Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 62/09
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 107/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es ist verfassungsrechtlich unzulässig, den klaren Gesetzeswortlaut des als Anspruchsnorm formulierten § 7 BerRehaG zu Lasten des Begünstigten zu reduzieren.
I. Das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 10. Juni 2010 sowie der Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2009 werden aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger entstehende Kosten der Fortbildung der Fachschule für Technik der gemeinnützigen Gesellschaft TÜV Rheinland Bildungswerk mBH in Q-Stadt zum staatlich geprüften Techniker zu erstatten und einen entsprechenden Zusagebescheid zu erlassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtstreit betrifft die Förderung der beruflichen Weiterbildung eines in der DDR als Schüler von Verfolgungsmaßnahmen Betroffenen.
Der 1966 in W-Stadt geborene Kläger hat in der DDR die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule im Jahr 1983 und eine Ausbildung zum Fahrzeugschlosser 1985 abgeschlossen. Nach der Wiedervereinigung machte er 2002 die Meisterprüfung zum Kraftfahrzeugtechniker und schloss am 30. Juni 2004 eine Fortbildung der Handwerkskammer zum Betriebswirt (HWK) erfolgreich ab. Dem Kläger war der Zugang zur Abiturausbildung und zu einem Studium in der DDR verwehrt worden, weil er sich zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas bekannte. Die Rechtsstaatswidrigkeit der verweigerten Abiturausbildung zum Erwerb der Hochschulreife wurde mit Rehabilitierungsbescheinigung der Rehabilitierungsbehörde des Sächsischen Landesamtes für Familie und Soziales festgestellt und bescheinigt, dass der Kläger von Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 Berufliches Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) betroffen war.
Seit 1. Januar 2005 arbeitet der Kläger bei der Firma XY. GmbH als Kratfahrzeugsachverständiger. Er stellte am 30. Oktober 2008 bei der Beklagten einen Antrag zur Förderung der beruflichen Weiterbildung. Der Kläger möchte eine 24 monatige Fortbildungsmaßnahme der Fachschule für Technik der gemeinnützigen Gesellschaft TÜV Rheinland Bildungswerk mbH in Q-Stadt mit dem Bildungsziel "Techniker (staatlich geprüft) – Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik" absolvieren und die Kosten von der Beklagten erstattet bekommen. Die Aufstiegsfortbildung zum "Staatlich geprüften Techniker Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik" ermöglicht Gesellen und Facharbeitern den Aufstieg im erlernten Beruf. Zusätzlich bietet der TÜV Rheinland in seiner Einrichtung die Möglichkeit, die Fachhochschulreife zu erwerben.
Der Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 16. Februar 2009 abgelehnt, weil die Zulassung von Aufstiegsfortbildungen grundsätzlich nicht möglich sei. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn zur Integration des Kunden keine andere Maßnahme möglich sei, um ihn wieder einzugliedern, oder es sich um die wirtschaftlichste Maßnahme handelt, mit der dieses Ziel erreicht werden könne.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2009 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid begründet die Ablehnung mit der fehlenden Zulassung der Fortbildungsmaßnahme nach § 77 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung – (SGB III) in der vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2012 geltenden Fassung (a.F.). Auch die §§ 6, 7 BerRehaG setzten die Teilnahme an einer zugelassenen Maßnahme voraus.
Mit seiner am 21. April 2009 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er trägt vor, die beantragte Fortbildung sei förderungsfähig und verweist auf das Merkblatt der Rehabilitierungsstelle, wonach verfolgte Schüler privilegiert seien.
Die Klage ist mit Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 10. Juni 2010 abgewiesen worden. Das Sozialgericht legt dar, dass die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 SGB III a.F. nicht vorlägen, weil der Kläger weder arbeitslos noch von Arbeitslosigkeit bedroht noch ohne Berufsabschluss sei. Auch aus dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz ergebe sich nichts anderes. Die begehrte Fortbildung habe im Zeitpunkt der Antragstellung und im Zeitpunkt der angefochtenen Maßnahme keine Zulassung gehabt. Die Ausstellung eines Bildungsgutscheins für eine zukünftige Maßnahme nach § 77 Abs. 3 SGB III a.F. sehe das Berufliche Rehabilitierungsgesetz nicht vor.
Mit der am 3. Juni 2010 eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, die Weiterbildungsmaßname sei zwischenzeitlich zugelassen. Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz begründe einen Anspruch auf Förderung. Zu seiner eigenen beruflichen Situation hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht vorgetragen, er verspreche sich von der Fortbildung eine deutliche Wissenserweiterung, die für seine zukünftige Berufsausübung von großem Wert sei. Seit mehreren Jahren sei seine Tätigkeit als Sachverständiger im Innendienst, der am Bildschirm ausschließlich Karosserieschäden begutachte, fachlich sehr eng begrenzt. Die Bildschirmarbeit sei ihm wegen Augenproblemen, die zwei Augenoperationen erforderlich gemacht hätten, auf Dauer nicht zumutbar. Er wolle mit einer Weiterbildung seine Einsetzbarkeit beim derzeitigen Arbeitgeber und, da er seine Zukunft nicht nur beim derzeitigen Arbeitgeber sehe, auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern. Die zu entscheidende Rechtsfrage betreffe auf der Grundlage der deutschen Einheit noch eine Vielzahl anderer Rehabilitierungs- und Fortbildungsfälle, weswegen die Revision zuzulassen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 10. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Zusage zu erteilen, die Kosten der Fortbildung der Fachschule für Technik der gemeinnützigen Gesellschaft TÜV Rheinland Bildungswerk mbH in Q-Stadt mit dem Bildungsziel "Techniker (staatlich geprüft) – Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik" zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Für einen Anspruch auf Weiterbildung müssten die § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1- 3 SGB III a.F. geforderten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Sie erklärt weiter, dass es sich bei der von dem Kläger beantragten Ausbildung um eine Aufstiegsfortbildung handele, die von der Zielsetzung des § 77 SGB III a.F. nicht erfasst werde.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 6. Februar 2013 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet.
1. Die vor dem Sozialgericht erhobene Klage ist auf die Zusage der Förderung einer Weiterbildungsmaßnahme zum Techniker/Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik der gemeinnützigen Gesellschaft TÜV Rheinland und die Erteilung eines Bildungsgutscheins zur Übernahme der Kosten dieser Weiterbildungsmaßnahme gerichtet.
