit Bescheid vom 16. Oktober 2002 wegen der Behinderungen des Klägers einen Grad der Behinderung von 80 festgestellt (i.E. Leberzirrhose (Teil-GdB 60), schmerzhafte Funktionseinschränkung der Wirbelsäule (Teil-GdB 30), psychische Minderbelastbarkeit (Teil-GdB 20) und Folgen der koronaren Herzerkrankung (Teil-GdB 30)).
Verwaltungsverfahren Seinen zweiten Rentenantrag vom 1. Dezember 2005 begründete der Kläger mit Ängsten, neurotischen Depressionen, Panikattacken und dem 2002 erlittenen Herzinfarkt. Hiermit blieb er im Verwaltungsverfahren erfolglos (Bescheid vom 4. Januar 2006, Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006). Zur Begründung führte die Beklagte aus, es liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor. Nach erneuter Auswertung der nervenärztlichen Gutachten Dr. F. und Dr. L1 und den eingeholten Stellungnahmen ihrer ärztlichen Sachverständigen lägen zwar eine Persönlichkeitsentwicklung mit abhängigen und narzisstischen Zügen und eine Neigung zu depressiven Reaktionen vor. Der Kläger sei aber dennoch in der Lage, leichte Arbeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten. Auch bestehe kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, weil der Kläger sich von seinem erlernten Beruf als Gas- und Wasserinstallateur gelöst habe, ohne dass dafür gesundheitliche Gründe maßgebend gewesen seien. Der Kläger könne deshalb uneingeschränkt auf Arbeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes im gesamten Bundesgebiet verwiesen werden, für die es einen offenen Arbeitsmarkt gebe. Das Risiko, keinen Arbeitsplatz zu erhalten, sei nicht vom Rententräger zu tragen.
Klageverfahren erster Instanz Der Kläger hat am 5. Januar 2006 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Er hat vorgetragen, dass eine weitergehende medizinische Begutachtung erforderlich sei, um seine gesundheitlichen Beschwerden und seine Abhängigkeit von Medikamenten zutreffend würdigen zu können. Er sei kaum in der Lage, die sechsstündige Teilzeittätigkeit pro Woche zu bewältigen und krankgeschrieben worden. Außerdem gehe er davon aus, dass er unter einer bisher nicht berücksichtigten ADHS-Erkrankung leide. Dies müsse noch aufgeklärt und bewertet werden. Er sei nicht leistungsfähig (Beweis: Sachverständigengutachten und Anhörung des Nervenarztes Prof. Dr. H3).
Das Sozialgericht umfangreiche Ermittlungen angestellt. Es hat insbesondere Befundberichte der behandelnden Ärzte und Krankenhäuser beigezogen und nach vorangegangener ambulanter Untersuchung am 11. Mai 2009 durch Dr. R. das nervenärztliche Gutachten vom 2. Juni 2009 erstellen lassen. Dieser Sachverständige diagnostizierte
• eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit abhängigen Zügen, • eine Alkoholerkrankung, • einen Medikamentenmissbrauch aus der Diazepamreihe, • Hinweise für eine Versagenshaltung, • keine Hinweise auf eine Depression, Angsterkrankung oder Panikattacken.
Der Kläger sei in der Lage, leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten mit Leistungseinschränkungen vollschichtig zu verrichten. Mögliche Hemmungen gegenüber einer solchen Arbeitsleistung könne er aus eigenem Antrieb überwinden. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Weitere Gutachten anderer Fachgebiete seien nicht erforderlich.
Der Kläger hat durch seinen daraufhin beauftragten jetzigen Prozessbevollmächtigten Kritik an dem Gutachten Dr. R. geübt. Dieser habe die attestierten körperlichen Beschwerden des Klägers nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Auch finde sich keine Würdigung der Medikamentenabhängigkeit. Trotz der geschilderten Wirbelsäulenbeschwerden und fehlender orthopädischer Fachkenntnis habe er keine weitere Begutachtung für erforderlich gehalten. Seine Annahme, dass die Wiederaufnahme einer leidensgerechten Arbeit von besonderem therapeutischem Wert für den Kläger sei, erscheine im höchsten Grade fragwürdig. Der Kläger sei schon nicht in der Lage, seine derzeitige geringfügige Beschäftigung zu verrichten und sei krankgeschrieben worden. Unberücksichtigt geblieben sei auch eine nach Auffassung des Klägers bestehende ADHS-Erkrankung; hierzu und zum tatsächlichen, vom Sachverständigen falsch eingeschätzten Leistungsvermögen des Klägers müsse ein weiteres Sachverständigengutachten durch Prof. Dr. H3 vom E.-Klinikum S. gemäß § 109 SGG eingeholt werden.
Im Verhandlungstermin am 13. Januar 2010 hat das Sozialgericht den medizinischen Sachverständigen Dr. R. vernommen. Dieser hat sich auf sein Gutachten bezogen und ergänzend ausgeführt, die möglicherweise zu stellende Diagnose einer ADHS-Erkrankung subsumiere sich durchaus im Rahmen der von ihm festgestellten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Hinsichtlich der vorgetragenen orthopädischen Beschwerden hätten sich bei ihm keine dazu passenden Hinweise gefunden. Eine weiterführende orthopädische Diagnostik sei in der Vergangenheit nicht weiter verfolgt worden, und gegenwärtig finde, soweit eruierbar, eine orthopädische Behandlung auch nicht statt. Die Untersuchung bei ihm habe unter dem erhöhten Bromazepamspiegel stattgefunden, ohne dass sich eine Einschränkung der konzentrativen Belastbarkeit gezeigt habe. Die Leistungsbeurteilung sei allenfalls dahin zu ergänzen, dass Tätigkeiten auf Leitern, Gerüsten und an rotierenden Maschinen nicht möglich seien, wohl aber die Benutzung von kleinen Tritten z.B. mit zwei bis drei Stufen.
Mit seinem Urteil vom 13. Januar 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich wesentlich auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. R. gestützt. Die vom Kläger hervorgehobene Arbeitsunfähigkeit habe erst seit 23. November 2009 wegen einer akuten Erkrankung bestanden, deren Behandlungsmöglichkeiten in keiner Weise ausgeschöpft seien. Weder die Depression noch die Abhängigkeit des Klägers seien schwerwiegend genug, um zu einer dauerhaften Aufhebung der Leistungsfähigkeit zu führen. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitere an fehlendem Berufsschutz, denn der Kläger habe sich von seinem erlernten Beruf gelöst, gehöre deshalb der Berufsgruppe der ungelernten Arbeiter an und sei auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass ihm eine zumutbare Verweisungstätigkeit zu benennen sei. Dem erst in der mündlichen Verhandlung präzisierten Antrag des Klägers nach § 109 SGG auf Anhörung von Prof. H3 sei nicht zu entsprechen gewesen, weil dies die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte und der Antrag sowohl in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen als auch aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden sei (§ 109 Abs. 2 SGG).
Berufungsverfahren Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 21. Januar 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Februar 2010, einem Montag, Berufung eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt er vor, das Sozialgericht hätte seine Entscheidung nicht auf die von ihm zu Recht kritisierten Ausführungen des Sachverständigen Dr. R. stützen und den Antrag nach § 109 SGG nicht ablehnen dürfen. Ein geeigneter und unabhängiger Gutachter habe trotz entsprechender Bemühungen des Klägers nur schwer gefunden werden können. Soweit das Sozialgericht in der im November 2009 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit des Klägers nur eine akute Erkrankung gesehen habe, sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger schon drei Monate vorher nicht habe eingesetzt werden können. Auf die in der mündlichen Verhandlung nur für etwa eine Stunde gezeigte Belastungsfähigkeit des Klägers könne die Annahme eines bestehenden Leistungsvermögens für mindestens sechs Stunden täglicher Arbeit nicht gestützt werden. Seine orthopädischen Beschwerden habe Dr. R. nicht aus fachspezifischer Sachkenntnis heraus beurteilen können. Außerdem habe das Sozialgericht das psychosomatische Krankheitsbild völlig außer Acht gelassen. Dass er nicht nur vorübergehend arbeitsunfähig sei, könnten außer der Psychiaterin Sabine W1 in S. die Ärzte Dr. T1 in H2 und Dr. D. in H2 bezeugen. Zur Unterstützung seiner Auffassung bezieht sich der Kläger außerdem auf die nach Aktenlage und nach Untersuchung des Klägers erstellten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung H2 vom 5. und 19. August 2004.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Januar 2010 sowie den Bescheid vom 4. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 2005 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die nach ihrer Ansicht zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und hält das Berufungsvorbringen nicht für geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
Das erkennende Gericht hat Befundberichte der vom Kläger benannten Ärzte eingeholt. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat es durch Frau Dr. H4 nach Untersuchung des Klägers ein psychiatrisches Gutachten vom 7. Februar 2011 sowie zwei ergänzende Stellungnahmen erstellen lassen. Diese Sachverständige hat neben einer mittelgradigen depressiven Störung eine Alkohol- und Benzodiazepin-Abhängigkeit diagnostiziert. Das Leistungsvermögen sei gegenwärtig nicht durch die depressive Symptomatik, sondern durch die Suchterkrankung beeinträchtigt. Tätigkeiten, welche Konzentration, Merkfähigkeit, Reaktionsvermögen und Belastbarkeit erforderten, dürften unter regelmäßigem Benzodiazepin-Einfluss nicht durchgeführt werden. Unabhängig von der täglichen Dosierung von Bromazepam, das zu den Benzodiazepinen mit mittlerer bzw. kurzer Halbwertzeit gehöre, sei mit Nebenwirkungen wie Tagesmüdigkeit, Schläfrigkeit, Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, der Konzentration, des Fahrvermögens und des Reaktionsvermögens zu rechnen. Wegen der kardiologischen Vorerkrankungen, die trotz der Versorgung mit Bypässen immer wieder zu pectanginösen Beschwerden geführt hätten, ohne dass sich ein neuer Herzinfarkt ereignet habe, dürften keine schweren Arbeiten verrichtet werden. Der Kläger sei aufgrund der akuten Suchterkrankung derzeit arbeitsunfähig. Unter der Voraussetzung, dass er sich zur Durchführung einer Entzugsbehandlung bereit erkläre und diese Behandlung abgeschlossen werde, sei davon auszugehen, dass er für mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig sein werde und er die jetzigen Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung überwinden könne. Das Leistungsvermögen habe sich in den über 10 Jahren der Suchterkrankung nicht geändert. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Die Einschränkungen könnten nur durch eine qualifizierte stationäre Entzugsbehandlung behoben werden.
