L 3 AS 182/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 3343/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 182/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2012 wird abgelehnt.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2012 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 158 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss. Diese Entscheidungsform hat der Berichterstatter des Senats in dem Erörterungstermin am 21.02.2013 angekündigt. Beide Beteiligte hatten dort Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Einwand des Klägers, er fühle sich in seinen Rechten beschnitten, nötigt nicht zu einer Entscheidung durch Urteil auf Grund erneuter mündlicher Verhandlung.

2. Die Berufung war nach § 158 Satz 1 SGG zu verwerfen, denn sie ist nicht statthaft.

Die Berufung bedarf nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung, wenn die Klage auf eine Leistung gerichtet ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 750,00 nicht übersteigt, außer die Klage betrifft wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist die Beschwer des Rechtsmittelführers aus dem angegriffenen Urteil, soweit er sie zur Überprüfung des Rechtsmittelgerichts stellt (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 144 Rn. 14).

a) Im Klageverfahren hat der Kläger höheres Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit von Juni 2010 bis November 2010 begehrt; hierbei hat er den Abzug der Wassererhitzungspauschale gerügt sowie einen ernährungsbedingten Mehrbedarf wegen einer Speiseröhrenerkrankung (säurearme Kost) geltend gemacht. Mit dem angegriffenen Urteil hat das SG die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf das Urteil verwiesen.

b) Die Abweisung der Klage hat den Kläger höchstens um EUR 469,62 beschwert.

Die Beklagte hatte die Wassererhitzungspauschale mit EUR 6,47 im Monat berücksichtigt und daher die Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Kläger im sechsmonatigen Streitzeitraum um EUR 38,82 vermindert. Dieser bezifferte Wert entspricht insoweit der Beschwer.

Den weiterhin geltend gemachten Mehrbedarf (§ 21 Abs. 5 SGB II) hat der Kläger nicht beziffert. Sein Wert ist daher nach § 202 SGG i.V.m. § 3 Halbsatz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) nach freiem Ermessen des Gerichts zu bestimmen (Leitherer, a.a.O., Rn. 15). Hierbei reicht eine überschlägige Berechnung aus (Leitherer, a.a.O., Rn. 15b). Entsprechend der zivilgerichtlichen Rechtsprechung ist der - zu schätzende - Betrag zu Grunde zu legen, der auf Grund des vom Kläger vorgetragenen Sachverhalts zuzusprechen wäre, wenn die Klage begründet wäre (vgl. Hü߬tege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 3 Rn. 63). Nach § 21 Abs. 5 SGB II ist zwar der im Einzelfall angemessene Mehrbedarf zu berücksichtigen. Es können daher - bei einer Entscheidung in der Sache - nicht ohne Weiteres die Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge über die Höhe von Krankenkostzulagen vom 01.10.2008 zu Grunde gelegt werden (Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 22.11.2011, B 4 AS 138/10 R, Juris Rn. 18). Sie sind jedoch eine ausreichende Orientierungshilfe und machen weitere Ermittlungen entbehrlich, wenn nicht der Kläger Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe, subs¬tan¬ziiert geltend macht (BSG, Urt. v. 10.05.2011, B 4 AS 100/10 R, Juris Rn. 23). Vor diesem Hintergrund reichen die Empfehlungen des Deutschen Vereins für eine Schätzung im Rahmen von § 3 Halbsatz 1 ZPO aus, weil sie die typischen Fälle eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs zutreffend erfassen, wenn der Rechtsmittelführer keine anderen, konkreten Beträge nennt und hierzu substanziiert vorträgt. Die genannten Empfehlungen nun sehen Mehrbedarfe von grundsätzlich 10 % (bei verzehrenden Krankheiten und eiweißdefinierten Diäten) oder in Ausnahmefällen von 20 % (bei Dialysediäten oder glutenfreier Kost) der maßgeblichen Regelleistung vor. Der Kläger hat nichts dazu vorgetragen, warum der etwaige Mehrbedarf für eine säurearme Diät, den er geltend macht, noch höher liegen sollte, vielmehr hat er in dem Erörterungstermin am 21.02.2013 auch auf Nachfrage nicht angeben können, welche Produkte er benötigt und nur gesagt, der Regelbedarf sei zu niedrig für die Produkte, die er gern kaufen wolle. Es kann daher allenfalls der Höchstsatz von 20 % angenommen werden. Bei einem Regelbedarf von EUR 359,00 monatlich im Streitzeitraum wären dies EUR 71,80 im Monat, für die streitigen sechs Monate mithin höchstens EUR 430,80.

Weitere Beträge sind nicht hinzuzurechnen. Zwar war der Streitgegenstand des Klageverfahrens nicht auf den geltend gemachten Mehrbedarf oder die Wassererhitzungspauschale beschränkt, weil diese Punkte nur unselbstständige Posten bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II darstellten. Es war daher im Rahmen eines so genannten Höhenstreits der gesamte laufende Anspruch des Klägers betroffen. Nachdem jedoch bei dem Kläger der vollständige Regelbedarf und die tatsächlichen Unterkunftskosten berücksichtigt wurden und keinerlei Einkommen abgesetzt wurde, ist eine weitergehende Beschwer nicht zu erkennen.

c) Die Klage betrifft auch nicht Leistungen für mehr als ein Jahr, sondern nur für sechs Monate.

d) Das SG hat die Berufung nicht zugelassen. Dies ergibt sich nicht nur aus seiner ausdrücklichen Ausführung, Gründe nach § 144 Abs. 2 SGG lägen nicht vor, sondern auch aus der - demzufolge zutreffenden - Rechtsmittelbelehrung, in der es auf die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen hat; der Kläger hat jedoch ausdrücklich Berufung eingelegt.

3. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.

5. Da die Berufung, wie ausgeführt, unzulässig ist und daher keine hinreichenden Aussichten auf Erfolg hatte, war nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO auch der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abzulehnen.
Rechtskraft
Aus
Saved