L 8 SO 20/09

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 19 SO 94/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 20/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 7/13 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2009 wird aufgehoben, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin mehr als 8.020,70 EUR, d.h. auch Kosten der Aufwendungen für die Zeit bis einschließlich 4. August 2009, zu erstatten.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt ein Fünftel, die Klägerin vier Fünftel der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten die Erstattung der ihr entstandenen Kosten der Unterbringung der mehrfach behinderten am ... 2003 geborenen L. H. (im Weiteren: L.H.) in einer Pflegefamilie für die Zeit vom 19. Januar 2006 bis zum 6. Juni 2010 in Höhe von insgesamt 44.419,22 EUR geltend.

L.H. wurde als extrem unreifes Mädchen in der 23. Schwangerschaftswoche mit einem Gewicht von 630 g geboren. Aufgrund von intracraniellen Blutungen und einem posthämorrhagischen Hydrocephalus besteht eine komplexe Mehrfachbehinderung mit erheblichem Entwicklungsrückstand, hochgradiger Sehbehinderung, geistiger und körperlicher Behinderung.

Auf den Antrag der Mutter der L.H. vom 7. Juli 2004 wurde ihr zunächst für ihre Tochter ab dem 1. August 2004 ambulante Eingliederungshilfe und mit Bescheid vom 1. August 2005 teilstationäre Eingliederungshilfe gem. §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) in Form von Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nach § 55 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (Rehabiliation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) in der Einrichtung integrative Kindertagesstätte "K." des Kinderförderwerkes e.V. in M. für den Zeitraum vom 1. August 2005 bis zum 31. Juli 2010 bewilligt. Den Bescheid erließ die Klägerin im Namen des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe. Die Klägerin teilte der Sozialagentur unter dem 2. August 2005 mit, dass aus ihrer Sicht die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers gem. § 97 Abs. 1 SGB XII gegeben sei. Die Leistungsberechtigte gehöre zum Personenkreis der wesentlich behinderten Menschen gem. § 53 SGB XII i.V.m. der Eingliederungshilfeverordnung (Eingliederungshilfe-VO). Es liege infolge einer Frühgeburt eine geistige und körperliche sowie eine Sinnesbehinderung vor, wobei die geistige Behinderung als Leitsymptom zu sehen sei.

Am 1. August 2005 wurde L.H. in der vorgenannten integrativen Kindertagesstätte aufgenommen. Am 6. Dezember 2005 fand ein Hausbesuch bei L.H. mit jeweils einer Vertreterin des Jugendamtes und der Sozialagentur statt. Das Jugendamt sei von der integrativen Einrichtung darüber informiert worden, dass L.H. nur unregelmäßig von der Mutter in die Einrichtung geschickt werde. Das Kind werde nicht ausreichend ernährt und die Mutter sei nicht bereit, sich darum zu kümmern, dass das Kind am Morgen mit dem Bus mitgegeben und am Nachmittag wieder nach Hause gebracht werde. Das Gespräch mit der Mutter anlässlich des Hausbesuchs ergab, dass sie kein behindertes Kind haben wolle; es solle in ein Heim. Am 16. Januar 2006 wurde L.H. als Pflegekind in einer Pflegefamilie aufgenommen. Bereits im Rahmen des Hausbesuchs bestand Uneinigkeit über die Kostentragungspflicht hinsichtlich der Unterbringung in der Pflegefamilie.

Am 24. Januar 2006 erteilte die Klägerin der Mutter der L.H. einen vorläufigen Bescheid über die Gewährung von Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (Kinder- und Jugendhilfe - SGB VIII) für ihre Tochter. Aufgrund des Antrags vom 9. Januar 2006 werde ab dem 19. Januar 2006 vorläufig Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII in Form von "Hilfe zur Erziehung und/oder ergänzende Leistungen - § 27 i. V. m. § 33 SGB VIII vorbehaltlich bis zur Klärung ggf. über SGB XII vorübergehend in einer heilpädagogischen Pflegestelle gewährt". Mit Bescheid vom selben Tag gewährte die Klägerin den Pflegeeltern für L.H. ab dem 19. Januar 2006 "Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gem. §§ 27 und 33 SGB VIII".

