L 9 U 4763/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 1781/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4763/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. September 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 5101 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Die im Jahr 1967 geborene Klägerin hat von 1984 bis 1987 den Beruf der Friseurin erlernt und war seitdem als Friseurin, von 1997 bis September 2011 als Selbstständige, tätig.

Im Februar 2009 legte Dr. S., Facharzt für Anästhesiologie, spezielle Schmerztherapie und Naturheilverfahren, der Beklagten einen Bescheid des Landratsamts Rhein-Neckar-Kreis vom 26.1.2009 vor, mit dem bei der Klägerin seit 26.6.2008 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 wegen der Funktionsstörungen 1. Depression, somatoforme Schmerzstörung, Migräne 2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom, muskuläre Verspannungen 3. Funktionsbehinderung des rechten Handgelenks 4. Allergie, chronisches Kontaktekzem festgestellt worden war. Er führte aus, aufgrund der anerkannten Behinderungen sei die Klägerin derzeit nicht in der Lage, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen.

Die Klägerin gab unter dem 7.3.2009 an, die Hauterkrankung sei im Mai 2000 aufgetreten; sie führe sie auf die Arbeitsmittel zurück.

Die Beklagte zog Leistungsauszüge der Debeka Krankenversicherung bei und holte Auskünfte bei den behandelnden Ärzten ein.

Der Hautarzt Dr. B. gab am 7.5.2009 an, er habe die Klägerin im Juni 2008 (19.6., 23.6., 24.6., 26.6. und 29.6.2008) behandelt. Hautveränderungen bzw. einen pathologischen Hautbefund habe er nicht erhoben. Die Klägerin habe über Augenbrennen und Atemnot bei Exposition gegenüber verschiedenen Sprays in ihrem Friseursalon geklagt. Bei der Epicutantestung der Standard- und Friseurreihe hätten sich die bereits bekannten Typ IV-Sensibilisierungen auf Nickelsulfat und Kobaltchlorid gefunden. Eine Pricktestung mit Duftstoffen und Haarspray sei negativ verlaufen. Es bestehe der Verdacht auf eine allergische Konjunktivitis. Am 19.2.2010 teilte die Praxis Dr. B. telefonisch mit, nach Juni 2008 habe sich die Klägerin nur noch einmal am 6.10.2009 wegen einer Akne vorgestellt.

Dr. S. führte unter dem 31.7.2009 aus, die Klägerin befinde sich seit dem Jahr 2007 in seiner schmerztherapeutischen Behandlung. Ihre Hautprobleme seien von ihm nicht speziell behandelt worden. Es sei jedoch eine Unterweisung zur Vermeidung von Kontaktdermatose erfolgt.

Im Rahmen eines von der Klägerin auf Veranlassung der Beklagten besuchten Hautschutzseminars untersuchte PD Dr. B. am 17.5.2010 die Klägerin. Dabei gab die Klägerin keine Hautbeschwerden, sondern Augenjucken und einen generalisierten Juckreiz am Körper sowie Atembeschwerden an. PD Dr. B. führte dazu aus, eine Hauterkrankung im engeren Sinne scheine nicht vorzuliegen. Die Aufgabe der derzeitigen Tätigkeit sei nicht erforderlich.

Unter dem 5.7.2010 teilte die Staatliche Gewerbeärztin mit, eine BK Nr. 5101 werde nicht zur Anerkennung vorgeschlagen, weil die Klägerin derzeit nicht gezwungen sei, ihre Tätigkeit als selbstständige Friseurmeisterin aufzugeben.

Am 15.7.2010 erfolgte eine Beratung der Klägerin durch eine Mitarbeiterin der Beklagten. Dabei gab die Klägerin an, wegen einer Sehnenscheidensentzündung sei sie derzeit nur bedingt arbeitsfähig. Die Haut sei derzeit erscheinungsfrei; insoweit gehe es ihr gut. Wegen der Atemwege benutze sie zur Zeit keine Farben und Blondiermittel.

