Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 17 KR 194/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 (16) KR 227/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.10.2009 geändert und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist noch, ob die Tätigkeit des Klägers in der Firma Fliesen T in der Zeit vom 01.01.1997 bis zum 31.01.2006 der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Der 1965 geborene Kläger durchlief in der Zeit vom 01.08.1983 bis zum 31.07.1986 bei der Firma P in I eine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann. Danach wurde er in der Zeit vom 01.08.1986 bis zum 31.01.1988 in der Firma Fliesen T in E zum Fliesen-, Platten- und Mosaikleger ausgebildet. Bei dieser Firma handelte es sich um ein Einzelunternehmen, dessen Inhaber bis zur Veräußerung an den Kläger zum 01.08.2008 der Vater des Klägers war, der Beigeladene zu 1). Nach dem Ende dieser zweiten Ausbildung war der Kläger durchgehend in der Firma Fliesen T beschäftigt.
Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit des Klägers für die Zeit vor dem 01.01.1997 liegt nicht vor. Doch erhielt der Kläger durchgehend eine regelmäßige monatliche Vergütung, die ausweislich der vorgelegten Unterlagen am Ende des hier streitigen Zeitraums im Januar 2006 - einschließlich des Vorteils einer privaten Kfz-Nutzung - 4.662,52 EUR brutto betrug. Außerdem erhielt der Kläger vermögenswirksame Leistungen und für Urlaubszeiten Urlaubsgeld. Durch schriftlichen Vertrag vom 20.12.1996 wurde zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) die zusätzliche "Gewährung einer arbeitnehmerischen Tantiemenzahlung" in Höhe eines bestimmten Anteils des Jahresgewinnes der Firma Fliesen T vereinbart. Die Tantiemen bis einschließlich des Jahres 2003 wurden - soweit sie angefallen sind - vertragsgemäß, d.h. in den auf die Feststellung des Jahresgewinns folgenden Jahren, an den Kläger ausgezahlt, zuletzt noch im Jahre 2006. Die Tantiemen für die Jahre 2004, 2006 und 2008 - 2007 und 2009 fielen Tantiemen nicht an - wurden nicht ausgezahlt, sondern später mit dem Kaufpreis für den Unternehmenskauf im Rahmen der Übernahme verrechnet. In dem Vertrag vom 20.12.1996 war im Übrigen noch folgendes niedergelegt:
"Der Vertragschließende zu 1 ist aufgrund von Knieoperationen in den Jahren 1984 und 1995 nur noch bedingt arbeitsfähig. Aufgrund seiner gesundheitlichen Schädigung beabsichtigt Herr T sen., den Fliesenlegerbetrieb in absehbarer Zeit an seinen Sohn zu übertragen. Für die Übertragung des Betriebes ist ein Zeitrahmen von maximal 5 Jahren vorgesehen. Dieser Vertrag beinhaltet weder für den Vertragschließenden zu 1 noch für den Vertragsschließenden 2 die Verpflichtung der Übertragung bzw. eine Annahme des Übertragungsangebots.
Der Vertragsschließende zu 2, Herr T jun., verpflichtet sich, mit Ablauf des Jahres 1996 sowohl die kaufmännische als auch die technische Leitung des Betriebes und damit die Organisation der Auftragsabwicklungen und die der Personalführung mitverantwortlich zu übernehmen. Für die verantwortungsvolle Tätigkeit erhält Herr T neben seines bisherigen Entgeltes zusätzlich eine ergebnisorientierte Vergütung die sich wie folgt errechnet: "
Auf der Grundlage eines Unternehmenskaufvertrags übernahm der Kläger ab dem 01.08.2008 die Firma Fliesen T "mit allen Rechten und Pflichten" von seinem Vater.
In der Zeit vom 01.08.1983 bis zum 30.09.1994 und in der Zeit vom 01.01.1996 bis zum 31.01.2006 war der Kläger Mitglied der Beklagten und als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter gemeldet, wobei in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 31.01.2006 die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig durchgeführt wurde. Im Rahmen eines Kassenwechsels zu der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) zum 01.02.2006 stellte diese nach Prüfung des Sachverhalts fest, der Kläger sei in der Firma seines Vaters nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Kläger beantragte daraufhin bei der Beklagten die entsprechende Feststellung auch für die Zeit ab Beendigung seiner ersten Ausbildung (31.07.1986) bis zum Ende der Mitgliedschaft bei der Beklagten am 31.01.2006.
Mit Bescheid vom 10.08.2006 stellte die Beklagte fest, die versicherungsrechtliche Beurteilung für die Vergangenheit sei zutreffend gewesen. Den Widerspruch des Klägers, der sich beschränkte auf die Zeit ab dem Ende der zweiten Ausbildung (01.02.1988), hat die Beklagte mit Bescheid vom 30.05.2007 zurückgewiesen. Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers würden die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen. Betriebsinhaber sei der Vater des Klägers gewesen. Der Kläger habe einem (wenn auch möglicherweise aufgrund des familiären Verhältnisses abgeschwächten) Weisungsrecht unterlegen. Entsprechend sei er auch als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer gemeldet worden. Das dem Kläger gewährte Arbeitsentgelt sei angemessen gewesen. Das Gehalt sei als Betriebsausgabe verbucht worden. Außerdem sei ein echtes Unternehmerrisiko für den Kläger nicht erkennbar.