Die Beklagte hat zu diesem Gutachten eine Stellungnahme der in ihrem sozialmedizinischen Dienst tätigen Nervenärztin Frau Dr. B4 eingeholt und sich deren Inhalt zu Eigen gemacht. Diese hat keine Veranlassung zur Änderung der Leistungsbeurteilung gesehen.
Der Kläger hat das Gutachten der Frau Dr. H4 ebenfalls kritisiert. Ihre Einschätzung bestehender Besserungsaussichten lasse unberücksichtigt, dass die umfangreichen ambulanten und stationären Behandlungen des Klägers zu keinem erkennbaren Erfolg geführt hätten. Auch stelle sie keinen Zusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung und der Suchterkrankung her. Der Kläger nehme mit 0,25 Tabletten (entspricht 1,5 mg) morgens und abends eine geringere Dosis Bromazepam ein als von der Sachverständigen angenommen, und Frau Dr. W1 habe ihm von einer Entzugsbehandlung abgeraten und ihn darin unterstützt, die Behandlung mit Bromazepam schleichend zu reduzieren.
Zur weiteren Abklärung hat das Gericht ein Gutachten des Nervenarztes Dr. N. vom 22. Januar 2013 eingeholt. Dieser hat den Kläger am 21. Januar 2013 ambulant untersucht und im Wesentlichen
• eine leichte, angstgetönte depressive Episode bei wiederkehrender depressiver Störung, differentialdiagnostisch im Rahmen einer bipolar affektiven Störung, • eine Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit mit gegenwärtigem Substanzkonsum, ohne zuverlässigen Anhalt für eine suchtbedingte organische Wesensänderung, • einen Zustand nach Myokardinfarkt mit nachfolgender Bypassversorgung, anamnestisch berichtete Panikstörung
diagnostiziert. Eine ADHS-Erkrankung sei nicht zu bestätigen. Der Kläger sei noch, wenn auch mit Leistungseinschränkungen vollschichtig zu leichter körperlicher Arbeit imstande. Die Wegefähigkeit sei erhalten, allerdings könne ein PKW wegen des Suchtmittelkonsums nicht gelenkt werden. Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung könne der Kläger überwinden. Die Einschränkungen bestünden unverändert seit Antragstellung. Gutachten anderer Fachgebiete seien entbehrlich. Dem Vorgutachten der Frau Dr. H4 werde nicht zugestimmt, weil dieses nicht ausreichend nachvollziehbar sei. Die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung durch das Suchtgeschehen sei durch die beschriebenen psychopathologischen Befunde nicht hinreichend belegt. Den Gutachten der Dres. R., F. und L1 werde hingegen zugestimmt, auch wenn sich differenzialdiagnostisch gewisse Verschiebungen in den Schwerpunkten darstellten.
Der Kläger hat daraufhin beantragt, den für den 20. Februar 2013 anberaumten Verhandlungstermin aufzuheben und abzuwarten, welche Berichte der Kläger über eine von ihm angenommene ADS/ADD-Erkrankung nach einer nunmehr aufgenommenen Untersuchung bei den Ärzten Dres. G. und T. und einer neuropsychologischen Testung bei Dr. Bodenburg vorlegen werde. Das Gericht hat das Verlegungsgesuch abgelehnt und einen Befundbericht von Dr. G. angefordert. Dieser hat mitgeteilt, dass noch kein Befund vorliege.
Zu dem Gutachten des Sachverständigen Dr. N. hat die Sachverständige Dr. H4 eine Stellungnahme vom 14. Februar 2013 vorgelegt, in der sie an ihrer Einschätzung festhält, dass der Kläger derzeit nicht, sondern erst nach einer qualifizierten stationären Entzugsbehandlung in der Lage sei, einer Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nachzugehen. Lägen die Kriterien eines adulten ADHS vor, wäre der Kläger erheblich in seinem Leistungsvermögen und im Erwerbsleben beeinträchtigt. Die Art der Defizite müsse in der fachpsychiatrischen Diagnostik festgestellt werden. Eine solche Diagnose müsse nach den erhobenen psychopathologischen Befunden und der Vorgeschichte des Klägers sehr in Zweifel gezogen werden, wie Dr. N. im Vorgutachten ausgeführt habe.
Im Verhandlungstermin am 20. Februar 2013 hat das Gericht die Beteiligten angehört und die Sachverständigen Dr. N. und Dr. H4 vernommen. Wegen diesbezüglicher und weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Februar 2013 sowie auf den Inhalt der dort aufgeführten Unterlagen Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Verhandlung und Beratungen gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 Sozi¬algesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der seit dem 1. Januar 2001 gel¬tenden Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754). Danach haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbs¬minderung, wenn sie 1. teilweise (bzw. voll) erwerbgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinde¬rung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemin-dert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Erwerbsgemindert ist dagegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach ständiger gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hängt hiernach der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auch nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht davon ab, ob und inwieweit das individuelle Leistungsvermögen eines Versicherten wegen Art, Umfang und voraussichtlicher Dauer der Krankheiten und Behinderungen, an denen er leidet, in qualitativer und quantitativer Hinsicht eingeschränkt ist, und ob er mit diesem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen ein Erwerbseinkommen erzielen kann. Hierfür reicht es aus, wenn derartige, dem jeweils bestehenden Leistungsvermögen angepasste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl angeboten werden. Nicht erforderlich ist, dass der Versicherte eine leidensangepasste Arbeit auch tatsächlich findet. Kann ein Versicherter trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch täglich mindestens sechs Stunden Tätigkeiten ausüben, die in ungelernten Beschäftigungsverhältnissen üblicherweise gefordert werden (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.), kann davon ausgegangen werden, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen einsatzfähig ist. Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen und deshalb ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, muss geprüft werden, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Ist dies der Fall, muss dem Versicherten mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen benannt werden, die seinem Restleistungsvermögen entspricht (vgl. zuletzt ausführlich BSG, Urteile vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R, NZS 2012, S. 302 und vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 18 mit umfangreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur, beide Entscheidungen auch in juris veröffentlicht).
Der Kläger gehört nicht zu dem von § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI erfassten Personenkreis. Er kann auch sonst nicht als (voll oder teilweise) erwerbsgemindert angesehen werden. Denn er war und ist trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen auch seit der Stellung seines zweiten Rentenantrages imstande, zumindest noch leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung in wechselnder Körperhaltung zu ebener Erde und in geschlossenen Räumen vollschichtig, d.h. mehr als sechs Stunden je Arbeitstag zu verrichten. Meiden muss er Arbeiten, die mit dauerndem oder häufigem Bücken oder Anheben und Bewegen von Lasten mit einem Gewicht von mehr als 6 kg ohne Transporthilfen verbunden sind, Arbeiten an gefährdenden Arbeitsplätzen wie z.B. auf Leitern oder Gerüsten oder an laufenden Maschinen, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit, Zwangshaltungen jeglicher Art, Arbeiten im Knien oder Hocken oder sonstiger besonderer Kniebelastung, Arbeiten mit wechselnden Arbeitszeiten, insbesondere Wechselschicht, Nachtarbeit etc., Arbeiten unter erhöhtem Anforderungs- oder Zeitdruck, Arbeiten mit Publikumsverkehr sowie Arbeiten unter Einfluss von Witterung, Staub, Dämpfen und Geräuschen. Seine Hemmungen gegenüber einer leidensgerechten Tätigkeit kann er mit zumutbarer Willensanspannung überwinden. Mit diesem Leistungsvermögen kann er die in der berufskundlichen Stellungnahme des Sachverständigen W. vom 10. Dezember 2008 beschriebenen Pack-, Montier-, Kontroll- und Prüftätigkeiten ausüben, wie sie unter den üblichen Bedingungen des für den Kläger offenen Arbeitsmarktes nach wie vor in hinreichender Zahl angeboten werden. Ob der Kläger einen solchen leidensgerechten Arbeitsplatz tatsächlich finden kann, ist rentenrechtlich irrelevant. Seine Wegefähigkeit ist erhalten, denn er kann zwar nicht selbst ein Kraftfahrzeug führen, aber öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Der Kläger ist deshalb nicht erwerbsgemindert.