Am 22. Mai 2006 ging der Antrag der Klägerin auf Prüfung von Eingliederungshilfe für L.H. bei dem Beklagten ein. Da die Kindesmutter sich mit der Betreuung und Versorgung wegen der starken Mehrfachbehinderung ihrer Tochter überfordert gefühlt habe, habe sie sich an die Klägerin gewandt und um Hilfe und Unterstützung in Form einer Unterbringung gebeten. Die großen Anstrengungen in allen Bereichen, die mit der Versorgung ihrer Tochter verbunden seien, hätten die Kindesmutter besonders körperlich und psychisch an ihre Leistungsgrenze gebracht. Am 9. Januar 2006 habe sie einen Antrag auf Hilfe gestellt, die ihr zunächst ab dem 19. Januar 2006 vorbehaltlich bis zur endgültigen Klärung gewährt worden sei; L.H. lebe seitdem in einer Pflegefamilie.

Mit Bescheid vom 1. Juni 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf Leistungen der Eingliederungshilfe ab. Zum einen könne das Jugendamt keine Leistungen der Eingliederungshilfe beantragen; die Antragstellung obliege den sorgeberechtigten Personen. Das Jugendamt habe lediglich die Möglichkeit, die erbrachten vorläufigen Leistungen im Rahmen eines Erstattungsbegehrens nach den Regelungen des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) gegenüber dem Sozialhilfeträger prüfen zu lassen. Der Sozialhilfeträger sei für die Unterbringung in der Pflegefamilie der unzuständige Leistungsträger. Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII liege die vorrangige Zuständigkeit beim Träger der Jugendhilfe. Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 28. Juli 2006 bei der Sozialagentur am 1. August 2006 unter Hinweis auf § 97 SGB VIII "Rechtsmittel" ein und machte gleichzeitig einen Erstattungsanspruch für die vorbehaltlich einer endgültigen Entscheidung ab dem 19. Januar 2006 erbrachten Leistungen gem. § 102 SGB X geltend. Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff. SGB XII könne auch in Pflegefamilien gewährt werden, wenn dies für das körperlich oder geistig behinderte Kind die geeignete und notwendige Hilfeform sei. Unter dem 15. September 2006 stellte die Sozialagentur klar, dass das Ablehnungsschreiben vom 1. Juni 2006 im Namen des Beklagten als überörtlichem Sozialhilfeträger ergangen sei.

Am 15. August 2007 erhob die Klägerin beim Verwaltungsgericht (VG) Magdeburg Klage (Az.: 6 A 121/07 MD) mit dem Antrag, den Beklagten zu verpflichten, auf den Widerspruch vom 28. Juli 2006 einen Widerspruchsbescheid zu erlassen und dem Antrag vom 11. Mai 2006 auf Kostenübernahme von Eingliederungshilfe gem. §§ 53, 54 SGB XII für L.H. zu entsprechen. Die Klageschrift ging dem Beklagten am 30. August 2007 zu.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2007 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zwar ergebe sich ein Antragsrecht der Klägerin aus § 97 SGB VIII. Es genüge insoweit, wenn der Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen Erstattungsanspruch haben könne. Der Jugendhilfeträger habe im Rahmen des § 97 SGB VIII die gleiche Rechtsstellung wie der Berechtigte, d.h. er könne Anträge auf Sozialleistungen stellen, Widerspruch einlegen und Klage erheben. Unstreitig gehöre L.H. aufgrund ihrer Mehrfachbehinderung zum Personenkreis des § 53 Abs. 1 SGB XII und habe dem Grunde nach Anspruch auf Eingliederungshilfeleistungen gem. §§ 53, 54 SGB XII. Dieser Bedarf werde in Form von teilstationärer Eingliederungshilfe in der integrativen Kindertagesstätte seit dem 1. August 2005 auch gedeckt. Die Kosten der Unterbringung in einer Pflegefamilie seien keine Leistung der Eingliederungshilfe. Die Ursache, die zur Unterbringung von L.H. in der Pflegefamilie geführt habe, sei nicht in der Behinderung des Kindes, sondern in der familiären Situation, insbesondere der Überforderung der Mutter, zu sehen. Diese habe anlässlich des Hausbesuchs geäußert, nicht bereit zu sein, sich weiter um ihre Tochter zu kümmern und dafür Sorge zu tragen, dass diese regelmäßig die integrative Kindertagesstätte besuchen könne. Von der Tagesstätte sei bestätigt worden, dass L.H. nicht regelmäßig gebracht und auch nicht ausreichend ernährt worden sei. In einer Pflegefamilie würden keine Leistungen der Eingliederungshilfe, sondern reine Betreuungs- und Erziehungsleistungen nach dem SGB VIII erbracht. Der sozialhilferechtliche Eingliederungsbedarf werde ganztägig und vollumfänglich den Bedarf deckend in der integrativen Kindertagesstätte erbracht. In der verbleibenden Tageszeit werde L.H. in der Pflegefamilie betreut und erzogen. Die Behinderung des Kindes erfordere neben der ganztägigen Eingliederungshilfe keinen solchen Betreuungsaufwand, der nicht auch durch die Mutter hätte erbracht werden können. Die Unterbringung in der Pflegefamilie sei nur deshalb erforderlich geworden, weil das ursprüngliche familiäre Umfeld des Kindes dessen Lebens- und Hilfebedarf nicht mehr habe gewährleisten können. Die Unterbringung in der Pflegefamilie wäre nicht erforderlich geworden, wenn das Kind in einem Elternhaus mit üblichen Erziehungsfähigkeiten leben würde. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 20. September 2007 zugestellt.