Mit Bescheid vom 22.7.2010 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Hauterkrankung der Klägerin als BK Nr. 5101 der BK-Liste ab und führte aus, die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Leistungen nach § 3 BKV. Die behandelnden Ärzte hätten das Vorliegen einer durch berufliche Einwirkungen beeinflussten Hauterkrankung nicht bestätigen können. Die Erkrankung sei auch weder schwer noch rückfällig gewesen. Ein Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit bestehe nicht.

Hiergegen legte die Klägerin am 9.8.2010 Widerspruch ein und trug vor, ihre Hauterkrankung, Juckreiz am ganzen Körper, insbesondere allergische Reaktionen an ihren Händen, Atembeschwerden und ständig gerötete Augen, hingen mit den chemischen Mitteln zusammen, mit denen sie arbeiten müsse. Während des Urlaubs gingen ihre Beschwerden zurück, so dass ein eindeutiger Zusammenhang ihrer Beschwerden mit ihrer beruflichen Tätigkeit zu erkennen sei. Von Dr. S. werde sie u.a. wegen der Hautprobleme behandelt.

Der Hautarzt Dr. W. teilte unter dem 23.12.2010 mit, bei der Klägerin bestehe aktuell ein trockenes schuppendes Ekzem in den Fingerzwischenräumen beider Hände. Testungen seien vom 3.11. bis 5.11.2010 durchgeführt worden. Es bestehe der Verdacht auf ein beruflich bedingtes allergisches Kontaktekzem bei nachgewiesener Typ-IV-Sensibilisierung von beruflicher Relevanz, da eine Besserung bei Arbeitskarenz eintrete. Die Aufgabe der derzeitigen Tätigkeit erscheine nicht erforderlich. Mit Schreiben vom 7.4.2011 gab Dr. W. ergänzend an, die Klägerin habe berichtet, im Oktober, November und Dezember 2010 im Friseursalon nur trockene Arbeiten verrichtet zu haben, ohne Kontakt zu chemischen Stoffen. In der Zeit der Arbeitsunfähigkeit wegen orthopädischer Gesundheitsstörungen sei die Haut vollkommen abgeheilt. Bei seiner Untersuchung (wohl 31.3.2011) stellte er erscheinungsfreie Handflächen fest. Seit seinen letzten Angaben habe sich der Befund gebessert; Arbeitsunfähigkeit liege nicht vor. Die Aufgabe der derzeitigen Tätigkeit erscheine nicht erforderlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 6.5.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 19.5.2011 Klage zum Sozialgericht (SG) Mannheim erhoben, mit der sie die Feststellung ihrer Hauterkrankung als BK Nr. 5101 weiter verfolgt. Sie hat ärztliche Bescheinigungen des Neurologen und Psychiaters S. vom 29.7.2011, des Dr. S. vom 25.7.2011, des Internisten Dr. A. vom 11.8.2011, des Orthopäden Dr. L. vom 26.7.2011, des HNO-Arztes Professor Dr. F. vom 28.3.2011, des Lungenarztes Dr. H. vom 18.8.2011 sowie Befundberichte über Kernspintomographien (MRT) des Schädels vom 17.8.2010 und der Halswirbelsäule vom 11.4.2011 vorgelegt.