Daraus, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht im Klageantrag entgegen dem ursprünglichen Antrag auf Bewilligung der Fortbildung nur noch erneute Verbescheidung des Antrags des Klägers beantragt wurde, im Berufungsverfahren aber wieder ein Antrag auf Zusageerteilung gestellt wurde, liegt gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG keine Klageänderung, weil der Klagegrund, also der dem Begehren zugrunde liegende Lebenssachverhalt, derselbe geblieben ist.
Da es sich bei der Klage um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage handelt, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Das verkennt das erstinstanzliche Urteil, das darauf abstellt, dass bei Antragstellung die "Zulassung der Fortbildung" gefehlt habe. Wie der TÜV Rheinland mit Schreiben vom 29. November 2009 mitgeteilt hat, wurde die beantragte Technikerausbildung nach der Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung - Weiterbildung - AZWV) zertifiziert und unter der Nr. xxxxx noch vor Verfahrensabschluss in der ersten Instanz zugelassen. Diese Zulassung der angestrebten Weiterbildung ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Nicht tragfähig ist daher die Argumentation der ersten Instanz, wonach eine Förderung ausscheide, weil die Zulassung der Weiterbildung erst nach Antrag und Verbescheidung erfolgte. Der Kläger musste im Hinblick auf die während des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgte Maßnahmezulassung keinen neuen Antrag stellen.
Da der Antrag nicht auf eine an einem bestimmten Tag beginnende Maßnahme gerichtet war und auch der Ablehnungsbescheid nicht auf einen bestimmten Tag des Kursbeginns Bezug nimmt, ist die Klage weiter als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu behandeln und nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage fortzuführen.
2. Die Zulassung der begehrten Weiterbildung besteht auch fort. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl I, 2854) wurde das Fünfte Kapitel des Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (Zulassung von Trägern und Maßnahmen) neu geregelt. Die Anerkennungs- und Zulassungsverordnung (AZWV) ist zum 5. April 2012 außer Kraft getreten. An ihre Stelle ist die Verordnung über die Voraussetzungen und das Verfahren zur Akkreditierung von fachkundigen Stellen und zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung – AZAV) getreten. § 180 SGB III in der Fassung ab 1. April 2012 bestimmt ergänzend zu § 179 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung, der die Maßnahmezulassung grundsätzlich regelt, Anforderungen an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung. Nach der Übergangsvorschrift des § 443 Abs. 3 Satz 3 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung sind Zulassungen von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, die nach den §§ 84 und 85 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung erteilt wurden, den Zulassungen nach den §§ 176 und 178 SGB III sowie § 179 SGB III in Verbindung mit § 180 SGB III gleichgestellt. Die dem Maßnahmeträger Gemeinnützige Gesellschaft TÜV Rheinland Bildungswerk mbG erteilte Zulassung gilt demnach fort.
3. Der Kläger hat, wie das erstinstanzliche Urteil insoweit zutreffend ausführt, keinen Anspruch auf Förderung (unmittelbar) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung. § 81 Abs. 1 SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung bestimmt: "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,
2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und
3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Als Weiterbildung gilt die Zeit vom ersten Tag bis zum letzten Tag der Maßnahme mit Unterrichtsveranstaltungen, es sei denn, die Maßnahme ist vorzeitig beendet worden." Da der Kläger weder arbeitslos noch von Arbeitslosigkeit bedroht noch ohne Berufsabschluss ist, ist schon der Tatbestand des § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nicht erfüllt.
4. Ein Anspruch auf Weiterbildung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz ist gegeben. Nach § 24 Abs. 1 BerRehaG werden Leistungen nach dem Zweiten Abschnitt dieses Gesetzes von der Bundesagentur für Arbeit als einem für diese Aufgabe entliehenen Organ des Landes, in dem der Betroffene seinen Wohnsitz hat, gewährt. Im Zweiten Abschnitt stehen die §§ 6 und 7 BerRehaG. § 7 BerRehaG in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung bestimmt: "Verfolgte, die an nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch für die Weiterbildungsförderung zugelassenen Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung teilnehmen und für die Weiterbildungskosten nicht nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch übernommen werden, erhalten auf Antrag die Weiterbildungskosten in entsprechender Anwendung der §§ 83 bis 87 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erstattet."
Nach dem Gesetzeswortlaut genügt es somit, dass ein als Verfolgter Anerkannter an irgendeiner zugelassenen Maßnahme der Weiterbildungsförderung teilnimmt, deren Kosten nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung nicht übernommen werden, um den Anspruch auf Kostenerstattung für diese Maßnahme auszulösen. Dies würde auch für jeden weiteren neu gestellten Antrag auf Übernahme von Weiterbildungskosten gelten. Eine Einschränkung gilt nur insoweit, als nach § 23 BerRehaG der Antrag nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 gestellt werden kann.
Der Anspruch nach § 7 BerRehaG ist als gebundener Anspruch formuliert. Ein Antrag des Klägers, der ein anerkannter Verfolgter i.S. des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ist, liegt vor. Wie unter 3. festgestellt, werden Weiterbildungskosten nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch für die beantragte Maßnahme nicht übernommen, weil die Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III – Arbeitslosigkeit, drohende Arbeitslosigkeit oder fehlender Berufsabschluss – nicht erfüllt sind. Die beantragte Weiterbildung ist auch zugelassen. Damit ist nach dem Gesetzeswortlaut vorliegend bei Inanspruchnahme der zugelassenen Weiterbildungsmaßnahme ein Kostenerstattungsanspruch gegeben.
Der Einwand, der Anspruch nach § 7 BerRehaG sei uferlos, weil weitgehend voraussetzungslos, und § 7 BerRehaG könne daher nicht als Anspruchsgrundlage verstanden werden, führt im Ergebnis vorliegend nicht zur Verneinung des Anspruchs. Einer einschränkenden Auslegung des § 7 BerRehaG steht der in § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) kodifizierte Vorbehalt des Gesetzes entgegen.