Am 18. Oktober 2007 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht (SG) Magdeburg erhoben (Az. S 19 SO 94/07) und beantragt, den Bescheid des Beklagten vom 11. September 2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, geleistete Hilfen in noch zu beziffernder Höhe ab dem 19. Januar 2006 gem. § 102 SGB XII zu erstatten. Sie hat ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt. Ferner hat sie auf die Vorrang-Nachrang-Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB VIII hingewiesen. Nach der Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 23. September 1999 seien im Überschneidungsbereich des § 10 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) - nun SGB XII - stets vorrangig gegenüber Leistungen nach dem SGB VIII. Wenn Maßnahmen der Eingliederungshilfe gewährt würden oder gewährt werden müssten und zugleich auch vom Umfang der Hilfe identische Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Betracht kämen, greife grundsätzlich der Vorrang der Sozialhilfe aus § 10 Abs. 2 Satz 3 SGB VIII, ohne dass es auf den Schwerpunkt des Hilfebedarfs ankommen könne. Da der Katalog in § 54 Abs. 1 SGB XII keine abschließende Aufzählung enthalte, gehöre auch die vollstationäre Unterbringung von Kindern und Jugendlichen zum Leistungsspektrum der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII. Schließlich hat die Klägerin auf das Urteil des VG Magdeburg vom 15. Februar 2008 (Az.: 6 A 2/06) verwiesen; wegen der weiteren Ausführungen wird auf Blatt 31 ff. der Gerichtsakte Band I Bezug genommen.

Der Beklagte hat sich auf die Begründung des Widerspruchsbescheides und zudem auf das Urteil des VG Münster vom 8. Juni 2005 (Az.: 9 K 4369/93) gestützt, wonach die Unterbringung in einer Pflegefamilie als Hilfe zur Erziehung gem. §§ 27, 33 SGB VIII zu verstehen sei. Darin sei ausgeführt, dass auch ein behindertes Kind der Erziehung und Förderung bedürfe, auch dann, wenn es dauerhaft kein selbstständiges Leben führen könne. Zudem sei Erziehungshilfe in Vollzeitpflege keine Hilfeleistung nach dem SGB XII. Von einer identischen Leistung der Kinder- und Jugendhilfe zur Eingliederungshilfe gemäß § 54 SGB XII könne somit keineswegs ausgegangen werden. Die Unterbringung in einer Pflegefamilie sei kostenerstattungsrechtlich weder als Aufenthalt in einer stationären oder teilstationären Einrichtung noch als ambulante Leistung anzusehen.

In dem Rechtsstreit 6 A 121/07 MD hat das VG Magdeburg mit Beschluss vom 11. Oktober 2007 den Rechtsstreit an das zuständige SG Magdeburg verwiesen. Das Verfahren ist dort unter dem Aktenzeichen S 14 SO 96/07 geführt worden. Die Klägerin hat am 3. Januar 2008 darauf hingewiesen, dass sie ihre Klage vom 15. August 2007 bereits mit dem an das VG gerichteten Schriftsatz vom 9. Oktober 2007 für erledigt erklärt habe. Die Klage vom 18. Oktober 2007 beim SG Magdeburg mit dem Aktenzeichen S 14 SO 94/07 gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 11. September 2007 bleibe vollumfänglich aufrechterhalten. Am 4. Juni 2008 hat sich der Beklagte mit der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache einverstanden erklärt.

