L 11 R 4783/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 R 1228/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4783/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.10.2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Der 1956 geborene Kläger ist türkischer Staatsbürger. Am 31.12.1971 zog er in die Bundesrepublik Deutschland zu. Der Kläger hat keine Berufsausbildung absolviert und war 1972 bis 1999 als Maurer im Tiefbau, als angelernter Schweißer und als LKW-Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt. In den Jahren 2000 bis 2001 war er selbständig tätig, seit dem 18.02.2002 ist der Kläger arbeitslos.

Erstmals beantragte der Kläger am 07.03.2006 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Dies wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 09.05.2006 abgelehnt, da die medizinischen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht erfüllt seien. Der Kläger hat diesbezüglich am 13.10.2006 einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 03.02.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.06.2007 abgelehnt. Die hiergegen erhobene Klage zum Sozialgericht Heilbronn mit dem Aktenzeichen S 17 R 2420/07 wurde mit Gerichtsbescheid vom 30.01.2008 abgewiesen. Ein weiterer Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vom 22.09.2008 wurde mit Bescheid vom 13.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.05.2009 zurückgewiesen.

Am 03.11.2009 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Der Kläger legte zur Begründung des Rentenantrages ein ärztliches Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 17.11.2009 vor, wonach er infolge seiner degenerativen Wirbelsäulenbeschwerden, des schwer einstellbaren Diabetes und seiner Harninkontinenz und chronischen Schulter- und Hüftschmerzen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden könne. Eine weiter verschärfende Symptomatik bestehe durch die demenzielle Entwicklung mit dadurch bedingter Anpassungsstörung und Störung des Sozialverhaltens.

Die Beklagte ließ den Kläger internistisch begutachten. Der Gutachter Dr. B. kam in seinem am 08.12.2009 erstellten Gutachten zum Ergebnis, dass dem Kläger noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten vollschichtig zumutbar seien. Es bestünden qualitative Leistungseinschränkungen bezüglich des Bewegungs- und Haltungsapparates. Dr. B. diagnostizierte: 1. chronische Lumboischialgie bei Zustand nach lumbalen Bandscheibenvorfällen zuletzt 2006: mittelgradige Funktionsbeeinträchtigung 2. eine Diabetes mellitus Typ IIb (leider) mit Insulin behandelt, nicht gut eingestellt, Insulinmast (Androide Adipositas) 3. rezidivierende Spannungskopfschmerzen 4. kein Anhalt für eine psychische oder psychosomatische Störung.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11.12.2009 ab. Der Kläger sei noch in der Lage, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben.

Der Kläger erhob hiergegen am 30.12.2009 Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass die Frage der Insulinbehandlung und Einstellung und die psychiatrischen Diagnosen weiterer Ermittlungen bedurften. Nach den Befundberichten sei der Kläger nicht mehr in der Lage, drei Stunden oder mehr auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten.

Dr. B. kam in einer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 27.01.2010 zu Ergebnis, dass die Diagnose im Gutachten unter Ziff. 4 dergestalt zu korrigieren sei: Kein Anhalt für eine gravierende psychische oder psychosomatische Störung.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.03.2010 zurück.