Es erscheint verfassungsrechtlich unzulässig, den klaren Gesetzeswortlaut einer Sozialleistungsbestimmung teleologisch zu reduzieren, wenn dies zu Lasten des Begünstigten geht (vgl. für eine teleologische Reduktion zugunsten des Betroffenen BVerfG, Beschluss vom 14, März 2011 - 1 BvL 13/07 -, juris Rn. 38). Der Gesetzgeber hatte seit Inkrafttreten des Gesetzes vielfach Gelegenheit, den Gesetzeswortlaut neu zu fassen. Da es aber soweit ersichtlich (juris) keinerlei veröffentlichte Rechtsprechung zur Anwendung des § 7 BerRehaG gibt, bestand für den Gesetzgeber kein erkennbarer Anlass, den Gesetzestext zu präzisieren und er hat dies unterlassen.
Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil, zur unter der Geltung des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nicht mehr anzuwendenden Rechtsfigur des missglückten Arbeitsversuchs ausgeführt hat (BSG, Urteil vom 29. September 1998 – B 1 KR 10/96 R - SozR 3-2500 § 5 Nr. 40, juris Rdnr. 18), steht, nachdem sich weder aus dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch noch aus ergänzend heranzuziehenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung der Vorschriften über die Versicherungspflicht und den Beginn der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung gewinnen lassen, der allein auf Richterrecht beruhenden Rechtskonstruktion des missglückten Arbeitsversuchs der Vorbehalt des § 31 SGB I entgegen, der es verbietet, Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des SGB ohne gesetzliche Grundlage zu ändern oder aufzuheben.
Ob ergänzend heranzuziehende allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine einschränkende Auslegung eines gesetzlichen Anspruchstatbestandes begründen können, kann hier dahinstehen, weil vorliegend keine allgemeinen Rechtsgrundsätze ersichtlich sind, die eine einschränkende Auslegung des § 7 BerRehaG nahelegen könnten. Wenn nach § 31 SGB I Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt, kann eine Rechtsprechung, die den Gesetzwortlaut einschränkend auslegt, nur insoweit zulässig sein, als dies vom Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung vorgegeben ist.
Die Gesetzesbegründung gibt keinen Anhalt, den Anspruch in einschränkender Auslegung des Gesetzeswortlauts vorliegend zu vereinen. Das Zweite Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Zweites SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 2. SEDUnrBerG) sah in Artikel 2 die Schaffung eines Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) vor. § 6 BerRehaG in seiner ursprünglichen, am 1. Juli 1994 in Kraft getretenen Fassung lautete: "Verfolgte, die an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung (§§ 41, 47 des Arbeitsförderungsgesetzes) teilnehmen und denen Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes nicht gewährt wird, erhalten auf Antrag ein Unterhaltsgeld in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes." § 7 BerReha in seiner am 1. Juli 1994 in Kraft getretenen Fassung sah vor, dass Bezieher von Unterhaltsgeld nach § 6 Abs. 1 BerRehaG auf Antrag 1. notwendige Lehrgangsgebühren einschließlich Kosten für Lernmittel bis zu einer Höhe von vier Deutsche Mark je Unterrichtsstunde, 2. tatsächlich entstehende Kinderbetreuungskosten bis zu 60 Deutsche Mark monatlich je Kind erstattet erhalten. Damit sollte – so die Gesetzesbegründung (BR-Ds. 92/93 vom 12.2.1993, S. 42) – als besondere Hilfe und soziale Ausgleichsleistung Hilfe zur Selbsthilfe durch bevorzugte Förderung der Ausbildung, beruflichen Fortbildung und Umschulung geleistet werden, "wenn dies für den Betroffenen vom Alter her noch sinnvoll ist". Näher heißt es in der Begründung des Gesetzesentwurfs (BR-Ds. 92/93 vom 12.2.1993, S. 43): "Für eine wirksame Hilfe zur Selbsthilfe soll in Anlehnung an das Instrumentarium des Arbeitsförderungsgesetzes zur individuellen Förderung und Umschulung Verfolgten die Möglichkeit gegeben werden, auch dann Förderleistungen aus Mitteln des Bundes zu erlangen, wenn sie die Voraussetzungen des Arbeitsförderungsgesetzes nicht erfüllen. Politisch Verfolgte, die arbeitslos sind, von Arbeitslosigkeit bedroht oder ungelernt sind, haben bereits nach geltendem Recht einen umfassenden Förderanspruch nach dem Arbeitsförderungsgesetz, wenn sie in den letzten Jahren als Arbeitnehmer tätig waren bzw. Anspruch auf Lohnersatzleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz hatten."
Legt man diese Gesetzesbegründung zugrunde, kommt eine teleologische Reduktion nur insoweit in Betracht, als die vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung gemachte Einschränkung "wenn dies für den Betroffenen vom Alter her noch sinnvoll ist" greift. Insoweit bietet der Wille des historischen Gesetzgebers einen Anhaltspunkt für eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Bestimmung. Vorliegend führt diese Erwägung aber nicht zu einer Verneinung des nach dem Wortlaut des § 7 BerRehaG gegebenen Anspruchs. Der Kläger ist am 24. Oktober 1966 geboren. Als derzeit 46 Jähriger hat er noch über zwanzig Jahre vor sich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Bei einer weiterbildungswilligen Person, die noch zwanzig Jahre Arbeit vor sich hat, ist eine Weiterbildung "vom Alter her noch sinnvoll".
Demgegenüber können arbeitsmarktpolitische Erwägungen keine einschränkende Auslegung des § 7 BerRehaG begründen. In der Literatur zum Beruflichen Rehabilitierungsgesetz heißt es zur ursprünglichen Fassung des § 6 Abs. 1 BerRehaG (vgl. Bürger, DtZ 1995, 106, 112): "Verfolgte im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes haben Anspruch auf Maßnahmen der Umschulung und Fortbildung (§ 6 I BerRehaG), einschließlich der Zahlung von Unterhaltsgeld entsprechend den modifiziert anzuwendenden Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Abweichend von den Vorschriften des AFG ist nicht erforderlich, dass der Verfolgte ungelernt, arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sein muss. Soweit die Voraussetzungen für eine arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Maßnahme vorliegen, erhält der Betroffene ein Unterhaltsgeld als Zuschuss in Höhe von 60 % des letzten pauschalierten Nettoeinkommens. Erstattet werden außerdem andere notwendige Kosten der Maßnahmen, wie notwendige Lehrgangsgebühren " Für eine solche teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts gibt die Gesetzesbegründung keinen Anhalt. Es kann daher entgegen der zitierten Literaturmeinung nicht darauf ankommen, ob die Weiterbildung arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist. Es reicht aus, dass die Weiterbildungsmaßnahme für den Betroffenen vom Alter her noch sinnvoll ist, auch wenn man im Rahmen einer Ermessenensentscheidung aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen anders entscheiden würde.
