Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KR 152/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 276/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.04.2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der ihr für eine kieferorthopädische Behandlung entstandenen Kosten.
Die im Jahre 1969 geborene Klägerin beantragte mit Schreiben vom 27.07.2009, eingegangen bei der Beklagten am 28.07.2009, die Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung. Ihrem Schreiben legte sie einen Heil- und Kostenplan für eine sog. CMD-Kieferorthopädie (CMD = craniomandibuläre Dysfunktion) bei. Der Heil- und Kostenplan erfolgte auf dem Briefbogen des Zahnarztes Dr. D in N. Er ist unterzeichnet von Dr. S als behandelndem Kieferorthopäden und der Klägerin als Patientin. Der Kostenplan wies eine veranschlagte Gesamtsumme für die Behandlungskosten in Höhe von 4.758,17 Euro auf.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 28.07.2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass kieferorthopädische Behandlungen bei Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben, nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehörten. Das gelte nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß hätten, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordere. Nach Angaben der Praxis handele es sich nicht um eine solche Ausnahmeindikation, weswegen eine Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenkassen ausscheide.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und trug zu dessen Begründung vor, dass sich bei ihr nach Ziehung des letzten Weisheitszahnes im November 2007 schleichend Schmerzen im gesamten Kopfbereich eingestellt hätten. Zunächst seien Kieferschmerzen aufgetreten, sodann seien migräneartige Kopfschmerzen sowie Nacken- und Schulterprobleme hinzugetreten. Seit März 2008 habe sie ein permanentes Verstopfungsgefühl im Ohr sowie teilweise Schluckbeschwerden. Durch diese Symptome sei ihre Konzentrationsfähigkeit mitunter stark eingeschränkt, was sie bei ihrer Arbeit behindere. Diese Beschwerden würden durch eine Fehlstellung des Kiefers hervorgerufen. Die kieferorthopädische Behandlung sei die einzige Behandlung, welche die akuten Krankheitsbilder therapieren könne und die Heilung der komplexen Dysfunktionen anstrebe. Bei der CMD handele es sich um ein anerkanntes Krankheitsbild. Es gebe ein erstes Gerichtsurteil (S 9 KR 259/07), das die medizinische Effektivität der Behandlung nach Dr. S bestätige. Die Kosten für dessen Behandlung lägen weit unter den Kosten, die entstehen würden, wenn die Erkrankung unbehandelt bliebe.
Nachdem die Klägerin die von der Beklagten beabsichtigte Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen abgelehnt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2010 zurück. Bei der Diagnose der CMD handele es sich nicht um eine schwere Kieferanomalie, welche eine der Ausnahmeindikationen nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung (sog. KFO-Richtlinien) erfülle.
Die Klägerin hat am 31.03.2010 Klage erhoben. Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Sie habe einen Behandlungsplan des Dr. D aus N vorgelegt, durch den die CMD attestiert werde. Es liege eine Ausnahmeindikation für eine zahnmedizinische und kieferorthopädische Behandlung vor. Ohne Behandlung sei davon auszugehen, dass aufgrund der Beschwerden eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit eintrete. Nur durch die vorgesehene Therapie könne dies abgewendet werden. Die bei ihr festgestellten Symptome führten dazu, dass sie zusätzlich unter sogenannten Angst- und Panikattacken leide. Darüber hinaus träten auch Existenz- und Verlustängste auf. Die CMD werde seit 2005 als offizielle Erkrankung anerkannt. Deswegen seien von den Krankenkassen auch die Kosten für die hierdurch verursachten kieferorthopädischen Behandlungen zu tragen. Nachdem bei ihr festgestellt worden sei, dass der Kieferschiefstand Ursache für die Symptome gewesen sei, sei eine Behandlung des Kieferschadens durch Weiten des Oberkiefers und Anpassung einer festsitzenden Zahnspange erfolgt. Durch die Zahnspange solle der Kiefer langsam wieder in seine ursprüngliche Haltung gelangen, damit die Symptome nach und nach abklingen könnten. Eine kieferorthopädische Behandlung sei insoweit unumgänglich. Dass bei ihr keine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich sei, sondern eine kombinierte zahnmedizinische und kieferorthopädische Behandlung, sei unerheblich. Es liege eine erhebliche Kieferfehlstellung vor, die in jedem Fall behandlungsbedürftig sei. Es sei daher sachlich gerechtfertigt, von den sogenannten Indikationsgruppen abzuweichen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2010 zu verurteilen, die Kosten gemäß Behandlungsplan vom 10.07.2009 für die kieferorthopädische Behandlung zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen. Ferner hat sie geltend gemacht, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht erfüllt seien, weil die Behandlung bereits am 10.07.2009 begonnen habe und eine erstmalige Ablehnung erst am 28.07.2009 erfolgt sei.
Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat die Klage nach Einholung von Befundberichten von Dr. D und Dr. S mit Urteil vom 21.04.2011 abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) seien nicht gegeben. Eine unaufschiebbare Behandlung habe bei Beginn der Behandlung nicht vorgelegen. Die erste Behandlung durch Dr. S habe bereits am 25.05.2009 stattgefunden, die erstmalige Behandlung nach der Methode der CMD-Kieferorthopädie aber erst am 03.07.2009. Auch seien die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V nicht erfüllt. So habe sich die Klägerin die Leistung verschafft, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. Ausweislich der Auskunft von Dr. S habe die Behandlung bereits vor Antragstellung auf Kostenerstattung am 28.07.2009 stattgefunden. Außerdem scheide eine Kostenerstattung deshalb aus, weil es sich um eine neuartige Therapie handele, für die eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nicht vorliege. Schließlich stehe dem Kostenerstattungsanspruch entgegen, dass der Klägerin rechtswirksam keine Kosten entstanden seien. Es fehle an einer vorherigen schriftlichen Vereinbarung über die privatärztliche Behandlung.