Mit Urteil vom 19. Mai 2009 hat das SG Magdeburg den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. September 2007 verurteilt, der Klägerin Hilfen "in noch zu beziffernder Höhe" ab dem 19. Januar 2006 gem. § 102 SGB X zu erstatten. Die Klage sei zulässig und begründet. Die Klägerin habe gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der für die Unterbringung der L.H. aufgewandten Kosten in einer Pflegefamilie gemäß § 102 SGB X i.V.m. §§ 53, 54 SGB XII. Die Klägerin sei antragsberechtigt nach § 97 SGB VIII. L.H. gehöre unstreitig zu dem Personenkreis, der Ansprüche auf die Bewilligung von Eingliederungshilfe nach dem §§ 53, 54 SGB XII habe. Diese Hilfe werde dem Kind auch in Form des Aufenthaltes in einer integrativen Kindertagesstätte gewährt. Der Beklagte leiste hierfür unstreitig auch Kostenerstattung. Entgegen dem Regelfall und ausnahmsweise stelle zur Überzeugung der Kammer hier die Unterbringung der L.H. in einer Pflegefamilie keine Maßnahme der Erziehungshilfe nach den Regelungen der §§ 27, 33 SGB VIII dar. Dies ergebe sich aus den Besonderheiten des Einzelfalles und begründe sich ausschließlich in der Person des Kindes L.H. Diese sei mehrfach (auch geistig) behindert und darüber hinaus fast blind. Die leibliche Mutter sei mit dem Kind überfordert gewesen und habe dieses aufgrund seiner Behinderung abgelehnt. Insoweit sei eine "ausreichende Erziehung in der Herkunftsfamilie" nicht gewährleistet gewesen und deshalb die Unterbringung in einer Pflegefamilie als Hilfe zur Erziehung notwendig geworden. § 54 SGB XII enthalte keine abschließende Regelung zu Eingliederungshilfeleistungen. Hier seien nicht Erziehungsdefizite für die Unterbringung in der Pflegefamilie maßgebend gewesen. Denn in der Familie hätten noch zwei weitere Kinder gelebt, die von der leiblichen Mutter erzogen würden und keine Erziehungsdefizite aufwiesen. Insoweit sei davon auszugehen, dass eine Erziehung von L.H. im Sinne des § 33 SGB VIII aufgrund der schweren Behinderungen und Erkrankungen nur in einem geringen Umfang überhaupt möglich gewesen sei, sodass sich die Frage nach Erziehungsdefiziten nicht gestellt habe. Für die Unterbringung in der Pflegefamilie hätten im vorliegenden Fall andere und nicht mit § 33 SGB VIII begründete Gründe vorgelegen. Aufgrund der Schwere der Behinderungen habe es nahegelegen, L.H. in einem geschlossenen Kinderheim unterzubringen; in diesem Fall hätte der Beklagte ebenfalls die Kosten übernehmen müssen. Unter Beachtung des Rechtsgrundsatzes, dass, wenn etwas Größeres zu bewilligen sei, auch das Geringere bewilligt werden müsse (a maiore ad minus), sei hier die Klage vollumfänglich begründet.

Gegen das ihm am 12. Juni 2009 zugestellte Urteil hat der Beklagte am (Montag, den) 13. Juli 2009 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Er hat daran festgehalten, dass der Eingliederungsbedarf von L.H. vollumfänglich in der integrativen Tagesstätte erbracht werde und die Pflegeeltern keine Eingliederungshilfe im Sinne von § 54 SGB XII leisteten. Auch ein behindertes Kind bedürfe der Erziehung und Förderung. Insoweit verweist er nochmals auf Entscheidungen des VG Münster sowie des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen vom 4. April 1995 (Az.: 16 A 3115/94).