Der Senat stützt diese Feststellungen auf die vorliegenden, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen und die Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dres. F., R., H4 und N ... Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen, welche die Leistungsfähigkeit des Klägers wesentlich einschränken, stehen seit vielen Jahren das von sämtlichen Sachverständigen mit unterschiedlich formulierten Diagnosen gekennzeichnete seelische Leiden des Klägers sowie seine Suchtmittelabhängigkeit. Danach ist der Zustand des Klägers seit dem Jahre 2002 von wiederkehrenden depressiven Episoden unterschiedlicher Intensität und Angstzuständen, teilweise verbunden mit Panikattacken, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit abhängigen Zügen und der Abhängigkeit von Alkohol, zeitweise von Psychopharmaka und dem Benzodiazepinpräparat Bromazepam, einem Beruhigungsmittel, geprägt. Eine lediglich vorübergehende krisenhafte Zuspitzung des Krankheitsbildes dürfte im April 2008 eingetreten sein und zu der Einweisung in die stationär-psychiatrische Behandlung in der A.-Klinik H. geführt haben. Für diesen Zeitraum hat der Psychiater Lietz in seinem Befundbericht vom 9. Mai 2008 zusätzlich eindeutige psychotische Symptome und wahnhafte Ideen beschrieben, die zu der Krankenhauseinweisung geführt hätten. In dem Bericht des A. Medizinischen Versorgungszentrums N1 GmbH vom 8. Mai 2008 ist ein Zustand nach depressiv-suizidaler Krise mit psychotischen Zügen in psychosozialer Belastungssituation beschrieben worden, wobei bereits an jenem Tage der psychopathologische Befund mit den Worten
"wacher, vollst(ändig) orient(ierter) Pat(ient), in der Stimmung ängstlich besorgt aber jetzt ohne fassbare psychotische Symptomatik u(nd) ohne Hinweise für Suizidalität"
beschrieben worden ist. Offenbar hatte der Kläger zuvor, wie sich aus dem Bericht der A. Klinik H. vom 30. April 2008 ersehen lässt, auch massive Angst vor einem erneuten Herzinfarkt bekommen, was indessen, wie schon in der Vergangenheit, nach entsprechender ärztlicher Untersuchung vollständig ausgeschlossen werden konnte. Abgesehen von dieser vorübergehenden und deshalb rentenrechtlich nicht relevanten Episode haben jedoch sämtliche Gutachter in den von ihnen erhobenen psychopathologischen Befunden den Kläger übereinstimmend als einen wachen, aufmerksamen, in jeder Hinsicht, d. h. zu Zeit, Ort, Person und Situation vollständig orientierten, im Wahrnehmen, Denken, Erleben und Erinnern nicht gravierend oder durch Wahnvorstellungen beeinträchtigten, introspektionsfähigen, im Antrieb nicht umfassend geminderten und nicht tiefergehend depressiv verstimmten Menschen beschrieben, der die Untersuchungssituation mit weitschweifigen Erzählungen aktiv gestaltete, in seinen vorhandenen Sorgen und Ängsten nicht gefangen war, dessen Schwingungsfähigkeit, Impuls- und Affektsteuerung erhalten war, und der in der Untersuchungssituation keine oder kaum Anzeichen von vorzeitiger Ermüdung oder nachlassender Konzentration zeigte. Die in den Befunden beschriebenen Einschränkungen, die sich in den Neigungen des Klägers zu ängstlicher Selbstbeobachtung und hypochondrischer Erlebnisweise, Unsicherheit, Regression, Anklammerung und Versorgungsappellen und zuletzt bei Dr. N. in dem teilweise nicht völlig geordneten, etwas sprunghaften Gedankengang, der teilweise erschwerten Ein- und Umstellfähigkeit, mäßiger Aufmerksamkeit und gegen Ende der Exploration leicht nachlassendem Konzentrationsvermögen gezeigt haben, wiegen demgegenüber nach den auch insoweit schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht schwer genug, um eine weitergehende quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens zu begründen. Auch aus den vorliegenden nervenärztlichen Befundberichten und den Unterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung H2 ergeben sich keine hinreichenden psychopathologischen Befunde, die auf eine seit der Beendigung des ersten Rentenverfahrens eingetretene und deshalb im vorliegenden Verfahren noch zu berücksichtigende dauerhafte Leistungsminderung oder dauerhafte Aufhebung des Leistungsvermögens hindeuten könnten. Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung auf die Gutachten des MDK H2 vom 5. August 2004 und 19. Februar 2004 stützen will, liegen die dort getroffenen Feststellungen außerhalb des hier streitbefangenen Zeitraums. Sie beinhalten außerdem keine psychopathologischen Befunde, die sie stützen könnten. Dies gilt auch für den Befundbericht des Psychotherapeuten Dr. T1 vom 25. März 2010, den der Kläger auch nur an zwei Tagen aufgesucht hat. Dieser Bericht nennt als "erhobenen Befund"
"`verqueres` Welt und Menschenbild. neurot. Verkennung der Wirklichkeiten. Ich halte den Pat. für eu."
und die Diagnosen
"Pers.störung ..., Med abhängigkeit fragl. ADHS"
und damit nichts, was abweichend von den fundierten und nachvollziehbar begründeten Ausführungen der Sachverständigen Dr. F., Dr. R. und Dr. N. die Annahme einer Erwerbsminderung des Klägers nachvollziehbar untermauern könnte. Soweit demgegenüber – abgesehen von der vorübergehenden Krise im April 2008 – konkrete Befunde für die hier streitige Zeit vorliegen (vgl. Gutachten der Frau Dr. H4 vom 7. Februar 2011 und Befundbericht der Psychiaterin und Psychotherapeutin W1 vom 16. Juli 2012), decken sich diese mit den von Dr. F., Dr. R. und Dr. N. getroffenen Feststellungen. Auch Frau Dr. H4, die eine mittelgradige depressive Störung festgestellt haben will, hat ausgeführt, dass die depressive Symptomatik keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit bedinge.
Sie sieht vielmehr, insoweit abweichend von den Vorgutachtern und Dr. N., das Leistungsvermögen des Klägers allein durch die Abhängigkeit von Alkohol und Benzodiazepin als aufgehoben und erst nach erfolgreicher Durchführung einer stationären Entzugsbehandlung als wieder gegeben an. Dieser Einschätzung hat indessen Dr. N. überzeugend widersprochen und ausgeführt, dass die Annahme einer Leistungsbeeinträchtigung durch das Suchtgeschehen angesichts der Beschreibung eines flüssigen, kohärenten Gedankengangs ohne Anhalt für kognitive Einbußen und ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen nicht nachvollziehbar sei; zudem beschreibe Dr. H4 auf der Ebene von Affekt, Psychomotorik und Willensbildung lediglich subjektive Klagen des Betroffenen, nicht jedoch psychopathologische Befunderhebungen. Soweit Dr. H4 als Nebenwirkungen des Suchtmittelkonsums, mit denen der Kläger rechnen müsse, Tagesmüdigkeit, Schläfrigkeit, Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, der Konzentration, der Fahrtüchtigkeit und des Reaktionsvermögens beschrieben hat, sind diese Nebenwirkungen in den von den Sachverständigen und auch von Frau Dr. H4 formulierten qualitativen Leistungseinschränkungen bereits berücksichtigt. Außerdem spricht Dr. H4 selbst von einer erheblichen Toleranzentwicklung, die es dem Kläger ermöglicht hat, die Untersuchungssituation trotz der zweimaligen regelmäßigen Einnahme von Bromazepam (in der Dosis 1-0-1 pro Tag, was 12 mg entspräche) problemlos zu meistern. Er sei nicht unkonzentriert, merkfähigkeitsgestört, müde und belastungseingeschränkt im Gespräch gewesen. Insoweit deckt sich ihre Wahrnehmung auch mit denen der übrigen Gerichtsgutachten und mit dem persönlichen Eindruck, den der Kläger im Verhandlungstermin am 20. Februar 2013 hinterlassen hat. Dabei ist einschränkend, aber im Ergebnis nichts ändernd zu berücksichtigen, dass Dr. N. in seinem Untersuchungsbefund vom 21. Januar 2013 den Eindruck gewonnen hat, dass der Kläger gestellte Fragen nicht immer kohärent beantwortet und das Untersuchungsgeschehen nur mit mäßiger Aufmerksamkeit verfolgt habe, wobei es ihm teilweise schwergefallen sei, sich rasch auf neue Gesprächsinhalte ein- und umzustellen und sein formaler Gedankengang nicht immer ganz geordnet und etwas sprunghaft gewesen sei. Dies mindert indessen die Überzeugungskraft auch seiner Leistungsbeurteilung nicht, denn auch er hat den Kläger als einen in seiner Persönlichkeit, seinem Affekt, seinem Agieren, seiner Schwingungsfähigkeit und seinen Phobien zwar durchaus beeinträchtigten, gleichwohl aber wachen, bewusstseinsklaren, in allen Qualitäten vollständig orientierten, hinreichend kontaktfähigen, durchschnittlich intelligenten Menschen mit mäßig strukturierten, aber durchaus zielgerichteten Willenskräften erlebt, dessen Merkfähigkeit, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis und Anspannungs- und Durchhaltevermögen ausreichend intakt waren. Die Einvernahme Dr. N. und Dr. H4 im Verhandlungstermin am 20. Februar 2013 hat diese Einschätzung bestätigt. Beide Sachverständige haben übereinstimmend erklärt, dass der Kläger keine Arbeit zu Lasten seiner Gesundheit verrichten würde, wenn er unter dem Einfluss von Alkohol und Benzodiazepin arbeiten würde. Sie stimmen auch darin überein, dass der Kläger, wenn er einen Behandlungswunsch äußern und sich einer Entzugsbehandlung unterziehen wollte, lediglich vorübergehend arbeitsunfähig, aber nicht auf absehbare Dauer von mindestens sechs Monaten leistungsunfähig wäre.