Dagegen hat der Kläger am 28.06.2007 vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) Klage erhoben, mit der er sich zuletzt nur noch gegen die Beurteilung des Zeitraums vom 01.01.1997 bis 31.01.2006 gewendet hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei im väterlichen Betrieb nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Nach Abschluss seiner Ausbildung habe er gemeinsam mit seinem Vater die Führung des Familienunternehmens übernommen. Ein Arbeits- oder Anstellungsvertrag sei ebenso wenig geschlossen worden, wie eine vertragliche Vereinbarung zur Änderung der formellen Inhaberverhältnisse. Er sei persönlich nicht - auch nicht abgeschwächt - weisungsgebunden gewesen, da ein gleichberechtigtes Nebeneinander zwischen ihm und seinem Vater geherrscht habe. Mangels entsprechender vertraglicher Regelung seien weder irgendwelche Arbeitszeiten oder Urlaubsansprüche vereinbart, noch Regelungen zum Kündigungsschutz oder zur Lohnfortzahlung getroffen worden. Er sei von Anfang an mitverantwortlich in der Firma seines Vaters tätig geworden. Nach Abschluss seiner Lehrzeit habe er bereits Kontovollmacht gehabt. Seine Bezahlung sei durch die Gewährung von Tantiemen begleitet worden.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten. Der Kläger sei gegen ein Votum des Vaters letztlich nicht in der Lage gewesen, die Geschicke der Firma maßgeblich zu bestimmen. Aus seiner Sonderstellung im Betrieb könne nicht abgeleitet werden, dass er letztlich wie ein Unternehmer im eigenen Betrieb agiert habe. Nach dem Vertrag vom 20.12.1996 habe sich der Kläger verpflichtet, für die Zeit ab dem 01.01.1997 sowohl die kaufmännische als auch die technische Leitung des Betriebes im Hinblick auf die beabsichtigte Betriebsübernahme, die allerdings erst zum 01.08.2008 erfolgt sei, mitverantwortlich zu übernehmen. Dies und die im Vertrag geregelte Tantiemenzahlung führten jedoch nicht dazu, dass der Kläger ab dem 01.01.1997 nicht mehr abhängig beschäftigt gewesen sei. Es fehle an dem wesentlichen Merkmal der selbstständigen Tätigkeit, nämlich an einem eigenen unternehmerischen Risiko. Es habe sich bei der Firma weiterhin um ein Einzelunternehmen gehandelt, für dessen Verbindlichkeiten allein der Vater des Klägers zu haften hatte. Der Kläger habe in der hier streitigen Zeit letztlich keine Rechtsmacht besessen, um seine Vorstellungen über die Unternehmensleitung notfalls einseitig durchzusetzen oder ihm nicht genehme Entscheidungen oder Maßnahmen zu verhindern. Ob diese Rechtsmacht tatsächlich ausgeübt worden sei, sei unbeachtlich.
Mit Urteil vom 01.10.2009 hat das SG - im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - den angefochtenen Bescheid antragsgemäß teilweise aufgehoben und festgestellt, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit im Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum 31.01.2006 nicht sozialversicherungspflichtig war. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sei auf die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall abzustellen. Sprächen Anhaltspunkte sowohl für als auch gegen die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sei darauf abzustellen, welche dieser Anhaltspunkte überwiegen würden. Zumindest seit der Übertragung sowohl der kaufmännischen als auch der technischen Leitung des Betriebes in Verbindung mit der Tantiemenregelung zur Vorbereitung der Übertragung des Betriebes würden die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Anhaltspunkte überwiegen.
Gegen das ihr am 11.11.2009 zugestellte Urteil hat die Beklage am 18.11.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, nach dem Wortlaut des Vertrages vom 20.12.1996 sei lediglich beabsichtigt gewesen, dass der Betrieb in absehbarer Zeit auf den Kläger übertragen werden sollte. Aus dem Vertrag ergebe sich somit keine verbindliche Regelung der Unternehmensübertragung. Soweit der Kläger die kaufmännische und technische Leitung des Betriebes ab dem 01.01.1997 mitverantwortlich übernommen habe, spreche dies nicht gegen ein Arbeitsverhältnis. Entscheidend sei, dass der Vater letztlich das Sagen gehabt habe. Der Kläger habe in der hier streitigen Zeit keine Rechtsmacht besessen, um seine Vorstellungen über die Unternehmensleitung notfalls einseitig durchzusetzen oder ihm nicht genehme Entscheidungen oder Maßnahmen zu verhindern. Ob der Vater seine Rechtsmacht tatsächlich ausgeübt habe, sei unbeachtlich.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 4) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.10.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Sein Vater habe sich faktisch seit dem 01.01.1997 aus der Betriebsführung zurückgezogen. Die tatsächlichen Verhältnisse, die schriftlich getroffene Vereinbarung zur Kompetenzübertragung und die daraus nachvollziehbare Entwicklung bis hin zur formellen Übertragung des Unternehmens, ließen keine Zweifel an der Nichtabhängigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Soweit auf die "arbeitnehmerische" Tantiemenzahlung abgestellt werde, sei darauf hinzuweisen, dass wesentliche Teile dieser Ansprüche gar nicht ausgezahlt, sondern als Rückstellungen für die bevorstehende Betriebsübernahme verbucht worden seien. Teilweise seien die Tantiemen aber auch schon vor Fälligkeit ausgezahlt worden, weil ein privater Liquiditätsbedarf bestanden habe. Die Verzögerung der geplanten Übertragung beruhe auf der erforderlichen erbrechtlichen Klärung von Ansprüchen Dritter, insbesondere seiner Schwester. Seine tatsächliche Stellung in dem Unternehmen werde auch dadurch dokumentiert, dass er eigenständig zahlreiche Großverträge selbst verhandelt sowie abgeschlossen und Personalhoheit besessen habe.
Ergänzend legt der Kläger ein Schreiben seines Steuerberaters vom 22.03.2011 vor, in dem bestätigt wird, dass der Kläger in dem Unternehmen seines Vaters bis zum 31.07.2008 beschäftigt war. Er habe in dem Unternehmen eine mitunternehmerähnliche Stellung gehabt. Dies gelte sowohl im Hinblick auf das Mitunternehmerrisiko als auch auf die Mitunternehmerinitiative. Das Unternehmen sei nach den vorliegenden Erkenntnissen durch den Kläger und seinen Vater gemeinsam geleitet worden. Dies habe sich durch die Beteiligung bzw. den Einfluss des Klägers auf die Unternehmensentscheidungen gezeigt.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen der Beklagten an. Im Vorbringen des Klägers zu den familiären Gegebenheiten sei eher eine Familienerzählung als eine rechtliche Würdigung von Tatsachen zu sehen. Sie stellt indes keinen Antrag.
Die Beigeladenen zu 1) und 3) haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und stellen ebenfalls keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) und 3) und der zeitweisen Abwesenheit des Beigeladenen zu 1) verhandeln und entscheiden, weil mit der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger wird durch den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Das Urteil des SG ist daher zu ändern und die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) statthafte Klage abzuweisen. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger auch in dem vom Klageantrag umfassten Zeitraum 01.01.1997 bis 31.01.2006 mit seiner Tätigkeit für die Firma Fliesen T, dessen Inhaber in dem genannten Zeitraum noch der Beigeladene zu 1) war, der Sozialversicherungspflicht und damit der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung unterlag.
I. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Beklagte ist in dem hier streitigen Zeitraum als Einzugsstelle für die Entscheidung über das Vorliegen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sachlich zuständig gewesen. Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften der Sozialversicherung - (SGB IV) entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dass der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten schon nicht mehr deren Mitglied, sondern ab dem 01.02.2007 Mitglied der KKH war, ist für die Zuständigkeit ohne Bedeutung. Auch nach einem Kassenwechsel bleibt als Einzugsstelle zuständig die Krankenkasse, bei der in den zurückliegenden Zeiträumen eine Mitgliedschaft bestand und die deshalb für die erstmalige Feststellung der Versicherungspflicht zuständig war (so BSG v. 24.06.2008 - B 12 KR 24/07 R - SozR 4-2400 § 28h Nr. 4). Auch eine Zuständigkeit der DRV Bund gem. § 7a Abs. 1 SGB IV besteht nur dann, wenn - anders als in dem vorliegenden Verfahren - ein Beteiligter einen schriftlichen Antrag auf Entscheidung über die Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung gegenüber der DRV Bund gestellt hat und die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger zum Zeitpunkt der Antragsstellung noch kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet haben.
II. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die getroffene Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der hier noch streitigen Zeit 01.01.1997 bis 31.01.2006 in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ist nicht zu beanstanden. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI und § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - SGB III, bzw. - bis 31.01.1997 - § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers. Demgegenüber ist die selbstständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. nur BSG Urteil v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; BSG Urteil v. 04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 8; BSG Urteil v. 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R; zuletzt Urteil des erkennenden Senats v. 29.08.2012 - L 1 KR 406/11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. BSG Urteil v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; BSG Urteil v. 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R -; BSG Urteil v. 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R - und zuletzt BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung bereits BVerfG Kammerbeschluss vom 20.05.1996 -1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
Ausgangspunkt der Beurteilung ist das Vertragsverhältnis, wie es sich aus den Vereinbarungen ergibt. Eine im Widerspruch zu Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht einer formellen Vereinbarung vor, allerdings nur, soweit eine Abbedingung rechtlich zulässig ist. Die bloße Nichtausübung eines Rechts ist dagegen unbeachtlich, solange es nicht auch wirksam abbedungen wurde. Die tatsächlichen Verhältnisse geben im Zweifel den Ausschlag, allerdings nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Das BSG - dem sich der Senat auch insoweit anschließt - hat dies so zusammengefasst, dass die Rechtsbeziehung maßgeblich ist, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so maßgeblich ist, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. nur BSG Urteil v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; BSG Urteil v. 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R; BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -; Urteil des erkennenden Senats v. 29.08.2012 - L 1 KR 406/11).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Tätigkeit des Klägers vom 01.01.1997 bis 31.01.2006 als Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis (dazu 1.) zu werten. Dieser Beurteilung der Rechtsbeziehung entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse (dazu 2.), auch soweit diese durch familiäre Umstände geprägt gewesen sind (dazu 3.).
1. Die Tätigkeit des Klägers vom 01.01.1997 bis 31.01.2006 in der Firma Fliesen T, in der genannten Zeit noch eine Einzelfirma des Beigeladenen zu 1), ist als Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis anzusehen. Eine schriftliche Vereinbarung, die sich auf alle Umstände der Tätigkeit des Klägers in dem streitigen Zeitraum bezieht, liegt zwar nicht vor. Doch geht der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens von einem mündlich oder jedenfalls konkludent geschlossenen Arbeitsvertrag aus, der durch die schriftliche Vereinbarung vom 20.12.1996 ergänzt wurde. Denn wie sich aus seinem Versicherungsverlauf und den vom Kläger vorgelegten Lohnunterlagen ergibt, erhielt dieser von Beginn seiner Tätigkeit an ein regelmäßiges monatliches Gehalt, das vom zuständigen Finanzamt steuerlich als Arbeitsentgelt anerkannt wurde. Zudem erhielt er vermögenswirksame Leistungen und darüber hinaus in Urlaubszeiten Urlaubsgeld. Zuletzt betrug das an ihn gezahlte monatliche Buttoarbeitsentgelt - einschließlich des Vorteils für eine Kfz-Nutzung - 4.662,52 EUR. Jedenfalls ab dem 01.01.2001 lag der Verdienst des Kläger über der für die Krankenversicherung maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze, so dass er ab diesem Zeitpunkt nur noch freiwillig in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Selbst bei einer überdurchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ist diese Vergütung für die vom Kläger verrichtete Tätigkeit als Betriebsleiter noch als angemessen zu betrachten. Hinzu kam nämlich in dem hier streitigen Zeitraum aufgrund der schriftlichen Vereinbarung vom 20.12.1996 ein Anspruch auf Tantiemen, dessen Höhe vom Umsatz der Firma abhängig war. Die Bezeichnung dieser Leistung in dem genannten Vertrag als "arbeitnehmerische Tantiemezahlung" und die Anknüpfung an das "bisherige Entgelt" unterstreicht im Übrigen die Beurteilung der Rechtsbeziehung in seiner Gesamtheit als Arbeitsverhältnis. Dieses Arbeitsverhältnis wird durch die zusätzliche Vereinbarung auch ersichtlich nicht beendet, sondern ergänzt, gestützt auf den Willen beider Vertragsparteien, es ansonsten unverändert fortzuführen.
Konsequenterweise blieb der Kläger weiterhin zur Sozialversicherung angemeldet und das Entgelt - einschließlich der Tantiemen, soweit sie zur Auszahlung kamen - wurde auch über den 31.12.1996 hinaus der Lohnsteuer unterworfen und von der Firma Fliesen T als Betriebsausgabe verbucht. Eine solche über einen langen Zeitraum geübte steuerrechtliche Handhabung spricht indiziell für die Annahme eines Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses (vgl. Segebrecht in jurisPK SGB IV, § 7 Rn. 149; Berchtold in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann - KSW -, Kommentar zum Sozialrecht, § 7 SGB IV Rn. 34).
Die Gewährung einer Tantieme ist für sich genommen entgegen der Auffassung des Klägers nicht ausreichend, um eine Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis auszuschließen (vgl. BSG Urteil v. 10.05.2007 - B 7a AL 8/06 R; BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommen Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist. Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering (BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R). Hiervon ist auch vorliegend auszugehen, zudem der Kläger - worauf die Beklagten zu Recht hingewiesen hat - neben den Tantiemenansprüchen eine regelmäßige monatliche Vergütung in existenzsichernder Höhe erhielt und keinem Verlustrisiko ausgesetzt war, das über das Risiko jedes normalen Arbeitnehmers hinaus ging.
Der rechtliche Status des Klägers als beschäftigter Arbeitnehmer wird des Weiteren dadurch bekräftigt, dass er bis zum Erwerb des Betriebes von dem Beigeladenen zu 1) - also auch noch in dem hier streitigen Zeitraum - aus Rechtsgründen nicht in der Lage war, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Es bestand nämlich keinerlei Rechtsmacht, um auf unternehmerische Entscheidungen des Beigeladenen zu 1) Einfluss zu nehmen. Dieser hat das Geschäft in der gesamten streitigen Zeit als eigenes Einzelunternehmen geführt. Entgegen der Auffassung des SG folgt aus dem Vertrag vom 20.12.1996 nichts anderes. Vielmehr ist in diesem Vertrag ausdrücklich festgehalten, dass der Beigeladene zu 1) "beabsichtige" in "absehbarer Zeit" den Betrieb auf den Kläger zu übertragen. Eine Verpflichtung zur Übertragung wird ausdrücklich ausgeschlossen. Offenkundig konnte der Kläger nicht einmal verhindern, dass selbst der in dem Vertrag vom 20.12.1996 zur Übertragung des Betriebes ins Auge gefasste Zeitrahmen von 5 Jahren erheblich überschritten wurde. Tatsächlich erfolgte die Übertragung nämlich erst zum 01.08.2008. Familiäre Verbundenheit oder Rücksichtnahme allein ist demgegenüber nicht geeignet, die Rechtsmacht, wie sie sich nach den bestehenden Rechtsbeziehungen ergibt, gänzlich zu negieren (näher dazu unter 3.).
