Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 02831/99
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 AL 96/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 5. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Überbrückungsgeld.
Der Kläger bezog vom 1.4.1994 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 31.3.1995 Arbeitslosen-geld (Alg), anschließend ab 1.4.1995 Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Bewilligungsabschnitte vom 1.4.1995 bis 31.3.1996 und 1.4.1996 bis 31.3.1997. Ab 17.1.1995 übte er beim L. D. e.V. eine Nebentätigkeit als freier Mitarbeiter in einem Umfang von drei Stunden wöchentlich aus, was er dem Arbeitsamt R. (AA) mitteilte und auch in den Anträgen auf Alhi angab.
Nachdem der Kläger am 13.3.1997 gegenüber dem AA angegeben hatte, er werde sich wahr-scheinlich ab April in die Selbstständigkeit abmelden und deshalb die Teilnahme an einer ihm vom AA vorgeschlagenen Maßnahme für nicht sinnvoll hielt, beantragte er am 21.4.1997 Über-brückungsgeld. Das AA sandte ihm Antragsunterlagen zu. Im von ihm unter dem Datum "1.5.1997" unterzeichneten, ausgefüllten Antragsvordruck auf Überbrückungsgeld gab er an, ab 1.5.1997 eine selbstständige Tätigkeit als Steuerberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von i. d. R. mindestens 18 Stunden auszuüben. Dem Antrag beigefügt war eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle (des L. D. e.V.) zur Tragfähigkeit der Existenz¬gründung vom 1.5.1997. Sowohl im Antrag als auch in der Stellungnahme der fachkundigen Stelle ist das Existenzgründervorhaben wie folgt kurz beschrieben: "Steuerberatung der Arbeitnehmer und Rentner im Zusammenhang mit dem L. D. e.V. als eigenständige Beratungsstelle in Pf., S. 1 /1".
Am 25.7.1997 meldete sich der Kläger aus dem Leistungsbezug mit sofortiger Wirkung ab, weil die Tätigkeit bei dem Lohnsteuerverein umfangreicher werde. Zugleich begehrte er auch die Fortzahlung der Alhi für die Zeit vom 1.4.1997 bis 31.7.1997. Mit Bescheid vom 27.5.1998 bewilligte das AA Alhi ab 1.4.1997 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 267,60, ab 1.7.1997 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 265,20. Diese Bewilligung hob das AA zunächst für die Zeit vom 17.7.1997 bis 30.7.1997 auf, weil der Kläger einer Aufforderung zur Meldung am 16.7.1997 nicht nachgekommen sei (Bescheid vom 27.5.1998). Nachdem der Kläger dem AA am 18.8.1998 mit Fax den ausgefüllten Antrag auf Überbrückungsgeld über-sandt hatte, hob das AA mit Bescheid vom 14.10.1998 die Bewilligung der Alhi ab 1.5.1997 auf, weil der Kläger seit dem 1.5.1997 eine selbstständige Tätigkeit als Steuerberater ausübe, die die Grenze der Kurzzeitigkeit überschreitet. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.1.1999; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlin¬gen vom 19.8.1999 - S 5 AL 221/99 -; Urteil des Senats vom 23.8.2000 - L 5 AL 3769/99-)
Den Antrag des Klägers auf Überbrückungsgeld lehnte das AA ab, weil bei Beratungsstellenlei-tern des Lohnsteuer H. D. e.V. die für eine selbstständige Tätigkeit erfor¬derliche Freiheit nicht vorliege (Bescheid vom 30.6.1999). Den Widerspruch des Klägers, den dieser nicht begründete, wies die Widerspruchsstelle des AA zurück (Widerspruchsbescheid vom 20.9.1999).
Der Kläger hat am 21.10.1999 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Er gehe unter dem Dach des Träger¬vereins als selbstständiger Unternehmer einer steuerberatenden Tätigkeit nach und unterliege hierbei keinerlei Weisungen seitens des Vereines und im Übrigen auch keinen sonstigen Vorga¬ben. Er hat eine gutachterliche Stellungnahme zur sozialrechtlichen Rechtsstellung der Be¬ratungsstellenleiter des L. D. e.V. des Professor Dr. H., Forschungsinstitut für Sozialrecht der Universität zu K., vom 15.3.1999 vorgelegt.
Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung geblieben, dass der Kläger nicht selbstständig tätig sei. Sie hat den Beratungsstellenleitervertrag zwischen dem Kläger als Beratungsstellenleiter (BSL) und dem L. H. D. e.V. (LHRD), von den Vertragsparteien am 31.10.1994 bzw. 29.11.1994 unterzeichnet, vorgelegt. Dieser Vertrag enthält u. a. folgende Bestimmungen:
1. Vertragsverhältnis a. Der BSL tritt mit sofortiger Wirkung als freier Mitarbeiter in die Dienste des LHRD unter gleichzeitigem beitragsfreiem Erwerb der Mitgliedschaft des LHRD.
b. Der BSL bestimmt den Umfang und die Zeit seiner Dienste im wesentlichen selbst. Ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes und des Lohn -und Sozialversiche-rungsrechtes wird nicht begründet. Die Vorschriften der §§ 611 ff BGB über den Dienst-vertrag finden Anwendung.
...
e. Die Ausübung einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit ist dem BSL gemäß StBerG im unmit¬telbaren Zusammenhang mit der Hilfeleistung in Lohnsteuersachen nicht gestattet. Nebentätigkeiten sind dem LHRD mitzuteilen.
f. Mit der Beratung darf erst begonnen werden, wenn die Beratung suchende Person gemäß StBerG Mitglied des LHRD geworden ist und die Aufnahmegebühr (bei Neuaufnahme) und den Mitgliedsbeitrag bezahlt, bzw. die Zahlung durch Beleg nachgewiesen hat. Bei Verletzung der Inkassopflicht ist der BSL dem LHRD schadensersatzpflichtig.
...
2. Aufgaben und Art der Tätigkeit des BSL
Der BSL stellt sicher:
a. ausreichende und auf die zeitlichen Bedürfnisse der Mitglieder abgestimmte Sprechstun-den ...
g. die Verwendung von einheitlichen Stempeln, die vom LHRD zu Selbstkosten bezogen werden können.
...
i. dass den gesetzlichen Vertretern des LHRD sowie seinen Beauftragten jederzeit auf Verlan-gen Zutritt zu den Räumen gewährt wird, die der BSL-Tätigkeit dienen, ihnen die erbetenen Auskünfte erteilt sowie alle Unterlagen (auch die der Mitglieder und die des BSL) zugäng-lich gemacht und auf Wunsch ausgehändigt werden.
...
m. den Ausschluss der gleichen Tätigkeit weder für eigene noch für Rechnung eines Dritten während der Vertragslaufzeit sowie den Ausschluss der Vorbereitung zur Ausübung nach Vertragsende ohne Zustimmung des LHRD.
...
o. und verpflichtet sich zur monatlichen Abrechnung der Beratung (siehe Vergütungsordnung) per 25. des Monats (im Dezember 31. des Monats) bis zum Monatsende (im Dezember 4. Werktag im Januar) unter Benutzung der vom LHRD zur Verfügung gestellten und ein-wandfrei ausgefüllten Vordrucke - gegebenenfalls Meldung der "Fehlanzeige".
...
3. Vergütung
a. Für seine Tätigkeit erhält der BSL eine Vergütung, deren Höhe und Bedingungen sich nach der Vergütungsordnung richtet, ...
Mit Gerichtsbescheid vom 5.12.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Zunächst sei der Lebensunterhalt des Klägers ab 1.5.1997 durch laufende Einnahmen gesichert gewesen. Im Übrigen handele es sich bei der Tätigkeit des Klägers für den Lohnsteuer H. um den klassischen Fall einer "Scheinselbstständigkeit".
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 6.12.2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.01.2001 Berufung eingelegt. Er verweist auf seine bisherigen Ausführungen. Er habe mit den vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden nachgewiesen, dass die selbstständige Tätigkeit zum fraglichen Zeitpunkt noch keinen nennenswerten Gewinn abgeworfen habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 05. Dezember 2000 und den Bescheid des Arbeitsamts R. vom 30. Juni 1999 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 20. September 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurtei-len, ihm Überbrückungsgeld ab 1. Mai 1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG (S 5 AL 221/99 und S 5 AL 2831/99) sowie die von der Beklagten vorgelegte Leistungsakte und Überbrückungsgeld-Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschluss-grund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von DM 1.000,00 ist überschritten. Denn der Kläger begehrt Überbrückungsgeld für die Dauer von 26 Wochen. Da der wöchentliche Leistungssatz der zuletzt im April 1997 gezahlten Alhi DM 267,60 betragen hat, macht der Kläger einen Anspruch auf Überbrückungsgeld in Höhe von DM 6.957,60 geltend.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewie-sen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überbrückungsgeld ab 1.5.1997.