Gegen das ihr am 10.05.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 08.06.2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Zu deren Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. In Anlehnung an Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98, sog. Nikolaus-Beschluss) macht sie geltend, dass zu dessen Geltungsbereich auch chronische Erkrankungen zählen müssten. Zwar stelle die CMD am Anfang keine lebensbedrohliche Erkrankung dar, sei aber nach ihrem Verlauf einer chronischen Erkrankung gleichzustellen, die mit erheblichen Beeinträchtigungen einhergehe. Die Therapie durch Dr. S habe zur Beschwerdefreiheit geführt. Ohne diese Therapie wäre sie zukünftig weder arbeitsfähig gewesen noch hätte ausgeschlossen werden können, dass es bei fortschreitendem Krankheitsverlauf zu weiteren massiven körperlichen und/oder geistigen Funktionsverlusten gekommen wäre. Eine vertragliche Grundlage sei im Übrigen in dem Heil- und Kostenplan zu sehen, der von Dr. S ausgestellt worden sei. Schließlich stützt sie ihren Anspruch auf das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX), da nach ihrer Auffassung die Therapie der CMD eine Leistung der medizinischen Rehabilitation darstelle. Ergänzend trägt die Klägerin vor, dass sie am 27.05.2009 bei der Beklagten angerufen und von der zuständigen Sachbearbeiterin, einer Frau O, erfahren habe, dass die Beklagte auch im Falle der CMD grundsätzlich keine Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung trage. Es sei ihr in der Folge nicht zumutbar gewesen, die schriftliche Entscheidung der Beklagten bis zu ihrem Behandlungsbeginn noch abzuwarten. Sie habe im Behandlungszeitraum 2009 bis 2011 insgesamt 2.680,51 Euro gezahlt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.04.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2010 zu verurteilen, die Kosten für die kieferorthopädische Behandlung im Zeitraum von 2009 bis 2011 in Höhe von 2.680,51 Euro zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Klägerin hat die Privatrechnungen des Dr. S vom 09.01.2012, 04.10.2011, 04.07.2011, 04.04.2011, 15.10.2010, 05.07.2010, 15.04.2010, 23.12.2009, 03.11.2009 und 17.08.2009 zu den Gerichtsakten gereicht. Auf Bl. 155ff der Gerichtsakte wird insoweit verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Gerichtsakte S 9 KR 259/07 - Sozialgericht Duisburg - Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die kieferorthopädische Behandlung der CMD entstanden sind.
Da die Klägerin das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 SGB V ersichtlich nicht gewählt hat, kommt als einzige Anspruchsgrundlage § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Soweit die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, sieht § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vor, dass diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten sind, soweit die Leistung notwendig war. Die Voraussetzungen einer Kostenerstattung nach Maßgabe dieser Vorschrift sind indes nicht erfüllt.
Bei der streitigen Behandlung handelte es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (vgl. BSG Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Daran fehlt es. Die Beschwerden der Klägerin waren nicht Folge eines plötzlich aufgetretenen Ereignisses, sondern haben sich nach ihrem Vortrag seit November 2007 über viele Jahre hinweg sukzessive entwickelt. Schon ihrem Vortrag ist daher weder zu entnehmen, dass eine unmittelbar beginnende Behandlung erforderlich geworden, noch, dass ihr ein Abwarten bis zu einer Entscheidung durch die Beklagte nicht zuzumuten gewesen wäre. Das entspricht im Übrigen auch dem tatsächlichen Geschehensablauf. Bereits im Mai 2009 haben die ersten Behandlungsmaßnahmen stattgefunden und hat die Klägerin sich - nach ihrem im Berufungsverfahren neuen Vortrag - telefonisch bei der Beklagten über die Erstattungsfähigkeit der Kosten informiert. Die Behandlung begann laut Dr. S mit Erörterung des Heil- und Kostenplans am 03.07.2009, der schriftliche Heil- und Kostenplan folgte am 10.07.2009. Liegen zwischen Erstkontakt und Behandlungsbeginn bereits ca. 6 Wochen, hat die Klägerin darüber hinaus nochmals drei Wochen zugewartet, um den entsprechenden Leistungsantrag bei der Beklagten mit Schreiben vom 27.07.2009 zu stellen. Eine unaufschiebbare Leistung war daher ersichtlich nicht gegeben.