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 19. Mai 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, soweit sich der Erstattungsanspruch in Höhe von 44.419,22 EUR auf den Zeitraum 19. Januar 2006 bis zum 6. Juni 2010 bezieht.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. L.H. lebe seit dem 7. Juni 2010 in einem Heim, da die Pflegestelle nicht mehr zur Verfügung gestanden habe. Für die Zeit vom 19. Januar 2006 bis zum 6. Juni 2010 seien ihr Kosten in Höhe von insgesamt 44.419,22 EUR entstanden. Mit Bescheid vom 24. Januar 2006 hatte sie der Pflegefamilie einen monatlichen Betrag in Höhe von 872,50 EUR bewilligt (Grundbetrag 338,00 EUR, Erziehungsbeitrag 573,00 EUR, abzüglich Kindergeld 38,50 EUR); für den Zeitraum vom 19. bis zum 31. Januar 2006 hatten die Pflegeeltern eine Nachzahlung in Höhe von 394,77 EUR erhalten (13 Tage ohne Kindergeldabzug). Mit Bescheid vom 11. Mai 2006 hatte die Klägerin den Pflegeeltern zudem eine weitere Nachzahlung in Höhe von 240,00 EUR zuerkannt, da bislang nur ein Grundbetrag in Höhe von 338,00 EUR anstatt der zustehenden 398,00 EUR gezahlt worden sei. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2006 hatte die Klägerin eine einmalige Beihilfe in Höhe von 100 EUR bewilligt (Zuschuss Reha-Wagen). Mit Bescheid vom 14. Februar 2007 hatte sie den Pflegeeltern der L.H. ab dem 1. März 2007 monatlich 774,50 EUR (Grundbetrag 415,00 EUR, Erziehungsaufwand 398,00 EUR, abzüglich Kindergeld 38,50 EUR), mit Bescheid vom 20. November 2007 ab dem 1. Januar 2008 monatlich 785,50 EUR (Grundbetrag 422,00 EUR, Erziehungsaufwand 402,00 EUR, abzüglich Kindergeld 38,50 EUR), mit Bescheid vom 7. November 2008 monatlich 799,00 EUR (Grundbetrag 433,00 EUR, Erziehungsaufwand 407,00 EUR, abzüglich Kindergeld 38,50 EUR) sowie mit dem Bescheid vom 20. November 2009 ab Januar 2010 monatlich 794,00 EUR (Grundbetrag 433,00 EUR, Erziehungsaufwand 407,00 EUR, abzüglich Kindergeld 46,00 EUR) bewilligt. Soweit eine Kostenerstattung als rechtmäßig in Bezug auf den Zeitraum ab dem 5. August 2009 erachtet werde, bedürfe es einer Abgrenzung der einzelnen Leistungsbestandteile der Bewilligungen an die Pflegefamilie.

Mit Schreiben vom 2. November 2012 hat die Berichterstatterin mitgeteilt, es sei beabsichtigt, das Rubrum zu korrigieren, da nach § 2 Abs. 1 i.V.m § 4 Abs. 2 Nr. 6 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch im Land Sachsen-Anhalt (AG SGB XII LSA, vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, 8) das L ... überörtlicher Träger der Sozialhilfe und daher der richtige Beklagte sei. Die Beteiligten haben sich mit der Rubrumsänderung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten L 8 SO 20/09 und S 14 SO 96/07 sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen. Sie sind sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Eine Beiladung der Mutter der L.H. und der Pflegefamilie der L.H. war nicht geboten. Denn die Hilfeleistung ist hier bereits abschließend erfolgt und gegenüber dem Leistungserbringer von einem Leistungsträger abgegolten worden. Der rechtliche Streit betrifft hier allein noch Ansprüche der Sozialleistungsträger untereinander. Ein rechtliches Bedürfnis für eine Verfahrensbeteiligung des Leistungserbringers oder des Hilfeempfängers besteht in solchen Fällen nicht (vgl. auch Roos in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, vor § 102 Rn 11).

Die Berufung ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Sie bedurfte zudem nicht der Zulassung gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 2 SGG in der hier maßgeblichen, ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung. Es handelt sich um eine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, wobei der Wert des Beschwerdegegenstands 10.000,00 EUR auch nach dem Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens übersteigt.

Das Passivrubrum war durch den Senat zu korrigieren, denn der Beklagte ist im bisherigen Verfahrensverlauf falsch bezeichnet worden. In diesem Fall hat das Gericht von Amts wegen die Bezeichnung zu korrigieren (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Auflage 2012, § 70 Rn 6). Der Beklagte ist das L ..., denn dieses ist der beteiligtenfähige Rechtsträger der hier prozessführenden Sozialagentur des L ..., die als rechtlich unselbstständige Landesbehörde nicht beteiligtenfähig im Sinne von § 70 SGG ist (vgl. hierzu Urteile des Senats vom 28. August 2009 - L 8 SO 16/07 - und vom 21. Dezember 2010 - L 8 SO 8/08 -, beide juris).

Die Berufung ist überwiegend begründet.

Die beim SG Magdeburg erhobene Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Die Beteiligten haben nach entfallener Rechtshängigkeit des Verfahrens S 14 SO 96/07 allein das vorliegende Verfahren weiterverfolgt.

