L 9 R 3180/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 1248/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3180/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Juni 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Vergabe einer neuen Versicherungsnummer mit einem auf den 1945 geänderten Geburtsdatum.

Der in der Türkei geborene Kläger ist zwischenzeitlich deutscher Staatsbürger. Unter Vorlage eines Beschlusses des Amtsgerichts Stuttgart vom 21.07.2009 beantragte der Kläger am 02.11.2009 die Berücksichtigung des Geburtsdatums 1945 anstelle des seither verwendeten Geburtsdatums 1949. In dem vorgelegten Beschluss des Amtsgerichts Stuttgart wurde der zuständige Standesbeamte angewiesen, dem Antragsteller eine Geburtsurkunde mit dem Geburtsdatum 1945, Geburtsort Basibrin, jetzt Haberli Köyü auszustellen. In den Gründen dieses Beschlusses ist ausgeführt, dass in dem deutschen Personalausweis des Klägers das Geburtsdatum mit dem 1949 und in der vom türkischen Generalkonsulat Stuttgart am 23.10.2008 ausgestellten Geburtsurkunde ebenfalls der 01.01.1949 angegeben sei. Ein vom Kläger vor den türkischen Gerichten gestellter Antrag auf Berichtigung des Geburtsdatums sei mit Urteil vom 13.08.2008 abgelehnt worden, weil der Antragsteller als deutscher Staatsbürger keine Berechtigung habe, in der Türkei einen entsprechenden Berichtigungsantrag zu stellen. Zur Glaubhaftmachung seines Geburtsdatums 1945 habe der Antragsteller eine beglaubigte Übersetzung aus dem örtlichen Taufregister, die Übersetzung einer entsprechenden schriftlichen Bestätigung durch den örtlichen Ortsvorsteher sowie eines weiteren Zeugen vorgelegt. Der Kläger habe durch die Vorlage des Auszuges aus dem örtlichen Taufregister unter zusätzlicher Vorlage einer Übersetzung durch einen allgemein vereidigten Dolmetscher sowie der Vorlage einer Zeugenaussage vom 14.07.2008 und der Übersetzung der Erklärung des örtlichen Ortsvorstandes bereits glaubhaft gemacht, dass er nicht am 1949, sondern am 1945 geboren sei.

Mit Bescheid vom 18.11.2009 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Geburtsdatums 1945 und die Änderung der Versicherungsnummer ab. Sie verwies auf § 33a Abs. 1 und 3 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach für den Bereich der deutschen Sozialversicherung grundsätzlich das Geburtsdatum maßgebend sei, welches sich aus der ersten Angabe des Berechtigten oder Verpflichteten oder seiner Angehörigen gegenüber einem Sozialleistungsträger oder gegenüber dem Arbeitgeber ergebe. Von diesem Geburtsdatum dürfe nur dann abgewichen werden, wenn der zuständige Leistungsträger festgestellt habe, dass ein Schreibfehler vorliege oder sich aus einer Urkunde, deren Original vor Eintritt in die Deutsche Sozialversicherung ausgestellt worden sei, ein anderes Geburtsdatum ergebe. Bei Eintritt in die deutsche Sozialversicherung im Jahr 1980 habe der Kläger den 1949 als Geburtsdatum angegeben. Das bei der Vergabe der Versicherungsnummer verwandte Geburtsdatum sei daher im Sinne des § 33a SGB I richtig. Es stimme mit den früher vorgelegten ausländischen Urkunden überein. Durch die Entscheidung des Amtsgerichts Stuttgart seien die Voraussetzungen des § 33a Abs. 2 SGB I nicht erfüllt worden. Die Änderung habe daher keine Auswirkung, sodass das für die deutsche Sozialversicherung gültige Geburtsdatum weiter der 1949 sei. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch verwies der Kläger auf das Taufregister des türkischen Dorfes, in dem er geboren und getauft worden sei. Aus diesem ergebe sich unmissverständlich das Geburtsdatum 1945 und das Taufdatum 1945. Ein entsprechender Auszug wurde in Kopie sowie eine Übersetzung aus dem Aramäischen vorgelegt. Darüber hinaus hat der Kläger eine schriftliche Erklärung des Ortsvorstands Haberli Köyü samt Zeugen vorgelegt, welche die Existenz und den Inhalt des Taufregisters belegten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie wies ergänzend darauf hin, dass aus dem Personenstandsregisterauszug der Türkei (Nüfus) das Geburtsdatum 1949 entnommen werden könne. Dieser Eintrag sei am 25.06.1964 erfolgt. Die vorgelegte nicht beglaubigte, handschriftlich erstellte Liste, aus der hervorgehe, dass der Kläger am 1945 geboren und am 1945 getauft worden sein soll, lasse nicht erkennen, wer der Verfasser sei und auch eine amtliche Bestätigung sei nicht ersichtlich. Sie sei auch ohne Datum erstellt worden, weshalb diese Aufstellung nicht als Urkunde in dem oben genannten Sinn angesehen werden könne. Das in der aktuellen Versicherungsnummer verwendete Geburtsdatum entspreche der erstmaligen Angabe gegenüber einem Träger der Rentenversicherung. Sämtliche Unterlagen, die beigebracht worden seien, hätten zu keinerlei Änderung des Geburtsdatums im ausländischen Staat geführt. Auch lägen keine früheren Originaldokumente vor und das bisherige Geburtsdatum sei über lange Zeit im Rechtsverkehr angegeben worden. Es liege daher weder ein Schreibfehler vor, noch eine Urkunde, deren Original vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Angabe gegenüber dem Leistungsträger ausgestellt worden sei, aus der sich ein früheres Geburtsdatum ergebe. Hiergegen hat der Kläger am 08.04.2010 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben.

Er hat eine Geburtsurkunde des Standesamtes Ludwigsburg vom 01.10.2009 sowie eine Übersetzung des Taufregisters vom 07.04.2007 vorgelegt, worin jeweils das Geburtsdatum mit dem 1945 angegeben ist. Das Original sei vor dem 03.09.1980 erstellt worden.

Die Beklagte ist der Klage entgegen getreten.

Die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern hat dem SG unter dem 12.01.2011 mitgeteilt, dass der Kläger türkische Versicherungszeiten geltend gemacht bzw. zurückgelegt habe und deshalb nach dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen die Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern gegeben sei. Ein vom Kläger gestellter Antrag auf Änderung des Geburtsdatums sei von der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern mit Bescheid vom 03.08.2010 bestandskräftig abgelehnt worden. Ein an die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern abgegebener Antrag des Klägers auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vom 10.02.2010 sei mit Bescheid vom 22.07.2010 abgelehnt worden. Gegen diese Rentenablehnung sei Widerspruch eingelegt worden.

Der Kläger hat noch eine schriftliche Zeugenaussage seines Bruders I. K. vom 20.05.2010 vorgelegt, der angegeben hat, dass sein Bruder, geboren am 1945, der Erstgeborene sei. Er sei am 1947 geboren. Er stütze dies auf seine Erinnerungen bezüglich der Äußerungen der Eltern während der Kindheit. Es habe immer "dein älterer Bruder M." geheißen.