Nach § 57 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenz-gründung Überbrückungsgeld erhalten. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Kläger hat zum 1.5.1997 keine selbstständige Tätigkeit aufgenommen.
1.) Die Tätigkeit als Beratungsstellenleiter für den L. H. D. e.V. ist keine selbstständige Tätigkeit, sondern eine Beschäftigung gemäß § 7 des Vierten Buchs Sozialgesetz¬buch (SGB IV).
Nach 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer Art - ein-geschränkt und zur funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmer¬risiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekenn¬zeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (vgl zum Ganzen z.B.: BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 RK 17/00 R -, mwN; zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 SGB IV: BVerfG, Kammerbeschluss, SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
Der Kläger kann als Steuerberater im Wesentlichen nur Einnahmen auf Grund seiner Tätigkeit als Beratungsstellenleiter beim L. H. D. e.V. erzielen. Denn nach Nr. 1 Buchst. e des Beratungsstellenleitervertrages ist dem Beratungsstellenleiter die Ausübung einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit gemäß dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) in unmit¬telbaren Zusammenhang mit der Hilfeleistung in Lohnsteuersachen nicht gestattet. Nebentätig¬keiten sind mitzuteilen. Die Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber ist ein Indiz für eine nichtselbstständige Tätigkeit (§§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB IV). Ein weite¬res Indiz für eine nichtselbstständige Tätigkeit ist, dass die Vergütung sich nach einer Ver-gütungsordnung richtet, die von der Leitung des L. H. D. e.V. vor¬gegeben und Bestandteil des Beratungsstellenleitervertrages ist (Nr. 3 Buchst. a). Weiter dürfen nur Personen beraten werden, die Mitglied des L. H. D. e.V. gewor¬den sind (Nr. 1 Buchst. f des Beratungsstellenleitervertrages). Nach Nr. 2 des Beratungsstellen¬leitervertrages ist der Beratungsstellenleiter verpflichtet, zahlreiche Vorgaben, die im einzelnen in den Buchstaben a bis t genannt sind, zu erfüllen und sicherzustellen. Dazu gehört auch eine aus¬reichende und auf die zeitlichen Bedürfnisse der Mitglieder abgestimmte Sprechstunde, so dass der Kläger bei der Gestaltung seiner Arbeitszeit nicht vollkommen frei ist. Auch unterliegt der Kläger zu jeder Zeit der Kontrolle des L. H. D. (vgl. Nr. 2 Buchst. i des Beratungsstellenleitervertrages).
Der Kläger wird somit für den LHRD wie ein Arbeitnehmer tätig. Der Umstand, auf den der Kläger in der mündlichen Verhandlung besonders hingewiesen hat, dass er das Risiko einer geringen Inanspruchnahme trägt und auch selbst für die Kosten seines Büros aufkommen muss, begründet für sich allein noch keine selbstständige Tätigkeit. Bei der hier vertraglich weitgehend abbedungenen unternehmerischen Freiheit (andere wirtschaftlichen Tätigkeiten sind nach Nr. 1e des Vertrags nicht gestattet) führt dies eher zur Annahme sozialer Schutzbedürftigkeit und spricht damit auch für die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers. 2.) Selbst wenn man davon ausginge, die Tätigkeit des Klägers als Beratungsstellenleiter für den L. H. D. e.V. sei eine selbstständige Tätigkeit, hätte der Kläger keinen Anspruch auf Überbrückungsgeld. Denn er hat am 1.5. 1997 diese Tätigkeit nicht aufgenommen, weil er als Beratungsstellenleiter für den L. H. D. e.V. bereits vor dem 1.5.1997 tätig gewesen ist. Die vor dem 1.5.1997 ausgeübte Tätigkeit ergibt sich aus dem zwischen ihm und dem L. H. D. e.V. im Oktober/November 1994 geschlossenen Beratungsstellenleitervertrag. Dies ergibt sich weiter aus den Angaben des Klägers gegenüber dem AA im Zusammenhang mit seinen Leistungsanträgen. Er hat dort ange¬geben, seit 17.1.1995 beim L. H. D. e.V. eine Nebentätigkeit als freier Mitarbeiter in einem Umfang von drei Stunden wöchentlich auszuüben.