Wenn die Gesetzesbegründung darauf abhebt, dass eine Weiterbildung "vom Alter her noch sinnvoll" sein müsse, geht der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass eine Weiterbildungsmaßnahme für den Antragsteller überhaupt "sinnvoll" sein muss. Die Berufung hätte daher keinen Erfolg haben können, wenn nicht nachvollziehbar dargelegt worden wäre, warum der Kläger gerade an der beantragten Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen möchte. Nach den Angaben des Maßnahmeträgers gehört der Kläger nicht zum Adressatenkreis der Weiterbildung, die sich an Gesellen und Facharbeiter im erlernten Beruf richtet. Der Begriff der Weiterbildung und der Vorgabe des Gesetzgebers, dass die Weiterbildung nach § 7 BerRehaG vom Alter her noch sinnvoll sein muss, ist zu folgern, dass ein Anspruch auf Erstattung von Weiterbildungskosten nicht besteht, wenn der Antragsteller deshalb nicht weitergebildet wird, weil der Ausbildungsinhalt nicht über das hinaus geht, was der Antragsteller ohnehin schon beherrscht.
Zur Sinnhaftigkeit der beantragten Weiterbildung hat der Kläger vorgetragen, er arbeite seit mehreren Jahren als Kfz-Sachverständiger im Innendienst. Er verspricht sich von der Fortbildung eine deutliche Wissenserweiterung, die für seine zukünftige Berufsausübung von großem Wert sei. Seit mehreren Jahren begutachte er am Bildschirm ausschließlich Karosserieschäden am Bildschirm. Diese Tätigkeit sei fachlich sehr eng begrenzt. Die Bildschirmarbeit sei ihm wegen Augenproblemen, die zwei Augenoperationen erforderlich gemacht hätten, auf Dauer nicht zumutbar. Er wolle mit einer Weiterbildung seine Einsetzbarkeit beim derzeitigen Arbeitgeber und, da er seine Zukunft nicht nur beim derzeitigen Arbeitgeber sehe, auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern.
Der Kläger hat damit zur Überzeugung des Senats dargetan, dass er – trotz seiner formal hohen Qualifikation – wegen der fachlich einseitigen und eng begrenzten Tätigkeit der Karosserieschadensbegutachtung und des auch im Kfz-Bereich rasanten Fortschritts zu einer immer stärkeren Elektronisierung der Fahrzeuge tatsächlich nicht (mehr) über umfassende Kenntnisse der Kfz-Technik auf heutigem Stand verfügt. Damit ist sowohl seine Mobilität im Unternehmen als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingeschränkt.
5. Die Ausgabe eines Bildungsgutscheins (§ 77 Abs. 3 SGB III a.F.; § 81 SGB III) kommt im Rahmen des § 7 BerRehaG nicht in Betracht.
Das Sozialgericht hat argumentiert, dass die Ausgabe eines Bildungsgutscheins (§ 77 Abs. 3 SGB III a.F.) im Rahmen des § 7 BerRehaG nicht in Betracht komme, weil dieser vorsehe, dass Weiterbildungskosten erstattet werden. Diese müssten also erst einmal entstehen. Zuzugeben ist, dass der Gesetzeswortlaut des § 7 BerRehaG diese Auslegung zulässt. Für diese Auslegung spricht auch, dass § 7 BerRehaG nunmehr nicht auf § 81 SGB III, sondern nur auf die §§ 83 bis 87 SGB III verweist. Allerdings zielt das BerRehaG darauf, Weiterbildungen unter erleichterten Voraussetzungen zu finanzieren. Dieses Ziel wäre konterkariert, wenn der Verfolgte erst einmal die Weiterbildungskosten vorschießen müsste, um sie sich dann auf Antrag erstatten zu lassen mit dem Risiko, dass der Antrag abschlägig beschieden wird. Daher muss der Antrag nach § 7 BerRehaG auf die Zusage der Beklagten gerichtet sein, bei Teilnahme an einer zugelassenen Maßnahme die Kosten zu erstatten. Bei direkter Anwendung des § 81 SGB III geschieht dies durch Erteilung eines Bildungsgutscheins. Nach § 81 Abs. 4 SGB III wird der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung bescheinigt (Bildungsgutschein). An die Stelle des Bildungsgutscheins tritt im Anwendungsbereich des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ein Bescheid der Beklagten, der die Erstattungszusage enthält. Der Kläger hat einen entsprechenden Antrag gestellt.
Der Berufung war nach allem in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Der Fall ist, soweit ersichtlich, die erste zweitinstanzliche Entscheidung zum Anwendungsbereich des § 7 BerRhaG. Da nach § 23 BerRehaG der Antrag auf Leistungen nach diesem Gesetz noch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 gestellt werden kann, hat die Entscheidung für die Frage des Anwendungsbereichs des § 7 BerRehaG nicht nur für schon abgeschlossene Zeiträume, sondern auch für Fälle in der Zukunft grundlegende Bedeutung. Die Revision war daher zuzulassen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in erster und zweiter Instanz zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Rechtstreit betrifft die Förderung der beruflichen Weiterbildung eines in der DDR als Schüler von Verfolgungsmaßnahmen Betroffenen.
Der 1966 in W-Stadt geborene Kläger hat in der DDR die zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule im Jahr 1983 und eine Ausbildung zum Fahrzeugschlosser 1985 abgeschlossen. Nach der Wiedervereinigung machte er 2002 die Meisterprüfung zum Kraftfahrzeugtechniker und schloss am 30. Juni 2004 eine Fortbildung der Handwerkskammer zum Betriebswirt (HWK) erfolgreich ab. Dem Kläger war der Zugang zur Abiturausbildung und zu einem Studium in der DDR verwehrt worden, weil er sich zur Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas bekannte. Die Rechtsstaatswidrigkeit der verweigerten Abiturausbildung zum Erwerb der Hochschulreife wurde mit Rehabilitierungsbescheinigung der Rehabilitierungsbehörde des Sächsischen Landesamtes für Familie und Soziales festgestellt und bescheinigt, dass der Kläger von Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 3 Abs. 1 Berufliches Rehabilitierungsgesetz (BerRehaG) betroffen war.