2. Diese Beurteilung steht nicht im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen. Entsprechend der Typik eines Arbeitsverhältnisses war der Kläger auf der Grundlage seiner Rechtsbeziehung während der Tätigkeit auch tatsächlich in den Betrieb eingegliedert. Ihm oblag ab 1997 - was sich ebenfalls aus der Vereinbarung vom 20.12.1996 ergibt - sowohl die kaufmännische als auch die technische Leitung des Betriebes, einschließlich der Organisation der Auftragsabwicklung und der Personalführung. Dadurch war der Kläger in einer letztlich durch den Betriebszweck des Unternehmens (Fliesenfachgeschäft) vorgeprägte Arbeitsorganisation eingegliedert, die seine Tätigkeit zum einen an die zur Verfügung stehenden Betriebsmittel gebunden und zum anderen den Ort der Arbeitsleistung, die Betriebsstätte, vorgegeben hat. Selbst bezogen auf die Zeit der Erbringung seiner Arbeitsleistung ist davon auszugehen, dass der Kläger trotz bestehender Freiheiten, sich den Erfordernissen des Betriebes unterzuordnen hatte. Ohne Belang ist, dass er im Alltagsgeschäft seine Tätigkeit weitgehend frei gestalten konnte und sich Ort, Zeit und Dauer der Arbeitsleistung im Wesentlichen nur aus betrieblichen Erfordernissen und nicht aus Weisungen des Arbeitgebers ergaben. Denn bei Diensten höherer Art wandelt sich das Direktionsrecht regelmäßig in eine an den betrieblichen Erfordernissen orientierte funktionsgerechte und dienende Teilhabe am Arbeitsprozess (vgl. zuletzt BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R - m.w.N.; Berchtold in KSW, § 7 SGB IV Rn. 23 - Weisungen -). Gemessen daran liegt eine Eingliederung des Klägers in den Betrieb trotz der zu unterstellenden Freiheiten vor. Wie sich aus dem Vertrag vom 20.12.1996 ergibt, war er nämlich auch nach der Erweiterung seiner Aufgabenbereiche in der Firma für seine Bereiche weiterhin nur mitverantwortlich. Dass dieses Miteinander mit dem Beigeladenen zu 1), dem damaligen Betriebsinhaber, auch der praktischen Handhabung entsprochen hat, wird gut nachvollziehbar bestätigt durch die im Berufungsverfahren noch vorgelegte "Bescheinigung" der Steuerberater der Firma. Darin wird eine "Mitunternehmerinitiative" beschrieben, die geprägt sei dadurch, dass der Kläger und sein Vater das Unternehmen gemeinsam geleitet hätten, bei (lediglich) "Beteiligung" und "Einfluss" des Klägers.
3. Der Annahme eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses steht schließlich auch nicht entgegen, dass der frühere Firmeninhaber der Firma Fliesen T, der Beigeladene zu 1), der Vater des Klägers war. Zwar können familiäre Beziehungen zwischen dem Beschäftigten und dem Firmeninhaber deren rechtliche Bindungen an das Weisungsrecht überlagern. Doch schließen mildere Formen der Ausübung des Weisungsrechts gegenüber Familiengehörigen und größere Freiheiten Familienangehöriger das Vorliegen abhängiger Beschäftigung nicht von vornherein aus (vgl. Segebrecht in jurisPK SGB IV, § 7 Rn. 123 Berchtold in KSW, § 7 SGB IV Rn. 40 ff.). Diese Formen der Rücksichtnahme sind insbesondere nicht geeignet, die Rechtsmacht, wie sie sich aus den Rechtsbeziehungen ergibt, gänzlich zu negieren. Die Rechtsmacht des Vaters als Firmeninhaber mag gegenüber dem Kläger zwar in "ruhigen Zeiten" durch familiäre Bindungen beeinflusst gewesen sein, so dass von ihr faktisch kein Gebrauch gemacht wurde. Sie entfällt jedoch nicht dadurch, dass rechtliche Regelungen zunächst "nur auf dem Papier stehen" und sie ihre Bedeutung oft erst im Konfliktfall erlangen, z.B. wenn es zu familiären Problemen kommt und die familiäre Rücksichtnahme ein Ende hat. Die latent vorhandene Rechtsmacht ist deshalb auch bei sogenannten Familiengesellschaften als ein Kriterium zu berücksichtigen, das für eine abhängige Beschäftigung spricht, selbst wenn von ihr - wie es auch hier für den streitigen Zeitraum unterstellt werden kann - konkret (noch) kein Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Segebrecht in jurisPK SGB IV, § 7 Rn. 124; Berchtold in KSW, § 7 SGB IV Rn. 45; so nunmehr ausdrücklich auch BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R). Eine "Schönwetterselbsständigkeit" lässt sich mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbaren (vgl. BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R). Für die Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses kommt ihr deshalb keine Bedeutung zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist noch, ob die Tätigkeit des Klägers in der Firma Fliesen T in der Zeit vom 01.01.1997 bis zum 31.01.2006 der Sozialversicherungspflicht unterlag.
Der 1965 geborene Kläger durchlief in der Zeit vom 01.08.1983 bis zum 31.07.1986 bei der Firma P in I eine Ausbildung zum Groß- und Einzelhandelskaufmann. Danach wurde er in der Zeit vom 01.08.1986 bis zum 31.01.1988 in der Firma Fliesen T in E zum Fliesen-, Platten- und Mosaikleger ausgebildet. Bei dieser Firma handelte es sich um ein Einzelunternehmen, dessen Inhaber bis zur Veräußerung an den Kläger zum 01.08.2008 der Vater des Klägers war, der Beigeladene zu 1). Nach dem Ende dieser zweiten Ausbildung war der Kläger durchgehend in der Firma Fliesen T beschäftigt.
