Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 7 KR 388/11 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 355/12 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ein Fremdgeschäftsführer einer GmbH kann selbstständig tätig sein im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV, wenn die Gesellschafter wirksam auf ihr Weisungsrecht verzichtet haben.
Der Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 28. Juni 2012 wird aufgehoben. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 1. September 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Oktober 2012 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Streitwert wird für beide Instanzen auf jeweils 50.811,28 EUR festgesetzt.
Gründe:
Zur Sachverhaltsdarstellung nimmt der Senat zunächst auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Bezug (§ 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entsprechend).
Von Beiladungen, insbesondere der ehemaligen Geschäftsführerin L (=L), hat er abgesehen, weil eine zwingende Beteiligung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht erforderlich ist
Die Beschwerde hat Erfolg.
Nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG unter anderem bei einem Prüfbescheid wie hier nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).
Gemäß § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache jedoch auf Antrag durch Beschluss die aufschiebende Wirkung anordnen.
Es handelt sich um eine gerichtliche Interessenabwägung nach pflichtgemäßem Ermessen, bei welcher die für und gegen einen Sofortvollzug sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen sind.
Maßgeblich ist dabei, ob das Hauptsacherechtsmittel voraussichtlich erfolglos bleiben oder zur Aufhebung des angegriffenen Bescheides führen wird, weil dieser sich als rechtswidrig darstellt und auch ein Klägerrecht verletzt. Ist die künftige Bestandskraft absehbar, rechtfertigt sich das bereits durch Gesetz vorausgesetzte öffentliche Interesse am Sofortvollzug und es ist dem Betroffenen regelmäßig zumutbar, der Regelung schon jetzt unterworfen zu sein. Umgekehrt besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung rechtswidriger Maßnahmen.
Hier überwiegt aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen und alleine möglichen summarischen Prüfung der Sachlage im Ergebnis das Interesse der Antragstellerin, von einem Sofortvollzug verschont zu bleiben, das an sich vermutete Interesse am Sofortvollzug der Beitragsfestsetzung im angefochtenen Prüfbescheid.
Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides soweit dieser angegriffen ist. Ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren ist wahrscheinlicher als ein Misserfolg.
Die Annahme der Antragsgegnerin, die L sei im relevanten Zeitraum, für den Beiträge nachgefordert werden und in welchem sie als sogenannte Fremdgeschäftsführerin ohne eigenen Anteil an der Rechtsvorgängerin der heutigen Antragsgegnerin, einer GmbH, abhängig beschäftigt gewesen, stellt sich aus heutiger Sicht als unzutreffend dar.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 08. August 1990 - 11 RAr 77/89 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 08. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45); so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R - juris).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (vgl. BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. (BSG, Urt. v. 18.12.2001 -B 12 KR 10/01- SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Urt. v. 06.03.2003 –B 11 AL 25/02 R- SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Bei Geschäftsführern, die zugleich Minderheitsgesellschafter sind, gilt entsprechendes, soweit sie weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1).
Ein weiterer Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 - BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975). Entsprechendes kann für Gesellschaften unter Freunden gelten.
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall spricht hier viel dafür, dass sich die Tätigkeit hier als atypischer Fall anzusehen und deshalb nicht von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV auszugehen ist.
Die Besonderheit liegt hier in der Regelung des § 1 Nr. 3 S. 2 des Geschäftsführervertrag vom 1. Juni 2007, wonach die Geschäftsführerin an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden war, es sei denn zwingende gesetzliche Regelungen stünden der Weisungsfreiheit entgegen.
Nach Aktenlage ist der Geschäftsführervertrag wirksam zustande gekommen. Auf Seite der GmbH hat ihn zwar nur der Ehemann der Geschäftsführerin, der ebenfalls Geschäftsführer und Minderheitengesellschafter (49% der Anteile) ist, unterschrieben. Der Mehrheitsgesellschafter (51% der Anteil) hatte allerdings seinen Mitgesellschafter hierzu im Gesellschafterbeschluss vom 7. Mai 2007 -unterschrieben von beiden- bevollmächtigt. Nach dem Gesellschaftervertrag (Satzung) der GmbH sind Beschlüsse auch ohne formelle Gesellschafterversammlung möglich (vgl. § 6 Nr. 2 und 4).