Weitere Leistungseinschränkungen sind durch die anlagebedingten und sicherlich fortbestehenden, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers, durch die Folgen seiner früheren Herzerkrankung sowie durch das von Dr. P., Dr. H5 und Dr. D. beschriebene Kniegelenksverschleißleiden beiderseits bedingt. Auch aus diesen Gesundheitsstörungen lässt sich indessen nur eine qualitative Einschränkung des Leistungsvermögens ableiten, nicht aber dessen quantitative Absenkung auf unter sechs Stunden je Arbeitstag.
Die vom Kläger vermutete ADHS- oder ADS/ADD-Erkrankung, die nach seiner Auffassung das Leistungsvermögen weitergehend als bisher angenommen einschränken soll, liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor. Hierzu hat Dr. N. in seinem Gutachten vom 22. Januar 2013 ausgeführt, dass die erwogene Diagnose eines Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätssyndroms im Erwachsenenalter nicht zu bestätigen sei. Um ihr Vorliegen begründen zu können, müssten ausreichende Informationen über eine solche Erkrankung im Kindes-/Jugendalter vorliegen. Die Angaben des Klägers zur Vorgeschichte und zu seinem psychischen Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter bestätigten die Annahme eines ADHS nicht. Sie seien vielmehr mit einer ängstlich selbstunsicheren und dependenten Persönlichkeitsentwicklung zu vereinbaren und mit den defizitären Sozialisationsbedingungen in Kindheit und Adoleszenz in Zusammenhang zu bringen. Im Verhandlungstermin am 20. Februar 2013 hat er ergänzend ausgeführt, dass die festgestellten Störungen, die auf eine ADHS-Erkrankung hindeuteten, in der depressiven Erkrankung, der Persönlichkeitsstörung und der Suchterkrankung aufgingen, und dass ein ADHS-Leiden, selbst wenn es bestünde, ebenfalls nur zu den beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen führen würde. Im Ergebnis hiermit übereinstimmend hat auch Dr. R. im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht am 13. Januar 2010 erklärt, dass die Diagnose ADHS sich durchaus im Rahmen der von ihm diagnostizierten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung subsumiere. Der Senat vermag keinen Grund zu erkennen, diesen fachärztlichen Einschätzungen nicht zu folgen und legt sie deshalb seiner Beurteilung des Falles zugrunde. Er sieht auch keinen Anlass, das Ergebnis der weiteren, vom Kläger angestrebten Untersuchungen abzuwarten oder hierzu, gewissermaßen "ins Blaue hinein", weitere Ermittlungen anzustellen, dies umso weniger, als neuropsychologische Testergebnisse, die unter dem Einfluss des Suchtmittelkonsums festgestellt würden, nach den auch insoweit übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. H4 und Dr. N. nicht als zuverlässig anzusehen wären.
Alle sonst beschriebenen Gesundheitsstörungen sind entweder nur vorübergehender Natur gewesen oder ohne sozialmedizinische Relevanz für das Leistungsvermögen des Klägers im Erwerbsleben. Hierzu zählen der medikamentös eingestellte Bluthochdruck, die Blutfettstoffwechselstörung, der Nikotinkonsum, die Entzündung der linken Großzehe am 10. Juli 2006 (Befundbericht des Orthopäden Merget vom 18. Oktober 2007), die am 13. Oktober 2005 festgestellte polymorphe Lichtdermatose (Befundbericht des Hautarztes Dr. O. vom 18. Oktober 2007), wiederkehrende Infekte im Nasenbereich im Oktober und Dezember 2005 (Befundbericht Dr. B1 vom 29. Oktober 2007) sowie chronisch wiederkehrende Bronchitis und chronische Gastritis (Befundbericht Dr. P. vom 1. November 2007).
Kann der Kläger mithin nicht als voll oder auch nur teilweise erwerbsgemindert angesehen werden, besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Der Senat nimmt hierzu vollen Umfangs Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts auf S. 9 f. des angefochtenen Urteils, denen der Kläger auch im Berufungsverfahren nichts entgegengesetzt hat, und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht, dem Ausgang des Verfahrens folgend, auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Tatbestand:
Streitgegenstand Streitig ist ein Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung.
Vita Der 1958 geborene Kläger hat den Beruf des Gas- und Wasserinstallateurs erlernt, ohne in diesem Beruf tätig gewesen zu sein. Von 1981 bis 1989 war er in einer Fabrik in B3 als Helfer beschäftigt. In der Folgezeit erhielt er verschiedene Lohnersatzleistungen und zuletzt bis April 2005 Arbeitslosengeld II. Umschulungen zum Büroinformationselektroniker und Bürokaufmann wurden in den Jahren 1991, 1992 und 1994 ohne Erfolg abgebrochen. Von 2006 bis 2009 war der Kläger im H1 in H. als Raumpfleger geringfügig beschäftigt. Seitdem hat er nicht mehr gearbeitet. Er ist verheiratet und hat ein Kind.
Vorgeschichte An Vorerkrankungen sind seit 1995 eine Alkoholabhängigkeit, seit 1996 Wirbelsäulenbeschwerden bei angeborenem Wirbelgleiten in Höhe L 5/S 1 und degenerativen Veränderungen sowie seit 1998 eine Abhängigkeit von Medikamenten, insbesondere Psychopharmaka und Benzodiazepin bekannt. Im Juli 2002 erlitt der Kläger einen Herzinfarkt, dessen körperliche Folgen nach einer Bypassoperation weitgehend überwunden werden konnten. Während der im Juli und August 2002 durchgeführten Anschluss-Heilbehandlung in der Klinik F1 entwickelte der Kläger jedoch Angstattacken mit Luftnot, Übelkeit und Herzrasen und wurde deshalb als leistungsunfähig aus der Maßnahme entlassen. Er besuchte über längere Zeit einen offenen Gesprächskreis in der kirchlichen Einrichtung "Die B2" in H2. Von 2004 bis 2005 wurde er im Allgemeinen Krankenhauses H. von Dr. L. ambulant psychiatrisch behandelt; dort wurden die Diagnosen einer wiederkehrenden depressiven Störung, des Verdachts auf abhängige Persönlichkeitsstörung, einer Benzodiazepinabhängigkeit und einer Alkoholkrankheit, seit 2001 abstinent, gestellt. Der erste, am 30. Mai 2002 gestellte und mit einer Leberzirrhose, Herz- und Rückenbeschwerden sowie psychischen und nervlichen Problemen begründete Antrag des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung blieb ohne Erfolg, nachdem umfangreiche medizinische Ermittlungen erfolgt waren und dem Kläger trotz festgestellter körperlicher und seelischer Gesundheitsstörungen sowie einer fraglichen Benzodiazepinabhängigkeit von den gerichtlich bestellten nervenärztlichen Sachverständigen Dr. L1 (Gutachten vom 16. Januar 2004) und Dr. F. (Gutachten vom 12. April 2005) ein zwar qualitativ eingeschränktes, nicht aber quantitativ aufgehobenes Leistungsvermögen im Erwerbsleben bescheinigt worden war. Die gegen die Rentenablehnung der Beklagten durch die DGB Rechtsschutz GmbH erhobene Klage S 15 RJ 379/03) nahm der Kläger deshalb zurück.