Mit Gerichtsbescheid vom 27.9.2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung einer BK 5101. Es fehle bereits an einer schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankung der Klägerin. Darüber hinaus ermangele es – zusätzlich zu einer tatsächlich erfolgten Aufgabe der gefahrbringenden Tätigkeiten – an einem erforderlichen Zwang zur Unterlassung aller Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen den am 5.10.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 2.11.2011 Berufung eingelegt und vorgetragen, die Epicutantestung der Standard- und Friseurreihe habe Typ IV-Sensibilisierungen ergeben. Aufgrund der ausgeprägten Dermatosen bei Kontakt mit Farben und Blondiermitteln sei sie gezwungen gewesen, derartige Mittel nicht zu verwenden und habe eine Teilzeitkraft eingestellt, die diese Tätigkeiten für sie ausführe. Die Ausführungen der Beklagten seien widersprüchlich, wenn sie einerseits davon ausgehe, dass eine hautfachärztliche Betreuung notwendig sei, andererseits aber meine, sie könne als Friseurin weiter arbeiten und sei nicht gezwungen, ihre Tätigkeit aufzugeben. Zu Unrecht gehe das SG davon aus, dass bei ihr keine schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung vorliege. Inzwischen seien die Dermatosen bei Kontakt mit Färbe- und Blondiermitteln so ausgeprägt, dass sie gezwungen gewesen sei, ihre berufliche Tätigkeit als Friseurin vollkommen aufzugeben. Bei ihr lägen die Voraussetzungen für eine Feststellung der BK Nr. 5101 vor.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 27. September 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 22. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 06. Mai 2011 aufzuheben und festzustellen, dass ihre Hauterkrankung eine Berufskrankheit nach Nr. 5101 der Anl. 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erwidert, der Schluss, dass die Aufgabe der Tätigkeit automatisch die Schwere und/oder die wiederholte Rückfälligkeit der Hautkrankheit beweise, sei unzutreffend. Wie aus dem beigefügten Hautarztbericht von Dr. W. vom 19.12.2011 hervorgehe, sei die Aufgabe der Tätigkeit weiterhin nicht erforderlich.

Die Klägerin hat eine ärztliche Bescheinigung von Dr. W. vom 1.3.2012 vorgelegt. Darin führt er u.a. aus, bei dem Kontrolltermin im März 2011 habe sich ein recht guter Hautzustand gezeigt. Nach Angaben der Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt kein Kontakt zu Berufsstoffen bestanden. Bei rezidivierendem Handekzem seien im April nochmals ein kortikoidhaltiges Externum und harnstoffhaltige hautaufbauende Präparate rezeptiert worden. Es seien regelmäßige Kontrollvorstellungen bezüglich des Handekzems erfolgt. Beim letzten Arztkontakt am 25.1.2012 habe sich noch ein trocken schuppendes Ekzem palmar beidseits gezeigt. Ergänzend hat Dr. W. unter dem 3.5.2012 angegeben, es handele sich um den Verdacht einer berufsrelevanten Auslösung sowie Unterhaltung des bekannten Krankheitsbildes. Die Klägerin habe ihre Berufstätigkeit selbstständig beendet.

Der Senat hat das Gutachten von Dr. S., Arzt für innere Krankheiten und Lungenkrankheiten, vom 24.5.2011 beigezogen und auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein dermatologisches Gutachten eingeholt.

Die Ärztin für Dermatologie und Venerologie sowie Berufsdermatologie Dr. F. hat im Gutachten vom 9.10.2012 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe derzeit ein Pruritus sine materiae an beiden Händen und am Körper (Juckreiz ohne klinisches Korrelat). Dokumentiert seien trocken schuppende Handekzeme im November 2010, Dezember 2011 sowie Januar 2012. Die Klägerin weise eine atopische Diathese (Anlage zu Ekzemen, Heuschnupfen und allergischem Asthma bronchiale) auf. Es bestehe eine Typ IV-Allergie (Kontaktallergie) durch Nickelsulfat. Die von Dr. W. im Dezember 2010 beschriebenen Handekzeme könnten durch toxische Einwirkung von Wasser und Friseurstoffen im Bereich des Friseursalons entstanden sein, nicht jedoch als typisch kontaktallergische Handekzeme durch Hautallergene. Die Hautveränderungen nach Aufgabe des Berufs (November 2011 und Januar 2012) seien nicht mehr in diesem Zusammenhang zu sehen. Die Hauterkrankung sei weder schwer noch wiederholt rückfällig gewesen. Aufgrund der Hauterkrankung habe kein Zwang zur Unterlassung der Tätigkeit als Friseurin bestanden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung einer BK Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV hat.