Seit 1. Januar 2005 arbeitet der Kläger bei der Firma XY. GmbH als Kratfahrzeugsachverständiger. Er stellte am 30. Oktober 2008 bei der Beklagten einen Antrag zur Förderung der beruflichen Weiterbildung. Der Kläger möchte eine 24 monatige Fortbildungsmaßnahme der Fachschule für Technik der gemeinnützigen Gesellschaft TÜV Rheinland Bildungswerk mbH in Q-Stadt mit dem Bildungsziel "Techniker (staatlich geprüft) – Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik" absolvieren und die Kosten von der Beklagten erstattet bekommen. Die Aufstiegsfortbildung zum "Staatlich geprüften Techniker Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik" ermöglicht Gesellen und Facharbeitern den Aufstieg im erlernten Beruf. Zusätzlich bietet der TÜV Rheinland in seiner Einrichtung die Möglichkeit, die Fachhochschulreife zu erwerben.
Der Antrag wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 16. Februar 2009 abgelehnt, weil die Zulassung von Aufstiegsfortbildungen grundsätzlich nicht möglich sei. Eine Ausnahme bestehe nur, wenn zur Integration des Kunden keine andere Maßnahme möglich sei, um ihn wieder einzugliedern, oder es sich um die wirtschaftlichste Maßnahme handelt, mit der dieses Ziel erreicht werden könne.
Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 2. April 2009 zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid begründet die Ablehnung mit der fehlenden Zulassung der Fortbildungsmaßnahme nach § 77 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung – (SGB III) in der vom 1. Januar 2009 bis 31. März 2012 geltenden Fassung (a.F.). Auch die §§ 6, 7 BerRehaG setzten die Teilnahme an einer zugelassenen Maßnahme voraus.
Mit seiner am 21. April 2009 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er trägt vor, die beantragte Fortbildung sei förderungsfähig und verweist auf das Merkblatt der Rehabilitierungsstelle, wonach verfolgte Schüler privilegiert seien.
Die Klage ist mit Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 10. Juni 2010 abgewiesen worden. Das Sozialgericht legt dar, dass die Voraussetzungen des § 77 Abs. 1 SGB III a.F. nicht vorlägen, weil der Kläger weder arbeitslos noch von Arbeitslosigkeit bedroht noch ohne Berufsabschluss sei. Auch aus dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz ergebe sich nichts anderes. Die begehrte Fortbildung habe im Zeitpunkt der Antragstellung und im Zeitpunkt der angefochtenen Maßnahme keine Zulassung gehabt. Die Ausstellung eines Bildungsgutscheins für eine zukünftige Maßnahme nach § 77 Abs. 3 SGB III a.F. sehe das Berufliche Rehabilitierungsgesetz nicht vor.
Mit der am 3. Juni 2010 eingelegten Berufung trägt der Kläger vor, die Weiterbildungsmaßname sei zwischenzeitlich zugelassen. Das Berufliche Rehabilitierungsgesetz begründe einen Anspruch auf Förderung. Zu seiner eigenen beruflichen Situation hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht vorgetragen, er verspreche sich von der Fortbildung eine deutliche Wissenserweiterung, die für seine zukünftige Berufsausübung von großem Wert sei. Seit mehreren Jahren sei seine Tätigkeit als Sachverständiger im Innendienst, der am Bildschirm ausschließlich Karosserieschäden begutachte, fachlich sehr eng begrenzt. Die Bildschirmarbeit sei ihm wegen Augenproblemen, die zwei Augenoperationen erforderlich gemacht hätten, auf Dauer nicht zumutbar. Er wolle mit einer Weiterbildung seine Einsetzbarkeit beim derzeitigen Arbeitgeber und, da er seine Zukunft nicht nur beim derzeitigen Arbeitgeber sehe, auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern. Die zu entscheidende Rechtsfrage betreffe auf der Grundlage der deutschen Einheit noch eine Vielzahl anderer Rehabilitierungs- und Fortbildungsfälle, weswegen die Revision zuzulassen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 10. Juni 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 16. Februar 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger eine Zusage zu erteilen, die Kosten der Fortbildung der Fachschule für Technik der gemeinnützigen Gesellschaft TÜV Rheinland Bildungswerk mbH in Q-Stadt mit dem Bildungsziel "Techniker (staatlich geprüft) – Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik" zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und verweist auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Für einen Anspruch auf Weiterbildung müssten die § 77 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1- 3 SGB III a.F. geforderten Voraussetzungen kumulativ vorliegen. Sie erklärt weiter, dass es sich bei der von dem Kläger beantragten Ausbildung um eine Aufstiegsfortbildung handele, die von der Zielsetzung des § 77 SGB III a.F. nicht erfasst werde.
Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 6. Februar 2013 verwiesen. Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden.
Die Berufung ist auch begründet.
1. Die vor dem Sozialgericht erhobene Klage ist auf die Zusage der Förderung einer Weiterbildungsmaßnahme zum Techniker/Fachrichtung Kraftfahrzeugtechnik der gemeinnützigen Gesellschaft TÜV Rheinland und die Erteilung eines Bildungsgutscheins zur Übernahme der Kosten dieser Weiterbildungsmaßnahme gerichtet.
Daraus, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht im Klageantrag entgegen dem ursprünglichen Antrag auf Bewilligung der Fortbildung nur noch erneute Verbescheidung des Antrags des Klägers beantragt wurde, im Berufungsverfahren aber wieder ein Antrag auf Zusageerteilung gestellt wurde, liegt gemäß § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG keine Klageänderung, weil der Klagegrund, also der dem Begehren zugrunde liegende Lebenssachverhalt, derselbe geblieben ist.