Im Sommer 2005 durchlief der Kläger eine teilstationäre Behandlung in der Tagesklinik für Sozialpsychiatrie und Psychotherapie des damaligen Allgemeinen Krankenhauses H., wo u.a. eine wiederkehrende depressive Störung, die Abhängigkeit von Sedativa und eine gemischte Persönlichkeitsstörung mit narzisstischen und abhängigen Anteilen diagnostiziert wurden. Die Behandlung wurde nach verschiedenen Konflikten vom Kläger selbst beendet.
Das Versorgungsamt H2 hat mit Bescheid vom 16. Oktober 2002 wegen der Behinderungen des Klägers einen Grad der Behinderung von 80 festgestellt (i.E. Leberzirrhose (Teil-GdB 60), schmerzhafte Funktionseinschränkung der Wirbelsäule (Teil-GdB 30), psychische Minderbelastbarkeit (Teil-GdB 20) und Folgen der koronaren Herzerkrankung (Teil-GdB 30)).
Verwaltungsverfahren Seinen zweiten Rentenantrag vom 1. Dezember 2005 begründete der Kläger mit Ängsten, neurotischen Depressionen, Panikattacken und dem 2002 erlittenen Herzinfarkt. Hiermit blieb er im Verwaltungsverfahren erfolglos (Bescheid vom 4. Januar 2006, Widerspruchsbescheid vom 28. November 2006). Zur Begründung führte die Beklagte aus, es liege weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vor. Nach erneuter Auswertung der nervenärztlichen Gutachten Dr. F. und Dr. L1 und den eingeholten Stellungnahmen ihrer ärztlichen Sachverständigen lägen zwar eine Persönlichkeitsentwicklung mit abhängigen und narzisstischen Zügen und eine Neigung zu depressiven Reaktionen vor. Der Kläger sei aber dennoch in der Lage, leichte Arbeiten mit qualitativen Leistungseinschränkungen sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts zu verrichten. Auch bestehe kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, weil der Kläger sich von seinem erlernten Beruf als Gas- und Wasserinstallateur gelöst habe, ohne dass dafür gesundheitliche Gründe maßgebend gewesen seien. Der Kläger könne deshalb uneingeschränkt auf Arbeiten des allgemeinen Arbeitsfeldes im gesamten Bundesgebiet verwiesen werden, für die es einen offenen Arbeitsmarkt gebe. Das Risiko, keinen Arbeitsplatz zu erhalten, sei nicht vom Rententräger zu tragen.
Klageverfahren erster Instanz Der Kläger hat am 5. Januar 2006 Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben und sein Begehren weiter verfolgt. Er hat vorgetragen, dass eine weitergehende medizinische Begutachtung erforderlich sei, um seine gesundheitlichen Beschwerden und seine Abhängigkeit von Medikamenten zutreffend würdigen zu können. Er sei kaum in der Lage, die sechsstündige Teilzeittätigkeit pro Woche zu bewältigen und krankgeschrieben worden. Außerdem gehe er davon aus, dass er unter einer bisher nicht berücksichtigten ADHS-Erkrankung leide. Dies müsse noch aufgeklärt und bewertet werden. Er sei nicht leistungsfähig (Beweis: Sachverständigengutachten und Anhörung des Nervenarztes Prof. Dr. H3).
Das Sozialgericht umfangreiche Ermittlungen angestellt. Es hat insbesondere Befundberichte der behandelnden Ärzte und Krankenhäuser beigezogen und nach vorangegangener ambulanter Untersuchung am 11. Mai 2009 durch Dr. R. das nervenärztliche Gutachten vom 2. Juni 2009 erstellen lassen. Dieser Sachverständige diagnostizierte
• eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung mit abhängigen Zügen, • eine Alkoholerkrankung, • einen Medikamentenmissbrauch aus der Diazepamreihe, • Hinweise für eine Versagenshaltung, • keine Hinweise auf eine Depression, Angsterkrankung oder Panikattacken.
Der Kläger sei in der Lage, leichte und mittelschwere körperliche Arbeiten mit Leistungseinschränkungen vollschichtig zu verrichten. Mögliche Hemmungen gegenüber einer solchen Arbeitsleistung könne er aus eigenem Antrieb überwinden. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Weitere Gutachten anderer Fachgebiete seien nicht erforderlich.
Der Kläger hat durch seinen daraufhin beauftragten jetzigen Prozessbevollmächtigten Kritik an dem Gutachten Dr. R. geübt. Dieser habe die attestierten körperlichen Beschwerden des Klägers nicht oder nur unzureichend berücksichtigt. Auch finde sich keine Würdigung der Medikamentenabhängigkeit. Trotz der geschilderten Wirbelsäulenbeschwerden und fehlender orthopädischer Fachkenntnis habe er keine weitere Begutachtung für erforderlich gehalten. Seine Annahme, dass die Wiederaufnahme einer leidensgerechten Arbeit von besonderem therapeutischem Wert für den Kläger sei, erscheine im höchsten Grade fragwürdig. Der Kläger sei schon nicht in der Lage, seine derzeitige geringfügige Beschäftigung zu verrichten und sei krankgeschrieben worden. Unberücksichtigt geblieben sei auch eine nach Auffassung des Klägers bestehende ADHS-Erkrankung; hierzu und zum tatsächlichen, vom Sachverständigen falsch eingeschätzten Leistungsvermögen des Klägers müsse ein weiteres Sachverständigengutachten durch Prof. Dr. H3 vom E.-Klinikum S. gemäß § 109 SGG eingeholt werden.
Im Verhandlungstermin am 13. Januar 2010 hat das Sozialgericht den medizinischen Sachverständigen Dr. R. vernommen. Dieser hat sich auf sein Gutachten bezogen und ergänzend ausgeführt, die möglicherweise zu stellende Diagnose einer ADHS-Erkrankung subsumiere sich durchaus im Rahmen der von ihm festgestellten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung. Hinsichtlich der vorgetragenen orthopädischen Beschwerden hätten sich bei ihm keine dazu passenden Hinweise gefunden. Eine weiterführende orthopädische Diagnostik sei in der Vergangenheit nicht weiter verfolgt worden, und gegenwärtig finde, soweit eruierbar, eine orthopädische Behandlung auch nicht statt. Die Untersuchung bei ihm habe unter dem erhöhten Bromazepamspiegel stattgefunden, ohne dass sich eine Einschränkung der konzentrativen Belastbarkeit gezeigt habe. Die Leistungsbeurteilung sei allenfalls dahin zu ergänzen, dass Tätigkeiten auf Leitern, Gerüsten und an rotierenden Maschinen nicht möglich seien, wohl aber die Benutzung von kleinen Tritten z.B. mit zwei bis drei Stufen.
Mit seinem Urteil vom 13. Januar 2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und sich wesentlich auf die Feststellungen des Sachverständigen Dr. R. gestützt. Die vom Kläger hervorgehobene Arbeitsunfähigkeit habe erst seit 23. November 2009 wegen einer akuten Erkrankung bestanden, deren Behandlungsmöglichkeiten in keiner Weise ausgeschöpft seien. Weder die Depression noch die Abhängigkeit des Klägers seien schwerwiegend genug, um zu einer dauerhaften Aufhebung der Leistungsfähigkeit zu führen. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheitere an fehlendem Berufsschutz, denn der Kläger habe sich von seinem erlernten Beruf gelöst, gehöre deshalb der Berufsgruppe der ungelernten Arbeiter an und sei auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar, ohne dass ihm eine zumutbare Verweisungstätigkeit zu benennen sei. Dem erst in der mündlichen Verhandlung präzisierten Antrag des Klägers nach § 109 SGG auf Anhörung von Prof. H3 sei nicht zu entsprechen gewesen, weil dies die Erledigung des Rechtsstreits verzögert hätte und der Antrag sowohl in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen als auch aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden sei (§ 109 Abs. 2 SGG).