Hiergegen richtet sich die am 07.04.2010 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Der Kläger hat zur Begründung der Klage, vertreten durch seinen Bevollmächtigten, vorgebracht, dass die multiplen Erkrankungen im Gutachten von Dr. B. nicht hinreichend berücksichtigt worden seien. Insbesondere leide er unter einer schwer einstellbaren Diabeteserkrankung mit psychischer Wesensänderung.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. teilt in seiner Stellungnahme vom 29.06.2010 mit, dass sich die Blutzuckereinstellung des Diabetes mellitus von Jahr zu Jahr trotz Therapie und Aufklärung verschlechtert habe. Schwerwiegende kardiovaskuläre Folgeerkrankungen seien derzeit nicht bekannt, jedoch eine ausgeprägte Wesensänderung mit Störung des Sozialverhaltens im Sinne einer beginnenden Demenz. Teilweise komme es beispielsweise zu aggressivem Verhalten gegenüber Familienmitgliedern. Des Weiteren bestünden immer wieder chronische Hüftschmerzen rechts mit Bewegungseinschränkungen sowie beidseitige Schulterschmerzen mit endgradig schmerzhafter Bewegungseinschränkung. Aufgrund dieser Erkrankungen und Beschwerden sei der Kläger auf Dauer nicht arbeitsfähig, auch nicht für leichte Tätigkeiten. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 19 bis 23 der SG-Akte verwiesen. Der Orthopäde Dr. S. hat am 29.06.2010 mitgeteilt, dass sich der Kläger von 1987 bis zur letzten Untersuchung am 20.06.2006 in seiner orthopädischen Behandlung befunden habe, sodass aus den letzten Jahren keine neuen Erkenntnisse vorlägen. Dr. S. hat in diesem Zusammenhang auf eine im Verfahren S 17 R 2420/07 mit Datum vom 29.10.2007 erstellte schriftliche Zeugenaussage Bezug genommen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 24 bis 26 der SG-Akte verwiesen. Der Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Chirurgie, Spezielle Unfallchirurgie Dr. T. hat mit Schreiben vom 10.09.2010 mitgeteilt, dass ihm nicht möglich sei über den Kläger eine Auskunft zu erteilen, da dieser sich letztmalig im Jahr 2007 vorgestellt habe. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Ka. hat in seiner schriftlichen Zeugenvernehmung vom 13.09.2010 mitgeteilt, dass er den Kläger erstmals im Oktober 2008 untersucht habe und danach noch zwei weitere Kurzkontakte im Rahmen der Ausstellung von Rezepten im Januar 2009 und am 02.11.2009 stattgefunden hätten. Was die Arbeitsfähigkeit angehe, so könne er anhand seiner Unterlagen keine relevanten Einschränkungen ersehen. Eine detailliertere Aussage zur Leistungsfähigkeit sei ihm nicht möglich. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. hat in einer weiteren Stellungnahme vom 14.09.2010 mitgeteilt, dass er dem Gutachten von Dr. B. bezüglich dem Befund und der Diagnose zustimme, jedoch die Beurteilung der Leistungsfähigkeit ohne nähere Untersuchung nicht beurteilen könne. An vielen Tagen sei das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel und Gehen weiter Wegstrecken nicht möglich. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 44 der SG-Akte verwiesen.

Das Gericht hat ein orthopädisches Gutachten von Amts wegen bei Dr. D., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie eingeholt. Dr. D. führt in seinem am 06.02.2011 erstellten Gutachten aus, dass leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich durchführbar seien. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als LKW-Fahrer könne der Kläger unter Berücksichtigung der Wirbelsäulenerkrankung nur noch unter drei Stunden täglich durchführen. Einschränkungen hinsichtlich der Wegefähigkeit bestünden nicht. Dr. D. diagnostiziert:

1. chronisch rezidivierende Lumboischialgie links bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule, zweimaliger Bandscheiben-OP und Nervenwurzelreizerscheinungen 2. chronische Zervikalgie links bei degenerativen Veränderung, Kribbelparesthesie linker Handteller ohne sicheren Dermatombezug 3. initiale Heberden- und Rhizarthrose beidseits 4. initiale Sprunggelenks- und Talonavikulargelenksarthrose links, Spreizfuß beidseits, hypertrophe Nagelwachstumsstörung.

Das Gericht hat des weiteren den Diabetologen Dr. M. als sachverständigen Zeugen in schriftlicher Form vernommen. In seiner Stellungnahme vom 07.05.2011 hat Dr. M. ausgeführt, dass er mit der Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Gutachten von Dr. B. übereinstimme.

Mit Gerichtsbescheid vom 10.10.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger nicht erwerbsgemindert sei, da er noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr als sechs Stunden täglich verrichten könne. Das Gericht hat sich insoweit auf die Gutachten von Dr. B. und Dr. D. gestützt. Nach dem Gutachten von Dr. B. bestehe kein Anhalt für eine gravierende psychische oder psychosomatische Störung. Dr. D. habe in seinem orthopädischen Gutachten überzeugend dargelegt, dass die Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet zu keiner zeitlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes führten. Bezüglich der internistischen Diagnosen und Befunde sowie der hieraus ableitbaren Leistungsfähigkeit des Klägers stimme der behandelnde Facharzt für Innere Medizin/Diabetologie M. in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 07.05.2011 der Einschätzung von Dr. B. ausdrücklich zu. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. Ka. habe in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 13.09.2010 mitgeteilt, dass er aus seinen Unterlagen keine relevanten Einschränkungen ersehen könne. Allerdings könne der Kläger nach Ansicht von Dr. Ka. eine gewisse körperliche Arbeit durchaus durchführen, da dieser laut seinen Unterlagen bei der Gemeinde Walnüsse ersteigert und kiloweise Nüsse aufgelesen habe. Auch den vom Kläger vorgelegten Befundberichten von Dr. Ka. vom 29.09.2010 und 08.02.2011 seien keine weiteren, bisher unberücksichtigten Diagnosen auf nervenfachärztlichem Gebiet zu entnehmen. Soweit der Kläger auf den Befundbericht des Diplom-Psychologen W. vom 29.09.2008 verweise, seien die dort gestellten Diagnosen eines prädemenziellen Syndroms, eine Anpassungsstörung und eine Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung angesichts der aktuelleren Diagnosen und Befunde von Dr. Ka., erhoben in den Jahren 2009, 2010 und 2011 nicht überzeugend.

