16 SF 238/12 E

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
16
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
16 SF 238/12 E
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung gegen den Beschluss der Kostenbeamtin vom 22.01.2013 über die Höhe der vom Beklagten zu erstattenden notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers wird als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Der Kläger führte gegen den Beklagten einen Sozialrechtsstreit wegen der Höhe des festzustellenden Grades der Behinderung. Klagereingang war der 21.09.2010. Mit Schriftsatz vom 06.10.2010 meldete sich eine vom Kläger zunächst beauftragte Anwaltskanzlei zu den Akten, erhielt Akteneinsicht und begründete die Klage mit Schriftsatz vom 18.11.1010. Mit Schriftsatz vom 29.12.2010 wurde die vom Gericht vorher übersandte Schweigepflichtsentbindungserklärung nebst Liste der den Kläger behandelnden Ärzte übersandt. Nach Einholung einiger Befundberichte beauftragte der Kläger seine jetzigen Bevollmächtigten, die sich mit Schriftsatz vom 09.08.2011 zu den Akten meldeten und um Schriftsatzfrist baten. Mit Schriftsatz vom 01.09.2011 erfolgte eine dreiseitige Stellungnahme zu den Befunden und den versorgungsmedizinischen Ausführungen in eng bedruckter Schrift. Mit Schriftsatz vom 10.11.2011 erfolgte eine kurze Stellungnahme zur Sache und ein Antrag nach § 109 SGG. Das beantragte Gutachten wurde vom Gericht in Auftrag gegeben und am 24.08.2012 erstellt. Der Kläger nahm mit Schriftsatz vom 09.10.2012 zu dem Gutachten kurz Stellung. Beendet wurde das Verfahren durch Annahme eines Anerkenntnisses des Beklagten mit Schriftsatz vom 09.10.2012, in dem es hieß: "Mit Wirkung ab 24.06.2009 wird für die Behinderung nach dem SGB-IX ein Grad der Behinderung (GdB) von 50, in Worten: Fünfzig, festgestellt." Eine Kostentscheidung in der Hauptsache wurde nicht getroffen. Mit Schriftsatz vom 05.11.2012 beantragte der Kläger folgende Kosten gegen den Beklag-ten festzusetzen: Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV RVG 400,00 EUR Terminsgebühr, Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Auslagen, Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Kopierkosten, Nr. 7000 VV RVG 22,50 EUR Zwischensumme: 642,50 EUR Umsatzsteuer 122,08 EUR Gesamtsumme: 764,58 EUR Vorab hatten die Bevollmächtigten des Klägers eine Kostenrechnung übersandt, die dieser mit folgendem Schreiben zurücksandte: " zu meiner Entlastung gebe ich Ihnen die Kostennote vom 26.10.2012 zurück.

Es steht Ihnen frei, die Kosten für Ihre "umfangreiche Tätigkeit", es hat vor dem Anerkenntnis immerhin zwei Schriftsätze von Ihnen gegeben, bei der zuständigen Stelle geltend zumachen." Im Rahmen der Anhörung durch den Kostenbeamten erklärte der Beklagte mit Schreiben vom 19.11.2012: " es ist unrichtig, dass der Beklagte die Kostenübernahme abgelehnt hat.

Er ist jedoch nicht bereit Kosten zu übernehmen, die so nicht erstattungs-fähig sind, vergl. Schreiben vom 01.11.2012. Dem Vortrag des Vertreters des Klägers ist vom 05.11.2012 ist nicht zu entnehmen, was dieses Verfah-ren auszeichnen soll, das nicht schon als Aufgaben eines Vertreters in
Gerichtsverfahren grundsätzlich gegeben ist." Mit Beschluss vom 22.01.2013, dem Kläger und dem Beklagten zugestellt am 24.01.2013, setzte die Kostenbeamtin die zu erstattenden Kosten wie folgt fest: Verfahrensgebühr (Nr. 3102 VV), 20 % erhöht 300,00 EUR Terminsgebühr (Nr. 3106 VV) 100,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV) 20,00 EUR Fotokopiekosten (Nr. 7000 VV) 22,50 EUR insgesamt 442,50 EUR 19 % Mehrwertsteuer gemäß Nr. 7008 VV 84,07 EUR Gesamtsumme 526,57 EUR

Zur Begründung führte sie aus: "Gemäß § 14 Abs. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren seine Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Bedeutung der Angelegenheit, des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sowie der Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, dann ist die Gebührenbestim-mung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist.

Der Umfang der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers lag über dem Durchschnitt. Maßgebend für die Berücksichtigung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit ist der zeitliche Aufwand, den der Rechtsanwalt auf die Sache verwenden muss (§ 14 Abs. 1 RVG).

Im vorliegenden Fall ging es um die Frage, wie hoch der Grad der
Behinderung des Klägers zu bewerten ist. Die Angelegenheit hat für den Kläger eine besondere Bedeutung. Ebenso sind Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit unter Berücksichtigung der Auseinandersetzung mit ärztlichen Befunden und Gutachten als über dem Durchschnitt liegend zu bewerten. Angesichts des Umstandes, dass vor den Sozialgerichten allerdings auch Sachen ohne medizinische Gutachten verhandelt werden, kann vorliegend die Verfahrensmittelgebühr um 20 % erhöht werden.

Die Gebührenbestimmung der Rechtsanwältin ist als überhöht anzusehen, sodass eine Abänderung der Kostennote erforderlich war.

Wenn der Bevollmächtigte schriftlich ein Anerkenntnis annimmt, ist der
Aufwand für den Bevollmächtigten im Regelfall geringer, als wenn er an einer mündlichen Verhandlung teilnimmt; insbesondere entfallen die Vorbereitungen sowie die Teilnahme am Termin.

Auch bei der "bloßen" Annahme eines Anerkenntnisses erschöpft sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts nicht allein in der Fertigung des Schriftsatzes, dass das Anerkenntnis angenommen wird. Vielmehr ist in diesem Fall eine Besprechung mit dem Mandanten notwendig; insbesondere muss der Rechtsanwalt klären, ob das Anerkenntnis angenommen wird. Auch muss der Klägerbevollmächtigte prüfen, ob seitens der Behörde ein wirkliches Anerkenntnis abgegeben wurde oder ob der Klageantrag zu ändern ist (vgl. SG Leipzig, Beschluss vom 06.10.2006, Az.: S 4 SB 243/05).

Unter Berücksichtigung aller für die Gebühreneinschätzung gemäß § 14 Abs. 1 RVG maßgeblichen Umstände und aus den oben genannten Gründen erschien die Ansetzung einer Terminsgebühr in Höhe von 100,00 EUR als ausreichend und angemessen.

Dies entspricht der Hälfte der Mittelgebühr nach Nr. 3106 VV-RVG."