Berufungsverfahren Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 21. Januar 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Februar 2010, einem Montag, Berufung eingelegt. Zur Begründung des Rechtsmittels trägt er vor, das Sozialgericht hätte seine Entscheidung nicht auf die von ihm zu Recht kritisierten Ausführungen des Sachverständigen Dr. R. stützen und den Antrag nach § 109 SGG nicht ablehnen dürfen. Ein geeigneter und unabhängiger Gutachter habe trotz entsprechender Bemühungen des Klägers nur schwer gefunden werden können. Soweit das Sozialgericht in der im November 2009 eingetretenen Arbeitsunfähigkeit des Klägers nur eine akute Erkrankung gesehen habe, sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger schon drei Monate vorher nicht habe eingesetzt werden können. Auf die in der mündlichen Verhandlung nur für etwa eine Stunde gezeigte Belastungsfähigkeit des Klägers könne die Annahme eines bestehenden Leistungsvermögens für mindestens sechs Stunden täglicher Arbeit nicht gestützt werden. Seine orthopädischen Beschwerden habe Dr. R. nicht aus fachspezifischer Sachkenntnis heraus beurteilen können. Außerdem habe das Sozialgericht das psychosomatische Krankheitsbild völlig außer Acht gelassen. Dass er nicht nur vorübergehend arbeitsunfähig sei, könnten außer der Psychiaterin Sabine W1 in S. die Ärzte Dr. T1 in H2 und Dr. D. in H2 bezeugen. Zur Unterstützung seiner Auffassung bezieht sich der Kläger außerdem auf die nach Aktenlage und nach Untersuchung des Klägers erstellten Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung H2 vom 5. und 19. August 2004.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 13. Januar 2010 sowie den Bescheid vom 4. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. November 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Dezember 2005 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung dem Grunde nach zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die nach ihrer Ansicht zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und hält das Berufungsvorbringen nicht für geeignet, eine andere Entscheidung herbeizuführen.
Das erkennende Gericht hat Befundberichte der vom Kläger benannten Ärzte eingeholt. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat es durch Frau Dr. H4 nach Untersuchung des Klägers ein psychiatrisches Gutachten vom 7. Februar 2011 sowie zwei ergänzende Stellungnahmen erstellen lassen. Diese Sachverständige hat neben einer mittelgradigen depressiven Störung eine Alkohol- und Benzodiazepin-Abhängigkeit diagnostiziert. Das Leistungsvermögen sei gegenwärtig nicht durch die depressive Symptomatik, sondern durch die Suchterkrankung beeinträchtigt. Tätigkeiten, welche Konzentration, Merkfähigkeit, Reaktionsvermögen und Belastbarkeit erforderten, dürften unter regelmäßigem Benzodiazepin-Einfluss nicht durchgeführt werden. Unabhängig von der täglichen Dosierung von Bromazepam, das zu den Benzodiazepinen mit mittlerer bzw. kurzer Halbwertzeit gehöre, sei mit Nebenwirkungen wie Tagesmüdigkeit, Schläfrigkeit, Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, der Konzentration, des Fahrvermögens und des Reaktionsvermögens zu rechnen. Wegen der kardiologischen Vorerkrankungen, die trotz der Versorgung mit Bypässen immer wieder zu pectanginösen Beschwerden geführt hätten, ohne dass sich ein neuer Herzinfarkt ereignet habe, dürften keine schweren Arbeiten verrichtet werden. Der Kläger sei aufgrund der akuten Suchterkrankung derzeit arbeitsunfähig. Unter der Voraussetzung, dass er sich zur Durchführung einer Entzugsbehandlung bereit erkläre und diese Behandlung abgeschlossen werde, sei davon auszugehen, dass er für mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig sein werde und er die jetzigen Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung überwinden könne. Das Leistungsvermögen habe sich in den über 10 Jahren der Suchterkrankung nicht geändert. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Die Einschränkungen könnten nur durch eine qualifizierte stationäre Entzugsbehandlung behoben werden.
Die Beklagte hat zu diesem Gutachten eine Stellungnahme der in ihrem sozialmedizinischen Dienst tätigen Nervenärztin Frau Dr. B4 eingeholt und sich deren Inhalt zu Eigen gemacht. Diese hat keine Veranlassung zur Änderung der Leistungsbeurteilung gesehen.
Der Kläger hat das Gutachten der Frau Dr. H4 ebenfalls kritisiert. Ihre Einschätzung bestehender Besserungsaussichten lasse unberücksichtigt, dass die umfangreichen ambulanten und stationären Behandlungen des Klägers zu keinem erkennbaren Erfolg geführt hätten. Auch stelle sie keinen Zusammenhang zwischen der psychischen Erkrankung und der Suchterkrankung her. Der Kläger nehme mit 0,25 Tabletten (entspricht 1,5 mg) morgens und abends eine geringere Dosis Bromazepam ein als von der Sachverständigen angenommen, und Frau Dr. W1 habe ihm von einer Entzugsbehandlung abgeraten und ihn darin unterstützt, die Behandlung mit Bromazepam schleichend zu reduzieren.
Zur weiteren Abklärung hat das Gericht ein Gutachten des Nervenarztes Dr. N. vom 22. Januar 2013 eingeholt. Dieser hat den Kläger am 21. Januar 2013 ambulant untersucht und im Wesentlichen
• eine leichte, angstgetönte depressive Episode bei wiederkehrender depressiver Störung, differentialdiagnostisch im Rahmen einer bipolar affektiven Störung, • eine Alkohol- und Benzodiazepinabhängigkeit mit gegenwärtigem Substanzkonsum, ohne zuverlässigen Anhalt für eine suchtbedingte organische Wesensänderung, • einen Zustand nach Myokardinfarkt mit nachfolgender Bypassversorgung, anamnestisch berichtete Panikstörung
diagnostiziert. Eine ADHS-Erkrankung sei nicht zu bestätigen. Der Kläger sei noch, wenn auch mit Leistungseinschränkungen vollschichtig zu leichter körperlicher Arbeit imstande. Die Wegefähigkeit sei erhalten, allerdings könne ein PKW wegen des Suchtmittelkonsums nicht gelenkt werden. Hemmungen gegenüber einer Arbeitsleistung könne der Kläger überwinden. Die Einschränkungen bestünden unverändert seit Antragstellung. Gutachten anderer Fachgebiete seien entbehrlich. Dem Vorgutachten der Frau Dr. H4 werde nicht zugestimmt, weil dieses nicht ausreichend nachvollziehbar sei. Die Annahme einer schwerwiegenden Beeinträchtigung durch das Suchtgeschehen sei durch die beschriebenen psychopathologischen Befunde nicht hinreichend belegt. Den Gutachten der Dres. R., F. und L1 werde hingegen zugestimmt, auch wenn sich differenzialdiagnostisch gewisse Verschiebungen in den Schwerpunkten darstellten.
Der Kläger hat daraufhin beantragt, den für den 20. Februar 2013 anberaumten Verhandlungstermin aufzuheben und abzuwarten, welche Berichte der Kläger über eine von ihm angenommene ADS/ADD-Erkrankung nach einer nunmehr aufgenommenen Untersuchung bei den Ärzten Dres. G. und T. und einer neuropsychologischen Testung bei Dr. Bodenburg vorlegen werde. Das Gericht hat das Verlegungsgesuch abgelehnt und einen Befundbericht von Dr. G. angefordert. Dieser hat mitgeteilt, dass noch kein Befund vorliege.
Zu dem Gutachten des Sachverständigen Dr. N. hat die Sachverständige Dr. H4 eine Stellungnahme vom 14. Februar 2013 vorgelegt, in der sie an ihrer Einschätzung festhält, dass der Kläger derzeit nicht, sondern erst nach einer qualifizierten stationären Entzugsbehandlung in der Lage sei, einer Tätigkeit auf dem Arbeitsmarkt nachzugehen. Lägen die Kriterien eines adulten ADHS vor, wäre der Kläger erheblich in seinem Leistungsvermögen und im Erwerbsleben beeinträchtigt. Die Art der Defizite müsse in der fachpsychiatrischen Diagnostik festgestellt werden. Eine solche Diagnose müsse nach den erhobenen psychopathologischen Befunden und der Vorgeschichte des Klägers sehr in Zweifel gezogen werden, wie Dr. N. im Vorgutachten ausgeführt habe.
Im Verhandlungstermin am 20. Februar 2013 hat das Gericht die Beteiligten angehört und die Sachverständigen Dr. N. und Dr. H4 vernommen. Wegen diesbezüglicher und weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift vom 20. Februar 2013 sowie auf den Inhalt der dort aufgeführten Unterlagen Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Verhandlung und Beratungen gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Sie ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung oder wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.
Der Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 Sozi¬algesetzbuch – Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) in der seit dem 1. Januar 2001 gel¬tenden Fassung der Bekanntmachung vom 19. Februar 2002 (BGBl. I S. 754). Danach haben Versicherte Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1) bzw. voller (Abs. 2) Erwerbs¬minderung, wenn sie 1. teilweise (bzw. voll) erwerbgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch 1. Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinde¬rung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und 2. Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemin-dert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Erwerbsgemindert ist dagegen nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Nach ständiger gefestigter Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hängt hiernach der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung auch nach dem seit 1. Januar 2001 geltenden Recht davon ab, ob und inwieweit das individuelle Leistungsvermögen eines Versicherten wegen Art, Umfang und voraussichtlicher Dauer der Krankheiten und Behinderungen, an denen er leidet, in qualitativer und quantitativer Hinsicht eingeschränkt ist, und ob er mit diesem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen rechtlichen und tatsächlichen Bedingungen ein Erwerbseinkommen erzielen kann. Hierfür reicht es aus, wenn derartige, dem jeweils bestehenden Leistungsvermögen angepasste Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl angeboten werden. Nicht erforderlich ist, dass der Versicherte eine leidensangepasste Arbeit auch tatsächlich findet. Kann ein Versicherter trotz qualitativer Leistungseinschränkungen noch täglich mindestens sechs Stunden Tätigkeiten ausüben, die in ungelernten Beschäftigungsverhältnissen üblicherweise gefordert werden (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen usw.), kann davon ausgegangen werden, dass er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen einsatzfähig ist. Erst dann, wenn sich solche Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht beschreiben lassen und deshalb ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen aufkommen, muss geprüft werden, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt. Ist dies der Fall, muss dem Versicherten mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen benannt werden, die seinem Restleistungsvermögen entspricht (vgl. zuletzt ausführlich BSG, Urteile vom 19. Oktober 2011 – B 13 R 78/09 R, NZS 2012, S. 302 und vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R, SozR 4-2600 § 43 Nr. 18 mit umfangreichen Nachweisen aus Rechtsprechung und Literatur, beide Entscheidungen auch in juris veröffentlicht).