Aber auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V liegen nicht vor. Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung (vgl. BSG Beschluss vom 01.04.2010 - B 1 KR 114/09 B -; BSG Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 5/09 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 15). An dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es regelmäßig, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl. BSG Beschluss vom 15.04.1997 - 1 BK 31/96 - SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). So liegt der Fall hier. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten war nicht kausal für den Anfall der Kosten. Die Klägerin hatte mit der Behandlung bereits begonnen, bevor die Beklagte die Leistungserbringung mittels Bescheid abgelehnt hatte. Die Übernahme der streitigen Behandlung hatte die Klägerin erst mit Schreiben vom 27.07.2009 beantragt, die Maßnahme aber bereits am 03.07.2009 begonnen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist im Regelfall die Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplans als Beginn der Behandlung anzusehen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Behandlungsplan nicht in angemessenem zeitlichem Abstand nach seiner Aufstellung umgesetzt wird (vgl. BSG Urteil vom 25.03.2003 - B 1 KR 17/01 R - SozR 4-2500 § 28 Nr. 1; Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97 - SozR 3-2500 § 28 Nr. 3). Die Behandlung begann hier schon unmittelbar nach mündlicher Erörterung des Heil- und Kostenplans am 03.07.2009. Der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, wonach sie am 27.05.2009 telefonisch bei der Beklagten vorgesprochen und eine abschlägige Antwort erhalten habe, führt zu keiner anderen Bewertung. Dass die Klägerin selbst dem Telefonat keine rechtliche Relevanz beigemessen hat, zeigt sich schon daran, dass sie unter Einreichung des Heil- und Kostenplans im Juli 2009 einen schriftlichen Antrag bei der Beklagten gestellt hat. Darüber hinaus dürfte die Auskunft der Sachbearbeiterin aber auch lediglich als allgemeine Auskunft zu werten sein, da ihr - ungeachtet der Anforderungen an eine förmliche Entscheidung - mangels Vorlage eines Heil- und Kostenplans noch keine Entscheidungsgrundlage verschafft worden war.
Unbeachtlich ist ferner der Umstand, dass die Behandlung bei Ablehnung durch die Beklagte am 28.07.2009 noch nicht abgeschlossen war. Grundsätzlich wird zwar bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse im allgemeinen als Zäsur gesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden; für spätere Leistungen wird der erforderliche Kausalzusammenhang dagegen bejaht (vgl. BSG Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Das kann indes nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. War mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (vgl. BSG Urteil vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00 R - SozR 3-2500 § 28 Nr. 6). Die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin ist als zusammenhängender Komplex zu sehen (vgl. BSG a.a.O.), so dass der Kausalzusammenhang auch für die nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten erbrachten Leistungen zu verneinen ist.
Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V sind vorliegend aber auch deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V die (ambulante) zahnärztliche Behandlung. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V beinhaltet die (ambulante) zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V). Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert (§ 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V).
Nach § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB V hat der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen, bei denen die in § 29 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen vorliegen, zu bestimmen. Das sind Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Dabei hat der G-BA auch einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik vorzugeben (§ 29 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Diesen gesetzlichen Auftrag zum Erlass normkonkretisierender und damit anspruchsbegründender Richtlinien hat der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen (seit 01.01.2004: Gemeinsamer Bundesausschuss, eingeführt mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GUG -) mit den am 01.01.2004 in Kraft getretenen "Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung" in der Fassung vom 04.06.2003 und vom 24.09.2003 (BAnz Nr. 226, S. 24966 (KFO-Richtlinien)) erfüllt. Schwere Kieferanomalien im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V liegen nach Maßgabe der Anlage 3 zu diesen Richtlinien vor bei angeborenen Missbildungen des Gesichts und der Kiefer, skelettalen Dysgnathien und verletzungsbedingten Kieferfehlstellungen, sofern eine Einstufung mindestens in die Behandlungsbedarfsgrade A5, D4, M4, O5, B4 oder K4 der Indikationsgruppen festgestellt wird. In diesen Fällen ist ein aufeinander abgestimmtes kieferchirurgisches und kieferorthopädisches Behandlungskonzept zu erstellen (vgl. B.4 der KFO-Richtlinien).