Die auf Aufhebung des Bescheides vom 1. Juni 2006 in der Fassung des Bescheides vom 15. September 2006 sowie des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2007 gerichtete Anfechtungsklage ist zulässig; insbesondere besteht hierfür ein Rechtsschutzbedürfnis. Soweit die Klägerin die Bewilligung von Eingliederungsleistungen für L.H. beantragt hat, hat sie ein fremdes Recht, nämlich das der L.H., in eigenem Namen geltend gemacht (Paul in LPK-SGB VIII 1. Auflage 1998, § 97 Rn 8); insoweit ist sie auch antragsberechtigt gem. § 97 SGB VIII gewesen. Mit der Feststellung der Leistungspflicht des Beklagten als vorrangig verpflichtetem Leistungsträger wäre die Klägerin aus ihrer Pflicht zur Vorleistung entlassen worden (vgl. Schindler in Münder/ Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 6. Auflage 2009, § 97 Rn 1). Die Anfechtungsklage ist auch fristgerecht erhoben worden.

Die daneben auf Erstattung ihrer Aufwendungen gerichtete Klage ist als sog. echte Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 SGG ebenfalls zulässig (vgl. Paul, a.a.O. § 97 Rn 10; Wiesner, SGB VIII Kommentar, 3. Auflage 2006, § 97 Rn 1; Schindler, a.a.O. § 97 Rn. 5). Soweit der Erstattungsbetrag bis zum Ende der mündlichen Verhandlung der letzten Tatsacheninstanz der Höhe nach beziffert worden ist, ist dies ausreichend.

Die Klägerin ist für die Erhebung der Anfechtungs- und Leistungsklage aktivlegitimert. Gem. § 85 Abs. 1 SGB VIII ist für die Gewährung von Leistungen und die Erfüllung anderer Aufgaben nach diesem Buch der örtliche Träger sachlich zuständig, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Der überörtliche Träger ist sachlich zuständig für die in § 85 Abs. 2 SGB VIII aufgeführten Aufgabenbereiche, in denen die hier streitigen nicht genannt sind. Ferner ergibt sich die sachliche Zuständigkeit für die Anfechtungsklage aus § 97 SGB VIII.

Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist insoweit begründet, als der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der Kosten gegenüber dem Beklagten, die ihr durch die Unterbringung von L.H. in einer Pflegefamilie in der Zeit vom 5. August 2009 bis zum 6. Juni 2010 entstanden sind, d.h. in Höhe von 8.020,70 EUR, zusteht. Für den Zeitraum vom 19. Januar 2006 bis zum 4. August 2009 ist die Klage unbegründet, das Urteil des SG insoweit zu ändern und die Klage abzuweisen, da ein Anspruch auf Erstattung von Sozialleistungen nicht bestanden hat.

Der Erstattungsanspruch ergibt sich aus § 102 SGB X. Danach ist der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein Leistungsträger aufgrund gesetzlicher Vorschriften vorläufig Sozialleistungen erbracht hat.

Die Klägerin hat mit den Bescheiden vom 24. Januar 2006 zum einen der Mutter der L.H. vorläufig Jugendhilfe nach § 2 Abs. 2 SGB VIII in Form von Hilfe zur Erziehung und/oder ergänzende Leistungen - § 27 i. V. m. § 33 SGB VIII - "vorbehaltlich bis zur Klärung ggf. über SGB XII vorübergehend in einer heilpädagogischen Pflegestelle gewährt" und zum anderen den Pflegeeltern für L.H. ab dem 19. Januar 2006 Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gem. §§ 27 und 33 SGB VIII bewilligt. Hierzu war die Klägerin aufgrund § 43 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (Allgemeiner Teil des SGB - SGB I) berechtigt und verpflichtet. § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I (in der ab dem 1. Juli 1983 geltenden Fassung) lautet: Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßen Ermessen bestimmt (Satz 1). Er hat Leistungen nach Satz 1 zu erbringen, wenn der Berechtigte es beantragt; die vorläufigen Leistungen beginnen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrags (Satz 2).

Die Klägerin hat Hilfe zur Erziehung vorübergehend in einer Pflegefamilie vorläufig gewährt. Denn im Zeitpunkt der Leistungserbringung stand zwischen den Beteiligten nicht fest, wer zuständiger Kostenträger ist. Zudem lag ein Eilfall vor; die Entscheidung über die Leistungsgewährung duldete keinen Aufschub mehr, da L.H. offenkundig nicht mehr ausreichend von ihrer Mutter versorgt wurde.

Der Beklagte ist jedoch im Zeitraum vom 19. Januar 2006 bis zum 4. August 2009 nicht als der zur Leistung verpflichtete Leistungsträger i.S. von § 102 SGB X anzusehen.

Gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 SGB VIII in der im Erstattungszeitraum geltenden Fassung ab dem 1. Januar 2005 gehen die Leistungen nach diesem Buch, d.h. nach dem SGB VIII, den Leistungen nach dem SGB XII vor. Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, gehen Leistungen nach dem SGB VIII vor (§ 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII). Der Vorrang der Leistungspflicht des Beklagten als Träger der Eingliederungshilfe gegenüber der Leistungspflicht der Klägerin als Trägerin der Jugendhilfe ist auf die Eingliederungshilfe für körperlich und geistig behinderte junge Menschen beschränkt. Ein Rangverhältnis zwischen Jugendhilfe und Sozialhilfe nach § 10 Abs. 4 SGB VIII bzw. § 10 Abs. 2 SGB VIII a.F. besteht nur, soweit sowohl ein Anspruch auf Jugendhilfe als auch ein Anspruch auf Sozialhilfe besteht und beide Leistungen gleich, gleichartig, einander entsprechend, kongruent, einander überschneidend oder deckungsgleich sind (vgl. Urteil des BVerwG vom 2. März 2006 - BVerwG 5 C 15.05 - BVerwGE 125, 95 oder juris Rn 8). Dabei stellt § 10 Abs. 4 SGB VIII ebenso wie § 10 Abs. 2 SGB VIII a.F. nicht auf den Schwerpunkt in Bezug auf eine der beiden Hilfeleistungen, sondern auf die Art der miteinander konkurrierenden Leistungen ab (so auch Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg, Beschluss vom 15. April 2010 - 4 LC 266/08 -, juris Rn 45; Hessisches LSG, Urteil vom 18. Februar 2008 - L 9 SO 44/07 -, juris Rn 24). Die Regelung des § 10 Abs. 4 Satz 2 SGB VIII unterscheidet in ihrem Wortlaut nicht zwischen wesentlicher und nicht wesentlicher geistiger bzw. körperlicher Behinderung (OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. April 2010 - 12 A 728/09 -, juris Rn 12).

Die Vollzeitpflege als solche kann, orientiert an dem Hilfebedarf des jungen Menschen, sowohl eine Maßnahme der Jugendhilfe nach § 33 SGB VIII als auch der Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe sein. Die Unterbringung in einer Familie als Vollzeitpflege ist jedoch weder eine ambulante noch eine stationäre Leistung der Eingliederungshilfe i.S. von § 13 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 53, 54 Abs. 1 SGB XII. Insbesondere ist die Unterbringung in einer Pflegefamilie keine "Hilfe ... in der Einrichtung" im Sinne des Gesetzes; denn es fehlt an den eine "Einrichtung" kennzeichnenden Merkmalen eines in einer besonderen Organisationsform unter verantwortlicher Leitung zusammengefassten Bestandes an personellen und sächlichen Mitteln, der auf eine gewisse Dauer angelegt und für einen größeren, wechselnden Personenkreis bestimmt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. März 2006, a.a.O.).

Erst mit der Vorschrift des § 54 Abs. 3 SGB XII, die ab dem 5. August 2009 in Kraft getreten ist (Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes vom 30. Juli 2009 BGBI I, S. 2495), ist vom Gesetzgeber geregelt worden, dass eine Leistung der Eingliederungshilfe auch die Hilfe für die Betreuung in einer Pflegefamilie ist, soweit eine geeignete Pflegeperson Kinder und Jugendliche über Tag und Nacht in ihrem Haushalt versorgt und dadurch der Aufenthalt in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe vermieden oder beendet werden kann. In der Gesetzesbegründung wird daran angeknüpft, dass das SGB XII anders als das SGB VIII keine Regelung über die Vollzeitpflege in Pflegefamilien enthalte und dies in der Praxis dazu führe, dass seelisch behinderte Kinder oftmals in Pflegefamilien aufgenommen würden, während körperlich und geistig behinderte Kinder in der Regel in vollstationären Einrichtungen betreut würden. Es sei zu Zuständigkeitsschwierigkeiten zu Lasten des behinderten Kindes gekommen. Der "neue" Leistungstatbestand stelle sicher, dass Leistungen der Eingliederungshilfe auch für die Betreuung körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher in einer Pflegefamilie gewährt würden (Drucksache 16/13417 S.6). Durch die vorgenannten Formulierungen wird deutlich, dass der Gesetzgeber keine Klarstellung, sondern eine Neuregelung vornehmen wollte. Insoweit ist für die Annahme, dass Eingliederungshilfe in Form der Unterbringung der Pflegefamilie erbracht werden konnte, zur Überzeugung des Senats nach der bis zum 4. August 2009 geltenden Rechtslage kein Raum. Insoweit dürfte auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - Übereinstimmung mit der Auffassung des 20. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen im dortigen Urteil vom 14. Februar 2011 in dem Verfahren L 20 SO 110/08 (juris) bestehen, da dort die Erstattung von Kosten in einer sonderpädagogischen Pflegestelle streitig war. Diese sonderpädagogische Pflegestelle habe Leistungen erbracht, die "einen deutlichen Überschuss gegenüber dem Normalfall der Unterbringung eines kleinen Kindes in einer Pflegefamilie" enthalten hätten. Diese Besonderheit habe dazu geführt, dass es sich bei den erbrachten Leistungen neben der Jugendhilfe auch um sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe gehandelt habe (juris Rn 63). Hier hatte die Klägerin den Pflegeeltern für die Versorgung der L.H. in einer Pflegefamilie "Hilfe zur Erziehung in Form von Vollzeitpflege gem. §§ 27 und 33 SGB VIII" bewilligt und damit keine besondere Versorgung in einer sonderpädagogischen Pflegestelle.