Der Kläger gehört nicht zu dem von § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI erfassten Personenkreis. Er kann auch sonst nicht als (voll oder teilweise) erwerbsgemindert angesehen werden. Denn er war und ist trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen auch seit der Stellung seines zweiten Rentenantrages imstande, zumindest noch leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Art mit geringer Verantwortung in wechselnder Körperhaltung zu ebener Erde und in geschlossenen Räumen vollschichtig, d.h. mehr als sechs Stunden je Arbeitstag zu verrichten. Meiden muss er Arbeiten, die mit dauerndem oder häufigem Bücken oder Anheben und Bewegen von Lasten mit einem Gewicht von mehr als 6 kg ohne Transporthilfen verbunden sind, Arbeiten an gefährdenden Arbeitsplätzen wie z.B. auf Leitern oder Gerüsten oder an laufenden Maschinen, Arbeiten mit besonderen Anforderungen an die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit, Zwangshaltungen jeglicher Art, Arbeiten im Knien oder Hocken oder sonstiger besonderer Kniebelastung, Arbeiten mit wechselnden Arbeitszeiten, insbesondere Wechselschicht, Nachtarbeit etc., Arbeiten unter erhöhtem Anforderungs- oder Zeitdruck, Arbeiten mit Publikumsverkehr sowie Arbeiten unter Einfluss von Witterung, Staub, Dämpfen und Geräuschen. Seine Hemmungen gegenüber einer leidensgerechten Tätigkeit kann er mit zumutbarer Willensanspannung überwinden. Mit diesem Leistungsvermögen kann er die in der berufskundlichen Stellungnahme des Sachverständigen W. vom 10. Dezember 2008 beschriebenen Pack-, Montier-, Kontroll- und Prüftätigkeiten ausüben, wie sie unter den üblichen Bedingungen des für den Kläger offenen Arbeitsmarktes nach wie vor in hinreichender Zahl angeboten werden. Ob der Kläger einen solchen leidensgerechten Arbeitsplatz tatsächlich finden kann, ist rentenrechtlich irrelevant. Seine Wegefähigkeit ist erhalten, denn er kann zwar nicht selbst ein Kraftfahrzeug führen, aber öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Der Kläger ist deshalb nicht erwerbsgemindert.
Der Senat stützt diese Feststellungen auf die vorliegenden, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Unterlagen und die Gutachten der medizinischen Sachverständigen Dres. F., R., H4 und N ... Im Vordergrund der Gesundheitsstörungen, welche die Leistungsfähigkeit des Klägers wesentlich einschränken, stehen seit vielen Jahren das von sämtlichen Sachverständigen mit unterschiedlich formulierten Diagnosen gekennzeichnete seelische Leiden des Klägers sowie seine Suchtmittelabhängigkeit. Danach ist der Zustand des Klägers seit dem Jahre 2002 von wiederkehrenden depressiven Episoden unterschiedlicher Intensität und Angstzuständen, teilweise verbunden mit Panikattacken, einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung mit abhängigen Zügen und der Abhängigkeit von Alkohol, zeitweise von Psychopharmaka und dem Benzodiazepinpräparat Bromazepam, einem Beruhigungsmittel, geprägt. Eine lediglich vorübergehende krisenhafte Zuspitzung des Krankheitsbildes dürfte im April 2008 eingetreten sein und zu der Einweisung in die stationär-psychiatrische Behandlung in der A.-Klinik H. geführt haben. Für diesen Zeitraum hat der Psychiater Lietz in seinem Befundbericht vom 9. Mai 2008 zusätzlich eindeutige psychotische Symptome und wahnhafte Ideen beschrieben, die zu der Krankenhauseinweisung geführt hätten. In dem Bericht des A. Medizinischen Versorgungszentrums N1 GmbH vom 8. Mai 2008 ist ein Zustand nach depressiv-suizidaler Krise mit psychotischen Zügen in psychosozialer Belastungssituation beschrieben worden, wobei bereits an jenem Tage der psychopathologische Befund mit den Worten
"wacher, vollst(ändig) orient(ierter) Pat(ient), in der Stimmung ängstlich besorgt aber jetzt ohne fassbare psychotische Symptomatik u(nd) ohne Hinweise für Suizidalität"
beschrieben worden ist. Offenbar hatte der Kläger zuvor, wie sich aus dem Bericht der A. Klinik H. vom 30. April 2008 ersehen lässt, auch massive Angst vor einem erneuten Herzinfarkt bekommen, was indessen, wie schon in der Vergangenheit, nach entsprechender ärztlicher Untersuchung vollständig ausgeschlossen werden konnte. Abgesehen von dieser vorübergehenden und deshalb rentenrechtlich nicht relevanten Episode haben jedoch sämtliche Gutachter in den von ihnen erhobenen psychopathologischen Befunden den Kläger übereinstimmend als einen wachen, aufmerksamen, in jeder Hinsicht, d. h. zu Zeit, Ort, Person und Situation vollständig orientierten, im Wahrnehmen, Denken, Erleben und Erinnern nicht gravierend oder durch Wahnvorstellungen beeinträchtigten, introspektionsfähigen, im Antrieb nicht umfassend geminderten und nicht tiefergehend depressiv verstimmten Menschen beschrieben, der die Untersuchungssituation mit weitschweifigen Erzählungen aktiv gestaltete, in seinen vorhandenen Sorgen und Ängsten nicht gefangen war, dessen Schwingungsfähigkeit, Impuls- und Affektsteuerung erhalten war, und der in der Untersuchungssituation keine oder kaum Anzeichen von vorzeitiger Ermüdung oder nachlassender Konzentration zeigte. Die in den Befunden beschriebenen Einschränkungen, die sich in den Neigungen des Klägers zu ängstlicher Selbstbeobachtung und hypochondrischer Erlebnisweise, Unsicherheit, Regression, Anklammerung und Versorgungsappellen und zuletzt bei Dr. N. in dem teilweise nicht völlig geordneten, etwas sprunghaften Gedankengang, der teilweise erschwerten Ein- und Umstellfähigkeit, mäßiger Aufmerksamkeit und gegen Ende der Exploration leicht nachlassendem Konzentrationsvermögen gezeigt haben, wiegen demgegenüber nach den auch insoweit schlüssigen und überzeugenden Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht schwer genug, um eine weitergehende quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens zu begründen. Auch aus den vorliegenden nervenärztlichen Befundberichten und den Unterlagen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung H2 ergeben sich keine hinreichenden psychopathologischen Befunde, die auf eine seit der Beendigung des ersten Rentenverfahrens eingetretene und deshalb im vorliegenden Verfahren noch zu berücksichtigende dauerhafte Leistungsminderung oder dauerhafte Aufhebung des Leistungsvermögens hindeuten könnten. Soweit der Kläger seine gegenteilige Auffassung auf die Gutachten des MDK H2 vom 5. August 2004 und 19. Februar 2004 stützen will, liegen die dort getroffenen Feststellungen außerhalb des hier streitbefangenen Zeitraums. Sie beinhalten außerdem keine psychopathologischen Befunde, die sie stützen könnten. Dies gilt auch für den Befundbericht des Psychotherapeuten Dr. T1 vom 25. März 2010, den der Kläger auch nur an zwei Tagen aufgesucht hat. Dieser Bericht nennt als "erhobenen Befund"
"`verqueres` Welt und Menschenbild. neurot. Verkennung der Wirklichkeiten. Ich halte den Pat. für eu."
und die Diagnosen
"Pers.störung ..., Med abhängigkeit fragl. ADHS"
und damit nichts, was abweichend von den fundierten und nachvollziehbar begründeten Ausführungen der Sachverständigen Dr. F., Dr. R. und Dr. N. die Annahme einer Erwerbsminderung des Klägers nachvollziehbar untermauern könnte. Soweit demgegenüber – abgesehen von der vorübergehenden Krise im April 2008 – konkrete Befunde für die hier streitige Zeit vorliegen (vgl. Gutachten der Frau Dr. H4 vom 7. Februar 2011 und Befundbericht der Psychiaterin und Psychotherapeutin W1 vom 16. Juli 2012), decken sich diese mit den von Dr. F., Dr. R. und Dr. N. getroffenen Feststellungen. Auch Frau Dr. H4, die eine mittelgradige depressive Störung festgestellt haben will, hat ausgeführt, dass die depressive Symptomatik keine Einschränkung der Leistungsfähigkeit bedinge.