Aufgenommen wird die selbstständige Tätigkeit, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufs-mäßigen Erwerb gerichtete und Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vor-genommen wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.3.1997, - L 13 Ar 2633/96 -, E-LSG Ar-141). Solche Handlungen hatte der Kläger bereits weit vor dem 1.5.1997 durch die Aus-übung seiner Tätigkeit als Beratungsstellenleiter vorgenommen. Der Kläger hat, nachdem er arbeitslos geworden ist und eine Beschäftigung nicht mehr hat finden können, den Umfang seiner bislang nebenberuflich ausgeübten Tätigkeit ausgedehnt, aber keine neue selbstständige Tätigkeit aufgenommen. Dies stellt keine Gründung einer (neuen) Existenz dar, weshalb eine Förderung ausgeschlossen ist. Der gegenteiligen Auffassung des LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 2.3.1999 - L 7 Ar 166/98 unter Verweis auf Winkler in Gagel, AFG, § 55a, Rdnr. 11), wonach der Übergang von einer Nebentätigkeit zu einer die Arbeitslosigkeit beendenden Tätig-keit eine Existenzgründung ist und mit Überbrückungsgeld gefördert werden kann, kann sich der Senat deshalb nicht anschließen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor
Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Überbrückungsgeld.
Der Kläger bezog vom 1.4.1994 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 31.3.1995 Arbeitslosen-geld (Alg), anschließend ab 1.4.1995 Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Bewilligungsabschnitte vom 1.4.1995 bis 31.3.1996 und 1.4.1996 bis 31.3.1997. Ab 17.1.1995 übte er beim L. D. e.V. eine Nebentätigkeit als freier Mitarbeiter in einem Umfang von drei Stunden wöchentlich aus, was er dem Arbeitsamt R. (AA) mitteilte und auch in den Anträgen auf Alhi angab.
Nachdem der Kläger am 13.3.1997 gegenüber dem AA angegeben hatte, er werde sich wahr-scheinlich ab April in die Selbstständigkeit abmelden und deshalb die Teilnahme an einer ihm vom AA vorgeschlagenen Maßnahme für nicht sinnvoll hielt, beantragte er am 21.4.1997 Über-brückungsgeld. Das AA sandte ihm Antragsunterlagen zu. Im von ihm unter dem Datum "1.5.1997" unterzeichneten, ausgefüllten Antragsvordruck auf Überbrückungsgeld gab er an, ab 1.5.1997 eine selbstständige Tätigkeit als Steuerberater mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von i. d. R. mindestens 18 Stunden auszuüben. Dem Antrag beigefügt war eine Stellungnahme einer fachkundigen Stelle (des L. D. e.V.) zur Tragfähigkeit der Existenz¬gründung vom 1.5.1997. Sowohl im Antrag als auch in der Stellungnahme der fachkundigen Stelle ist das Existenzgründervorhaben wie folgt kurz beschrieben: "Steuerberatung der Arbeitnehmer und Rentner im Zusammenhang mit dem L. D. e.V. als eigenständige Beratungsstelle in Pf., S. 1 /1".
