L 9 R 4460/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 3016/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 4460/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. August 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit von November 2003 bis Dezember 2010.

Der im Januar 1946 geborene griechische Kläger hat nach dem Besuch der sechsjährigen Schule keinen Beruf erlernt und in der elterlichen Landwirtschaft mitgeholfen. Der griechische Versicherungsträger OGA hat für 1968 bis 1969 zwei Jahre an Versicherungszeiten bestätigt. Vom 7.8.1969 bis 15.2.1972 war der Kläger in einer Metallfabrik in der Bundesrepublik beschäftigt. Die Beiträge für diese Zeit wurden ihm auf seinen Antrag mit Bescheid vom 16.10.1975 erstattet. Von 1973 bis 2002 war er in seinem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb in Griechenland tätig und weist dafür 30 Jahre an Versicherungszeiten bei der OGA auf. Seit November 2003 bezieht der Kläger von der OGA eine griechische Invaliditätsrente. Aus der deutschen Rentenversicherung bezieht er ab 1. Januar 2011 eine Regelaltersrente i.H.v. 27,19 EUR monatlich, die darauf beruht, dass beim Kläger ein Jahr an Kindererziehungszeiten in der deutschen Rentenversicherung anerkannt ist (Rentenbescheid vom 31.3.2011).

Mit einem am 29.5.2007 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben verwies der Kläger darauf, dass er ab 1.11.2003 eine Invaliditätsrente von der OGA erhalte und begehrte die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung von der Beklagten. Aus den Berichten der griechischen Gesundheitskommission ist zu entnehmen, dass dem Kläger bei einer stationären Behandlung vom 29.9. bis 7.10.2003 wegen einer Koronarerkrankung ein aortokoronarer Bypass angelegt und die Aortenklappe durch eine künstliche Klappe ersetzt wurde. Wegen postoperativ auftretender bradykarder Herzrhythmusstörungen wurde dem Kläger ein Herzschrittmacher implantiert. Für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit wurde eine vollständige Invalidität bescheinigt. In einem weiteren Bericht der griechischen Gesundheitskommission vom 14.1.2010 wird ein Invaliditätsgrad von 67 % genannt. Nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. G. vom 15.6.2010, der Tätigkeiten als Landwirt nur noch für drei bis unter sechs Stunden täglich und leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden täglich für zumutbar hielt, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 23.6.2010 den Antrag des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 10.11.2003 ab, weil die medizinischen Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

Daraufhin hat der Kläger am 15.7.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart (S 5 R 4270/10) erhoben, mit der er die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab März 2003 mit der Begründung verfolgt hat, wegen seines Gesundheitszustandes könne er nicht mehr als Landwirtarbeiten.

Mit Beschluss vom 28.9.2010 hat das SG das Verfahren bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens ausgesetzt.

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zog die Beklagte ärztliche Unterlagen vom Kläger bei und holte ein internistisches Gutachten ein. Die Ärztin für Innere Medizin Dr. M. stellte im Gutachten vom 12.2.2011 beim Kläger folgende Diagnosen: Mittel- bis hochgradige Reststenose bei Zustand nach mechanischem Aortenklappenersatz 9/2003, koronare Eingefäßerkrankung, Zustand nach aortokoronarer Bypassoperation 9/2003, Schrittmacherbehandlung bei bradykarder Herzrhythmusstörung, arterielle Hypertonie, Fettstoffwechselstörung und Prostatahypertrophie. Sie kam zum Ergebnis, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als selbstständiger Landwirt könne der Kläger wegen der vorwiegend mittelschweren und schweren Arbeiten nicht mehr verrichten. Körperlich leichte Tätigkeiten in vorwiegend sitzender Körperhaltung ohne längeres Gehen oder Treppensteigen, ohne Heben und Tragen von Lasten über 8 kg seien dem Kläger über sechs Stunden täglich zumutbar. Vermieden werden müssten alle Tätigkeiten mit erhöhter Unfallgefahr sowie unter Einwirkung von starker Hitze, Kälte oder Nässe. Der Kläger sei auch in der Lage, Wegstrecken über 500 m in der vorgegebenen Zeit von 15 bis 20 Minuten zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der Kläger sei im Besitz eines Führerscheins, fahre aber nur noch kurze Strecken innerhalb des Dorfes selber.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9.5.2011 wies die Beklagte darauf hin den Widerspruch zurück.

Mit Schriftsatz vom 13.5.2011 rief die Beklagte das ausgesetzte Verfahren wieder an, das unter dem Az. S 5 R 3016/11 fortgesetzt wurde.