Sie sieht vielmehr, insoweit abweichend von den Vorgutachtern und Dr. N., das Leistungsvermögen des Klägers allein durch die Abhängigkeit von Alkohol und Benzodiazepin als aufgehoben und erst nach erfolgreicher Durchführung einer stationären Entzugsbehandlung als wieder gegeben an. Dieser Einschätzung hat indessen Dr. N. überzeugend widersprochen und ausgeführt, dass die Annahme einer Leistungsbeeinträchtigung durch das Suchtgeschehen angesichts der Beschreibung eines flüssigen, kohärenten Gedankengangs ohne Anhalt für kognitive Einbußen und ohne formale oder inhaltliche Denkstörungen nicht nachvollziehbar sei; zudem beschreibe Dr. H4 auf der Ebene von Affekt, Psychomotorik und Willensbildung lediglich subjektive Klagen des Betroffenen, nicht jedoch psychopathologische Befunderhebungen. Soweit Dr. H4 als Nebenwirkungen des Suchtmittelkonsums, mit denen der Kläger rechnen müsse, Tagesmüdigkeit, Schläfrigkeit, Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit, der Konzentration, der Fahrtüchtigkeit und des Reaktionsvermögens beschrieben hat, sind diese Nebenwirkungen in den von den Sachverständigen und auch von Frau Dr. H4 formulierten qualitativen Leistungseinschränkungen bereits berücksichtigt. Außerdem spricht Dr. H4 selbst von einer erheblichen Toleranzentwicklung, die es dem Kläger ermöglicht hat, die Untersuchungssituation trotz der zweimaligen regelmäßigen Einnahme von Bromazepam (in der Dosis 1-0-1 pro Tag, was 12 mg entspräche) problemlos zu meistern. Er sei nicht unkonzentriert, merkfähigkeitsgestört, müde und belastungseingeschränkt im Gespräch gewesen. Insoweit deckt sich ihre Wahrnehmung auch mit denen der übrigen Gerichtsgutachten und mit dem persönlichen Eindruck, den der Kläger im Verhandlungstermin am 20. Februar 2013 hinterlassen hat. Dabei ist einschränkend, aber im Ergebnis nichts ändernd zu berücksichtigen, dass Dr. N. in seinem Untersuchungsbefund vom 21. Januar 2013 den Eindruck gewonnen hat, dass der Kläger gestellte Fragen nicht immer kohärent beantwortet und das Untersuchungsgeschehen nur mit mäßiger Aufmerksamkeit verfolgt habe, wobei es ihm teilweise schwergefallen sei, sich rasch auf neue Gesprächsinhalte ein- und umzustellen und sein formaler Gedankengang nicht immer ganz geordnet und etwas sprunghaft gewesen sei. Dies mindert indessen die Überzeugungskraft auch seiner Leistungsbeurteilung nicht, denn auch er hat den Kläger als einen in seiner Persönlichkeit, seinem Affekt, seinem Agieren, seiner Schwingungsfähigkeit und seinen Phobien zwar durchaus beeinträchtigten, gleichwohl aber wachen, bewusstseinsklaren, in allen Qualitäten vollständig orientierten, hinreichend kontaktfähigen, durchschnittlich intelligenten Menschen mit mäßig strukturierten, aber durchaus zielgerichteten Willenskräften erlebt, dessen Merkfähigkeit, Kurzzeit- und Langzeitgedächtnis und Anspannungs- und Durchhaltevermögen ausreichend intakt waren. Die Einvernahme Dr. N. und Dr. H4 im Verhandlungstermin am 20. Februar 2013 hat diese Einschätzung bestätigt. Beide Sachverständige haben übereinstimmend erklärt, dass der Kläger keine Arbeit zu Lasten seiner Gesundheit verrichten würde, wenn er unter dem Einfluss von Alkohol und Benzodiazepin arbeiten würde. Sie stimmen auch darin überein, dass der Kläger, wenn er einen Behandlungswunsch äußern und sich einer Entzugsbehandlung unterziehen wollte, lediglich vorübergehend arbeitsunfähig, aber nicht auf absehbare Dauer von mindestens sechs Monaten leistungsunfähig wäre.
Weitere Leistungseinschränkungen sind durch die anlagebedingten und sicherlich fortbestehenden, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule des Klägers, durch die Folgen seiner früheren Herzerkrankung sowie durch das von Dr. P., Dr. H5 und Dr. D. beschriebene Kniegelenksverschleißleiden beiderseits bedingt. Auch aus diesen Gesundheitsstörungen lässt sich indessen nur eine qualitative Einschränkung des Leistungsvermögens ableiten, nicht aber dessen quantitative Absenkung auf unter sechs Stunden je Arbeitstag.
Die vom Kläger vermutete ADHS- oder ADS/ADD-Erkrankung, die nach seiner Auffassung das Leistungsvermögen weitergehend als bisher angenommen einschränken soll, liegt zur Überzeugung des Senats nicht vor. Hierzu hat Dr. N. in seinem Gutachten vom 22. Januar 2013 ausgeführt, dass die erwogene Diagnose eines Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätssyndroms im Erwachsenenalter nicht zu bestätigen sei. Um ihr Vorliegen begründen zu können, müssten ausreichende Informationen über eine solche Erkrankung im Kindes-/Jugendalter vorliegen. Die Angaben des Klägers zur Vorgeschichte und zu seinem psychischen Auffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter bestätigten die Annahme eines ADHS nicht. Sie seien vielmehr mit einer ängstlich selbstunsicheren und dependenten Persönlichkeitsentwicklung zu vereinbaren und mit den defizitären Sozialisationsbedingungen in Kindheit und Adoleszenz in Zusammenhang zu bringen. Im Verhandlungstermin am 20. Februar 2013 hat er ergänzend ausgeführt, dass die festgestellten Störungen, die auf eine ADHS-Erkrankung hindeuteten, in der depressiven Erkrankung, der Persönlichkeitsstörung und der Suchterkrankung aufgingen, und dass ein ADHS-Leiden, selbst wenn es bestünde, ebenfalls nur zu den beschriebenen qualitativen Leistungseinschränkungen führen würde. Im Ergebnis hiermit übereinstimmend hat auch Dr. R. im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht am 13. Januar 2010 erklärt, dass die Diagnose ADHS sich durchaus im Rahmen der von ihm diagnostizierten emotional instabilen Persönlichkeitsstörung subsumiere. Der Senat vermag keinen Grund zu erkennen, diesen fachärztlichen Einschätzungen nicht zu folgen und legt sie deshalb seiner Beurteilung des Falles zugrunde. Er sieht auch keinen Anlass, das Ergebnis der weiteren, vom Kläger angestrebten Untersuchungen abzuwarten oder hierzu, gewissermaßen "ins Blaue hinein", weitere Ermittlungen anzustellen, dies umso weniger, als neuropsychologische Testergebnisse, die unter dem Einfluss des Suchtmittelkonsums festgestellt würden, nach den auch insoweit übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. H4 und Dr. N. nicht als zuverlässig anzusehen wären.
Alle sonst beschriebenen Gesundheitsstörungen sind entweder nur vorübergehender Natur gewesen oder ohne sozialmedizinische Relevanz für das Leistungsvermögen des Klägers im Erwerbsleben. Hierzu zählen der medikamentös eingestellte Bluthochdruck, die Blutfettstoffwechselstörung, der Nikotinkonsum, die Entzündung der linken Großzehe am 10. Juli 2006 (Befundbericht des Orthopäden Merget vom 18. Oktober 2007), die am 13. Oktober 2005 festgestellte polymorphe Lichtdermatose (Befundbericht des Hautarztes Dr. O. vom 18. Oktober 2007), wiederkehrende Infekte im Nasenbereich im Oktober und Dezember 2005 (Befundbericht Dr. B1 vom 29. Oktober 2007) sowie chronisch wiederkehrende Bronchitis und chronische Gastritis (Befundbericht Dr. P. vom 1. November 2007).
Kann der Kläger mithin nicht als voll oder auch nur teilweise erwerbsgemindert angesehen werden, besteht auch kein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Der Senat nimmt hierzu vollen Umfangs Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts auf S. 9 f. des angefochtenen Urteils, denen der Kläger auch im Berufungsverfahren nichts entgegengesetzt hat, und sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 153 Abs. 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht, dem Ausgang des Verfahrens folgend, auf § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gegen diese Entscheidung nicht zugelassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.
Rechtskraft
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