Am 25.7.1997 meldete sich der Kläger aus dem Leistungsbezug mit sofortiger Wirkung ab, weil die Tätigkeit bei dem Lohnsteuerverein umfangreicher werde. Zugleich begehrte er auch die Fortzahlung der Alhi für die Zeit vom 1.4.1997 bis 31.7.1997. Mit Bescheid vom 27.5.1998 bewilligte das AA Alhi ab 1.4.1997 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 267,60, ab 1.7.1997 mit einem wöchentlichen Leistungssatz von DM 265,20. Diese Bewilligung hob das AA zunächst für die Zeit vom 17.7.1997 bis 30.7.1997 auf, weil der Kläger einer Aufforderung zur Meldung am 16.7.1997 nicht nachgekommen sei (Bescheid vom 27.5.1998). Nachdem der Kläger dem AA am 18.8.1998 mit Fax den ausgefüllten Antrag auf Überbrückungsgeld über-sandt hatte, hob das AA mit Bescheid vom 14.10.1998 die Bewilligung der Alhi ab 1.5.1997 auf, weil der Kläger seit dem 1.5.1997 eine selbstständige Tätigkeit als Steuerberater ausübe, die die Grenze der Kurzzeitigkeit überschreitet. Widerspruch, Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11.1.1999; Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlin¬gen vom 19.8.1999 - S 5 AL 221/99 -; Urteil des Senats vom 23.8.2000 - L 5 AL 3769/99-)
Den Antrag des Klägers auf Überbrückungsgeld lehnte das AA ab, weil bei Beratungsstellenlei-tern des Lohnsteuer H. D. e.V. die für eine selbstständige Tätigkeit erfor¬derliche Freiheit nicht vorliege (Bescheid vom 30.6.1999). Den Widerspruch des Klägers, den dieser nicht begründete, wies die Widerspruchsstelle des AA zurück (Widerspruchsbescheid vom 20.9.1999).
Der Kläger hat am 21.10.1999 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Er gehe unter dem Dach des Träger¬vereins als selbstständiger Unternehmer einer steuerberatenden Tätigkeit nach und unterliege hierbei keinerlei Weisungen seitens des Vereines und im Übrigen auch keinen sonstigen Vorga¬ben. Er hat eine gutachterliche Stellungnahme zur sozialrechtlichen Rechtsstellung der Be¬ratungsstellenleiter des L. D. e.V. des Professor Dr. H., Forschungsinstitut für Sozialrecht der Universität zu K., vom 15.3.1999 vorgelegt.
Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung geblieben, dass der Kläger nicht selbstständig tätig sei. Sie hat den Beratungsstellenleitervertrag zwischen dem Kläger als Beratungsstellenleiter (BSL) und dem L. H. D. e.V. (LHRD), von den Vertragsparteien am 31.10.1994 bzw. 29.11.1994 unterzeichnet, vorgelegt. Dieser Vertrag enthält u. a. folgende Bestimmungen:
1. Vertragsverhältnis a. Der BSL tritt mit sofortiger Wirkung als freier Mitarbeiter in die Dienste des LHRD unter gleichzeitigem beitragsfreiem Erwerb der Mitgliedschaft des LHRD.
b. Der BSL bestimmt den Umfang und die Zeit seiner Dienste im wesentlichen selbst. Ein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes und des Lohn -und Sozialversiche-rungsrechtes wird nicht begründet. Die Vorschriften der §§ 611 ff BGB über den Dienst-vertrag finden Anwendung.
...
e. Die Ausübung einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit ist dem BSL gemäß StBerG im unmit¬telbaren Zusammenhang mit der Hilfeleistung in Lohnsteuersachen nicht gestattet. Nebentätigkeiten sind dem LHRD mitzuteilen.
f. Mit der Beratung darf erst begonnen werden, wenn die Beratung suchende Person gemäß StBerG Mitglied des LHRD geworden ist und die Aufnahmegebühr (bei Neuaufnahme) und den Mitgliedsbeitrag bezahlt, bzw. die Zahlung durch Beleg nachgewiesen hat. Bei Verletzung der Inkassopflicht ist der BSL dem LHRD schadensersatzpflichtig.
...
2. Aufgaben und Art der Tätigkeit des BSL
Der BSL stellt sicher:
a. ausreichende und auf die zeitlichen Bedürfnisse der Mitglieder abgestimmte Sprechstun-den ...
g. die Verwendung von einheitlichen Stempeln, die vom LHRD zu Selbstkosten bezogen werden können.
...
i. dass den gesetzlichen Vertretern des LHRD sowie seinen Beauftragten jederzeit auf Verlan-gen Zutritt zu den Räumen gewährt wird, die der BSL-Tätigkeit dienen, ihnen die erbetenen Auskünfte erteilt sowie alle Unterlagen (auch die der Mitglieder und die des BSL) zugäng-lich gemacht und auf Wunsch ausgehändigt werden.