Nach Anhörung des Klägers im Termin der mündlichen Verhandlung vom 15.06.2011 (u. a. hat der Kläger angegeben, den Auszug aus dem Taufregister seit 1974 in seinen Händen zu halten) hat das SG die Klage mit Urteil vom 15. Juni 2011 abgewiesen. Die Tatsache, dass der Kläger türkische Versicherungszeiten geltend gemacht bzw. zurückgelegt habe und gemäß dem deutsch-türkischen Sozialversicherungsabkommen die Zuständigkeit der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern gegeben sei, führe anders als im Falle der Funktionsnachfolge nicht zu einem Beteiligtenwechsel kraft Gesetzes. Hierbei handele es sich grundsätzlich um eine Fallgestaltung der Beiladung. Eine notwendige Beiladung sei aber nicht erforderlich gewesen, weil die Deutsche Rentenversicherung Nordbayern mit bestandskräftigen Bescheid vom 03.08.2010 die Anerkennung des Geburtsdatums 02.04.1945 und die Änderung der Versicherungsnummer abgelehnt habe und daher auch nicht mehr gemäß § 75 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) habe verurteilt werden können. Die Klage sei unbegründet, weil der Kläger keinen Anspruch habe auf Änderung seiner Versicherungsnummer. Unter Darlegung der maßgeblichen Vorschriften hat das SG ausgeführt, dass eine Urkunde nicht existiere, deren Original vor der ersten Angabe des Klägers, also vor dem 03.09.1980 ausgestellt worden sei und aus der sich eine Abweichung von dem bislang zugrunde gelegten Geburtsdatum 1949, wie dies aus dem türkischen Personenstandsregister (Nüfus) ersichtlich sei, ergebe. Zwar stellten auch Fotokopien Urkunden im Sinne des § 33a SGB I dar. Bei den vom Kläger vorgelegten handschriftlichen Seiten, bei dem es sich nach seinen Angaben um Kopien des Taufregisters des türkischen Dorfes handele, in dem er geboren worden sei, handele es sich zwar deshalb um eine Urkunde. Das Gericht könne sich jedoch nicht davon überzeugen, dass das Original dieser Urkunde vor dem 03.09.1980 erstellt worden sei. Bei den vorgelegten Kopien handele es sich um zwei handgeschriebene Seiten, die zu jedem denkbaren Zeitpunkt nach der Geburt der darin genannten erstellt worden sein könnten. Denn die Kopie lasse nicht erkennen, wann die Originalurkunde gefertigt worden sei. Aus der Urkunde bzw. der Kopie der Urkunde müsse sich jedoch zweifelsfrei ergeben, dass die Ausstellung des Originals der Urkunde vor dem Zeitpunkt der erstmaligen Angabe des Geburtsdatums erfolgt sei. Jede andere Handhabung der Vorschrift würde dem Zweck der Norm, die missbräuchlichen Inanspruchnahme von Sozialleistungen in den Fällen zu vermeiden, in denen aufgrund einer Änderung von Geburtsdaten ein längerer Bezug von Sozialleistungen (z. B. Waisenrenten) und ein früherer Bezug derselben (z. B. der Altersrente) beantragt werde, nicht gerecht. Der Gesetzgeber habe bewusst das Nachschieben von neuen Tatsachen in dem Sinn begrenzt, dass neuere, jedoch spätere Urkunden als Beweismittel von Gesetzes wegen ausgeschlossen seien. Um diesen gesetzgeberischen Willen nicht zu unterlaufen, müsse sich aus der vorgelegten Urkunde selbst das Datum der Ausstellung ergeben. Letztlich sei jedoch vollkommen ungewiss, wann diese beiden handschriftlichen Seiten gefertigt worden seien. Allein das Beteiligtenvorbringen, dass das Original vor 1980 gefertigt worden sei, sei jedoch nach der Konzeption der Vorschrift nicht geeignet ein fehlendes Datum zu ersetzen.

Gegen das ihm am 05.07.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.07.2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung nahm er auf sein Vorbringen vor dem Sozialgericht Heilbronn Bezug. Staatlich anerkannt sei der 1945, wohingegen die Rentenversicherung den 1949 als Berechnungsgrundlage seiner Rente zugrunde lege.

Der Kläger beantragt - sachdienlich gefasst -

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 15. Juni 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine neue Versicherungsnummer unter Zugrundelegung des Geburtsdatums 1945 zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie sieht keine Grundlage für die Änderung der bislang vertretenen Auffassung.

Mit Verfügung des Berichterstatters vom 02.09.2011 wurden die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung des Senats durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

II.

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig.

Der Senat konnte die Berufung gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurückweisen, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Er hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, weil der Fall keine Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes eine weitere mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint. Die Beteiligten sind hierzu schriftlich angehört worden.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Dabei ist zunächst festzuhalten, dass für diese Klage das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, nachdem der Kläger am 25.05.2010 einen Antrag auf Anerkennung des Geburtsdatums 1945 und Änderung der Versicherungsnummer bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern gestellt hat. Zu diesem Zeitpunkt war offensichtlich, dass nicht die Beklagte, die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, für Rentenansprüche des Klägers zuständig ist. Die Klage ist damit unzulässig geworden. Ein Interesse daran, die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (die Beklagte) zu verurteilen, das Geburtsdatum zu ändern und die Versicherungsnummer zu ändern, bestand in diesem Fall nicht mehr, zumal Leistungen der deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg nicht mehr im Raum standen und stehen.

Darüber hinaus sieht der Senat nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil die Berufung aus den in dem Urteil des Sozialgerichts vom 15.06.2011 dargelegten Gründen zurückzuweisen ist. Die Rechtsauffassung des SG ist im Hinblick auf die von ihm zitierte Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) als auch im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und der vorgenommenen Beweiswürdigung nicht zu beanstanden. Um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, macht sich der Senat diese Ausführungen in vollem Umfange zu Eigen und sieht deswegen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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