Ein schriftlicher Vertrag über die Tätigkeit des Klägers für die Zeit vor dem 01.01.1997 liegt nicht vor. Doch erhielt der Kläger durchgehend eine regelmäßige monatliche Vergütung, die ausweislich der vorgelegten Unterlagen am Ende des hier streitigen Zeitraums im Januar 2006 - einschließlich des Vorteils einer privaten Kfz-Nutzung - 4.662,52 EUR brutto betrug. Außerdem erhielt der Kläger vermögenswirksame Leistungen und für Urlaubszeiten Urlaubsgeld. Durch schriftlichen Vertrag vom 20.12.1996 wurde zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1) die zusätzliche "Gewährung einer arbeitnehmerischen Tantiemenzahlung" in Höhe eines bestimmten Anteils des Jahresgewinnes der Firma Fliesen T vereinbart. Die Tantiemen bis einschließlich des Jahres 2003 wurden - soweit sie angefallen sind - vertragsgemäß, d.h. in den auf die Feststellung des Jahresgewinns folgenden Jahren, an den Kläger ausgezahlt, zuletzt noch im Jahre 2006. Die Tantiemen für die Jahre 2004, 2006 und 2008 - 2007 und 2009 fielen Tantiemen nicht an - wurden nicht ausgezahlt, sondern später mit dem Kaufpreis für den Unternehmenskauf im Rahmen der Übernahme verrechnet. In dem Vertrag vom 20.12.1996 war im Übrigen noch folgendes niedergelegt:
"Der Vertragschließende zu 1 ist aufgrund von Knieoperationen in den Jahren 1984 und 1995 nur noch bedingt arbeitsfähig. Aufgrund seiner gesundheitlichen Schädigung beabsichtigt Herr T sen., den Fliesenlegerbetrieb in absehbarer Zeit an seinen Sohn zu übertragen. Für die Übertragung des Betriebes ist ein Zeitrahmen von maximal 5 Jahren vorgesehen. Dieser Vertrag beinhaltet weder für den Vertragschließenden zu 1 noch für den Vertragsschließenden 2 die Verpflichtung der Übertragung bzw. eine Annahme des Übertragungsangebots.
Der Vertragsschließende zu 2, Herr T jun., verpflichtet sich, mit Ablauf des Jahres 1996 sowohl die kaufmännische als auch die technische Leitung des Betriebes und damit die Organisation der Auftragsabwicklungen und die der Personalführung mitverantwortlich zu übernehmen. Für die verantwortungsvolle Tätigkeit erhält Herr T neben seines bisherigen Entgeltes zusätzlich eine ergebnisorientierte Vergütung die sich wie folgt errechnet: "
Auf der Grundlage eines Unternehmenskaufvertrags übernahm der Kläger ab dem 01.08.2008 die Firma Fliesen T "mit allen Rechten und Pflichten" von seinem Vater.
In der Zeit vom 01.08.1983 bis zum 30.09.1994 und in der Zeit vom 01.01.1996 bis zum 31.01.2006 war der Kläger Mitglied der Beklagten und als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter gemeldet, wobei in der Zeit vom 01.01.2001 bis zum 31.01.2006 die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig durchgeführt wurde. Im Rahmen eines Kassenwechsels zu der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) zum 01.02.2006 stellte diese nach Prüfung des Sachverhalts fest, der Kläger sei in der Firma seines Vaters nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Der Kläger beantragte daraufhin bei der Beklagten die entsprechende Feststellung auch für die Zeit ab Beendigung seiner ersten Ausbildung (31.07.1986) bis zum Ende der Mitgliedschaft bei der Beklagten am 31.01.2006.
Mit Bescheid vom 10.08.2006 stellte die Beklagte fest, die versicherungsrechtliche Beurteilung für die Vergangenheit sei zutreffend gewesen. Den Widerspruch des Klägers, der sich beschränkte auf die Zeit ab dem Ende der zweiten Ausbildung (01.02.1988), hat die Beklagte mit Bescheid vom 30.05.2007 zurückgewiesen. Hinsichtlich der Tätigkeit des Klägers würden die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung überwiegen. Betriebsinhaber sei der Vater des Klägers gewesen. Der Kläger habe einem (wenn auch möglicherweise aufgrund des familiären Verhältnisses abgeschwächten) Weisungsrecht unterlegen. Entsprechend sei er auch als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer gemeldet worden. Das dem Kläger gewährte Arbeitsentgelt sei angemessen gewesen. Das Gehalt sei als Betriebsausgabe verbucht worden. Außerdem sei ein echtes Unternehmerrisiko für den Kläger nicht erkennbar.
Dagegen hat der Kläger am 28.06.2007 vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (SG) Klage erhoben, mit der er sich zuletzt nur noch gegen die Beurteilung des Zeitraums vom 01.01.1997 bis 31.01.2006 gewendet hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, er sei im väterlichen Betrieb nicht versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Nach Abschluss seiner Ausbildung habe er gemeinsam mit seinem Vater die Führung des Familienunternehmens übernommen. Ein Arbeits- oder Anstellungsvertrag sei ebenso wenig geschlossen worden, wie eine vertragliche Vereinbarung zur Änderung der formellen Inhaberverhältnisse. Er sei persönlich nicht - auch nicht abgeschwächt - weisungsgebunden gewesen, da ein gleichberechtigtes Nebeneinander zwischen ihm und seinem Vater geherrscht habe. Mangels entsprechender vertraglicher Regelung seien weder irgendwelche Arbeitszeiten oder Urlaubsansprüche vereinbart, noch Regelungen zum Kündigungsschutz oder zur Lohnfortzahlung getroffen worden. Er sei von Anfang an mitverantwortlich in der Firma seines Vaters tätig geworden. Nach Abschluss seiner Lehrzeit habe er bereits Kontovollmacht gehabt. Seine Bezahlung sei durch die Gewährung von Tantiemen begleitet worden.
Die Beklagte hat an ihrer Auffassung festgehalten. Der Kläger sei gegen ein Votum des Vaters letztlich nicht in der Lage gewesen, die Geschicke der Firma maßgeblich zu bestimmen. Aus seiner Sonderstellung im Betrieb könne nicht abgeleitet werden, dass er letztlich wie ein Unternehmer im eigenen Betrieb agiert habe. Nach dem Vertrag vom 20.12.1996 habe sich der Kläger verpflichtet, für die Zeit ab dem 01.01.1997 sowohl die kaufmännische als auch die technische Leitung des Betriebes im Hinblick auf die beabsichtigte Betriebsübernahme, die allerdings erst zum 01.08.2008 erfolgt sei, mitverantwortlich zu übernehmen. Dies und die im Vertrag geregelte Tantiemenzahlung führten jedoch nicht dazu, dass der Kläger ab dem 01.01.1997 nicht mehr abhängig beschäftigt gewesen sei. Es fehle an dem wesentlichen Merkmal der selbstständigen Tätigkeit, nämlich an einem eigenen unternehmerischen Risiko. Es habe sich bei der Firma weiterhin um ein Einzelunternehmen gehandelt, für dessen Verbindlichkeiten allein der Vater des Klägers zu haften hatte. Der Kläger habe in der hier streitigen Zeit letztlich keine Rechtsmacht besessen, um seine Vorstellungen über die Unternehmensleitung notfalls einseitig durchzusetzen oder ihm nicht genehme Entscheidungen oder Maßnahmen zu verhindern. Ob diese Rechtsmacht tatsächlich ausgeübt worden sei, sei unbeachtlich.
Mit Urteil vom 01.10.2009 hat das SG - im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung - den angefochtenen Bescheid antragsgemäß teilweise aufgehoben und festgestellt, dass die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit im Zeitraum vom 01.01.1997 bis zum 31.01.2006 nicht sozialversicherungspflichtig war. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen sei auf die tatsächlichen Verhältnisse im Einzelfall abzustellen. Sprächen Anhaltspunkte sowohl für als auch gegen die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sei darauf abzustellen, welche dieser Anhaltspunkte überwiegen würden. Zumindest seit der Übertragung sowohl der kaufmännischen als auch der technischen Leitung des Betriebes in Verbindung mit der Tantiemenregelung zur Vorbereitung der Übertragung des Betriebes würden die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Anhaltspunkte überwiegen.
Gegen das ihr am 11.11.2009 zugestellte Urteil hat die Beklage am 18.11.2009 Berufung eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, nach dem Wortlaut des Vertrages vom 20.12.1996 sei lediglich beabsichtigt gewesen, dass der Betrieb in absehbarer Zeit auf den Kläger übertragen werden sollte. Aus dem Vertrag ergebe sich somit keine verbindliche Regelung der Unternehmensübertragung. Soweit der Kläger die kaufmännische und technische Leitung des Betriebes ab dem 01.01.1997 mitverantwortlich übernommen habe, spreche dies nicht gegen ein Arbeitsverhältnis. Entscheidend sei, dass der Vater letztlich das Sagen gehabt habe. Der Kläger habe in der hier streitigen Zeit keine Rechtsmacht besessen, um seine Vorstellungen über die Unternehmensleitung notfalls einseitig durchzusetzen oder ihm nicht genehme Entscheidungen oder Maßnahmen zu verhindern. Ob der Vater seine Rechtsmacht tatsächlich ausgeübt habe, sei unbeachtlich.
Die Beklagte und die Beigeladene zu 4) beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 01.10.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Sein Vater habe sich faktisch seit dem 01.01.1997 aus der Betriebsführung zurückgezogen. Die tatsächlichen Verhältnisse, die schriftlich getroffene Vereinbarung zur Kompetenzübertragung und die daraus nachvollziehbare Entwicklung bis hin zur formellen Übertragung des Unternehmens, ließen keine Zweifel an der Nichtabhängigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Soweit auf die "arbeitnehmerische" Tantiemenzahlung abgestellt werde, sei darauf hinzuweisen, dass wesentliche Teile dieser Ansprüche gar nicht ausgezahlt, sondern als Rückstellungen für die bevorstehende Betriebsübernahme verbucht worden seien. Teilweise seien die Tantiemen aber auch schon vor Fälligkeit ausgezahlt worden, weil ein privater Liquiditätsbedarf bestanden habe. Die Verzögerung der geplanten Übertragung beruhe auf der erforderlichen erbrechtlichen Klärung von Ansprüchen Dritter, insbesondere seiner Schwester. Seine tatsächliche Stellung in dem Unternehmen werde auch dadurch dokumentiert, dass er eigenständig zahlreiche Großverträge selbst verhandelt sowie abgeschlossen und Personalhoheit besessen habe.
Ergänzend legt der Kläger ein Schreiben seines Steuerberaters vom 22.03.2011 vor, in dem bestätigt wird, dass der Kläger in dem Unternehmen seines Vaters bis zum 31.07.2008 beschäftigt war. Er habe in dem Unternehmen eine mitunternehmerähnliche Stellung gehabt. Dies gelte sowohl im Hinblick auf das Mitunternehmerrisiko als auch auf die Mitunternehmerinitiative. Das Unternehmen sei nach den vorliegenden Erkenntnissen durch den Kläger und seinen Vater gemeinsam geleitet worden. Dies habe sich durch die Beteiligung bzw. den Einfluss des Klägers auf die Unternehmensentscheidungen gezeigt.
Die Beigeladene zu 2) schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen der Beklagten an. Im Vorbringen des Klägers zu den familiären Gegebenheiten sei eher eine Familienerzählung als eine rechtliche Würdigung von Tatsachen zu sehen. Sie stellt indes keinen Antrag.
Die Beigeladenen zu 1) und 3) haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und stellen ebenfalls keine Anträge.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese Akten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte in Abwesenheit der Beigeladenen zu 2) und 3) und der zeitweisen Abwesenheit des Beigeladenen zu 1) verhandeln und entscheiden, weil mit der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist.
Die zulässige Berufung ist begründet. Der Kläger wird durch den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Das Urteil des SG ist daher zu ändern und die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1, 56 SGG) statthafte Klage abzuweisen. Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass der Kläger auch in dem vom Klageantrag umfassten Zeitraum 01.01.1997 bis 31.01.2006 mit seiner Tätigkeit für die Firma Fliesen T, dessen Inhaber in dem genannten Zeitraum noch der Beigeladene zu 1) war, der Sozialversicherungspflicht und damit der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie der Arbeitslosenversicherung unterlag.
I. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig. Die Beklagte ist in dem hier streitigen Zeitraum als Einzugsstelle für die Entscheidung über das Vorliegen von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sachlich zuständig gewesen. Nach § 28h Abs. 2 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften der Sozialversicherung - (SGB IV) entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Dass der Kläger zum Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten schon nicht mehr deren Mitglied, sondern ab dem 01.02.2007 Mitglied der KKH war, ist für die Zuständigkeit ohne Bedeutung. Auch nach einem Kassenwechsel bleibt als Einzugsstelle zuständig die Krankenkasse, bei der in den zurückliegenden Zeiträumen eine Mitgliedschaft bestand und die deshalb für die erstmalige Feststellung der Versicherungspflicht zuständig war (so BSG v. 24.06.2008 - B 12 KR 24/07 R - SozR 4-2400 § 28h Nr. 4). Auch eine Zuständigkeit der DRV Bund gem. § 7a Abs. 1 SGB IV besteht nur dann, wenn - anders als in dem vorliegenden Verfahren - ein Beteiligter einen schriftlichen Antrag auf Entscheidung über die Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung gegenüber der DRV Bund gestellt hat und die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger zum Zeitpunkt der Antragsstellung noch kein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet haben.
II. Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die getroffene Feststellung der Versicherungspflicht des Klägers in der hier noch streitigen Zeit 01.01.1997 bis 31.01.2006 in der gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung ist nicht zu beanstanden. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie in der Arbeitslosenversicherung der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI und § 24 Abs. 1, § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung - SGB III, bzw. - bis 31.01.1997 - § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist Arbeitnehmer, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Erforderlich ist insbesondere eine Eingliederung in den Betrieb und die Unterordnung unter ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers. Demgegenüber ist die selbstständige Tätigkeit in erster Linie durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. nur BSG Urteil v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; BSG Urteil v. 04.07.2007 - B 11a AL 5/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 8; BSG Urteil v. 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R; zuletzt Urteil des erkennenden Senats v. 29.08.2012 - L 1 KR 406/11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. BSG Urteil v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; BSG Urteil v. 28.05.2008 - B 12 KR 13/07 R -; BSG Urteil v. 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R - und zuletzt BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung bereits BVerfG Kammerbeschluss vom 20.05.1996 -1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).
Ausgangspunkt der Beurteilung ist das Vertragsverhältnis, wie es sich aus den Vereinbarungen ergibt. Eine im Widerspruch zu Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht einer formellen Vereinbarung vor, allerdings nur, soweit eine Abbedingung rechtlich zulässig ist. Die bloße Nichtausübung eines Rechts ist dagegen unbeachtlich, solange es nicht auch wirksam abbedungen wurde. Die tatsächlichen Verhältnisse geben im Zweifel den Ausschlag, allerdings nur im Rahmen des rechtlich Zulässigen. Das BSG - dem sich der Senat auch insoweit anschließt - hat dies so zusammengefasst, dass die Rechtsbeziehung maßgeblich ist, so wie sie praktiziert wird, und die praktizierte Beziehung so maßgeblich ist, wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. nur BSG Urteil v. 24.01.2007 - B 12 KR 31/06 R - SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; BSG Urteil v. 11.03.2009 - B 12 KR 21/07 R; BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -; Urteil des erkennenden Senats v. 29.08.2012 - L 1 KR 406/11).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Tätigkeit des Klägers vom 01.01.1997 bis 31.01.2006 als Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis (dazu 1.) zu werten. Dieser Beurteilung der Rechtsbeziehung entsprechen die tatsächlichen Verhältnisse (dazu 2.), auch soweit diese durch familiäre Umstände geprägt gewesen sind (dazu 3.).
1. Die Tätigkeit des Klägers vom 01.01.1997 bis 31.01.2006 in der Firma Fliesen T, in der genannten Zeit noch eine Einzelfirma des Beigeladenen zu 1), ist als Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis anzusehen. Eine schriftliche Vereinbarung, die sich auf alle Umstände der Tätigkeit des Klägers in dem streitigen Zeitraum bezieht, liegt zwar nicht vor. Doch geht der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens von einem mündlich oder jedenfalls konkludent geschlossenen Arbeitsvertrag aus, der durch die schriftliche Vereinbarung vom 20.12.1996 ergänzt wurde. Denn wie sich aus seinem Versicherungsverlauf und den vom Kläger vorgelegten Lohnunterlagen ergibt, erhielt dieser von Beginn seiner Tätigkeit an ein regelmäßiges monatliches Gehalt, das vom zuständigen Finanzamt steuerlich als Arbeitsentgelt anerkannt wurde. Zudem erhielt er vermögenswirksame Leistungen und darüber hinaus in Urlaubszeiten Urlaubsgeld. Zuletzt betrug das an ihn gezahlte monatliche Buttoarbeitsentgelt - einschließlich des Vorteils für eine Kfz-Nutzung - 4.662,52 EUR. Jedenfalls ab dem 01.01.2001 lag der Verdienst des Kläger über der für die Krankenversicherung maßgeblichen Jahresarbeitsentgeltgrenze, so dass er ab diesem Zeitpunkt nur noch freiwillig in der Gesetzlichen Krankenversicherung versichert war. Selbst bei einer überdurchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit ist diese Vergütung für die vom Kläger verrichtete Tätigkeit als Betriebsleiter noch als angemessen zu betrachten. Hinzu kam nämlich in dem hier streitigen Zeitraum aufgrund der schriftlichen Vereinbarung vom 20.12.1996 ein Anspruch auf Tantiemen, dessen Höhe vom Umsatz der Firma abhängig war. Die Bezeichnung dieser Leistung in dem genannten Vertrag als "arbeitnehmerische Tantiemezahlung" und die Anknüpfung an das "bisherige Entgelt" unterstreicht im Übrigen die Beurteilung der Rechtsbeziehung in seiner Gesamtheit als Arbeitsverhältnis. Dieses Arbeitsverhältnis wird durch die zusätzliche Vereinbarung auch ersichtlich nicht beendet, sondern ergänzt, gestützt auf den Willen beider Vertragsparteien, es ansonsten unverändert fortzuführen.
Konsequenterweise blieb der Kläger weiterhin zur Sozialversicherung angemeldet und das Entgelt - einschließlich der Tantiemen, soweit sie zur Auszahlung kamen - wurde auch über den 31.12.1996 hinaus der Lohnsteuer unterworfen und von der Firma Fliesen T als Betriebsausgabe verbucht. Eine solche über einen langen Zeitraum geübte steuerrechtliche Handhabung spricht indiziell für die Annahme eines Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses (vgl. Segebrecht in jurisPK SGB IV, § 7 Rn. 149; Berchtold in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann - KSW -, Kommentar zum Sozialrecht, § 7 SGB IV Rn. 34).
Die Gewährung einer Tantieme ist für sich genommen entgegen der Auffassung des Klägers nicht ausreichend, um eine Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis auszuschließen (vgl. BSG Urteil v. 10.05.2007 - B 7a AL 8/06 R; BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R). Bedeutung für die Abgrenzung von Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit kommen Tantiemen nur als (ein) Anknüpfungspunkt für ein mögliches wirtschaftliches Eigeninteresse des für ein Unternehmen Tätigen zu, das im Rahmen der Gesamtwürdigung Gewicht gewinnen kann, jedoch nicht allein entscheidend ist. Vor dem Hintergrund, dass die Gewährung einer Tantieme an Arbeitnehmer nicht ungewöhnlich ist, ist deren Gewicht für die hier im Vordergrund stehende Abgrenzung der Beschäftigung in einem Arbeitsverhältnis gegenüber einem selbstständigen Dienstverhältnis eher gering (BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R). Hiervon ist auch vorliegend auszugehen, zudem der Kläger - worauf die Beklagten zu Recht hingewiesen hat - neben den Tantiemenansprüchen eine regelmäßige monatliche Vergütung in existenzsichernder Höhe erhielt und keinem Verlustrisiko ausgesetzt war, das über das Risiko jedes normalen Arbeitnehmers hinaus ging.
Der rechtliche Status des Klägers als beschäftigter Arbeitnehmer wird des Weiteren dadurch bekräftigt, dass er bis zum Erwerb des Betriebes von dem Beigeladenen zu 1) - also auch noch in dem hier streitigen Zeitraum - aus Rechtsgründen nicht in der Lage war, ihm nicht genehme Weisungen zu verhindern. Es bestand nämlich keinerlei Rechtsmacht, um auf unternehmerische Entscheidungen des Beigeladenen zu 1) Einfluss zu nehmen. Dieser hat das Geschäft in der gesamten streitigen Zeit als eigenes Einzelunternehmen geführt. Entgegen der Auffassung des SG folgt aus dem Vertrag vom 20.12.1996 nichts anderes. Vielmehr ist in diesem Vertrag ausdrücklich festgehalten, dass der Beigeladene zu 1) "beabsichtige" in "absehbarer Zeit" den Betrieb auf den Kläger zu übertragen. Eine Verpflichtung zur Übertragung wird ausdrücklich ausgeschlossen. Offenkundig konnte der Kläger nicht einmal verhindern, dass selbst der in dem Vertrag vom 20.12.1996 zur Übertragung des Betriebes ins Auge gefasste Zeitrahmen von 5 Jahren erheblich überschritten wurde. Tatsächlich erfolgte die Übertragung nämlich erst zum 01.08.2008. Familiäre Verbundenheit oder Rücksichtnahme allein ist demgegenüber nicht geeignet, die Rechtsmacht, wie sie sich nach den bestehenden Rechtsbeziehungen ergibt, gänzlich zu negieren (näher dazu unter 3.).
2. Diese Beurteilung steht nicht im Widerspruch zu den tatsächlichen Verhältnissen. Entsprechend der Typik eines Arbeitsverhältnisses war der Kläger auf der Grundlage seiner Rechtsbeziehung während der Tätigkeit auch tatsächlich in den Betrieb eingegliedert. Ihm oblag ab 1997 - was sich ebenfalls aus der Vereinbarung vom 20.12.1996 ergibt - sowohl die kaufmännische als auch die technische Leitung des Betriebes, einschließlich der Organisation der Auftragsabwicklung und der Personalführung. Dadurch war der Kläger in einer letztlich durch den Betriebszweck des Unternehmens (Fliesenfachgeschäft) vorgeprägte Arbeitsorganisation eingegliedert, die seine Tätigkeit zum einen an die zur Verfügung stehenden Betriebsmittel gebunden und zum anderen den Ort der Arbeitsleistung, die Betriebsstätte, vorgegeben hat. Selbst bezogen auf die Zeit der Erbringung seiner Arbeitsleistung ist davon auszugehen, dass der Kläger trotz bestehender Freiheiten, sich den Erfordernissen des Betriebes unterzuordnen hatte. Ohne Belang ist, dass er im Alltagsgeschäft seine Tätigkeit weitgehend frei gestalten konnte und sich Ort, Zeit und Dauer der Arbeitsleistung im Wesentlichen nur aus betrieblichen Erfordernissen und nicht aus Weisungen des Arbeitgebers ergaben. Denn bei Diensten höherer Art wandelt sich das Direktionsrecht regelmäßig in eine an den betrieblichen Erfordernissen orientierte funktionsgerechte und dienende Teilhabe am Arbeitsprozess (vgl. zuletzt BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R - m.w.N.; Berchtold in KSW, § 7 SGB IV Rn. 23 - Weisungen -). Gemessen daran liegt eine Eingliederung des Klägers in den Betrieb trotz der zu unterstellenden Freiheiten vor. Wie sich aus dem Vertrag vom 20.12.1996 ergibt, war er nämlich auch nach der Erweiterung seiner Aufgabenbereiche in der Firma für seine Bereiche weiterhin nur mitverantwortlich. Dass dieses Miteinander mit dem Beigeladenen zu 1), dem damaligen Betriebsinhaber, auch der praktischen Handhabung entsprochen hat, wird gut nachvollziehbar bestätigt durch die im Berufungsverfahren noch vorgelegte "Bescheinigung" der Steuerberater der Firma. Darin wird eine "Mitunternehmerinitiative" beschrieben, die geprägt sei dadurch, dass der Kläger und sein Vater das Unternehmen gemeinsam geleitet hätten, bei (lediglich) "Beteiligung" und "Einfluss" des Klägers.
3. Der Annahme eines versicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses steht schließlich auch nicht entgegen, dass der frühere Firmeninhaber der Firma Fliesen T, der Beigeladene zu 1), der Vater des Klägers war. Zwar können familiäre Beziehungen zwischen dem Beschäftigten und dem Firmeninhaber deren rechtliche Bindungen an das Weisungsrecht überlagern. Doch schließen mildere Formen der Ausübung des Weisungsrechts gegenüber Familiengehörigen und größere Freiheiten Familienangehöriger das Vorliegen abhängiger Beschäftigung nicht von vornherein aus (vgl. Segebrecht in jurisPK SGB IV, § 7 Rn. 123 Berchtold in KSW, § 7 SGB IV Rn. 40 ff.). Diese Formen der Rücksichtnahme sind insbesondere nicht geeignet, die Rechtsmacht, wie sie sich aus den Rechtsbeziehungen ergibt, gänzlich zu negieren. Die Rechtsmacht des Vaters als Firmeninhaber mag gegenüber dem Kläger zwar in "ruhigen Zeiten" durch familiäre Bindungen beeinflusst gewesen sein, so dass von ihr faktisch kein Gebrauch gemacht wurde. Sie entfällt jedoch nicht dadurch, dass rechtliche Regelungen zunächst "nur auf dem Papier stehen" und sie ihre Bedeutung oft erst im Konfliktfall erlangen, z.B. wenn es zu familiären Problemen kommt und die familiäre Rücksichtnahme ein Ende hat. Die latent vorhandene Rechtsmacht ist deshalb auch bei sogenannten Familiengesellschaften als ein Kriterium zu berücksichtigen, das für eine abhängige Beschäftigung spricht, selbst wenn von ihr - wie es auch hier für den streitigen Zeitraum unterstellt werden kann - konkret (noch) kein Gebrauch gemacht worden ist (vgl. Segebrecht in jurisPK SGB IV, § 7 Rn. 124; Berchtold in KSW, § 7 SGB IV Rn. 45; so nunmehr ausdrücklich auch BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R). Eine "Schönwetterselbsständigkeit" lässt sich mit dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände nicht vereinbaren (vgl. BSG Urteil v. 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R). Für die Beurteilung des Beschäftigungsverhältnisses kommt ihr deshalb keine Bedeutung zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved