Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 4344/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 4864/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Beklagte hatte dem 1957 geborenen Kläger, der seit Mai 2008 im Leistungsbezug stand, mit Bescheid vom 26. November 2010 und - auf seinen Widerspruch wegen Kürzung der Leistungen für die Kosten der Unterkunft, zu dem er ein Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Da. vom 9. Dezember 2010 (der Kläger befinde sich seit mindestens 2 Jahren in einem Zustand der fortschreitenden Konfrontation mit der ARGE und anderen behördlichen Einrichtungen, der in Art und Ausmaß im Zusammenhang mit seiner fortschreitenden psychischen Erkrankung stehe, derentwegen der Kläger auch eine Betreuung beantragt habe; angesichts von Art aus Ausmaß der psychischen Störung würde ein Umzug zur Zeit und auf absehbare Zeit eine erhebliche weitere Destabilisierung mit zu befürchtenden weiteren Eskalationen bedeuten) vorgelegt hatte - mit Bewilligungsbescheid vom 30. Dezember 2010 für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich insgesamt 868,13 EUR bewilligt.
Nachdem eine Betreuung eingerichtet worden war, wurde am 20. Januar 2011 Rechtsanwalt Eh. zum neuen Betreuer bestellt. Danach ging beim Beklagten der Bericht des Dr. Da. vom 12. Januar 2011 ein (Diagnosen: Bipolare affektive Störung, gegenwärtig gemischte Episode auf dem Boden einer querulatorischen Persönlichkeitsstörung; zu beobachten seien aktuell vor allem formale Denkstörungen [ungeordneter, stark beschleunigter und kaum zu stoppender Gedankenfluss, ausgeprägter Rededrang, überwertige Ideen], ein fehlendes Bewusstsein für die Grenzen seines Verhaltens [er beklebe z.Bsp. das Praxisvorzimmer mit kopierten rumänischen Autokennzeichen], ein ausgeprägtes Gefühl, von Behörden ungerecht behandelt zu werden bei oft absehbar übertriebenen bzw. aussichtslosen Eingaben und Forderungen, ein gleichzeitig stark schwankender Affekt zwischen euphorischen und depressiven Momenten mit zum Teil fremdaggressiven suizidalen Impulsen bzw. Äußerungen sowie ein gesteigerter Antrieb; ein medizinischer Therapieversuch sei ergebnislos geblieben; aus fachärztlicher Sicht sei angesichts der Verhaltensweisen davon auszugehen, dass der Kläger dem Arbeitsmarkt auf mindestens mittlere Sicht nicht zur Verfügung stehen werde bei fraglichen prognostischen Aussichten). Hierauf gelangte Dr. Mü. vom ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit Freiburg in der Stellungnahme vom 24. Januar 2011 zum Ergebnis, der Kläger sei für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund der bezeichneten Verhaltensweisen nicht vermittelbar. Es ergebe sich Leistungsunfähigkeit für einen Zeitraum von länger als 6 Monaten, aber nicht auf Dauer. Die prognostischen Aussichten seien "fraglich".
Hierauf hob der Beklagte mit Bescheid vom 3. Februar 2011 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit Wirkung vom 9. Februar 2011 auf, da der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt voraussichtlich länger als 6 Monate nicht mindestens 3 Stunden täglich arbeiten könne und somit nicht erwerbsfähig sei. Es sei insofern eine wesentliche Änderung hinsichtlich der Leistungsvoraussetzung der §§ 7, 8 SGB II gem. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingetreten.
Der Betreuer Rechtsanwalt Eh., dem der Beklagte den Bescheid auf dessen Bitte (nochmals) übersandte erhob am 25. Februar 2011 Widerspruch, den er im weiteren nicht begründete. Beim Beklagten ging noch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. Da. (Erstbescheinigung vom 25. Februar 2011 voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 15. April 2011) ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, da der Kläger auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes bis auf Weiteres beruflich leistungsunfähig sei und die prognostischen Aussichten "fraglich" erschienen. Damit gehöre der Kläger derzeit nicht zu dem leistungsberechtigten Personenkreis. Dieser habe grundsätzlich Anspruch auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und habe einen entsprechenden Antrag auch bereits gestellt.
Der Betreuer Rechtsanwalt Eh., dem der Beklagte den Widerspruchsbescheid am 13. April 2011 übersandte, erhob - bis zu seinem Tod am 1. Mai 2011 - keine Klage. Ferner erhob auch Rechtsanwalt Tr., der am 13. Mai 2011 zum Abwickler der Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwalts Eh. bestellt wurde und auch der am 18. Mai 2011 vom Amtsgericht St. anstelle von Rechtsanwalt Eh. zum Betreuer bestellte R. Sto. bis zum Zeitpunkt der Aufhebung der Betreuung am 18. Mai 2011 (Beschluss des Landgerichts Freiburg) keine Klage.
Am 22. Juni 2011 übersandte der Beklagte den Erstattungsbescheid vom 16. Juni 2011 (Erstattung der vom 9. Februar bis 31. Mai 2011 noch überwiesenen Leistungen in Höhe von 3.234,68 EUR) sowohl an den Kläger als auch an das Büro des früheren Betreuers Rechtsanwalt Eh., von wo er ebenfalls an den Kläger weitergeleitet wurde (telefonische Mitteilung vom 28. Juni 2011).
Am 14. Juli 2011 hat der Kläger mit Schreiben vom 13. Juli 2011 beim Beklagten die Nichtbearbeitung des Widerspruchs "Gegen Einstellung von Hartz-IV Zahlungen" gerügt. Auf den Hinweis des Beklagten vom 14. Juli 2011, der Widerspruch sei mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 zurückgewiesen worden, hat der Kläger am 15. Juli 2011 "Widerspruch" eingelegt und geltend gemacht, der Betreuer Rechtsanwalt Eh. habe ihm den ablehnenden Bescheid "nicht zugänglich gemacht". Es sei wohl davon auszugehen, dass dieser keinen Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid erhoben habe, weswegen er nun selbst dem ablehnenden Bescheid "widerspreche".
Am 11. August 2011 hat der Kläger dann beim Sozialgericht Freiburg (SG) ausdrücklich Klage erhoben und sich mit dieser gegen die Entziehung der Leistungen nach dem SGB II gewandt. Der Widerspruch seines damaligen Betreuers sei schlicht abgelehnt worden. Dieser habe anscheinend keinen "Widerspruch" eingelegt, jedenfalls habe er keine Unterlage, die dies belegen würde.
Der Kläger hat am 21. September 2011 ein "Gesundheitszeugnis" des Dr. Re., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 8. September 2011 vorgelegt, wonach er sich "körperlich in einem guten Allgemein- und Gesundheitszustand" befinde und insbesondere "kein Anhalt für das Vorliegen einer entzündlichen oder ansteckenden Krankheit" vorliege.
Die Deutsche Rentenversicherung hat in einem Schreiben an das Landratsamt B. vom 9. November 2011 mitgeteilt, nach dem Ergebnis der Prüfung der in § 41 Abs. 3 SGB XII genannten Voraussetzungen sei der Kläger unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und es sei unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Die volle Erwerbsminderung bestehe zumindest seit 25. Februar 2011.
Vom 31. Januar bis 3. Februar 2012 ist der Kläger in stationärer Behandlung in der Bu.-Klinik, Fachklinik für Verhaltenstherapie, Verhaltensmedizin, psychosomatische Rehabilitation und Abhängigkeitserkrankungen gewesen, wo er mit den Diagnosen Erschöpfungsdepression, kombinierte Persönlichkeitsstörung entlassen worden ist. Es sei ihm schwer gefallen, sich an die Rahmenbedingungen für eine psychotherapeutische Behandlung zu halten und er habe sich am zweiten Behandlungstag entschlossen, die Therapie vorzeitig zu beenden.
Auf den Hinweis des SG, es sei eine Begutachtung beabsichtigt, wofür eine Schweigepflichtentbindungserklärung und die Zusicherung, zu einem vom Gericht ausgewählten Gutachter zu gehen, erforderlich sei, hat der Kläger am 2. August 2012 erklärt, er stehe einer erneuten "Begutachtung" sehr kritisch gegenüber. Er werde sich mit Dr. Re., dem einzigen Menschen, dem er vertraue, in Verbindung setzen und ihn um Rat fragen. Zur Frage einer eventuellen Zustimmung zu einer erneuten Begutachtung werde er noch informieren. Dazu hat er u.a. eine Äußerung des Dr. Re. vom 9. Juli 2012 vorgelegt, der bestätigt hat, der Kläger sei "ab 9. Juli 2012 mehr als 3 Stunden arbeitsfähig". Danach hat der Kläger mit Schreiben vom 8. August 2012 mitgeteilt, die angeregte Untersuchung durch einen weiteren Arzt könne nur zu demselben Ergebnis führen wie das Attest von seinem Hausarzt, nach welchem er mehr als 3 Stunden arbeitsfähig sei. Alle Fakten lägen auf dem Tisch und er könne nicht erkennen, welchen Erkenntnisgewinn eine weitere Untersuchung bringen würde, die zur Beurteilung des Verhaltens des Beklagten aus dem Jahr 2011 wichtig wäre. Er sehe keine Veranlassung, einer weiteren Untersuchung zuzustimmen, da diese, wie bereits erwähnt, für den vorliegenden Fall aus dem Jahr 2011 nicht aussagekräftig sein könne. Dem hat er eine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, allein bezogen auf Dr. Re., beigefügt.
Das SG hat Dr. Re. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat am 4. September 2012 ausgesagt, beim Kläger liege eine bipolare Störung mit überwiegend manischen Anteilen vor. Es bestehe darüber hinaus der Verdacht einer Persönlichkeitsstörung. Die berufliche Leistungsfähigkeit sei auf Grund der nicht kontinuierlichen Ausprägung der Persönlichkeitsstörung nur reduziert. Verantwortlichkeit, Stetigkeit sowie adäquate Kommunikation seien nur reduziert möglich. Aus allgemeinärztlicher Sicht sei eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von 3 Stunden täglich möglich. Je nach Belastung und Situation sei die täglich leistbare Stundenzahl auch 4-5 Stunden möglich. Es bedürfe einer engen Anbindung an eine Vertrauensperson und einer sehr strengen Struktur oder Regelung. Eine Überforderung sollte vermieden werden. Der Gesundheitszustand werde sich voraussichtlich nicht wesentlich bessern.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei verfristet. Im Schreiben des Klägers vom 13. Juli 2011 könne wohl ein Antrag auf Wiedereinsetzung zu sehen sein. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür seien vorliegend wohl erfüllt. Allerdings sei der Antrag innerhalb von 2 Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Das Hindernis sei hier mit dem Tod des Betreuers zu sehen. Der Kläger sei nach dessen Tod bis zum 12. Mai 2011 ohne Betreuer gewesen. Am 13. Mai 2011 sei Rechtsanwalt Tr. zum Abwickler der Kanzlei bestellt worden, was auch die Notbetreuung des Klägers umfasst habe. Spätestens aber durch den Beschluss vom 18. Mai 2011 sei der Kläger wieder unter ordentlicher Betreuung des Herrn Sto. gewesen, womit das Hindernis, das dem Einhalten der Klagefrist entgegengestanden habe, weggefallen sei. Weder Rechtsanwalt Tr., noch Herr Sto. als ordentlicher Betreuer hätten innerhalb von 2 Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses Klage erhoben, so dass eine Wiedereinsetzung nicht gewährt werden könne. Im Übrigen bestehe bezüglich der Frage der Erwerbsunfähigkeit des Klägers zwischen den Trägern Landratsamt bzw. Jobcenter B. keine Uneinigkeit. Der Kläger habe beim Landratsamt einen Antrag auf Grundsicherungsleistung gestellt. Die Leistungen hätten jedoch nicht zur Auszahlung gebracht werden können, da der Kläger nach den Informationen des Beklagten nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht habe. Sobald er in ausreichendem Maße mitwirke, würden von dort, Hilfebedürftigkeit vorausgesetzt, Leistungen bewilligt werden können.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2012 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Der am 13. April 2011 an den Betreuer abgesandte Widerspruchsbescheid gelte am 16. April 2011 als bekanntgegeben. Ein späterer Zugang werde nicht behauptet. Damit sei die Klagefrist am Montag dem 16. Mai 2011 abgelaufen. Der Betreuer Rechtsanwalt Eh. habe die Monatsfrist nicht nutzen können, da er am 1. Mai 2011 verstorben sei. Bis zu Bestellung seines Vertreters Rechtsanwalt Tr. am 13. Mai 2011 seien einige Tage ungenutzt vergangen. Erst am 18. Mai 2011, also nach Ablauf der Klagefrist, sei ein neuer Betreuer bestellt und dann die Betreuung aufgehoben worden. Dem Kläger bzw. seinem Betreuer Rechtsanwalt Eh. habe es frei gestanden, die Klagefrist von einem Monat vollständig auszunutzen. Rechtsanwalt Eh. habe nicht voraussehen können, dass ihn sein Tod von der Einlegung des Rechtsbehelfs bis zum Ende der Klagefrist abhalten würde. Es könne dahingestellt bleiben, ob der bestellte Vertreter, Rechtsanwalt Tr., verpflichtet gewesen wäre, anstelle von Rechtsanwalt Eh. die Klagefrist zu beachten. Jedenfalls habe er, ebenso wenig wie der nach Ablauf der Klagefrist bestellte neue Betreuer Sto. Klage erhoben. Hinderungsgründe seien nicht ersichtlich. Der Kläger sei zur Klageerhebung bis zum Ablauf der regulären Klagefrist unverschuldet nicht in der Lage gewesen, da er noch unter Betreuung gestanden habe. Eine Wiedereinsetzung sei indes ausgeschlossen. Der Kläger, der dazu nach Aufhebung der Betreuung am 18. Mai 2011 berufen gewesen wäre, habe diesen Antrag weder wörtlich noch sinngemäß binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses gestellt. Unterstelle man zugunsten des Klägers, dass das Hindernis eigener Verantwortung für die Erledigung von rechtlichen Angelegenheiten erst am 18. Mai 2011 mit der Aufhebung der Betreuung weggefallen sei, hätte es ihm nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG oblegen, die verspätete Klageerhebung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen eines Monats, also bis zum Montag dem 20. Juni 2011 nachzuholen. Er hätte die Gründe für die Wiedereinsetzung angeben und Glaubhaft machen müssen, was nicht geschehen sei. Die erst am 11. August 2011 erhobene Klage ohne Antrag auf Wiedereinsetzung sei verspätet. Ob die Klage auch unbegründet sei, was angesichts der erheblichen und gut begründeten Zweifel des behandelnden Psychiaters Dr. Da. an der Erwerbsfähigkeit des Klägers naheliegend sei, sei nicht mehr zu entscheiden. Die Vertreterin des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2013 vorgetragen, der Kläger habe durchgängig Sozialhilfeleistungen erhalten.
Gegen den am 2. November 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22. November 2012 Berufung eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, die Aufhebung der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sei auf Grund der damaligen einmaligen Krankmeldung nicht rechtens.
Der Kläger beantragt zum Teil sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2012 aufzuheben, ihm Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren und den Bescheid des Beklagten vom 3. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Dr. Re. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 7. März 2013 ausgesagt, in der Zeit ab 1. Dezember 2010 habe er den Kläger erstmals am 6. und dann am 25. Juli 2011 sowie dann wieder im September, Oktober und Dezember 2011 gesehen. Bei der am 6. Juli 2011 erfolgten Untersuchung habe sich u.a. eine deutliche Logorrhoe und eine Distanzlosigkeit gezeigt. Bezüglich dem 25. Juli und 8. September 2011 hat er eine "psychosomatische Intervention" und bezüglich dem 6. und 14. Oktober 2011 hat er ein "Gespräch wegen Psychotherapie" angegeben. Der Kläger sei nur sehr sporadisch bei ihm gewesen. Eine regelmäßige Psychotherapie sei bei Dr. Da. erfolgt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Dieser hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 9. Februar bis 31. Mai 2011.
Das SG hat zwar zu Unrecht die Gewährung von Wiedereinsetzung in die Klagefrist abgelehnt, da er von dem Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 nach seinem Bekunden, von dessen Richtigkeit mangels anderweitiger Feststellbarkeit auszugehen ist, frühestens durch den am 22. Juni 2011 zur Post gegebenen Erstattungsbescheid Kenntnis erlangt hat, dass der Bescheid vom 3. Februar 2011 aus Sicht des Beklagten rechtskräftig geworden sei. Ferner hat er durch das Schreiben des Beklagten vom 14. Juli 2011 Kenntnis erlangt, dass der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 zurückgewiesen worden ist. Hierauf hat er am 15. Juli 2011 unverzüglich mitgeteilt, Rechtsanwalt Eh. sei verstorben und nicht mehr sein Betreuer und habe wohl selbst keinen "Widerspruch" erhoben, weswegen er nun selbst der Entscheidung "widerspreche".
In dieser Erklärung vom 15. Juli 2011 ist bei verständiger Auslegung eine Klageerhebung zu sehen, denn der Kläger wollte ersichtlich gegen die Widerspruchsentscheidung vorgehen. Zugleich hat er angesichts der Umstände glaubhaft dargelegt, dass er bis zu diesem Zeitpunkt vom Erlass eines Widerspruchsbescheides noch keine Kenntnis hatte. Eine ihm zuzurechnende Kenntnis des für den verstorbenen Rechtsanwalt Eh. bestellten Vertreters Rechtsanwalt Tr. oder des Betreuers Sto. von der Existenz des Widerspruchsbescheides ist - angesichts der Tatsache, dass Rechtsanwalt Tr. erst am 13. Mai 2011 zum Vertreter von Rechtsanwalt Eh. bestellt wurde und der Betreuer Sto. am 18. Mai 2011 bestellt und die Betreuung am selben Tag noch aufgehoben wurde - ebenfalls nicht feststellbar. Da der Kläger somit bis zu der Kenntnisnahme vom 14. Juli 2011, dass ein Widerspruchsbescheid erlassen worden war, selbst unverschuldet gehindert war, ein Rechtsmittel einzulegen, ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist lediglich die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen durch den Bescheid vom 3. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2011. Statthafte Klageart ist damit die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG).
Indes kann die Klage und die Berufung in der Sache keinen Erfolg haben, denn der Kläger hat für die Zeit vom 9. Februar 2011 bis 31. Mai 2011 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weswegen die Beklagte die bewilligte Leistung zurecht mit dem angefochtenen Bescheid aufgehoben hat.
Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende haben nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II).
Gemessen daran war der Kläger jedenfalls ab 9. Februar 2011 nicht mehr erwerbsfähig, denn er war nicht in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von wenigstens 3 Stunden täglich zu verrichten, wobei dies nach der Prognose voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern würde und eine Besserung eher als unwahrscheinlich anzusehen war. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus dem Bericht des behandelnden Psychiaters Dr. Da. vom 12. Januar 2011 und der entsprechenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. Mü. vom 24. Januar 2011. Auch die Deutsche Rentenversicherung Bund hat nach Prüfung gem. ihrer Mitteilung vom 9. November 2011 an das Landratsamt B. festgestellt, dass der Kläger voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist und es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, wobei der Zustand zumindest seit 25. Februar 2011 bestehe. Auch das gesamte prozessuale Verhalten des Klägers belegt, dass dieser jedenfalls für die hier streitige Zeit und danach nicht in der Lage war, sich im allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Soweit Dr. Re. bei seiner Aussage gegenüber dem SG vom 4. September 2012 ausgeführt hat, der Kläger könne sehr wohl eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes 3 Stunden täglich verrichten, je nach Belastung und Situation auch 4 bis 5 Stunden, begründet dies noch kein 3-stündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Dr. Re. eine Erwerbstätigkeit nur bei Beachtung dringend notwendiger besonderer Arbeitsbedingungen für möglich angesehen hat und zwar mindestens seit Februar 2010, ergibt sich, dass eine 3-stündige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedenfalls für die hier maßgebliche Zeit nicht in Betracht kam.
Durch die Aussage von Dr. Re. vom 7. März 2013 ergibt sich nichts anderes. Wie er erklärt hat, hat er den Klägern in der Zeit ab dem 1. Dezember 2010 erst wieder am 6. Juli 2011 gesehen und dabei unter anderem eine deutliche Logorrhoe und eine Distanzlosigkeit festgestellt. Am 25. Juli und 8. September 2011 ist eine "psychosomatische Intervention" erfolgt. Allerdings ist die Psychotherapie nicht bei dem Allgemeinmediziner Dr. Re., sondern bei Dr. Da. erfolgt, wie der Zeuge eingeräumt hat. Die weiteren Angaben von Dr. Re. bestätigen damit im Wesentlichen die Leistungseinschätzung von Dr. Da. vom 12. Januar 2011 und Dr. Mü. vom 24. Januar 2011, wonach jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auf Grund einer Verschlechterung von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich auszugehen ist. Dies steht im Übrigen auch im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Feststellung der deutschen Rentenversicherung Bund vom 9. November 2011 gemäß §§ 41 Abs. 3, 45 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch gegenüber dem Landratsamt B ...
Da der Sachverhalt durch die vorliegenden ärztlichen Äußerungen geklärt ist und der Kläger in Übrigen eine weitere Untersuchung selbst abgelehnt hat, besteht keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen.
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind aufgrund des Eintritts einer wesentlichen Änderung nach § 48 Abs. 1 SGB X, die erstmals im Januar 2011 nachgewiesen ist, nicht zu beanstanden, weswegen das SG die Klage im Ergebnis zurecht abgewiesen hat.
Da es sich um eine reine Anfechtungsklage handelt, bedurfte es einer Beiladung des Sozialhilfeträgers nicht.
Der Senat weist deshalb die Berufung mit der Maßgabe zurück, dass die Klage unbegründet ist.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).
Der Beklagte hatte dem 1957 geborenen Kläger, der seit Mai 2008 im Leistungsbezug stand, mit Bescheid vom 26. November 2010 und - auf seinen Widerspruch wegen Kürzung der Leistungen für die Kosten der Unterkunft, zu dem er ein Attest des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Da. vom 9. Dezember 2010 (der Kläger befinde sich seit mindestens 2 Jahren in einem Zustand der fortschreitenden Konfrontation mit der ARGE und anderen behördlichen Einrichtungen, der in Art und Ausmaß im Zusammenhang mit seiner fortschreitenden psychischen Erkrankung stehe, derentwegen der Kläger auch eine Betreuung beantragt habe; angesichts von Art aus Ausmaß der psychischen Störung würde ein Umzug zur Zeit und auf absehbare Zeit eine erhebliche weitere Destabilisierung mit zu befürchtenden weiteren Eskalationen bedeuten) vorgelegt hatte - mit Bewilligungsbescheid vom 30. Dezember 2010 für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Mai 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und höhere Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich insgesamt 868,13 EUR bewilligt.
Nachdem eine Betreuung eingerichtet worden war, wurde am 20. Januar 2011 Rechtsanwalt Eh. zum neuen Betreuer bestellt. Danach ging beim Beklagten der Bericht des Dr. Da. vom 12. Januar 2011 ein (Diagnosen: Bipolare affektive Störung, gegenwärtig gemischte Episode auf dem Boden einer querulatorischen Persönlichkeitsstörung; zu beobachten seien aktuell vor allem formale Denkstörungen [ungeordneter, stark beschleunigter und kaum zu stoppender Gedankenfluss, ausgeprägter Rededrang, überwertige Ideen], ein fehlendes Bewusstsein für die Grenzen seines Verhaltens [er beklebe z.Bsp. das Praxisvorzimmer mit kopierten rumänischen Autokennzeichen], ein ausgeprägtes Gefühl, von Behörden ungerecht behandelt zu werden bei oft absehbar übertriebenen bzw. aussichtslosen Eingaben und Forderungen, ein gleichzeitig stark schwankender Affekt zwischen euphorischen und depressiven Momenten mit zum Teil fremdaggressiven suizidalen Impulsen bzw. Äußerungen sowie ein gesteigerter Antrieb; ein medizinischer Therapieversuch sei ergebnislos geblieben; aus fachärztlicher Sicht sei angesichts der Verhaltensweisen davon auszugehen, dass der Kläger dem Arbeitsmarkt auf mindestens mittlere Sicht nicht zur Verfügung stehen werde bei fraglichen prognostischen Aussichten). Hierauf gelangte Dr. Mü. vom ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit Freiburg in der Stellungnahme vom 24. Januar 2011 zum Ergebnis, der Kläger sei für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund der bezeichneten Verhaltensweisen nicht vermittelbar. Es ergebe sich Leistungsunfähigkeit für einen Zeitraum von länger als 6 Monaten, aber nicht auf Dauer. Die prognostischen Aussichten seien "fraglich".
Hierauf hob der Beklagte mit Bescheid vom 3. Februar 2011 die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit Wirkung vom 9. Februar 2011 auf, da der Kläger auf den allgemeinen Arbeitsmarkt voraussichtlich länger als 6 Monate nicht mindestens 3 Stunden täglich arbeiten könne und somit nicht erwerbsfähig sei. Es sei insofern eine wesentliche Änderung hinsichtlich der Leistungsvoraussetzung der §§ 7, 8 SGB II gem. § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eingetreten.
Der Betreuer Rechtsanwalt Eh., dem der Beklagte den Bescheid auf dessen Bitte (nochmals) übersandte erhob am 25. Februar 2011 Widerspruch, den er im weiteren nicht begründete. Beim Beklagten ging noch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. Da. (Erstbescheinigung vom 25. Februar 2011 voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 15. April 2011) ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück, da der Kläger auf Grund seines gesundheitlichen Zustandes bis auf Weiteres beruflich leistungsunfähig sei und die prognostischen Aussichten "fraglich" erschienen. Damit gehöre der Kläger derzeit nicht zu dem leistungsberechtigten Personenkreis. Dieser habe grundsätzlich Anspruch auf Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) und habe einen entsprechenden Antrag auch bereits gestellt.
Der Betreuer Rechtsanwalt Eh., dem der Beklagte den Widerspruchsbescheid am 13. April 2011 übersandte, erhob - bis zu seinem Tod am 1. Mai 2011 - keine Klage. Ferner erhob auch Rechtsanwalt Tr., der am 13. Mai 2011 zum Abwickler der Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwalts Eh. bestellt wurde und auch der am 18. Mai 2011 vom Amtsgericht St. anstelle von Rechtsanwalt Eh. zum Betreuer bestellte R. Sto. bis zum Zeitpunkt der Aufhebung der Betreuung am 18. Mai 2011 (Beschluss des Landgerichts Freiburg) keine Klage.
Am 22. Juni 2011 übersandte der Beklagte den Erstattungsbescheid vom 16. Juni 2011 (Erstattung der vom 9. Februar bis 31. Mai 2011 noch überwiesenen Leistungen in Höhe von 3.234,68 EUR) sowohl an den Kläger als auch an das Büro des früheren Betreuers Rechtsanwalt Eh., von wo er ebenfalls an den Kläger weitergeleitet wurde (telefonische Mitteilung vom 28. Juni 2011).
Am 14. Juli 2011 hat der Kläger mit Schreiben vom 13. Juli 2011 beim Beklagten die Nichtbearbeitung des Widerspruchs "Gegen Einstellung von Hartz-IV Zahlungen" gerügt. Auf den Hinweis des Beklagten vom 14. Juli 2011, der Widerspruch sei mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 zurückgewiesen worden, hat der Kläger am 15. Juli 2011 "Widerspruch" eingelegt und geltend gemacht, der Betreuer Rechtsanwalt Eh. habe ihm den ablehnenden Bescheid "nicht zugänglich gemacht". Es sei wohl davon auszugehen, dass dieser keinen Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid erhoben habe, weswegen er nun selbst dem ablehnenden Bescheid "widerspreche".
Am 11. August 2011 hat der Kläger dann beim Sozialgericht Freiburg (SG) ausdrücklich Klage erhoben und sich mit dieser gegen die Entziehung der Leistungen nach dem SGB II gewandt. Der Widerspruch seines damaligen Betreuers sei schlicht abgelehnt worden. Dieser habe anscheinend keinen "Widerspruch" eingelegt, jedenfalls habe er keine Unterlage, die dies belegen würde.
Der Kläger hat am 21. September 2011 ein "Gesundheitszeugnis" des Dr. Re., Facharzt für Allgemeinmedizin, vom 8. September 2011 vorgelegt, wonach er sich "körperlich in einem guten Allgemein- und Gesundheitszustand" befinde und insbesondere "kein Anhalt für das Vorliegen einer entzündlichen oder ansteckenden Krankheit" vorliege.
Die Deutsche Rentenversicherung hat in einem Schreiben an das Landratsamt B. vom 9. November 2011 mitgeteilt, nach dem Ergebnis der Prüfung der in § 41 Abs. 3 SGB XII genannten Voraussetzungen sei der Kläger unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) und es sei unwahrscheinlich, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne. Die volle Erwerbsminderung bestehe zumindest seit 25. Februar 2011.
Vom 31. Januar bis 3. Februar 2012 ist der Kläger in stationärer Behandlung in der Bu.-Klinik, Fachklinik für Verhaltenstherapie, Verhaltensmedizin, psychosomatische Rehabilitation und Abhängigkeitserkrankungen gewesen, wo er mit den Diagnosen Erschöpfungsdepression, kombinierte Persönlichkeitsstörung entlassen worden ist. Es sei ihm schwer gefallen, sich an die Rahmenbedingungen für eine psychotherapeutische Behandlung zu halten und er habe sich am zweiten Behandlungstag entschlossen, die Therapie vorzeitig zu beenden.
Auf den Hinweis des SG, es sei eine Begutachtung beabsichtigt, wofür eine Schweigepflichtentbindungserklärung und die Zusicherung, zu einem vom Gericht ausgewählten Gutachter zu gehen, erforderlich sei, hat der Kläger am 2. August 2012 erklärt, er stehe einer erneuten "Begutachtung" sehr kritisch gegenüber. Er werde sich mit Dr. Re., dem einzigen Menschen, dem er vertraue, in Verbindung setzen und ihn um Rat fragen. Zur Frage einer eventuellen Zustimmung zu einer erneuten Begutachtung werde er noch informieren. Dazu hat er u.a. eine Äußerung des Dr. Re. vom 9. Juli 2012 vorgelegt, der bestätigt hat, der Kläger sei "ab 9. Juli 2012 mehr als 3 Stunden arbeitsfähig". Danach hat der Kläger mit Schreiben vom 8. August 2012 mitgeteilt, die angeregte Untersuchung durch einen weiteren Arzt könne nur zu demselben Ergebnis führen wie das Attest von seinem Hausarzt, nach welchem er mehr als 3 Stunden arbeitsfähig sei. Alle Fakten lägen auf dem Tisch und er könne nicht erkennen, welchen Erkenntnisgewinn eine weitere Untersuchung bringen würde, die zur Beurteilung des Verhaltens des Beklagten aus dem Jahr 2011 wichtig wäre. Er sehe keine Veranlassung, einer weiteren Untersuchung zuzustimmen, da diese, wie bereits erwähnt, für den vorliegenden Fall aus dem Jahr 2011 nicht aussagekräftig sein könne. Dem hat er eine Erklärung über die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht, allein bezogen auf Dr. Re., beigefügt.
Das SG hat Dr. Re. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Er hat am 4. September 2012 ausgesagt, beim Kläger liege eine bipolare Störung mit überwiegend manischen Anteilen vor. Es bestehe darüber hinaus der Verdacht einer Persönlichkeitsstörung. Die berufliche Leistungsfähigkeit sei auf Grund der nicht kontinuierlichen Ausprägung der Persönlichkeitsstörung nur reduziert. Verantwortlichkeit, Stetigkeit sowie adäquate Kommunikation seien nur reduziert möglich. Aus allgemeinärztlicher Sicht sei eine leichte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von 3 Stunden täglich möglich. Je nach Belastung und Situation sei die täglich leistbare Stundenzahl auch 4-5 Stunden möglich. Es bedürfe einer engen Anbindung an eine Vertrauensperson und einer sehr strengen Struktur oder Regelung. Eine Überforderung sollte vermieden werden. Der Gesundheitszustand werde sich voraussichtlich nicht wesentlich bessern.
Der Beklagte hat vorgetragen, die Klage sei verfristet. Im Schreiben des Klägers vom 13. Juli 2011 könne wohl ein Antrag auf Wiedereinsetzung zu sehen sein. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür seien vorliegend wohl erfüllt. Allerdings sei der Antrag innerhalb von 2 Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. Das Hindernis sei hier mit dem Tod des Betreuers zu sehen. Der Kläger sei nach dessen Tod bis zum 12. Mai 2011 ohne Betreuer gewesen. Am 13. Mai 2011 sei Rechtsanwalt Tr. zum Abwickler der Kanzlei bestellt worden, was auch die Notbetreuung des Klägers umfasst habe. Spätestens aber durch den Beschluss vom 18. Mai 2011 sei der Kläger wieder unter ordentlicher Betreuung des Herrn Sto. gewesen, womit das Hindernis, das dem Einhalten der Klagefrist entgegengestanden habe, weggefallen sei. Weder Rechtsanwalt Tr., noch Herr Sto. als ordentlicher Betreuer hätten innerhalb von 2 Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses Klage erhoben, so dass eine Wiedereinsetzung nicht gewährt werden könne. Im Übrigen bestehe bezüglich der Frage der Erwerbsunfähigkeit des Klägers zwischen den Trägern Landratsamt bzw. Jobcenter B. keine Uneinigkeit. Der Kläger habe beim Landratsamt einen Antrag auf Grundsicherungsleistung gestellt. Die Leistungen hätten jedoch nicht zur Auszahlung gebracht werden können, da der Kläger nach den Informationen des Beklagten nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht habe. Sobald er in ausreichendem Maße mitwirke, würden von dort, Hilfebedürftigkeit vorausgesetzt, Leistungen bewilligt werden können.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 26. Oktober 2012 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Der am 13. April 2011 an den Betreuer abgesandte Widerspruchsbescheid gelte am 16. April 2011 als bekanntgegeben. Ein späterer Zugang werde nicht behauptet. Damit sei die Klagefrist am Montag dem 16. Mai 2011 abgelaufen. Der Betreuer Rechtsanwalt Eh. habe die Monatsfrist nicht nutzen können, da er am 1. Mai 2011 verstorben sei. Bis zu Bestellung seines Vertreters Rechtsanwalt Tr. am 13. Mai 2011 seien einige Tage ungenutzt vergangen. Erst am 18. Mai 2011, also nach Ablauf der Klagefrist, sei ein neuer Betreuer bestellt und dann die Betreuung aufgehoben worden. Dem Kläger bzw. seinem Betreuer Rechtsanwalt Eh. habe es frei gestanden, die Klagefrist von einem Monat vollständig auszunutzen. Rechtsanwalt Eh. habe nicht voraussehen können, dass ihn sein Tod von der Einlegung des Rechtsbehelfs bis zum Ende der Klagefrist abhalten würde. Es könne dahingestellt bleiben, ob der bestellte Vertreter, Rechtsanwalt Tr., verpflichtet gewesen wäre, anstelle von Rechtsanwalt Eh. die Klagefrist zu beachten. Jedenfalls habe er, ebenso wenig wie der nach Ablauf der Klagefrist bestellte neue Betreuer Sto. Klage erhoben. Hinderungsgründe seien nicht ersichtlich. Der Kläger sei zur Klageerhebung bis zum Ablauf der regulären Klagefrist unverschuldet nicht in der Lage gewesen, da er noch unter Betreuung gestanden habe. Eine Wiedereinsetzung sei indes ausgeschlossen. Der Kläger, der dazu nach Aufhebung der Betreuung am 18. Mai 2011 berufen gewesen wäre, habe diesen Antrag weder wörtlich noch sinngemäß binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses gestellt. Unterstelle man zugunsten des Klägers, dass das Hindernis eigener Verantwortung für die Erledigung von rechtlichen Angelegenheiten erst am 18. Mai 2011 mit der Aufhebung der Betreuung weggefallen sei, hätte es ihm nach § 67 Abs. 2 Satz 1 SGG oblegen, die verspätete Klageerhebung mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand binnen eines Monats, also bis zum Montag dem 20. Juni 2011 nachzuholen. Er hätte die Gründe für die Wiedereinsetzung angeben und Glaubhaft machen müssen, was nicht geschehen sei. Die erst am 11. August 2011 erhobene Klage ohne Antrag auf Wiedereinsetzung sei verspätet. Ob die Klage auch unbegründet sei, was angesichts der erheblichen und gut begründeten Zweifel des behandelnden Psychiaters Dr. Da. an der Erwerbsfähigkeit des Klägers naheliegend sei, sei nicht mehr zu entscheiden. Die Vertreterin des Beklagten hat in der mündlichen Verhandlung vom 19. März 2013 vorgetragen, der Kläger habe durchgängig Sozialhilfeleistungen erhalten.
Gegen den am 2. November 2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22. November 2012 Berufung eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, die Aufhebung der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II sei auf Grund der damaligen einmaligen Krankmeldung nicht rechtens.
Der Kläger beantragt zum Teil sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2012 aufzuheben, ihm Wiedereinsetzung in die Klagefrist zu gewähren und den Bescheid des Beklagten vom 3. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Dr. Re. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 7. März 2013 ausgesagt, in der Zeit ab 1. Dezember 2010 habe er den Kläger erstmals am 6. und dann am 25. Juli 2011 sowie dann wieder im September, Oktober und Dezember 2011 gesehen. Bei der am 6. Juli 2011 erfolgten Untersuchung habe sich u.a. eine deutliche Logorrhoe und eine Distanzlosigkeit gezeigt. Bezüglich dem 25. Juli und 8. September 2011 hat er eine "psychosomatische Intervention" und bezüglich dem 6. und 14. Oktober 2011 hat er ein "Gespräch wegen Psychotherapie" angegeben. Der Kläger sei nur sehr sporadisch bei ihm gewesen. Eine regelmäßige Psychotherapie sei bei Dr. Da. erfolgt.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Dieser hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 9. Februar bis 31. Mai 2011.
Das SG hat zwar zu Unrecht die Gewährung von Wiedereinsetzung in die Klagefrist abgelehnt, da er von dem Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 nach seinem Bekunden, von dessen Richtigkeit mangels anderweitiger Feststellbarkeit auszugehen ist, frühestens durch den am 22. Juni 2011 zur Post gegebenen Erstattungsbescheid Kenntnis erlangt hat, dass der Bescheid vom 3. Februar 2011 aus Sicht des Beklagten rechtskräftig geworden sei. Ferner hat er durch das Schreiben des Beklagten vom 14. Juli 2011 Kenntnis erlangt, dass der Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. April 2011 zurückgewiesen worden ist. Hierauf hat er am 15. Juli 2011 unverzüglich mitgeteilt, Rechtsanwalt Eh. sei verstorben und nicht mehr sein Betreuer und habe wohl selbst keinen "Widerspruch" erhoben, weswegen er nun selbst der Entscheidung "widerspreche".
In dieser Erklärung vom 15. Juli 2011 ist bei verständiger Auslegung eine Klageerhebung zu sehen, denn der Kläger wollte ersichtlich gegen die Widerspruchsentscheidung vorgehen. Zugleich hat er angesichts der Umstände glaubhaft dargelegt, dass er bis zu diesem Zeitpunkt vom Erlass eines Widerspruchsbescheides noch keine Kenntnis hatte. Eine ihm zuzurechnende Kenntnis des für den verstorbenen Rechtsanwalt Eh. bestellten Vertreters Rechtsanwalt Tr. oder des Betreuers Sto. von der Existenz des Widerspruchsbescheides ist - angesichts der Tatsache, dass Rechtsanwalt Tr. erst am 13. Mai 2011 zum Vertreter von Rechtsanwalt Eh. bestellt wurde und der Betreuer Sto. am 18. Mai 2011 bestellt und die Betreuung am selben Tag noch aufgehoben wurde - ebenfalls nicht feststellbar. Da der Kläger somit bis zu der Kenntnisnahme vom 14. Juli 2011, dass ein Widerspruchsbescheid erlassen worden war, selbst unverschuldet gehindert war, ein Rechtsmittel einzulegen, ist ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist lediglich die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen durch den Bescheid vom 3. Februar 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. April 2011. Statthafte Klageart ist damit die Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG).
Indes kann die Klage und die Berufung in der Sache keinen Erfolg haben, denn der Kläger hat für die Zeit vom 9. Februar 2011 bis 31. Mai 2011 keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weswegen die Beklagte die bewilligte Leistung zurecht mit dem angefochtenen Bescheid aufgehoben hat.
Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende haben nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Erwerbsfähig ist, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außer Stande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 8 Abs. 1 SGB II).
Gemessen daran war der Kläger jedenfalls ab 9. Februar 2011 nicht mehr erwerbsfähig, denn er war nicht in der Lage, Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem Umfang von wenigstens 3 Stunden täglich zu verrichten, wobei dies nach der Prognose voraussichtlich mehr als 6 Monate andauern würde und eine Besserung eher als unwahrscheinlich anzusehen war. Dies ergibt sich für den Senat schlüssig und überzeugend aus dem Bericht des behandelnden Psychiaters Dr. Da. vom 12. Januar 2011 und der entsprechenden gutachterlichen Stellungnahme des Dr. Mü. vom 24. Januar 2011. Auch die Deutsche Rentenversicherung Bund hat nach Prüfung gem. ihrer Mitteilung vom 9. November 2011 an das Landratsamt B. festgestellt, dass der Kläger voll erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI ist und es unwahrscheinlich ist, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden kann, wobei der Zustand zumindest seit 25. Februar 2011 bestehe. Auch das gesamte prozessuale Verhalten des Klägers belegt, dass dieser jedenfalls für die hier streitige Zeit und danach nicht in der Lage war, sich im allgemeinen Arbeitsmarkt zu integrieren. Soweit Dr. Re. bei seiner Aussage gegenüber dem SG vom 4. September 2012 ausgeführt hat, der Kläger könne sehr wohl eine leichte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes 3 Stunden täglich verrichten, je nach Belastung und Situation auch 4 bis 5 Stunden, begründet dies noch kein 3-stündiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass Dr. Re. eine Erwerbstätigkeit nur bei Beachtung dringend notwendiger besonderer Arbeitsbedingungen für möglich angesehen hat und zwar mindestens seit Februar 2010, ergibt sich, dass eine 3-stündige Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt jedenfalls für die hier maßgebliche Zeit nicht in Betracht kam.
Durch die Aussage von Dr. Re. vom 7. März 2013 ergibt sich nichts anderes. Wie er erklärt hat, hat er den Klägern in der Zeit ab dem 1. Dezember 2010 erst wieder am 6. Juli 2011 gesehen und dabei unter anderem eine deutliche Logorrhoe und eine Distanzlosigkeit festgestellt. Am 25. Juli und 8. September 2011 ist eine "psychosomatische Intervention" erfolgt. Allerdings ist die Psychotherapie nicht bei dem Allgemeinmediziner Dr. Re., sondern bei Dr. Da. erfolgt, wie der Zeuge eingeräumt hat. Die weiteren Angaben von Dr. Re. bestätigen damit im Wesentlichen die Leistungseinschätzung von Dr. Da. vom 12. Januar 2011 und Dr. Mü. vom 24. Januar 2011, wonach jedenfalls zu diesem Zeitpunkt auf Grund einer Verschlechterung von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich auszugehen ist. Dies steht im Übrigen auch im Wesentlichen in Übereinstimmung mit der Feststellung der deutschen Rentenversicherung Bund vom 9. November 2011 gemäß §§ 41 Abs. 3, 45 Satz 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch gegenüber dem Landratsamt B ...
Da der Sachverhalt durch die vorliegenden ärztlichen Äußerungen geklärt ist und der Kläger in Übrigen eine weitere Untersuchung selbst abgelehnt hat, besteht keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen.
Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind aufgrund des Eintritts einer wesentlichen Änderung nach § 48 Abs. 1 SGB X, die erstmals im Januar 2011 nachgewiesen ist, nicht zu beanstanden, weswegen das SG die Klage im Ergebnis zurecht abgewiesen hat.
Da es sich um eine reine Anfechtungsklage handelt, bedurfte es einer Beiladung des Sozialhilfeträgers nicht.
Der Senat weist deshalb die Berufung mit der Maßgabe zurück, dass die Klage unbegründet ist.
Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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