Die Vertragsklausel im Geschäftsführervertrag steht auch nicht im Widerspruch zur Satzung der GmbH. Diese enthält keine speziellen Regelungen der Rechte der Gesellschafter bzw. der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer. Es bedurfte deshalb nicht vorab einer Änderung derselben. Die Gesellschaft kann die Rechte der Gesellschafter grundsätzlich selbst regeln, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, § 45 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG).
Gesetzliche Grenzen für einen Verzicht auf das Weisungsrecht stehen jedenfalls hier der Annahme einer Weisungsfreiheit als Kriterium für Selbstständigkeit nicht entgegen.
Solche Grenzen könnten in § 37 GmbHG (Beschränkung der Vertretungsbefugnis) und in § 46 Nr. 6 GmbHG (Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen ( ) die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung) normiert sein. Die letztgenannte Vorschrift gehört allerdings zu denjenigen, welche das Verhältnis Gesellschafterversammlung zu Geschäftsführer nur in Ermangelung besonderer Bestimmungen im Gesellschaftervertrag regeln, § 45 Abs. 2 GmbHG. § 37 Abs. 1 GmbHG verpflichtet den Geschäftsführer (nur) dazu, Beschränkungen in der Vertretungsbefugnis zu beachten.
Ob ungeachtet dessen ganz allgemein nach GmbH-Recht ein Rest an gesetzlicher Weisungsbefugnis gewährleistet sein muss, kann hier dahingestellt bleiben. Maßgeblich für die Abgrenzung nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist die Frage der Weisungsabhängigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist eine solche bereits zu verneinen, wenn der Geschäftsführer mindestens 50% der Gesellschaftsanteile hält, auch wenn -worauf die Antragstellerin hinweist- auch in diesem Falle die Rechte der Gesellschafter nach dem GmbHG gewahrt bleiben. Dass der Verzicht auf das Weisungsrecht widerrufbar gewesen wäre, kann sich auf die Prüfung des § 7 Abs. 1 SGB IV nicht (mehr) auswirken, weil die Gesellschafter im Prüfzeitraum nach Aktenlage die Regelung nicht widerrufen haben.
Es ist hier nach summarischer Prüfung ferner nicht davon auszugehen, dass die Weisungsabdingung im Geschäftsführervertrag nur zum Schein vereinbart oder tatsächlich nicht befolgt wurde. Dies folgt insbesondere nicht einfach aus der Tatsache, dass der Ehemann der L geschäftsführender Gesellschafter gewesen ist. Auch der Umstand, dass Herr L nicht die Mehrheit an der GmbH besaß, spricht nicht für tatsächlich andere Weisungsverhältnisse. Die Gesellschafter haben 2005 –und damit vor dem Prüfzeitraum- eine Stimmrechtsbindungsvereinbarung abgeschlossen. Die Antragstellerin hat die gewählte Konstruktion plausibel damit erklärt, dass die GmbH ein Franchisenehmer war -bzw. die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin ist- und dieser Status nur möglich gewesen ist, weil der Mehrheitsgesellschafter bereits Franchisenehmer war.
Im Ergebnis überwiegen damit Merkmale für eine selbständige Beschäftigung, auch wenn gewichtige Umstände für Unselbstständigkeit streiten, die im angegriffenen Beschluss aufgeführt sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (die Hälfte des im Hauptsacheverfahren streitbefangenen Nachforderungsbetrages samt bereits festgesetzter Säumniszuschläge). Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
Zur Sachverhaltsdarstellung nimmt der Senat zunächst auf die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Bezug (§ 142 Abs. 2 S. 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - entsprechend).
Von Beiladungen, insbesondere der ehemaligen Geschäftsführerin L (=L), hat er abgesehen, weil eine zwingende Beteiligung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht erforderlich ist
Die Beschwerde hat Erfolg.
Nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt nach § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG unter anderem bei einem Prüfbescheid wie hier nach § 28p Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV).
Gemäß § 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache jedoch auf Antrag durch Beschluss die aufschiebende Wirkung anordnen.