In Anwendung dieser Regelungen ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Behandlungskosten, die ihr durch die Therapie der CMD entstanden sind, ausgeschlossen. Sie hatte zu Beginn der Behandlung bereits das 18. Lebensjahr vollendet. Auch liegen bei ihr nach ihrem eigenen Vortrag und nach Auswertung der Befundberichte der behandelnden Ärzte keine Kieferanomalien vor, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich machten. Die CMD unterfällt nicht den in den Richtlinien des G-BA aufgeführten Kieferanomalien, die den gesetzgeberischen Vorgaben entsprechen (vgl. BT-Drucksache 12/3608 S. 79). Hierbei ist nicht zu prüfen, ob der bei der Klägerin bestehende Befund einen vergleichbaren Schweregrad aufweist wie eine der beschriebenen Kieferanomalien. Die Aufzählung in § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V i.V.m. B 4. der KFO-Richtlinien ist abschließend. Eine erweiternde Auslegung entspricht nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers (vgl. BSG Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97 - Nr. 13f; Beschlüsse vom 20.06.2005 - B 1 KR 20/04 B - und vom 19.07.2004 - B 1 KR 2/04 BH -; s.a. BT-Drucksache a.a.O.). Der umfassend geregelte Leistungsausschluss des § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V gilt grundsätzlich unabhängig von den Gründen, die im konkreten Fall zu einer Behandlungsnotwendigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres geführt haben. Aus diesem Grund bestehen Ansprüche des Versicherten weder bei Folgeerkrankungen noch im Hinblick auf Art oder Ursache der zu behandelnden Kieferanomalie (vgl. BSG a.a.O.). Deshalb ist es nicht erheblich, ob es sich bei der Therapie nach Dr. S um eine sog. neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt, die grundsätzlich einer Anerkennung durch den G-BA nach § 135 SGB V bedarf. Im Ergebnis handelt es sich bei der von Dr. S bei der Klägerin angewendeten Methode um eine kieferorthopädische Behandlung, auch wenn er die CMD-Kieferorthopädie von der "üblichen Kieferorthopädie" unterschieden wissen will. Das zeigen letztlich auch die von der Klägerin eingereichten Rechnungen, die Dr. S über die im Zeitraum 2009 bis 2011 durchgeführten Behandlungen ausgestellt hat. Er stellt darin ganz überwiegend Leistungen in Rechnung, die nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GoZ) dem Kapitel G und daher den kieferorthopädischen Leistungen zuzuordnen sind.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist ferner nicht entscheidend, welche Erkrankung Auslöser für die kieferorthopädische Behandlung ist. Zwar war gesetzgeberischer Ausgangspunkt der Ausschluss von Maßnahmen, die aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge erfolgen (vgl. BT-Drucksache 12/3608 S. 79). Der Gesetzgeber hat sich jedoch nicht darauf beschränkt, allein diese Maßnahmen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) herauszunehmen. Vielmehr schließt § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V jegliche kieferorthopädische Behandlung im Erwachsenenalter außerhalb der aufgeführten Ausnahmeregelungen aus (vgl. BSG Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97 - a.a.O.; Höfler in KassKomm, 74. Ergänzungslieferung 2012, § 28 Rz. 20a). Demnach ist nicht entscheidend, ob es sich bei der CMD - wie die Klägerin vorträgt - um eine anerkannte Erkrankung handelt. Zu hinterfragen ist allein, ob die Therapie eine solche ist, die zum Leistungskatalog der GKV gehört. Da es sich um eine kieferorthopädische Behandlung handelt, wird sie von § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V erfasst. Der umfassende Leistungsausschluss ist nach der Rechtsprechung des BSG auch als verfassungsgemäß zu werten (vgl. BSG a.a.O.).
Der Annahme eines Ausnahmetatbestandes im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V steht im Übrigen entgegen, dass die Therapie der CMD, wie sie von Dr. S durchgeführt wird, nicht aus einer Kombination aus kieferchirurgischer und kieferorthopädischer Behandlung besteht.
Soweit die Klägerin sich zur Stützung ihres Anspruchs auf den Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005 (- 1 BvR 347/98 -; sog. Nikolausbeschluss) und die darin entwickelten Grundsätze beruft, führt das zu keinem anderen Ergebnis. In Bezug auf die CMD gilt das schon deshalb, weil andere Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen und die von Dr. S entwickelte Therapie nur eine von mehreren Behandlungsmöglichkeiten darstellt.
Anspruchsnormen des SGB IX sind ebenfalls nicht geeignet, das Begehren der Klägerin auf Kostenerstattung zu stützen. Dabei kann dahinstehen, ob dieses Gesetz in der vorliegenden Konstellation überhaupt Anwendung fände. Ein Anspruch scheidet bereits deshalb aus, weil sich die Klägerin die Leistung selbst beschafft hat und somit die Voraussetzungen des § 15 SGB IX (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V) hätte erfüllen müssen. § 15 Abs. 1 SGB IX setzt ebenso wie § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V eine Kausalität zwischen Leistungsbeschaffung und nicht rechtzeitiger Leistungserbringung bzw. zu Unrecht abgelehnter Leistung voraus. Insofern gelten im Rahmen des § 15 SGB IX die obigen Ausführungen zur Unaufschiebbarkeit der Leistung, zur Kausalität sowie der - nicht - zu Unrecht erfolgten Ablehnung in gleicher Weise.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach Maßgabe des § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung der ihr für eine kieferorthopädische Behandlung entstandenen Kosten.
Die im Jahre 1969 geborene Klägerin beantragte mit Schreiben vom 27.07.2009, eingegangen bei der Beklagten am 28.07.2009, die Kostenübernahme für eine kieferorthopädische Behandlung. Ihrem Schreiben legte sie einen Heil- und Kostenplan für eine sog. CMD-Kieferorthopädie (CMD = craniomandibuläre Dysfunktion) bei. Der Heil- und Kostenplan erfolgte auf dem Briefbogen des Zahnarztes Dr. D in N. Er ist unterzeichnet von Dr. S als behandelndem Kieferorthopäden und der Klägerin als Patientin. Der Kostenplan wies eine veranschlagte Gesamtsumme für die Behandlungskosten in Höhe von 4.758,17 Euro auf.
Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 28.07.2009 ab. Zur Begründung führte sie aus, dass kieferorthopädische Behandlungen bei Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben, nicht zur vertragszahnärztlichen Versorgung gehörten. Das gelte nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß hätten, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordere. Nach Angaben der Praxis handele es sich nicht um eine solche Ausnahmeindikation, weswegen eine Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenkassen ausscheide.