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Berufskrankheiten Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung wird ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann dabei bestimmen, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und in der BKV seit deren Änderung durch die Verordnung zur Änderung der Siebten Berufskrankheiten-Verordnung vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I 3329) bis heute unter der Nr. 5101 der Anlage 1 zur BKV als BK bezeichnet: "Schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können".

Nach ständiger Rechtsprechung müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen neben der versicherten Tätigkeit die Dauer und Intensität der schädigenden Einwirkungen sowie die in der BKV bezeichnete Krankheit sowie der Aufgabezwang gehören, nachgewiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden. Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkungen und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSGE 19, 52; 32, 203, 207 bis 209; 45, 285, 287).

Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkungen und Erkrankungen im Berufskrank-heitenrecht gilt, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die das Bundessozialgericht in der Entscheidung vom 6.5.2006 - B 2 U 1/05 R (SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209) zusammengefasst dargestellt hat. Die Theorie der wesentlichen Bedingung hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie, nach der Ursache eines Erfolges jedes Ereignis ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der Bedingungstheorie werden im Sozialrecht als rechtserheblich aber nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annä¬hernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnis¬mäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Gesichtspunkte für die Be¬urteilung der Wesentlichkeit einer Ursache sind insbesondere die versicherte Ursache bzw. das Ereignis als solches, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, konkurrierende Ursachen unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Ge¬schehens und Befunde und Diagnosen der erstbehandelnden Ärzte sowie die gesamte Kranken¬geschichte. Trotz dieser Ausrichtung am individuellen Versicherten ist der Beurteilung des Ursachen¬zusammenhangs im Einzelfall der aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisstand über die Ursachenzusammenhänge zwischen Einwirkungen und Gesundheitsschäden zugrunde zu legen. Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesent¬lichen Bedingung positiv festgestellt werden muss und hierfür hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt, nicht jedoch die bloße Möglichkeit. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Feststellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache für sich herleitet (BSGE 19, 52, 53; 30; 121, 123; 43, 110, 112). Das gleiche gilt, wenn der für die haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität erforderliche wahrscheinliche Zusam¬menhang nicht nachweisbar ist.

Die Frage, welche Voraussetzungen zur Annahme eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung an einer BK vorliegen müssen, ist unter Zuhilfenahme medizinischer, naturwissenschaftlicher und technischer Sachkunde nach dem im Entscheidungszeitpunkt aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu beantworten. Als solcher sind durch Forschung und praktische Erfahrung gewonnene Erkenntnisse anzunehmen, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden, über die also von vereinzelten, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, Konsens besteht (BSG, Urt. vom 27.6.2006 - B 2 U 5/05 R - SozR 4-5671 § 6 Nr. 2).

Für die Anerkennung einer Erkrankung als BK nach Nr. 5101 der Anlage zur BKV müssen folgende Tatbestandsmerkmale gegeben sein: • bei der Klägerin muss eine Hauterkrankung vorliegen • diese muss schwer oder wiederholt rückfällig sein • sie muss durch Einwirkungen entstanden sein, denen die Klägerin infolge ihrer versicherten Tätigkeit ausgesetzt war • sie muss zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Bei der Klägerin haben zwar während ihrer beruflichen Tätigkeit als selbstständige Friseurin trocken schuppende Handekzeme im Bereich der Schwimmhäute bestanden, wie der Hautarzt Dr. W. im November 2010 festgestellt hat. Bei einer späteren Untersuchung im März 2011 hat er dagegen erscheinungsfreie Handflächen festgestellt. Der Hautarzt Dr. B. hat bei den Behandlungen im Juni 2008 keinen pathologischen Hautbefund erhoben; auch PD Dr. B. hat am 17.5.2010 keinen pathologischen Hautbefund beschrieben. Bei dem Besuch der Mitarbeiterin der Beklagten bei der Klägerin am 15.7.2010 war die Haut der Klägerin ebenfalls erscheinungsfrei. Gegenüber PD Dr. B. hat die Klägerin jedoch einen generalisierten Juckreiz geschildert, ebenso wie gegenüber Dr. F. Dabei hat Dr. F. die bei der Klägerin im November 2010 aufgetretenen Handekzeme als toxisch-degenerative Handekzeme bei einer atopischen Diathese angesehen und nicht als kontaktallergische Handekzeme durch Hautallergene und dies nachvollziehbar mit dem Erscheinungsbild der Handekzeme begründet. Die im Dezember 2011 und Januar 2012 – nach Aufgabe des Berufs – aufgetretenen Handekzeme hat sie schon nicht mehr in einem ursächlichen Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit gesehen.