Es handelt sich um eine gerichtliche Interessenabwägung nach pflichtgemäßem Ermessen, bei welcher die für und gegen einen Sofortvollzug sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen sind.
Maßgeblich ist dabei, ob das Hauptsacherechtsmittel voraussichtlich erfolglos bleiben oder zur Aufhebung des angegriffenen Bescheides führen wird, weil dieser sich als rechtswidrig darstellt und auch ein Klägerrecht verletzt. Ist die künftige Bestandskraft absehbar, rechtfertigt sich das bereits durch Gesetz vorausgesetzte öffentliche Interesse am Sofortvollzug und es ist dem Betroffenen regelmäßig zumutbar, der Regelung schon jetzt unterworfen zu sein. Umgekehrt besteht kein öffentliches Interesse an der Vollziehung rechtswidriger Maßnahmen.
Hier überwiegt aufgrund der im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes gebotenen und alleine möglichen summarischen Prüfung der Sachlage im Ergebnis das Interesse der Antragstellerin, von einem Sofortvollzug verschont zu bleiben, das an sich vermutete Interesse am Sofortvollzug der Beitragsfestsetzung im angefochtenen Prüfbescheid.
Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides soweit dieser angegriffen ist. Ein Erfolg der Klage im Hauptsacheverfahren ist wahrscheinlicher als ein Misserfolg.
Die Annahme der Antragsgegnerin, die L sei im relevanten Zeitraum, für den Beiträge nachgefordert werden und in welchem sie als sogenannte Fremdgeschäftsführerin ohne eigenen Anteil an der Rechtsvorgängerin der heutigen Antragsgegnerin, einer GmbH, abhängig beschäftigt gewesen, stellt sich aus heutiger Sicht als unzutreffend dar.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine versicherungspflichtige Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, sowie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteile vom 08. August 1990 - 11 RAr 77/89 - SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 Seite 14 und vom 08. Dezember 1994 - 11 RAr 49/94 - SozR 3-4100 § 168 Nr. 18 Seite 45); so insgesamt weitgehend wörtlich BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04 R - juris).
Weist eine Tätigkeit Merkmale auf, die sowohl auf Abhängigkeit als auch auf Selbständigkeit hinweisen, so ist entscheidend, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 1994 - 12 RK 72/92 - NJW 1994, 2974, 2975) und der Arbeitsleistung das Gepräge geben (vgl. BSG, Beschluss vom 23. Februar 1995 - 12 BK 98/94 -).
Nach der Rechtssprechung des BSG, der der Senat folgt, ist bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. (BSG, Urt. v. 18.12.2001 -B 12 KR 10/01- SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; Urt. v. 06.03.2003 –B 11 AL 25/02 R- SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Bei Geschäftsführern, die zugleich Minderheitsgesellschafter sind, gilt entsprechendes, soweit sie weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1).
Ein weiterer Ausnahmefall kann bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schafft, die zum Beispiel dadurch zum Ausdruck kommt, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht wird oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangelt. Hiervon ist insbesondere bei demjenigen auszugehen, der - obwohl nicht maßgeblich am Unternehmenskapital beteiligt - aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG, Urteil vom 08. Dezember 1987 - 7 Rar 25/86 - BB 1989,72; Urteil vom 14. Dezember 1999 - B 2 U 48/98 R - USK 9975). Entsprechendes kann für Gesellschaften unter Freunden gelten.
Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall spricht hier viel dafür, dass sich die Tätigkeit hier als atypischer Fall anzusehen und deshalb nicht von einem Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV auszugehen ist.
Die Besonderheit liegt hier in der Regelung des § 1 Nr. 3 S. 2 des Geschäftsführervertrag vom 1. Juni 2007, wonach die Geschäftsführerin an Weisungen der Gesellschafter nicht gebunden war, es sei denn zwingende gesetzliche Regelungen stünden der Weisungsfreiheit entgegen.
Nach Aktenlage ist der Geschäftsführervertrag wirksam zustande gekommen. Auf Seite der GmbH hat ihn zwar nur der Ehemann der Geschäftsführerin, der ebenfalls Geschäftsführer und Minderheitengesellschafter (49% der Anteile) ist, unterschrieben. Der Mehrheitsgesellschafter (51% der Anteil) hatte allerdings seinen Mitgesellschafter hierzu im Gesellschafterbeschluss vom 7. Mai 2007 -unterschrieben von beiden- bevollmächtigt. Nach dem Gesellschaftervertrag (Satzung) der GmbH sind Beschlüsse auch ohne formelle Gesellschafterversammlung möglich (vgl. § 6 Nr. 2 und 4).
Die Vertragsklausel im Geschäftsführervertrag steht auch nicht im Widerspruch zur Satzung der GmbH. Diese enthält keine speziellen Regelungen der Rechte der Gesellschafter bzw. der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer. Es bedurfte deshalb nicht vorab einer Änderung derselben. Die Gesellschaft kann die Rechte der Gesellschafter grundsätzlich selbst regeln, soweit nicht gesetzliche Vorschriften entgegenstehen, § 45 Abs. 1 Gesetz betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbHG).
Gesetzliche Grenzen für einen Verzicht auf das Weisungsrecht stehen jedenfalls hier der Annahme einer Weisungsfreiheit als Kriterium für Selbstständigkeit nicht entgegen.
Solche Grenzen könnten in § 37 GmbHG (Beschränkung der Vertretungsbefugnis) und in § 46 Nr. 6 GmbHG (Der Bestimmung der Gesellschafter unterliegen ( ) die Maßregeln zur Prüfung und Überwachung der Geschäftsführung) normiert sein. Die letztgenannte Vorschrift gehört allerdings zu denjenigen, welche das Verhältnis Gesellschafterversammlung zu Geschäftsführer nur in Ermangelung besonderer Bestimmungen im Gesellschaftervertrag regeln, § 45 Abs. 2 GmbHG. § 37 Abs. 1 GmbHG verpflichtet den Geschäftsführer (nur) dazu, Beschränkungen in der Vertretungsbefugnis zu beachten.
Ob ungeachtet dessen ganz allgemein nach GmbH-Recht ein Rest an gesetzlicher Weisungsbefugnis gewährleistet sein muss, kann hier dahingestellt bleiben. Maßgeblich für die Abgrenzung nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist die Frage der Weisungsabhängigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist eine solche bereits zu verneinen, wenn der Geschäftsführer mindestens 50% der Gesellschaftsanteile hält, auch wenn -worauf die Antragstellerin hinweist- auch in diesem Falle die Rechte der Gesellschafter nach dem GmbHG gewahrt bleiben. Dass der Verzicht auf das Weisungsrecht widerrufbar gewesen wäre, kann sich auf die Prüfung des § 7 Abs. 1 SGB IV nicht (mehr) auswirken, weil die Gesellschafter im Prüfzeitraum nach Aktenlage die Regelung nicht widerrufen haben.
Es ist hier nach summarischer Prüfung ferner nicht davon auszugehen, dass die Weisungsabdingung im Geschäftsführervertrag nur zum Schein vereinbart oder tatsächlich nicht befolgt wurde. Dies folgt insbesondere nicht einfach aus der Tatsache, dass der Ehemann der L geschäftsführender Gesellschafter gewesen ist. Auch der Umstand, dass Herr L nicht die Mehrheit an der GmbH besaß, spricht nicht für tatsächlich andere Weisungsverhältnisse. Die Gesellschafter haben 2005 –und damit vor dem Prüfzeitraum- eine Stimmrechtsbindungsvereinbarung abgeschlossen. Die Antragstellerin hat die gewählte Konstruktion plausibel damit erklärt, dass die GmbH ein Franchisenehmer war -bzw. die Antragstellerin als Rechtsnachfolgerin ist- und dieser Status nur möglich gewesen ist, weil der Mehrheitsgesellschafter bereits Franchisenehmer war.
Im Ergebnis überwiegen damit Merkmale für eine selbständige Beschäftigung, auch wenn gewichtige Umstände für Unselbstständigkeit streiten, die im angegriffenen Beschluss aufgeführt sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 4, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (die Hälfte des im Hauptsacheverfahren streitbefangenen Nachforderungsbetrages samt bereits festgesetzter Säumniszuschläge). Die Abänderung der Streitwertfestsetzung für die erste Instanz folgt aus § 63 Abs. 3 GKG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
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