Die Klägerin legte hiergegen Widerspruch ein und trug zu dessen Begründung vor, dass sich bei ihr nach Ziehung des letzten Weisheitszahnes im November 2007 schleichend Schmerzen im gesamten Kopfbereich eingestellt hätten. Zunächst seien Kieferschmerzen aufgetreten, sodann seien migräneartige Kopfschmerzen sowie Nacken- und Schulterprobleme hinzugetreten. Seit März 2008 habe sie ein permanentes Verstopfungsgefühl im Ohr sowie teilweise Schluckbeschwerden. Durch diese Symptome sei ihre Konzentrationsfähigkeit mitunter stark eingeschränkt, was sie bei ihrer Arbeit behindere. Diese Beschwerden würden durch eine Fehlstellung des Kiefers hervorgerufen. Die kieferorthopädische Behandlung sei die einzige Behandlung, welche die akuten Krankheitsbilder therapieren könne und die Heilung der komplexen Dysfunktionen anstrebe. Bei der CMD handele es sich um ein anerkanntes Krankheitsbild. Es gebe ein erstes Gerichtsurteil (S 9 KR 259/07), das die medizinische Effektivität der Behandlung nach Dr. S bestätige. Die Kosten für dessen Behandlung lägen weit unter den Kosten, die entstehen würden, wenn die Erkrankung unbehandelt bliebe.
Nachdem die Klägerin die von der Beklagten beabsichtigte Begutachtung durch den medizinischen Dienst der Krankenkassen abgelehnt hatte, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 01.03.2010 zurück. Bei der Diagnose der CMD handele es sich nicht um eine schwere Kieferanomalie, welche eine der Ausnahmeindikationen nach den Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung (sog. KFO-Richtlinien) erfülle.
Die Klägerin hat am 31.03.2010 Klage erhoben. Zu deren Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen: Sie habe einen Behandlungsplan des Dr. D aus N vorgelegt, durch den die CMD attestiert werde. Es liege eine Ausnahmeindikation für eine zahnmedizinische und kieferorthopädische Behandlung vor. Ohne Behandlung sei davon auszugehen, dass aufgrund der Beschwerden eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit eintrete. Nur durch die vorgesehene Therapie könne dies abgewendet werden. Die bei ihr festgestellten Symptome führten dazu, dass sie zusätzlich unter sogenannten Angst- und Panikattacken leide. Darüber hinaus träten auch Existenz- und Verlustängste auf. Die CMD werde seit 2005 als offizielle Erkrankung anerkannt. Deswegen seien von den Krankenkassen auch die Kosten für die hierdurch verursachten kieferorthopädischen Behandlungen zu tragen. Nachdem bei ihr festgestellt worden sei, dass der Kieferschiefstand Ursache für die Symptome gewesen sei, sei eine Behandlung des Kieferschadens durch Weiten des Oberkiefers und Anpassung einer festsitzenden Zahnspange erfolgt. Durch die Zahnspange solle der Kiefer langsam wieder in seine ursprüngliche Haltung gelangen, damit die Symptome nach und nach abklingen könnten. Eine kieferorthopädische Behandlung sei insoweit unumgänglich. Dass bei ihr keine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich sei, sondern eine kombinierte zahnmedizinische und kieferorthopädische Behandlung, sei unerheblich. Es liege eine erhebliche Kieferfehlstellung vor, die in jedem Fall behandlungsbedürftig sei. Es sei daher sachlich gerechtfertigt, von den sogenannten Indikationsgruppen abzuweichen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2010 zu verurteilen, die Kosten gemäß Behandlungsplan vom 10.07.2009 für die kieferorthopädische Behandlung zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden verwiesen. Ferner hat sie geltend gemacht, dass die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht erfüllt seien, weil die Behandlung bereits am 10.07.2009 begonnen habe und eine erstmalige Ablehnung erst am 28.07.2009 erfolgt sei.
Das Sozialgericht Duisburg (SG) hat die Klage nach Einholung von Befundberichten von Dr. D und Dr. S mit Urteil vom 21.04.2011 abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) seien nicht gegeben. Eine unaufschiebbare Behandlung habe bei Beginn der Behandlung nicht vorgelegen. Die erste Behandlung durch Dr. S habe bereits am 25.05.2009 stattgefunden, die erstmalige Behandlung nach der Methode der CMD-Kieferorthopädie aber erst am 03.07.2009. Auch seien die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V nicht erfüllt. So habe sich die Klägerin die Leistung verschafft, ohne die Krankenkasse einzuschalten und deren Entscheidung abzuwarten. Ausweislich der Auskunft von Dr. S habe die Behandlung bereits vor Antragstellung auf Kostenerstattung am 28.07.2009 stattgefunden. Außerdem scheide eine Kostenerstattung deshalb aus, weil es sich um eine neuartige Therapie handele, für die eine Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) nicht vorliege. Schließlich stehe dem Kostenerstattungsanspruch entgegen, dass der Klägerin rechtswirksam keine Kosten entstanden seien. Es fehle an einer vorherigen schriftlichen Vereinbarung über die privatärztliche Behandlung.