Da es sich bei der Klage um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage handelt, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Das verkennt das erstinstanzliche Urteil, das darauf abstellt, dass bei Antragstellung die "Zulassung der Fortbildung" gefehlt habe. Wie der TÜV Rheinland mit Schreiben vom 29. November 2009 mitgeteilt hat, wurde die beantragte Technikerausbildung nach der Verordnung über das Verfahren zur Anerkennung von fachkundigen Stellen sowie zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Anerkennungs- und Zulassungsverordnung - Weiterbildung - AZWV) zertifiziert und unter der Nr. xxxxx noch vor Verfahrensabschluss in der ersten Instanz zugelassen. Diese Zulassung der angestrebten Weiterbildung ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig. Nicht tragfähig ist daher die Argumentation der ersten Instanz, wonach eine Förderung ausscheide, weil die Zulassung der Weiterbildung erst nach Antrag und Verbescheidung erfolgte. Der Kläger musste im Hinblick auf die während des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgte Maßnahmezulassung keinen neuen Antrag stellen.
Da der Antrag nicht auf eine an einem bestimmten Tag beginnende Maßnahme gerichtet war und auch der Ablehnungsbescheid nicht auf einen bestimmten Tag des Kursbeginns Bezug nimmt, ist die Klage weiter als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu behandeln und nicht als Fortsetzungsfeststellungsklage fortzuführen.
2. Die Zulassung der begehrten Weiterbildung besteht auch fort. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl I, 2854) wurde das Fünfte Kapitel des Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (Zulassung von Trägern und Maßnahmen) neu geregelt. Die Anerkennungs- und Zulassungsverordnung (AZWV) ist zum 5. April 2012 außer Kraft getreten. An ihre Stelle ist die Verordnung über die Voraussetzungen und das Verfahren zur Akkreditierung von fachkundigen Stellen und zur Zulassung von Trägern und Maßnahmen der Arbeitsförderung nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung – AZAV) getreten. § 180 SGB III in der Fassung ab 1. April 2012 bestimmt ergänzend zu § 179 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung, der die Maßnahmezulassung grundsätzlich regelt, Anforderungen an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung. Nach der Übergangsvorschrift des § 443 Abs. 3 Satz 3 SGB III in der ab 1. April 2012 geltenden Fassung sind Zulassungen von Trägern und Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung, die nach den §§ 84 und 85 SGB III in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung erteilt wurden, den Zulassungen nach den §§ 176 und 178 SGB III sowie § 179 SGB III in Verbindung mit § 180 SGB III gleichgestellt. Die dem Maßnahmeträger Gemeinnützige Gesellschaft TÜV Rheinland Bildungswerk mbG erteilte Zulassung gilt demnach fort.
3. Der Kläger hat, wie das erstinstanzliche Urteil insoweit zutreffend ausführt, keinen Anspruch auf Förderung (unmittelbar) nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung. § 81 Abs. 1 SGB III in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung bestimmt: "Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern, eine ihnen drohende Arbeitslosigkeit abzuwenden oder weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist,
2. die Agentur für Arbeit sie vor Beginn der Teilnahme beraten hat und
3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Als Weiterbildung gilt die Zeit vom ersten Tag bis zum letzten Tag der Maßnahme mit Unterrichtsveranstaltungen, es sei denn, die Maßnahme ist vorzeitig beendet worden." Da der Kläger weder arbeitslos noch von Arbeitslosigkeit bedroht noch ohne Berufsabschluss ist, ist schon der Tatbestand des § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III nicht erfüllt.
4. Ein Anspruch auf Weiterbildung nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz ist gegeben. Nach § 24 Abs. 1 BerRehaG werden Leistungen nach dem Zweiten Abschnitt dieses Gesetzes von der Bundesagentur für Arbeit als einem für diese Aufgabe entliehenen Organ des Landes, in dem der Betroffene seinen Wohnsitz hat, gewährt. Im Zweiten Abschnitt stehen die §§ 6 und 7 BerRehaG. § 7 BerRehaG in der seit 1. April 2012 geltenden Fassung bestimmt: "Verfolgte, die an nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch für die Weiterbildungsförderung zugelassenen Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung teilnehmen und für die Weiterbildungskosten nicht nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch übernommen werden, erhalten auf Antrag die Weiterbildungskosten in entsprechender Anwendung der §§ 83 bis 87 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch erstattet."
Nach dem Gesetzeswortlaut genügt es somit, dass ein als Verfolgter Anerkannter an irgendeiner zugelassenen Maßnahme der Weiterbildungsförderung teilnimmt, deren Kosten nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung nicht übernommen werden, um den Anspruch auf Kostenerstattung für diese Maßnahme auszulösen. Dies würde auch für jeden weiteren neu gestellten Antrag auf Übernahme von Weiterbildungskosten gelten. Eine Einschränkung gilt nur insoweit, als nach § 23 BerRehaG der Antrag nur bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 gestellt werden kann.
Der Anspruch nach § 7 BerRehaG ist als gebundener Anspruch formuliert. Ein Antrag des Klägers, der ein anerkannter Verfolgter i.S. des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ist, liegt vor. Wie unter 3. festgestellt, werden Weiterbildungskosten nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch für die beantragte Maßnahme nicht übernommen, weil die Voraussetzungen des § 81 Abs. 1 Nr. 1 SGB III – Arbeitslosigkeit, drohende Arbeitslosigkeit oder fehlender Berufsabschluss – nicht erfüllt sind. Die beantragte Weiterbildung ist auch zugelassen. Damit ist nach dem Gesetzeswortlaut vorliegend bei Inanspruchnahme der zugelassenen Weiterbildungsmaßnahme ein Kostenerstattungsanspruch gegeben.
Der Einwand, der Anspruch nach § 7 BerRehaG sei uferlos, weil weitgehend voraussetzungslos, und § 7 BerRehaG könne daher nicht als Anspruchsgrundlage verstanden werden, führt im Ergebnis vorliegend nicht zur Verneinung des Anspruchs. Einer einschränkenden Auslegung des § 7 BerRehaG steht der in § 31 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) kodifizierte Vorbehalt des Gesetzes entgegen.
Es erscheint verfassungsrechtlich unzulässig, den klaren Gesetzeswortlaut einer Sozialleistungsbestimmung teleologisch zu reduzieren, wenn dies zu Lasten des Begünstigten geht (vgl. für eine teleologische Reduktion zugunsten des Betroffenen BVerfG, Beschluss vom 14, März 2011 - 1 BvL 13/07 -, juris Rn. 38). Der Gesetzgeber hatte seit Inkrafttreten des Gesetzes vielfach Gelegenheit, den Gesetzeswortlaut neu zu fassen. Da es aber soweit ersichtlich (juris) keinerlei veröffentlichte Rechtsprechung zur Anwendung des § 7 BerRehaG gibt, bestand für den Gesetzgeber kein erkennbarer Anlass, den Gesetzestext zu präzisieren und er hat dies unterlassen.
Wie das Bundessozialgericht in seinem Urteil, zur unter der Geltung des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nicht mehr anzuwendenden Rechtsfigur des missglückten Arbeitsversuchs ausgeführt hat (BSG, Urteil vom 29. September 1998 – B 1 KR 10/96 R - SozR 3-2500 § 5 Nr. 40, juris Rdnr. 18), steht, nachdem sich weder aus dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch noch aus ergänzend heranzuziehenden allgemeinen Rechtsgrundsätzen Anhaltspunkte für eine einschränkende Auslegung der Vorschriften über die Versicherungspflicht und den Beginn der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung gewinnen lassen, der allein auf Richterrecht beruhenden Rechtskonstruktion des missglückten Arbeitsversuchs der Vorbehalt des § 31 SGB I entgegen, der es verbietet, Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des SGB ohne gesetzliche Grundlage zu ändern oder aufzuheben.
Ob ergänzend heranzuziehende allgemeinen Rechtsgrundsätzen eine einschränkende Auslegung eines gesetzlichen Anspruchstatbestandes begründen können, kann hier dahinstehen, weil vorliegend keine allgemeinen Rechtsgrundsätze ersichtlich sind, die eine einschränkende Auslegung des § 7 BerRehaG nahelegen könnten. Wenn nach § 31 SGB I Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs nur begründet, festgestellt, geändert oder aufgehoben werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt, kann eine Rechtsprechung, die den Gesetzwortlaut einschränkend auslegt, nur insoweit zulässig sein, als dies vom Gesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung vorgegeben ist.
Die Gesetzesbegründung gibt keinen Anhalt, den Anspruch in einschränkender Auslegung des Gesetzeswortlauts vorliegend zu vereinen. Das Zweite Gesetz zur Bereinigung von SED-Unrecht (Zweites SED-Unrechtsbereinigungsgesetz – 2. SEDUnrBerG) sah in Artikel 2 die Schaffung eines Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes (BerRehaG) vor. § 6 BerRehaG in seiner ursprünglichen, am 1. Juli 1994 in Kraft getretenen Fassung lautete: "Verfolgte, die an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung (§§ 41, 47 des Arbeitsförderungsgesetzes) teilnehmen und denen Unterhaltsgeld nach § 44 Abs. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes nicht gewährt wird, erhalten auf Antrag ein Unterhaltsgeld in entsprechender Anwendung des § 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 des Arbeitsförderungsgesetzes." § 7 BerReha in seiner am 1. Juli 1994 in Kraft getretenen Fassung sah vor, dass Bezieher von Unterhaltsgeld nach § 6 Abs. 1 BerRehaG auf Antrag 1. notwendige Lehrgangsgebühren einschließlich Kosten für Lernmittel bis zu einer Höhe von vier Deutsche Mark je Unterrichtsstunde, 2. tatsächlich entstehende Kinderbetreuungskosten bis zu 60 Deutsche Mark monatlich je Kind erstattet erhalten. Damit sollte – so die Gesetzesbegründung (BR-Ds. 92/93 vom 12.2.1993, S. 42) – als besondere Hilfe und soziale Ausgleichsleistung Hilfe zur Selbsthilfe durch bevorzugte Förderung der Ausbildung, beruflichen Fortbildung und Umschulung geleistet werden, "wenn dies für den Betroffenen vom Alter her noch sinnvoll ist". Näher heißt es in der Begründung des Gesetzesentwurfs (BR-Ds. 92/93 vom 12.2.1993, S. 43): "Für eine wirksame Hilfe zur Selbsthilfe soll in Anlehnung an das Instrumentarium des Arbeitsförderungsgesetzes zur individuellen Förderung und Umschulung Verfolgten die Möglichkeit gegeben werden, auch dann Förderleistungen aus Mitteln des Bundes zu erlangen, wenn sie die Voraussetzungen des Arbeitsförderungsgesetzes nicht erfüllen. Politisch Verfolgte, die arbeitslos sind, von Arbeitslosigkeit bedroht oder ungelernt sind, haben bereits nach geltendem Recht einen umfassenden Förderanspruch nach dem Arbeitsförderungsgesetz, wenn sie in den letzten Jahren als Arbeitnehmer tätig waren bzw. Anspruch auf Lohnersatzleistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz hatten."
Legt man diese Gesetzesbegründung zugrunde, kommt eine teleologische Reduktion nur insoweit in Betracht, als die vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung gemachte Einschränkung "wenn dies für den Betroffenen vom Alter her noch sinnvoll ist" greift. Insoweit bietet der Wille des historischen Gesetzgebers einen Anhaltspunkt für eine einschränkende Auslegung der gesetzlichen Bestimmung. Vorliegend führt diese Erwägung aber nicht zu einer Verneinung des nach dem Wortlaut des § 7 BerRehaG gegebenen Anspruchs. Der Kläger ist am 24. Oktober 1966 geboren. Als derzeit 46 Jähriger hat er noch über zwanzig Jahre vor sich bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze in der gesetzlichen Rentenversicherung. Bei einer weiterbildungswilligen Person, die noch zwanzig Jahre Arbeit vor sich hat, ist eine Weiterbildung "vom Alter her noch sinnvoll".
Demgegenüber können arbeitsmarktpolitische Erwägungen keine einschränkende Auslegung des § 7 BerRehaG begründen. In der Literatur zum Beruflichen Rehabilitierungsgesetz heißt es zur ursprünglichen Fassung des § 6 Abs. 1 BerRehaG (vgl. Bürger, DtZ 1995, 106, 112): "Verfolgte im Sinne des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes haben Anspruch auf Maßnahmen der Umschulung und Fortbildung (§ 6 I BerRehaG), einschließlich der Zahlung von Unterhaltsgeld entsprechend den modifiziert anzuwendenden Vorschriften des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Abweichend von den Vorschriften des AFG ist nicht erforderlich, dass der Verfolgte ungelernt, arbeitslos oder von Arbeitslosigkeit bedroht sein muss. Soweit die Voraussetzungen für eine arbeitsmarktpolitisch sinnvolle Maßnahme vorliegen, erhält der Betroffene ein Unterhaltsgeld als Zuschuss in Höhe von 60 % des letzten pauschalierten Nettoeinkommens. Erstattet werden außerdem andere notwendige Kosten der Maßnahmen, wie notwendige Lehrgangsgebühren " Für eine solche teleologische Reduktion des Gesetzeswortlauts gibt die Gesetzesbegründung keinen Anhalt. Es kann daher entgegen der zitierten Literaturmeinung nicht darauf ankommen, ob die Weiterbildung arbeitsmarktpolitisch sinnvoll ist. Es reicht aus, dass die Weiterbildungsmaßnahme für den Betroffenen vom Alter her noch sinnvoll ist, auch wenn man im Rahmen einer Ermessenensentscheidung aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen anders entscheiden würde.
Wenn die Gesetzesbegründung darauf abhebt, dass eine Weiterbildung "vom Alter her noch sinnvoll" sein müsse, geht der Gesetzgeber offenbar davon aus, dass eine Weiterbildungsmaßnahme für den Antragsteller überhaupt "sinnvoll" sein muss. Die Berufung hätte daher keinen Erfolg haben können, wenn nicht nachvollziehbar dargelegt worden wäre, warum der Kläger gerade an der beantragten Weiterbildungsmaßnahme teilnehmen möchte. Nach den Angaben des Maßnahmeträgers gehört der Kläger nicht zum Adressatenkreis der Weiterbildung, die sich an Gesellen und Facharbeiter im erlernten Beruf richtet. Der Begriff der Weiterbildung und der Vorgabe des Gesetzgebers, dass die Weiterbildung nach § 7 BerRehaG vom Alter her noch sinnvoll sein muss, ist zu folgern, dass ein Anspruch auf Erstattung von Weiterbildungskosten nicht besteht, wenn der Antragsteller deshalb nicht weitergebildet wird, weil der Ausbildungsinhalt nicht über das hinaus geht, was der Antragsteller ohnehin schon beherrscht.
Zur Sinnhaftigkeit der beantragten Weiterbildung hat der Kläger vorgetragen, er arbeite seit mehreren Jahren als Kfz-Sachverständiger im Innendienst. Er verspricht sich von der Fortbildung eine deutliche Wissenserweiterung, die für seine zukünftige Berufsausübung von großem Wert sei. Seit mehreren Jahren begutachte er am Bildschirm ausschließlich Karosserieschäden am Bildschirm. Diese Tätigkeit sei fachlich sehr eng begrenzt. Die Bildschirmarbeit sei ihm wegen Augenproblemen, die zwei Augenoperationen erforderlich gemacht hätten, auf Dauer nicht zumutbar. Er wolle mit einer Weiterbildung seine Einsetzbarkeit beim derzeitigen Arbeitgeber und, da er seine Zukunft nicht nur beim derzeitigen Arbeitgeber sehe, auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verbessern.
Der Kläger hat damit zur Überzeugung des Senats dargetan, dass er – trotz seiner formal hohen Qualifikation – wegen der fachlich einseitigen und eng begrenzten Tätigkeit der Karosserieschadensbegutachtung und des auch im Kfz-Bereich rasanten Fortschritts zu einer immer stärkeren Elektronisierung der Fahrzeuge tatsächlich nicht (mehr) über umfassende Kenntnisse der Kfz-Technik auf heutigem Stand verfügt. Damit ist sowohl seine Mobilität im Unternehmen als auch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eingeschränkt.
5. Die Ausgabe eines Bildungsgutscheins (§ 77 Abs. 3 SGB III a.F.; § 81 SGB III) kommt im Rahmen des § 7 BerRehaG nicht in Betracht.
Das Sozialgericht hat argumentiert, dass die Ausgabe eines Bildungsgutscheins (§ 77 Abs. 3 SGB III a.F.) im Rahmen des § 7 BerRehaG nicht in Betracht komme, weil dieser vorsehe, dass Weiterbildungskosten erstattet werden. Diese müssten also erst einmal entstehen. Zuzugeben ist, dass der Gesetzeswortlaut des § 7 BerRehaG diese Auslegung zulässt. Für diese Auslegung spricht auch, dass § 7 BerRehaG nunmehr nicht auf § 81 SGB III, sondern nur auf die §§ 83 bis 87 SGB III verweist. Allerdings zielt das BerRehaG darauf, Weiterbildungen unter erleichterten Voraussetzungen zu finanzieren. Dieses Ziel wäre konterkariert, wenn der Verfolgte erst einmal die Weiterbildungskosten vorschießen müsste, um sie sich dann auf Antrag erstatten zu lassen mit dem Risiko, dass der Antrag abschlägig beschieden wird. Daher muss der Antrag nach § 7 BerRehaG auf die Zusage der Beklagten gerichtet sein, bei Teilnahme an einer zugelassenen Maßnahme die Kosten zu erstatten. Bei direkter Anwendung des § 81 SGB III geschieht dies durch Erteilung eines Bildungsgutscheins. Nach § 81 Abs. 4 SGB III wird der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Förderung bescheinigt (Bildungsgutschein). An die Stelle des Bildungsgutscheins tritt im Anwendungsbereich des Beruflichen Rehabilitierungsgesetzes ein Bescheid der Beklagten, der die Erstattungszusage enthält. Der Kläger hat einen entsprechenden Antrag gestellt.
Der Berufung war nach allem in vollem Umfang stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Der Fall ist, soweit ersichtlich, die erste zweitinstanzliche Entscheidung zum Anwendungsbereich des § 7 BerRhaG. Da nach § 23 BerRehaG der Antrag auf Leistungen nach diesem Gesetz noch bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 gestellt werden kann, hat die Entscheidung für die Frage des Anwendungsbereichs des § 7 BerRehaG nicht nur für schon abgeschlossene Zeiträume, sondern auch für Fälle in der Zukunft grundlegende Bedeutung. Die Revision war daher zuzulassen.
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