Während es für den Zeitraum vom 19. Januar 2006 bis zum 4. August 2009 an einem Vorrang der Eingliederungshilfe mangels Gleichartigkeit der Hilfeleistungen nach dem SGB XII und SGB VIII fehlt, besteht aufgrund der Schaffung des § 54 Abs. 3 SGB XII ab dem 5. August 2009 der Leistungsvorrang des Beklagten.

Der Beklagte ist gem. § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII als überörtlicher Träger der Sozialhilfe des Landes Sachsen-Anhalt der für die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 bis 60 SGB XII sachlich zuständige Sozialhilfeträger.

Er ist auch der örtlich zuständige Leistungsträger (§ 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII).

Der Umfang des Erstattungsanspruchs ergibt sich aus § 110 SGB XII. Danach sind die aufgewendeten Kosten zu erstatten, soweit die Leistungen den Regelungen des SGB XII entsprechen (Abs. 1 Satz 1). Es gelten die am Aufenthaltsort der L.H. im Zeitpunkt der Leistungserbringung bestehenden Grundsätze für die Leistung von Sozialhilfe (Absatz 1 Satz 2). Durchgreifende Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Höhe der Leistungsgewährung bestehen für den hier maßgebenden Zeitraum vom 5. August 2009 bis zum 6. Juni 2010 nicht.

Die Klägerin hat den Anspruch auch innerhalb der Ausschlussfrist von zwölf Monaten nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistungen erbracht wurden, geltend gemacht (§ 111 SGB X).

Daher hat die Klägerin einen Anspruch auf die Erstattung der von ihr bezifferten Kosten in Höhe von 8.020,70 EUR. Die für den Zeitraum vom 19. Januar 2006 bis zum 4. August 2009 von ihr vorgelegte Aufstellung ihrer Aufwendungen ist schlüssig und plausibel. Einwände sind von dem Beklagten in Bezug auf die Höhe der erbrachten Leistungen nicht erhoben worden. Es besteht auch kein Anlass, die Deckung des Grundbetrages gegenüber den Pflegeeltern von der Erstattung auszunehmen. Denn Sinn des neu geschaffenen § 54 Abs. 3 SGB XII ist es nach der Intention des Gesetzgebers gewesen, eine geteilte Zuständigkeit des Sozial- und Jugendhilfeträgers zu beseitigen. Eine Herausrechnung des Grundbetrages würde diese klare Trennung wieder aufheben. Insoweit geht der Senat davon aus, dass bei der Gewährung von Hilfe nach § 54 Abs. 3 SGB XII der Sozialhilfeträger insgesamt zuständig bleibt (so auch Bieritz-Harder in LPK-SGB XII, 9. Auflage 2012, § 54 Rn 68) und sich der Erstattungsanspruch auf alle mit der Vollzeitpflege in der Pflegefamilie entstandenen Kosten bezieht (so zum Umfang der Kostenerstattungspflicht während des Aufenthaltes in einem Frauenhaus Urteil des BSG vom 23. Mai 2012 - B 14 AS 156/11 R - , juris Rn 21).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der maßgebenden Rechtsfragen zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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