Gegen das ihr am 10.05.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 08.06.2011 eingelegte Berufung der Klägerin. Zu deren Begründung wiederholt und vertieft sie ihr erstinstanzliches Vorbringen. In Anlehnung an Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 06.12.2005, 1 BvR 347/98, sog. Nikolaus-Beschluss) macht sie geltend, dass zu dessen Geltungsbereich auch chronische Erkrankungen zählen müssten. Zwar stelle die CMD am Anfang keine lebensbedrohliche Erkrankung dar, sei aber nach ihrem Verlauf einer chronischen Erkrankung gleichzustellen, die mit erheblichen Beeinträchtigungen einhergehe. Die Therapie durch Dr. S habe zur Beschwerdefreiheit geführt. Ohne diese Therapie wäre sie zukünftig weder arbeitsfähig gewesen noch hätte ausgeschlossen werden können, dass es bei fortschreitendem Krankheitsverlauf zu weiteren massiven körperlichen und/oder geistigen Funktionsverlusten gekommen wäre. Eine vertragliche Grundlage sei im Übrigen in dem Heil- und Kostenplan zu sehen, der von Dr. S ausgestellt worden sei. Schließlich stützt sie ihren Anspruch auf das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - (SGB IX), da nach ihrer Auffassung die Therapie der CMD eine Leistung der medizinischen Rehabilitation darstelle. Ergänzend trägt die Klägerin vor, dass sie am 27.05.2009 bei der Beklagten angerufen und von der zuständigen Sachbearbeiterin, einer Frau O, erfahren habe, dass die Beklagte auch im Falle der CMD grundsätzlich keine Kosten für eine kieferorthopädische Behandlung trage. Es sei ihr in der Folge nicht zumutbar gewesen, die schriftliche Entscheidung der Beklagten bis zu ihrem Behandlungsbeginn noch abzuwarten. Sie habe im Behandlungszeitraum 2009 bis 2011 insgesamt 2.680,51 Euro gezahlt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 21.04.2011 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.07.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.03.2010 zu verurteilen, die Kosten für die kieferorthopädische Behandlung im Zeitraum von 2009 bis 2011 in Höhe von 2.680,51 Euro zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Die Klägerin hat die Privatrechnungen des Dr. S vom 09.01.2012, 04.10.2011, 04.07.2011, 04.04.2011, 15.10.2010, 05.07.2010, 15.04.2010, 23.12.2009, 03.11.2009 und 17.08.2009 zu den Gerichtsakten gereicht. Auf Bl. 155ff der Gerichtsakte wird insoweit verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der beigezogenen Gerichtsakte S 9 KR 259/07 - Sozialgericht Duisburg - Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihr durch die kieferorthopädische Behandlung der CMD entstanden sind.
Da die Klägerin das Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 SGB V ersichtlich nicht gewählt hat, kommt als einzige Anspruchsgrundlage § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Soweit die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, sieht § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V vor, dass diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten sind, soweit die Leistung notwendig war. Die Voraussetzungen einer Kostenerstattung nach Maßgabe dieser Vorschrift sind indes nicht erfüllt.
Bei der streitigen Behandlung handelte es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 1. Alt. SGB V. Eine Leistung ist unaufschiebbar, wenn sie im Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Durchführung so dringlich war, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (vgl. BSG Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Daran fehlt es. Die Beschwerden der Klägerin waren nicht Folge eines plötzlich aufgetretenen Ereignisses, sondern haben sich nach ihrem Vortrag seit November 2007 über viele Jahre hinweg sukzessive entwickelt. Schon ihrem Vortrag ist daher weder zu entnehmen, dass eine unmittelbar beginnende Behandlung erforderlich geworden, noch, dass ihr ein Abwarten bis zu einer Entscheidung durch die Beklagte nicht zuzumuten gewesen wäre. Das entspricht im Übrigen auch dem tatsächlichen Geschehensablauf. Bereits im Mai 2009 haben die ersten Behandlungsmaßnahmen stattgefunden und hat die Klägerin sich - nach ihrem im Berufungsverfahren neuen Vortrag - telefonisch bei der Beklagten über die Erstattungsfähigkeit der Kosten informiert. Die Behandlung begann laut Dr. S mit Erörterung des Heil- und Kostenplans am 03.07.2009, der schriftliche Heil- und Kostenplan folgte am 10.07.2009. Liegen zwischen Erstkontakt und Behandlungsbeginn bereits ca. 6 Wochen, hat die Klägerin darüber hinaus nochmals drei Wochen zugewartet, um den entsprechenden Leistungsantrag bei der Beklagten mit Schreiben vom 27.07.2009 zu stellen. Eine unaufschiebbare Leistung war daher ersichtlich nicht gegeben.
Aber auch die Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB V liegen nicht vor. Voraussetzung des Kostenerstattungsanspruchs nach rechtswidriger Ablehnung der Leistung durch die Krankenkasse ist der notwendige Kausalzusammenhang zwischen der Entscheidung der Krankenkasse und der Selbstbeschaffung (vgl. BSG Beschluss vom 01.04.2010 - B 1 KR 114/09 B -; BSG Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 5/09 R - SozR 4-2500 § 31 Nr. 15). An dem erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt es regelmäßig, wenn die Kasse vor Inanspruchnahme der Behandlung mit dem Leistungsbegehren gar nicht befasst wurde, obwohl dies möglich gewesen wäre (vgl. BSG Beschluss vom 15.04.1997 - 1 BK 31/96 - SozR 3-2500 § 13 Nr. 15; Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). So liegt der Fall hier. Die ablehnende Entscheidung der Beklagten war nicht kausal für den Anfall der Kosten. Die Klägerin hatte mit der Behandlung bereits begonnen, bevor die Beklagte die Leistungserbringung mittels Bescheid abgelehnt hatte. Die Übernahme der streitigen Behandlung hatte die Klägerin erst mit Schreiben vom 27.07.2009 beantragt, die Maßnahme aber bereits am 03.07.2009 begonnen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist im Regelfall die Aufstellung des kieferorthopädischen Behandlungsplans als Beginn der Behandlung anzusehen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Behandlungsplan nicht in angemessenem zeitlichem Abstand nach seiner Aufstellung umgesetzt wird (vgl. BSG Urteil vom 25.03.2003 - B 1 KR 17/01 R - SozR 4-2500 § 28 Nr. 1; Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97 - SozR 3-2500 § 28 Nr. 3). Die Behandlung begann hier schon unmittelbar nach mündlicher Erörterung des Heil- und Kostenplans am 03.07.2009. Der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, wonach sie am 27.05.2009 telefonisch bei der Beklagten vorgesprochen und eine abschlägige Antwort erhalten habe, führt zu keiner anderen Bewertung. Dass die Klägerin selbst dem Telefonat keine rechtliche Relevanz beigemessen hat, zeigt sich schon daran, dass sie unter Einreichung des Heil- und Kostenplans im Juli 2009 einen schriftlichen Antrag bei der Beklagten gestellt hat. Darüber hinaus dürfte die Auskunft der Sachbearbeiterin aber auch lediglich als allgemeine Auskunft zu werten sein, da ihr - ungeachtet der Anforderungen an eine förmliche Entscheidung - mangels Vorlage eines Heil- und Kostenplans noch keine Entscheidungsgrundlage verschafft worden war.
Unbeachtlich ist ferner der Umstand, dass die Behandlung bei Ablehnung durch die Beklagte am 28.07.2009 noch nicht abgeschlossen war. Grundsätzlich wird zwar bei laufenden oder sich über einen längeren Zeitraum erstreckenden Leistungen die ablehnende Entscheidung der Krankenkasse im allgemeinen als Zäsur gesehen und die Kostenerstattung nur für diejenigen Leistungen ausgeschlossen, die bis zum Zeitpunkt der Entscheidung auf eigene Rechnung beschafft wurden; für spätere Leistungen wird der erforderliche Kausalzusammenhang dagegen bejaht (vgl. BSG Urteil vom 25.09.2000 - B 1 KR 5/99 R - SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Das kann indes nur gelten, wenn die nachträglich getroffene Entscheidung der Krankenkasse noch geeignet war, das weitere Leistungsgeschehen zu beeinflussen. War mit dem eigenmächtigen Beginn der Behandlung das weitere Vorgehen bereits endgültig festgelegt, fehlt der erforderliche Ursachenzusammenhang zwischen der Ablehnung der Kasse und der Kostenbelastung des Versicherten auch für den Teil der Behandlung, der zeitlich nach dem ablehnenden Bescheid liegt (vgl. BSG Urteil vom 19.06.2001 - B 1 KR 23/00 R - SozR 3-2500 § 28 Nr. 6). Die kieferorthopädische Behandlung der Klägerin ist als zusammenhängender Komplex zu sehen (vgl. BSG a.a.O.), so dass der Kausalzusammenhang auch für die nach der ablehnenden Entscheidung der Beklagten erbrachten Leistungen zu verneinen ist.
Die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V sind vorliegend aber auch deshalb nicht gegeben, weil die Beklagte die Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V die (ambulante) zahnärztliche Behandlung. Gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 SGB V beinhaltet die (ambulante) zahnärztliche Behandlung die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben (§ 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V). Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert (§ 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V).
Nach § 29 Abs. 4 Satz 1 SGB V hat der GBA in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 SGB V befundbezogen die objektiv überprüfbaren Indikationsgruppen, bei denen die in § 29 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen vorliegen, zu bestimmen. Das sind Indikationsgruppen, bei denen eine Kiefer- oder Zahnfehlstellung vorliegt, die das Kauen, Beißen, Sprechen oder Atmen erheblich beeinträchtigt oder zu beeinträchtigen droht. Dabei hat der G-BA auch einzuhaltende Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik vorzugeben (§ 29 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Diesen gesetzlichen Auftrag zum Erlass normkonkretisierender und damit anspruchsbegründender Richtlinien hat der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen (seit 01.01.2004: Gemeinsamer Bundesausschuss, eingeführt mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - GUG -) mit den am 01.01.2004 in Kraft getretenen "Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die kieferorthopädische Behandlung" in der Fassung vom 04.06.2003 und vom 24.09.2003 (BAnz Nr. 226, S. 24966 (KFO-Richtlinien)) erfüllt. Schwere Kieferanomalien im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V liegen nach Maßgabe der Anlage 3 zu diesen Richtlinien vor bei angeborenen Missbildungen des Gesichts und der Kiefer, skelettalen Dysgnathien und verletzungsbedingten Kieferfehlstellungen, sofern eine Einstufung mindestens in die Behandlungsbedarfsgrade A5, D4, M4, O5, B4 oder K4 der Indikationsgruppen festgestellt wird. In diesen Fällen ist ein aufeinander abgestimmtes kieferchirurgisches und kieferorthopädisches Behandlungskonzept zu erstellen (vgl. B.4 der KFO-Richtlinien).
In Anwendung dieser Regelungen ist ein Anspruch der Klägerin auf Übernahme der Behandlungskosten, die ihr durch die Therapie der CMD entstanden sind, ausgeschlossen. Sie hatte zu Beginn der Behandlung bereits das 18. Lebensjahr vollendet. Auch liegen bei ihr nach ihrem eigenen Vortrag und nach Auswertung der Befundberichte der behandelnden Ärzte keine Kieferanomalien vor, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erforderlich machten. Die CMD unterfällt nicht den in den Richtlinien des G-BA aufgeführten Kieferanomalien, die den gesetzgeberischen Vorgaben entsprechen (vgl. BT-Drucksache 12/3608 S. 79). Hierbei ist nicht zu prüfen, ob der bei der Klägerin bestehende Befund einen vergleichbaren Schweregrad aufweist wie eine der beschriebenen Kieferanomalien. Die Aufzählung in § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V i.V.m. B 4. der KFO-Richtlinien ist abschließend. Eine erweiternde Auslegung entspricht nicht der Zielsetzung des Gesetzgebers (vgl. BSG Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97 - Nr. 13f; Beschlüsse vom 20.06.2005 - B 1 KR 20/04 B - und vom 19.07.2004 - B 1 KR 2/04 BH -; s.a. BT-Drucksache a.a.O.). Der umfassend geregelte Leistungsausschluss des § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V gilt grundsätzlich unabhängig von den Gründen, die im konkreten Fall zu einer Behandlungsnotwendigkeit erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres geführt haben. Aus diesem Grund bestehen Ansprüche des Versicherten weder bei Folgeerkrankungen noch im Hinblick auf Art oder Ursache der zu behandelnden Kieferanomalie (vgl. BSG a.a.O.). Deshalb ist es nicht erheblich, ob es sich bei der Therapie nach Dr. S um eine sog. neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode handelt, die grundsätzlich einer Anerkennung durch den G-BA nach § 135 SGB V bedarf. Im Ergebnis handelt es sich bei der von Dr. S bei der Klägerin angewendeten Methode um eine kieferorthopädische Behandlung, auch wenn er die CMD-Kieferorthopädie von der "üblichen Kieferorthopädie" unterschieden wissen will. Das zeigen letztlich auch die von der Klägerin eingereichten Rechnungen, die Dr. S über die im Zeitraum 2009 bis 2011 durchgeführten Behandlungen ausgestellt hat. Er stellt darin ganz überwiegend Leistungen in Rechnung, die nach der Gebührenordnung für Zahnärzte (GoZ) dem Kapitel G und daher den kieferorthopädischen Leistungen zuzuordnen sind.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist ferner nicht entscheidend, welche Erkrankung Auslöser für die kieferorthopädische Behandlung ist. Zwar war gesetzgeberischer Ausgangspunkt der Ausschluss von Maßnahmen, die aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge erfolgen (vgl. BT-Drucksache 12/3608 S. 79). Der Gesetzgeber hat sich jedoch nicht darauf beschränkt, allein diese Maßnahmen aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) herauszunehmen. Vielmehr schließt § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V jegliche kieferorthopädische Behandlung im Erwachsenenalter außerhalb der aufgeführten Ausnahmeregelungen aus (vgl. BSG Urteil vom 09.12.1997 - 1 RK 11/97 - a.a.O.; Höfler in KassKomm, 74. Ergänzungslieferung 2012, § 28 Rz. 20a). Demnach ist nicht entscheidend, ob es sich bei der CMD - wie die Klägerin vorträgt - um eine anerkannte Erkrankung handelt. Zu hinterfragen ist allein, ob die Therapie eine solche ist, die zum Leistungskatalog der GKV gehört. Da es sich um eine kieferorthopädische Behandlung handelt, wird sie von § 28 Abs. 2 Satz 6 SGB V erfasst. Der umfassende Leistungsausschluss ist nach der Rechtsprechung des BSG auch als verfassungsgemäß zu werten (vgl. BSG a.a.O.).
Der Annahme eines Ausnahmetatbestandes im Sinne von § 28 Abs. 2 Satz 7 SGB V steht im Übrigen entgegen, dass die Therapie der CMD, wie sie von Dr. S durchgeführt wird, nicht aus einer Kombination aus kieferchirurgischer und kieferorthopädischer Behandlung besteht.
Soweit die Klägerin sich zur Stützung ihres Anspruchs auf den Beschluss des BVerfG vom 06.12.2005 (- 1 BvR 347/98 -; sog. Nikolausbeschluss) und die darin entwickelten Grundsätze beruft, führt das zu keinem anderen Ergebnis. In Bezug auf die CMD gilt das schon deshalb, weil andere Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen und die von Dr. S entwickelte Therapie nur eine von mehreren Behandlungsmöglichkeiten darstellt.
Anspruchsnormen des SGB IX sind ebenfalls nicht geeignet, das Begehren der Klägerin auf Kostenerstattung zu stützen. Dabei kann dahinstehen, ob dieses Gesetz in der vorliegenden Konstellation überhaupt Anwendung fände. Ein Anspruch scheidet bereits deshalb aus, weil sich die Klägerin die Leistung selbst beschafft hat und somit die Voraussetzungen des § 15 SGB IX (vgl. § 13 Abs. 3 Satz 2 SGB V) hätte erfüllen müssen. § 15 Abs. 1 SGB IX setzt ebenso wie § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V eine Kausalität zwischen Leistungsbeschaffung und nicht rechtzeitiger Leistungserbringung bzw. zu Unrecht abgelehnter Leistung voraus. Insofern gelten im Rahmen des § 15 SGB IX die obigen Ausführungen zur Unaufschiebbarkeit der Leistung, zur Kausalität sowie der - nicht - zu Unrecht erfolgten Ablehnung in gleicher Weise.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach Maßgabe des § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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