Mit Gerichtsbescheid vom 29.8.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei im streitgegenständlichen Zeitraum bis zum 31.12.2010 noch in der Lage gewesen, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in vorwiegend sitzender Körperhaltung unter Beachtung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Das SG stütze sich dabei auf das von der Beklagten eingeholte Gutachten der Internistin Dr. M. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit. Zwar könne er die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in der Landwirtschaft aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten. Hierfür komme ihm jedoch kein Berufsschutz zu, da er keine Berufsausbildung absolviert und somit als ungelernter Arbeiter auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.

Gegen den am 21.9.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13.10.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, er habe sein 65. Lebensjahr vollendet und erhalte von der OGA in Griechenland eine Invaliditätsrente. Er könne seinen Beruf als Landwirt nicht mehr ausüben und dürfe auch seinen PKW nicht mehr fahren, weil sein Führerschein wegen seines Alters und seiner Gesundheit nicht mehr gültig sei. Es sei nicht möglich, eine leichtere Arbeit auf dem griechischen Arbeitsmarkt zu finden, zumal er für keine anderen Tätigkeiten ausgebildet sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 29. August 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09. Mai 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 01. März 2003 bis 31. Dezember 2010 eine Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, der Gerichtsbescheid des SG sei weder hinsichtlich seiner Tatsachenfeststellungen noch bezüglich seiner Beweiswürdigung und rechtlichen Schlussfolgerungen zu beanstanden.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Streitgegenstand ist lediglich die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit von November 2003 bis Dezember 2010, weil der Kläger ab 1.1.2011 Regelaltersrente wegen Vollendung des 65. Lebensjahres bezieht.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung bzw. teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit- §§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nicht besteht, weil der Kläger in der streitigen Zeit noch wenigstens sechs Stunden täglich leistungsfähig und nicht berufsunfähig war. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids zurück.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass dem Kläger für die Zeit vom 1.11.2003 bis 31.12.2010 keine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zusteht. Zwar konnte der Kläger in dieser Zeit in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als Landwirt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr tätig sein. Dennoch war er nicht berufsunfähig, da er sozial zumutbar auf sonstige Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden konnte. Bei der von ihm ausgeübten Tätigkeit als Landwirt handelte es sich um keinen Facharbeiterberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren (in der Regel drei Jahren), zumal der Kläger nach seiner sechsjährigen Schulzeit keine einschlägige zwei- bis dreijährige Lehre absolviert und mit einer Prüfung abgeschlossen hat. Da der Kläger auch keine sonstige über einjährige bis zweijährige Ausbildung in einem landwirtschaftlichen Beruf absolviert hat, ist er als angelernter Arbeiter des unteren Bereichs (Ausbildung drei Monate bis ein Jahr) einzustufen und somit auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar. Der Umstand, dass der Kläger in der streitigen Zeit keinen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz in Griechenland finden konnte, führt nach deutschem Recht nicht zu eine Rentengewährung. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Rentenversicherung, sondern von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 m.w.N.). Da eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und eine spezifische Leistungsbehinderung nicht vorliegen, war auch keine Verweisungstätigkeit zu benennen. Der Kläger war in der streitigen Zeit, wie sich für den Senat aus dem Gutachten von Dr. M. ergibt, auch in der Lage, viermal täglich über 500 m in zumutbarer Zeit (15 bis 20 Minuten für 500 m) zurückzulegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Angesichts dessen ist es auch unerheblich, ob der Kläger in der streitigen Zeit bis Dezember 2010 noch berechtigt war, Auto zu fahren.

Schließlich ist auch die Festlegung eines Invaliditätsgrades, zuletzt von 67% durch den griechischen Rentenversicherungsträger (vgl. Bericht der Gesundheitskommission vom 14.1.2010), für die Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit des Klägers für den deutschen Rentenversicherungsträger und die deutschen Gerichte nicht bindend. Die Feststellung von Invalidität durch einen Rentenversicherungsträger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist nur insoweit für den Träger eines anderen Mitgliedstaates verbindlich, als die Übereinstimmung von Tatbestandsmerkmalen der Invalidität im Verhältnis zwischen den betroffenen Mitgliedstaaten im Sinn von Art. 40 Abs. 4 EWG-Verordnung Nr. 1408/71 vom 14.6.1971 (ABl. EG 1971 Nr. L 149/2 ff.) anerkannt worden ist. Eine solche Übereinstimmenserklärung liegt im Verhältnis zwischen der griechischen Invaliditätsregelung und den Bestimmungen des deutschen Rechts über Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bislang nicht vor (vgl. näher: BSG, Beschluss vom 9. Juli 2001, B 13 RJ 61/01 B und BSG SozR 3-6050 Art. 40 Nr. 3).

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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