Mit Schriftsatz vom 06.02.2013, eingegangen am übernächsten Tage, legte der Kläger Erinnerung gegen die Kostenfestsetzung ein und begründete diese damit, dass das Verfahren vom Aufwand erheblich über dem Aufwand anderer Verfahren gelegen habe, da er fortlaufend durch seine Bevollmächtigten dazu angehalten werden musste, im Verfahren
mitzuwirken, was teilweise nur über seine Mutter möglich gewesen sei. Auch habe seitens der Bevollmächtigten mehrfach mit dem Schwerbehindertenbeauftragten der Finanzverwaltung und mit den Kläger früher behandelnden Ärzten in Kontakt getreten werden müssen. Die Verfahrensgebühr sei daher mit 400,00 EUR festzusetzen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.
Die zulässige insbesondere rechtzeitig eingelegte Erinnerung, wirksam beschräkt auf die Höhe der festgesetzten Verfahrensgebühr, ist im Ergebnis unbegründet. Zunächst ist festzustellen, dass in der Hauptsache weder eine Kostenentscheidung getroffen, noch ein Kostenanerkenntnis abgegeben wurde. Das Anerkenntnis des Beklagten vom 09.10.2012 stellte unzweifelhaft lediglich ein Anerkenntnis in der Hauptsache dar, ohne dass daraus auf einen möglichen Willen des Beklagten auch zur Kostentragung geschlossen werden kann. Damit kann grundsätzlich auch keine Kostenfestsetzung erfolgen. Allerdings ist der Schriftsatz des Beklagten vom 19.12.2012 als Erklärung der Bereitschaft zur Übernahme der notwendigen außergerichtlichen Kosten anzusehen und entsprechend auszulegen, denn damit gibt der Beklagte erstmals zu erkennen, dass er bereit ist, auch Kosten des Klägers zu übernehmen. Die vom Kläger geltend gemachten Kosten, hier die alleinig noch streitige Verfahrensge-bühr, sind dem Grunde nach entstanden, allerdings nicht in beantragter Höhe. Die Verfahrensgebühr ist jedenfalls nicht mit 400,00 EUR erstattungsfähig, da die vom Klägervertreter vorgenommene Festsetzung grob unbillig ist. Hinsichtlich der allgemeinen Ausführungen wird auf die zutreffenden Ausführungen der Kostenbeamtin verwiesen. Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass der Kläger lediglich einen Anspruch auf Er-stattung der Aufwendungen hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwen-dig sind (§ 193 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG-), zu denen nach Abs. 3 der genannten Vorschrift auch Rechtsanwaltsgebühren gehören. Allerdings gilt dies nur für notwendige Rechtsanwaltsgebühren, wie sich aus dem Abs. 2 ergibt, der im Zusammenhang mit dem Abs. 3 zu lesen ist. Der Kläger ist verpflichtet, die Kosten, also auch die Rechtsanwaltsge-bühren, so gering wie möglich zu halten (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10 Auflg., §193, Anm. 7). Dies ergibt sich bereits aus dem Begriff der Notwendigkeit der Kosten. Erstattungsfähig sind damit ausschließlich diejenigen Kosten, die bei einem auf Kostenminimierung bedachten und das Verfahren förderlich betreibenden Kläger entstehen. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist die von der Kostenbeamtin festgesetzte Ge-bühr von 300,00 EUR, die eine Überschreitung der Mittelgebühr von 20 % berücksichtigt, jedenfalls nicht zu gering festgesetzt worden. Der Aufwand der dadurch entsteht, dass ein Bevollmächtigter den Kläger fortlaufend zum Betreiben des Verfahrens auffordern muss und eine Kontaktaufnahme nur mit Hilfe von Familienangehörigen möglich ist, sind jedenfalls nicht notwendig, denn ein auf Kosten-minderung bedachter Kläger wird den Kontakt mit seinem Bevollmächtigten schon aus eigenem Sachinteresse suchen. Gründe, weshalb eine Kontaktausnahme mit dem Schwerbehindertenbeauftragten der Finanzverwaltung erforderlich gewesen sein sollte, wurden nicht genannt und sind auch nicht ersichtlich, jedenfalls nicht für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren auf Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft. Da die Problematik der Festsetzung einer über die Mittelgebühr hinausgehenden Verfahrensgebühr von grundsätzlicher Bedeutung ist und hier eine entsprechende Festsetzung erfolgte, weist das Gericht darauf hin, dass eine Mittelgebühr jedenfalls in Verfahren nach dem Schwerbehindertenrecht in der Regel nicht überschritten wird, wenn "lediglich" ein Gutachten eingeholt wird, da dies grundsätzlich der Regelfall in Schwerbehindertenverfahren ist, auch wenn in der Praxis aussagekräftige ärztliche Befunde durchaus eine Begut-achtung für nicht erforderlich erscheinen lassen. Ein Überschreiten der Mittelgebühr, wie her festgesetzt, ist ausschließlich bei Hinzukommen weiterer objektiv zu beurteilender Umstände möglich. Das Gericht ist allerdings aufgrund des Verschlechterungsverbots und der Tatsache, dass der Beklagte keine Erinnerung eingelegt hat, gehindert zu Lasten des Klägers eine Herabsetzung der festgesetzten Gebühr vorzunehmen. Selbstverständlich bedeuten vorstehende Erwägungen nicht, dass bei Nichteinholung eines Gutachtens eine geringere als die Mittelgebühr festzusetzen ist, wenn nicht besondere Um-stände hinzukommen, etwa in Fällen einer Untätigkeitsklage oder eines sofortigen Aner-kenntnisses nach Klageerhebung bzw. Klagebegründung.

Die Entscheidung ist endgültig (§ 178 Satz 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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