Gegen den am 12.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 03.11.2011 eingelegte Berufung des Klägers. Der Kläger führt zur Begründung der Berufung an, dass nachweislich eines Berichts der behandelnden Psychiaterin N. ein Verdacht auf Vorliegen eines Schlafapnoe-Syndroms bestehe. Aus dem beigefügten Bericht der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie N. vom 20.01.2012 geht als Diagnose ein Verdacht auf medikamenteninduzierter Kopfschmerz und ein Verdacht auf Schlafapnoe-Syndrom hervor. Des weiteren hat der Kläger ein Attest von Dr. K. vom 27.01.2012 vorgelegt, wonach bei dem Kläger Konzentrationsstörungen und Merkfähigkeitsstörungen sowie Orientierungsstörungen bestünden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 10.10.2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ab dem 01.12.2009 Rente wegen voller, hilfsweise Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Berufungserwiderung mit Schreiben vom 07.03.2012 eine Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin, Sportmedizin und Sozialmedizin Dr. H. vom 05.03.2012 vorgelegt, wonach bezüglich des im nervenärztlichen Bericht von Frau N. geäußerten Verdachtes auf Schlafapnoe-Syndrom eine weitere Abklärung für sinnvoll erachtet werde. Das immer wieder als Verdachtsdiagnose mitbenannte prädemenzielle Syndrom, die mitbeschriebene Anpassungsstörung, Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung halte er nicht für wirklich relevant und verweise hierzu auch auf den Bericht von Frau N. vom 20.01.2012. Es sei weiterhin davon auszugehen, dass zumindest für überwiegend leichte, gering mittelschwere Tätigkeiten ein noch sechsstündiges Leistungsvermögen bestehe. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 59 - 61 der Berufungsakte verwiesen.

Der Senat hat Prof. Dr. Bi., Arzt für Neurologie und Psychiatrie, mit der Erstellung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Amts wegen beauftragt. In seinem am 28.03.2012 erstellten Gutachten kommt Prof. Dr. Bi. zum Ergebnis, dass dem Kläger leichte, vorübergehend auch mittelschwere körperliche Tätigkeiten vollschichtig zumutbar seien. Prof. Dr. Bi. diagnostiziert eine Dysthymie sowie partiell Simulationstendenzen als Ausdruck einer bewusstseinsnahen Zweckreaktion bzw Tendenzreaktion des Klägers sowie ein aktenmäßig bekanntes und röntgenologisch beschriebenes leicht ausgeprägtes Wirbelsäulensyndrom.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG erklärt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Der Senat konnte gemäß § 153 Abs 1 SGG iVm § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis erklärt haben.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 11.12.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme sowie unter Berücksichtigung der im Klage- und Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert ist, weil er noch unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Der Kläger leidet unter einer chronisch rezidivierenden Lumboischialgie links bei degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule bei Zustand nach zweimaliger Bandscheibenoperation und Nervenwurzelreizerscheinung, an einer chronischen Cervikalgie links bei degenerativen Veränderungen, Kribbelparästhesie des linken Handtellers ohne sicheren Dermatombezug, einer initialen Heberden- und Rhizarthrose beidseits, einer initialen Sprunggelenks- und Talonavikulargelenksarthrose links, einem Spreizfuß beidseits sowie einer hypertrophen Nagelwachstumsstörung. Des Weiteren bestehen ein Diabetes mellitus Typ IIb, rezidivierende Spannungskopfschmerzen, Hypertonie, Adipositas sowie eine Dysthymie. Dies folgt nach den Feststellungen des Senats aus dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. B. vom 08.12.2009, dem im erstinstanzlichen Gerichtsverfahren eingeholten orthopädischen Gutachten von Dr. D. vom 06.02.2011 sowie dem im Berufungsverfahren eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachten von Prof. Dr. Bi. vom 28.03.2012.

Als Erkrankungen auf internistischem Fachgebiet liegen ein mit Insulin behandelter Diabetes, Hypertonie, Adipositas sowie Spannungskopfschmerzen vor. Hieraus folgt jedoch noch keine Aufhebung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht. Der Senat bezieht sich diesbezüglich auf die schlüssigen und überzeugenden Feststellungen von Dr. B. in seinem im Verwaltungsverfahren erstellten Gutachten vom 08.12.2009. Die Einschätzung von Dr. B. wird bestätigt durch die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte sachverständige Zeugenaussage von Dr. M., Diabetologe, vom 28.01.2011. Danach wurde die von Dr. B. für erforderlich gehaltene Umstellung der Behandlung des Diabetes begonnen, welche auch zu einer Besserung geführt hat. Eine weitere Behandlung zur Stabilisierung ist jedoch noch erforderlich. Weitergehende Funktionseinschränkungen infolge des Diabetes mellitus sind den von Dr. B. erhobenen Befunden und den von den behandelnden Ärzten vorgelegten Berichten nicht zu entnehmen. Insbesondere geht aus dem Bericht der Augenärztin Dr. Sch. vom 15.10.2010 hervor, dass keine diabetische Retinopathie vorliegt.

Bezüglich der Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet folgt der Senat den Feststellungen und Einschätzungen von Dr. D. in seinem Gutachten vom 06.02.2011. Bei der Untersuchung durch Dr. D. konnte eine leichte Verspannung ohne Druckdolenz und eine leicht eingeschränkte Entfaltbarkeit der Lendenwirbelsäule erkannt werden. Die Halswirbelsäulenbeweglichkeit war endgradig eingeschränkt. Neurologische Ausfallerscheinungen oder Lähmungszeichen als Folge eines schweren Nervenwurzelreizsyndromes konnten jedoch von Dr. D. nicht erhoben werden. Die Beweglichkeit der Schulter und der Hüfte war frei, was auch den Angaben des behandelnden Hausarztes Dr. K. in dessen sachverständigen Zeugenaussage vom 29.06.2010 im erstinstanzlichen Verfahren widerspricht. Darin hat Dr. K. von chronischen Hüft- und Schulterschmerzen berichtet. Nach den von Dr. D. erhobenen Befunden ergaben sich jedoch keine pathologischen Befunde bezüglich der Hüfte oder Schulter mit entsprechenden Funktionsbeeinträchtigungen. Auch die Finger- und Handgelenke waren frei beweglich ohne Schwellung oder Entzündungsanzeichen. Bezüglich der Sprunggelenke und der Füße konnten ebenfalls keine Schwellungen oder Ergusszeichen erkannt werden. Lediglich ein deutlicher Spreizfuß beidseits ohne sekundäre Zehenfehlstellung wurde als Befund erhoben. Im Ergebnis kommt der Gutachter zutreffend und durch die erhobenen Befunde belegt zum Ergebnis, dass dem Kläger noch leichte Tätigkeiten vollschichtig zumutbar sind. Die von Dr. D. erhobenen Befunde können nach Überzeugung des Senats keine Erwerbsminderung rechtfertigen. Hinzu kommt, dass der Kläger sich aktuell nicht in orthopädischer Behandlung befindet. Ein entsprechender Leidensdruck besteht demnach nicht.

Auch die Beschwerden auf nervenfachärztlichem Gebiet rechtfertigen nach Auffassung des Senates nicht die Annahme einer Erwerbsminderung. Der Senat folgt nach eigener Prüfung und Bewertung der Einschätzung von Prof. Dr. Bi. in seinem nervenfachärztlichen Gutachten vom 28.03.2012. Der Kläger hat sich bei der Untersuchung bewusstseinsklar und voll orientiert, mit ungestörter Gedächtnisleistung, erhaltener Merkfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit sowie Antrieb gezeigt. Anhaltspunkte auf eine Demenzerkrankung lagen nicht vor. Auch die emotionale Schwingungsfähigkeit war voll vorhanden. Die anamnestischen Angaben des Klägers insbesondere bezüglich seines Tagesablaufes belegen, dass der Kläger noch über ausreichende familiäre Bindungen sowie einen strukturierten Tagesablauf und eine noch erhaltene soziale Kompetenz verfügt. Auch ist der Kläger noch in der Lage, sich selbst zu versorgen, zu kochen, einzukaufen und den Haushalt zu erledigen. Folgerichtig kommt der Gutachter Prof. Dr. Bi. zum Ergebnis, dass eine Dysthymie als nur subjektiv empfundene chronische depressive Verstimmtheit und keine psychiatrische Krankheit im eigentlichen Sinne, insbesondere kein klinisch relevantes depressives Syndrom vorliegt. Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. Ka. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage im erstinstanzlichen Verfahren berichtet, dass er den Kläger erstmals im Oktober 2008, dann im Januar 2009 und damals zuletzt im November 2009 gesehen habe. Dies zeigt nach Auffassung des Senats, dass eine kontinuierliche nervenfachärztliche Behandlung nicht stattfindet. Zwar wurde im Berufungsverfahren ein Bericht von Frau N. vom 20.01.2012, Neurologie und Psychiatrie, vorgelegt. Dieser führte jedoch lediglich aus, dass ein Verdacht auf ein Schlafapnoe-Syndrom besteht. Soweit der Kläger den Bericht des Diplom-Psychologen W. vom 29.09.2008 vorlegt, ist darauf hinzuweisen, dass die von diesem diagnostizierte Anpassungsstörung sowie Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Bi. nicht bestätigt werden konnte. Im Übrigen ist dem Befundbericht auch zu entnehmen, dass der Kläger lediglich einmal zu einer probatorischen Sitzung bei dem Diplom-Psychologen W. war und danach keine Weiterführung in Form einer Psychotherapie oder Verhaltenstherapie erfolgte. Der Kläger hat auch angegeben, dass die hauptsächliche Behandlung durch seinen Hausarzt Dr. K. und nicht durch einen Facharzt erfolge. Soweit Dr. K. jedoch in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 29.06.2010 sowie 14.09.2010 im erstinstanzlichen Verfahren wegen einer Lumbago, Demenz, Diabetes sowie chronischen Hüft- und Schulterschmerzen sowie Störung des Sozialverhaltens den Kläger als erwerbsgemindert ansieht, ist dies angesichts der von Prof. Dr. Bi. erhobenen Befunde nicht überzeugend. Zudem wurde von Dr. K. keine fachspezifische kontinuierliche hochfrequente Behandlung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet eingeleitet, was wiederum gegen einen entsprechenden Leidensdruck spricht. Es steht daher zur Überzeugung des Senats fest, dass bei dem Kläger keine Gesundheitsstörungen vorliegen, die eine dauerhafte Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht begründen.

Beim Kläger bestehen lediglich qualitative Leistungseinschränkungen bezüglich des Ausschlusses des Hebens und Tragens von Lasten über 10 kg, gebückte Tätigkeiten, Tätigkeiten in Wirbelsäulenzwangshaltung, in Nässe, Kälte und Zugluft sowie Besteigen von Leitern und Gerüsten. Darüber hinaus sollten Überkopftätigkeiten vermieden werden. Zu empfehlen ist eine überwiegend sitzende Tätigkeit, bei welcher der Kläger die Möglichkeit hat, zwischenzeitlich aufzustehen und zu gehen. Die beim Kläger bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen sind allesamt nicht ungewöhnlich und lassen keinen ernstlichen Zweifel daran aufkommen, dass er noch wettbewerbsfähig in seinem Betrieb einsetzbar ist. Aus ihnen ergeben sich weder schwere spezifische Leistungsbehinderungen noch stellen die qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (vgl BSG, 11.03.1999, B 13 RJ 71/97 R, juris) dar. Die Wegefähigkeit ist ebenfalls nicht eingeschränkt (zu den Voraussetzungen: BSG 17.12.1991, 13/5 RJ 73/90, SozR 3-2200 § 1247 Nr 10; 19.11.1997, 5 RJ 16/97, SozR 3-2600 § 44 Nr 10; 10.01.2002, B 5 RJ 36/01 R, juris).

Der Kläger ist damit nach Überzeugung des Senats in der Lage, ohne unmittelbare Gefährdung der Gesundheit und unter Beachtung der dargestellten qualitativen Leistungseinschränkungen, jedenfalls leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden an fünf Tagen pro Woche zu verrichten. Er hat damit keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist (vgl § 240 SGB VI), dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren und berufsunfähig ist. Der Kläger hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als LKW - Fahrer versicherungspflichtig beschäftigt. Anknüpfungspunkt für den Begriff des bisherigen Berufes ist die zuletzt ausgeübte versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit. Nur der versicherungspflichtig ausgeübte Beruf bestimmt das versicherte Risiko (BSG, B 5 RJ 27/04 R, juris). Der Kläger ist danach auf sämtliche auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorkommende Tätigkeiten verweisbar. Derartige leichte Tätigkeiten kann er aber - wie dargelegt - arbeitstäglich noch sechs Stunden und mehr verrichten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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