S 16 SB 768/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
16
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 16 SB 768/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1) Für die Prüfung verwaltungsrechtlicher Entscheidungen über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach der VwV zu § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO sind die Verwaltungsgerichte auch dann zuständig,
wenn die Entscheidung durch die Versorgungsbehörde und nicht durch die Straßenverkehrsbehörde getroffen wird.

2) Bei der Frage der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Sonderparkerlaubnis handelt es sich nicht um ein gesundheitliches Merkmal im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 7 SGG.

3) Eine Zuständigkeit der Sozialgerichte kann nur durch Gesetz oder durch Rechtsverordnung begründet werden, nicht durch Verwaltungsvorschriften.
I. Der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist unzulässig.

II. Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht Chemnitz verwiesen.

III. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbe-halten.

Gründe:

I.
Das angerufene Gericht erklärt sich gemäß § 17a Abs. 2 S. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) für unzuständig, da der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht gegeben ist (§ 51 Sozialgerichtsgesetz). Zugleich war der Rechtsstreit an das sachlich und örtlich zuständige Gericht des zulässigen Rechtsweges zu verweisen. Der Kläger macht nämlich einen Gewährung einer Sonderparkerleichterung im Sinne der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr über die Bewilligung von Parkerleichterungen für besondere Gruppen schwerbehin-derter Menschen (VwV Parkerleichterungen) vom 31.12.2011 geltend. Auf Antrag vom 03.11.2011 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 02.07.2012 fest, dass der Grad der Behinderung (GSB) bei dem Kläger 90 betrage. Die gesundheitlichen Vor-aussetzungen für das Merkzeichen "G" lägen vor, die gesundheitlichen Voraussetzungen für andere Merkzeichen nicht. Auf den Widerspruch des Klägers erging am 30.08.2012 ein abweisender Widerspruchsbescheid. Mit Klageschrift vom 28.09.2012 stellt der Kläger unter Ziffer 1. den Antrag auf Aufhebung der Bescheide. Unter Ziffer 2. stellte er folgenden Antrag:

Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Parkerleichterungen in Form der Ausnahmegenehmigung im Straßenverkehr zu gewähren.

In der Gründen bezieht er sich ausdrücklich auf die genannte Verwaltungsvorschrift zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 VWV-StVO. Auf gerichtlichen Hinweis beantragte er mit Schriftsatz vom 19.12.2012 (hilfsweise) die Verweisung an das zuständige Verwaltungsgericht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.
Das Begehren des Klägers ergibt sich aus den Schriftsätzen, insbesondere aus der Klageschrift. Der Kläger hat die Klage wirksam auf die Gewährung einer Sonderparkerlaubnis nach der VwV Parkerleichterungen beschränkt. Nicht angegriffen werden die Feststellungen zum GdB und zu den im Verwaltungsverfahren verfahrensgegenständlichen Merkzeichen. Die Bescheide sind insoweit rechtskräftig geworden. Eine Zuständigkeit der Sozialgericht besteht nicht. Diese entscheiden nach § 51 Abs. 1 SGG (Sozialgerichtsgesetz) ausschließlich in folgenden Sachgebieten:

1. in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte, 2. in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflege-versicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,

3. in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,

4. in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,

4a. in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,

5. in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,

6. in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Strei-tigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung die-ser Vorschriften vorsehen,

6a. in Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes,

7. bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 69 des Neunten Buches Sozialgesetz-buch,

8. die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,

9. (weggefallen)

10. für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird. Eine Zuständigkeit aufgrund der Ziffern 1. bis 6a., 8. und 9. besteht offenkundig nicht. Es besteht auch keine Zuständigkeit nach Ziff 7 ... Gegenstand des Begehrens des Klägers ist, wie sich aus der Klageschrift ergibt, nicht der von dem Beklagten festgestellte GdB. Gleiches gilt für die Feststellung der Voraussetzungen der Merkzeichen im Sinne der Schwerbehindertenausweisverordnung vom 25.07.1991, denn der Kläger macht ausdrücklich einen Anspruch auf Gewährung einer Sonderparkerleichterung nach der sächsischen VwV Parkerleichterungen geltend. Dabei handelt es sich um eine straßenverkehrsrechtliche Vorschrift, wie sich bereits aus der Bezugnahme auf die gesetzliche Ermächtigung ergibt. Für deren gerichtliche Überprüfung von straßenverkehrsrechtlichen Normen sind die Sozialgerichte nicht zuständig. Dies gilt selbst dann, wenn die zur Entscheidung über Schwerbehindertensachen zuständigen Behörden eine entsprechende Entscheidung im Bescheid getroffen hätten. Auch dann wäre sie – ähnlich wie etwa im Baurecht die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens – nur inzidenter im Rahmen der Anfechtung einer Endentscheidung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde anfechtbar. Es handelt sich auch nicht um ein Merkzeichen im Sinne der genannten Ziffer 7., denn solche Merkzeichen können nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes festgelegt werden. Auf die Schwerbehindertenausweisverordnung oder die Verordnung vom 31.07.2001, erlassen durch Ermächtigung des Landesgleichberechtigungsgesetzes vom 17.05.1999, durch die im Lande Berlin das nur in dem genannten Land gültige Merkzeichen "T" eingeführt wurde, wird verwiesen. Ein solches Merkzeichen wird durch die VwV Parkerleichterungen auch nicht als in einen Ausweis einzutragendes Merkzeichen definiert. Eine gesetzliche Rechtswegzuweisung nach Ziff. 10. ist ebenfalls nicht erkennbar.

III.
Da die Kosten im Verfahren vor dem angegangenen Gericht als Teil der Kosten behandelt werden, die bei dem Gericht erwachsen, an das der Rechtsstreit verwiesen wurde, bleibt die Kostenentscheidung der Endentscheidung vorbehalten (§ 17b Abs. 2 S. 1 GVG).
Rechtskraft
Aus
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