...
m. den Ausschluss der gleichen Tätigkeit weder für eigene noch für Rechnung eines Dritten während der Vertragslaufzeit sowie den Ausschluss der Vorbereitung zur Ausübung nach Vertragsende ohne Zustimmung des LHRD.
...
o. und verpflichtet sich zur monatlichen Abrechnung der Beratung (siehe Vergütungsordnung) per 25. des Monats (im Dezember 31. des Monats) bis zum Monatsende (im Dezember 4. Werktag im Januar) unter Benutzung der vom LHRD zur Verfügung gestellten und ein-wandfrei ausgefüllten Vordrucke - gegebenenfalls Meldung der "Fehlanzeige".
...
3. Vergütung
a. Für seine Tätigkeit erhält der BSL eine Vergütung, deren Höhe und Bedingungen sich nach der Vergütungsordnung richtet, ...
Mit Gerichtsbescheid vom 5.12.2000 hat das SG die Klage abgewiesen. Zunächst sei der Lebensunterhalt des Klägers ab 1.5.1997 durch laufende Einnahmen gesichert gewesen. Im Übrigen handele es sich bei der Tätigkeit des Klägers für den Lohnsteuer H. um den klassischen Fall einer "Scheinselbstständigkeit".
Gegen den seinem Prozessbevollmächtigten am 6.12.2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 05.01.2001 Berufung eingelegt. Er verweist auf seine bisherigen Ausführungen. Er habe mit den vorgelegten Einkommenssteuerbescheiden nachgewiesen, dass die selbstständige Tätigkeit zum fraglichen Zeitpunkt noch keinen nennenswerten Gewinn abgeworfen habe.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 05. Dezember 2000 und den Bescheid des Arbeitsamts R. vom 30. Juni 1999 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 20. September 1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurtei-len, ihm Überbrückungsgeld ab 1. Mai 1997 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG (S 5 AL 221/99 und S 5 AL 2831/99) sowie die von der Beklagten vorgelegte Leistungsakte und Überbrückungsgeld-Akte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist insbesondere statthaft. Ein Berufungsausschluss-grund des § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) liegt nicht vor. Der Beschwerdewert von DM 1.000,00 ist überschritten. Denn der Kläger begehrt Überbrückungsgeld für die Dauer von 26 Wochen. Da der wöchentliche Leistungssatz der zuletzt im April 1997 gezahlten Alhi DM 267,60 betragen hat, macht der Kläger einen Anspruch auf Überbrückungsgeld in Höhe von DM 6.957,60 geltend.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewie-sen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Überbrückungsgeld ab 1.5.1997.
Nach § 57 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) können Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden oder vermeiden, zur Sicherung des Lebensunterhaltes und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenz-gründung Überbrückungsgeld erhalten. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Der Kläger hat zum 1.5.1997 keine selbstständige Tätigkeit aufgenommen.
1.) Die Tätigkeit als Beratungsstellenleiter für den L. H. D. e.V. ist keine selbstständige Tätigkeit, sondern eine Beschäftigung gemäß § 7 des Vierten Buchs Sozialgesetz¬buch (SGB IV).
Nach 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer Art - ein-geschränkt und zur funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmer¬risiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekenn¬zeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (vgl zum Ganzen z.B.: BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 RK 17/00 R -, mwN; zur Verfassungsmäßigkeit des § 7 SGB IV: BVerfG, Kammerbeschluss, SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
Der Kläger kann als Steuerberater im Wesentlichen nur Einnahmen auf Grund seiner Tätigkeit als Beratungsstellenleiter beim L. H. D. e.V. erzielen. Denn nach Nr. 1 Buchst. e des Beratungsstellenleitervertrages ist dem Beratungsstellenleiter die Ausübung einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit gemäß dem Steuerberatungsgesetz (StBerG) in unmit¬telbaren Zusammenhang mit der Hilfeleistung in Lohnsteuersachen nicht gestattet. Nebentätig¬keiten sind mitzuteilen. Die Tätigkeit auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber ist ein Indiz für eine nichtselbstständige Tätigkeit (§§ 7 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 SGB IV). Ein weite¬res Indiz für eine nichtselbstständige Tätigkeit ist, dass die Vergütung sich nach einer Ver-gütungsordnung richtet, die von der Leitung des L. H. D. e.V. vor¬gegeben und Bestandteil des Beratungsstellenleitervertrages ist (Nr. 3 Buchst. a). Weiter dürfen nur Personen beraten werden, die Mitglied des L. H. D. e.V. gewor¬den sind (Nr. 1 Buchst. f des Beratungsstellenleitervertrages). Nach Nr. 2 des Beratungsstellen¬leitervertrages ist der Beratungsstellenleiter verpflichtet, zahlreiche Vorgaben, die im einzelnen in den Buchstaben a bis t genannt sind, zu erfüllen und sicherzustellen. Dazu gehört auch eine aus¬reichende und auf die zeitlichen Bedürfnisse der Mitglieder abgestimmte Sprechstunde, so dass der Kläger bei der Gestaltung seiner Arbeitszeit nicht vollkommen frei ist. Auch unterliegt der Kläger zu jeder Zeit der Kontrolle des L. H. D. (vgl. Nr. 2 Buchst. i des Beratungsstellenleitervertrages).
Der Kläger wird somit für den LHRD wie ein Arbeitnehmer tätig. Der Umstand, auf den der Kläger in der mündlichen Verhandlung besonders hingewiesen hat, dass er das Risiko einer geringen Inanspruchnahme trägt und auch selbst für die Kosten seines Büros aufkommen muss, begründet für sich allein noch keine selbstständige Tätigkeit. Bei der hier vertraglich weitgehend abbedungenen unternehmerischen Freiheit (andere wirtschaftlichen Tätigkeiten sind nach Nr. 1e des Vertrags nicht gestattet) führt dies eher zur Annahme sozialer Schutzbedürftigkeit und spricht damit auch für die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers. 2.) Selbst wenn man davon ausginge, die Tätigkeit des Klägers als Beratungsstellenleiter für den L. H. D. e.V. sei eine selbstständige Tätigkeit, hätte der Kläger keinen Anspruch auf Überbrückungsgeld. Denn er hat am 1.5. 1997 diese Tätigkeit nicht aufgenommen, weil er als Beratungsstellenleiter für den L. H. D. e.V. bereits vor dem 1.5.1997 tätig gewesen ist. Die vor dem 1.5.1997 ausgeübte Tätigkeit ergibt sich aus dem zwischen ihm und dem L. H. D. e.V. im Oktober/November 1994 geschlossenen Beratungsstellenleitervertrag. Dies ergibt sich weiter aus den Angaben des Klägers gegenüber dem AA im Zusammenhang mit seinen Leistungsanträgen. Er hat dort ange¬geben, seit 17.1.1995 beim L. H. D. e.V. eine Nebentätigkeit als freier Mitarbeiter in einem Umfang von drei Stunden wöchentlich auszuüben.
Aufgenommen wird die selbstständige Tätigkeit, wenn erstmals eine unmittelbar auf berufs-mäßigen Erwerb gerichtete und Gewinnerzielung dienende Handlung mit Außenwirkung vor-genommen wird (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.3.1997, - L 13 Ar 2633/96 -, E-LSG Ar-141). Solche Handlungen hatte der Kläger bereits weit vor dem 1.5.1997 durch die Aus-übung seiner Tätigkeit als Beratungsstellenleiter vorgenommen. Der Kläger hat, nachdem er arbeitslos geworden ist und eine Beschäftigung nicht mehr hat finden können, den Umfang seiner bislang nebenberuflich ausgeübten Tätigkeit ausgedehnt, aber keine neue selbstständige Tätigkeit aufgenommen. Dies stellt keine Gründung einer (neuen) Existenz dar, weshalb eine Förderung ausgeschlossen ist. Der gegenteiligen Auffassung des LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 2.3.1999 - L 7 Ar 166/98 unter Verweis auf Winkler in Gagel, AFG, § 55a, Rdnr. 11), wonach der Übergang von einer Nebentätigkeit zu einer die Arbeitslosigkeit beendenden Tätig-keit eine Existenzgründung ist und mit Überbrückungsgeld gefördert werden kann, kann sich der Senat deshalb nicht anschließen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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