Auch wenn die trocken schuppenden Ekzeme (zumindest im November 2010) und der Juckreiz mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit der Klägerin als Friseurin zurückzuführen sein sollten, hat die Klägerin keinen Anspruch auf Anerkennung dieser Hauterkrankungen als BK Nr. 5101 der Anl. 1 zur BKV.

Eine Anerkennung der Hauterkrankung als BK Nr. 5101 der Anl. 1 zur BKV scheitert schon daran, dass diese weder schwer noch wiederholt rückfällig war.

Beurteilungskriterien für die "Schwere" der Hauterkrankung sind das klinische Bild, das Beschwerdebild, die Ausdehnung, der Verlauf und die Dauer der Erkrankung. Eine wiederholte Rückfälligkeit setzt mindestens drei gleichartige Krankheitsschübe, d.h. eine Ersterkrankung und zwei Rückfälle voraus (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage, Seite 872 ff.). Bei der Klägerin hat Dr. W. lediglich aufgrund der Untersuchung im November 2010 Hauterscheinungen beschrieben. Eine Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Hauterscheinungen wurde nicht bescheinigt.

Jedenfalls fehlt es am zu fordernden Vollbeweis eines Unterlassungszwanges. Das Tatbestandsmerkmal des Zwangs zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten setzt in der Regel voraus, dass die Tätigkeit, die zu der Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich aufgegeben hat. Ob der Zwang zum Unterlassen der bisherigen Tätigkeit medizinisch geboten war, d. h. deren Fortsetzung wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit aus medizinischer Sicht nicht verantwortet werden konnte, ist im Wege einer nachträglichen objektiven Betrachtungsweise festzustellen. Durch das Tatbestandsmerkmal des Zwanges der Aufgabe der beruflichen Beschäftigung soll in typisierender Weise der Schweregrad der Krankheit beschrieben werden. Weiter hat das Merkmal den Zweck, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten (BSG, Urt. vom 5.5.1998 - B 2 U 9/97 R- in Juris m. w. N.).

Eine medizinische Notwendigkeit, den Beruf als selbstständige Friseurin wegen der Hauterkrankung aufzugeben, lässt sich im Rahmen der nachträglichen objektiven Betrachtungsweise nicht feststellen. Der Umstand, dass die Klägerin ihre Tätigkeit als Friseurin im September 2011 eingestellt hat, belegt nicht, dass auch objektiv aus medizinischer Sicht die Notwendigkeit bestand, den Beruf aufzugeben. Vielmehr haben sämtliche Ärzte, Dr. B., Dr. W., PD Dr. B., die Staatliche Gewerbeärztin und Dr. F. einen Zwang zur Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit als Friseurin verneint. Darüber hinaus waren auch längst noch nicht sämtliche Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft und eine engmaschige hautärztliche Behandlung hat in der Zeit von 2008 bis zur Aufgabe der Tätigkeit im September 2011 auch nicht stattgefunden.

Nach alledem war der angefochtene Gerichtsbescheid des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved