L 1 R 97/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stendal (SAN)
Aktenzeichen
S 6 KN 1/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 97/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 24. Februar 2010 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist im Streit, ob vom 01. Juni 1974 bis zum 31. Dezember 1986 das tatsächliche Entgelt des Klägers der Rentenberechnung zugrunde zu legen ist sowie der Umfang der Beitragszahlungen zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung (FZR) in diesem Zeitraum.

Der am ... 1942 geborene Kläger stellte am 16. Dezember 2003 einen Antrag auf Altersrente wegen Arbeitslosigkeit. Nach seinem Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung (SVA) ist er der FZR am 01. Juni 1974 beigetreten und beendete sie am 31. Dezember 1986. Im SVA vom 19. Januar 1965 sind für das Jahr 1977 FZR-Beiträge für einen Gesamtarbeitsverdienst von 4.358,30 M verbucht. Im SVA vom 08. Mai 1978 werden für einen Verdienst von 5.400,00 M im Jahr 1984, von 5.698,23 M in 1985 und von 6.459,91 M in 1986 FZR-Beiträge bestätigt. Mit Bescheid vom 11. Februar 2004, der dem Kläger am 18. Februar 2004 zugestellt wurde, erkannte die Beklagte einen Rentenanspruch des Klägers an und setzte zum 01. Dezember 2003 vorläufig eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit fest. Dagegen legte der Kläger am 16. März 2004 Widerspruch ein.

Mit Bescheid vom 28. Januar 2005 stellte die Beklagte die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit endgültig fest. Der Kläger legte auch insoweit am 22. Februar 2005 Widerspruch ein. Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 11. Februar 2004 in der Gestalt des Bescheides vom 28. Januar 2005 mit Widerspruchsbescheid vom 05. Januar 2006 als unbegründet zurück.

Am 09. Februar 2006 hat der Kläger beim Sozialgericht Stendal (SG) Klage erhoben und geltend gemacht, seine Altersrente werde nicht auf der Grundlage seiner Berufszeiten und seines tatsächlichen Einkommens berechnet. Für seine Zugehörigkeit zur FZR vom 01. Juni 1974 bis zum 31. Dezember 1986 sei sein tatsächliches Entgelt der Rentenberechnung zugrunde zu legen. Die Beklagte habe dennoch nur das Jahr 1977 und den Zeitraum vom 01. April 1984 bis zum 31. Dezember 1986 berücksichtigt. Außer den vorgelegten Unterlagen könne er keine weiteren FZR-Beitragszeiten unter Beweis stellen. Zur Einbeziehung seiner Ingenieurstätigkeit habe er beim Versorgungsträger der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund einen entsprechenden Antrag gestellt. Die Beklagte hat darauf hingewiesen, es seien die FZR-Eintragungen im SVA für 1977, 1985 und 1986 übernommen worden. Weitere Nachweise über Beitragszahlungen lägen nicht vor. Soweit das tatsächlich gezahlte Entgelt als Ingenieur Grundlage der Rentenberechnung sein solle, müsse die Feststellung nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) beim Zusatzversorgungsträger der Deutschen Rentenversicherung Bund beantragt werden.

Auf Anfrage des SG hat die R. O. S. GmbH mit Schreiben vom 30. Mai 2008 folgendes FZR-Entgelt für den Kläger mitgeteilt: 5.400,00 M im Jahr 1984; 5.698,20 M im Jahr 1985; 6.433,90 im Jahr 1986. Der Kläger sei am 01. April 1984 in die FZR eingetreten und habe die FZR zum 31. Dezember 1986 beendet. In den Jahren 1971 bis 1983 sei kein Beitrag zur FZR belegt.

Mit Urteil vom 24. Februar 2010 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Berücksichtigung weiterer Entgelte, für die FZR-Beiträge geleistet worden seien, bestehe nicht. Die Beklagte habe die Entgelte des Klägers, für die im SVA in den Jahren 1977, 1984, 1985 und 1986 FZR-Beiträge bestätigt worden seien, bei der Berechnung der Altersrente berücksichtigt. Weitere FZR-Beiträge seien nicht nachgewiesen, daher könnten keine weiteren Entgelte berücksichtigt werden. Der Kläger trage insoweit die Beweislast.

Gegen das am 11. März 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 06. April 2010 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Derzeit könne er seine FZR-Beitragszahlungen nicht belegen, denn er wisse nicht, wo sich seine Personalakte befinde. Da er aber von Juni 1974 bis zum Dezember 1986 in der FZR versichert gewesen sei, werde indiziert, dass die Beiträge auch entrichtet worden seien. Bereits im Zeitraum vom 20. September 1966 bis zum 28. Februar 1971 sei sein zusätzlicher Arbeitsverdienst rentenrechtlich berücksichtigt worden. Er habe auch Anspruch auf eine so genannte "Intelligenzrente"

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 24. Februar 2010 aufzuheben und den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2004 in der Fassung vom 28. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Januar 2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, für die Zeit vom 01. Juni 1974 bis zum 31. Dezember 1986 seine tatsächlich erzielten Arbeitsverdienste der Rentenberechnung zugrunde zu legen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stendal vom 24. Februar 2010 zurückzuweisen.

Sie hält ihre Bescheide und das angefochtene Urteil des SG für zutreffend. Beiträge zur FZR seien nur für die Jahre 1977, 1984, 1985 und 1986 nachgewiesen. Zu DDR-Zeiten seien zum Jahresende die Eintragungen im SVA vom Arbeitgeber vorgenommen worden – insbesondere die sozialversicherungspflichtigen Entgelte und die Entgelte für die Beiträge zur FZR. Durch die Eintragung im SVA werde der Nachweis für die abgeführten Beiträge geführt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 2004 in der Fassung vom 28. Januar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05. Januar 2006 und das diesen bestätigende Urteil des SG sind nicht zu beanstanden, so dass der Kläger nicht im Sinne von §§ 157, 54 Abs. 2 SGG beschwert ist.

Im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01. Juni 1974 bis zum 31. Dezember 1986 können wegen weiterer Verdienste des Klägers vor dem 01. Januar 1992 – für die der Kläger FZR-Beitragszahlungen behauptet – keine rentenerhöhenden Entgeltpunkte berücksichtigt werden und deswegen auch kein höherer Rentenzahlbetrag bewilligt werden, da weitere FZR-Beitragszahlungen nicht nachgewiesen oder glaubhaft gemacht worden sind.

Nach § 256a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) werden für Beitragszeiten im Beitrittsgebiet nach dem 08. Mai 1945 Entgeltpunkte ermittelt, indem der mit den Werten der Anlage 10 vervielfältigte Verdienst durch das Durchschnittsentgelt für dasselbe Kalenderjahr geteilt wird. Nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift zählen als Verdienst der tatsächlich erzielte Arbeitsverdienst und die tatsächlich erzielten Einkünfte, für die jeweils Pflichtbeiträge gezahlt worden sind, sowie der Verdienst, für den Beiträge zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung oder freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung für Zeiten vor dem 01. Januar 1992 gezahlt worden sind.

Gemäß § 55 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind oder als gezahlt gelten. Den Beitragszeiten nach Bundesrecht stehen gemäß § 248 Abs. 3 Satz 1 SGB VI Zeiten nach dem 08. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Im Beitrittsgebiet gelten somit als Beitragszeiten im Sinne des SGB VI auch Zeiten, für die nach den Bestimmungen des DDR-Rechts Rentenversicherungsbeiträge gezahlt wurden.

Nach den Regelungen der Sozialversicherung im Beitrittsgebiet konnten bis zum 30. Juni 1990 höchstens 600,00 M monatlich versichert werden. Für Arbeitsentgelt bis 1.200,00 M konnten vom 01. März 1971 an bis zum 31. Dezember 1976 Beiträge zur FZR gezahlt werden (FZR-VO vom 10. Februar 1971, GBl II Nr. 17 S. 121 ff.). Nach dem 31. Dezember 1976 bestand die Möglichkeit, auch für das gesamte tatsächliche Bruttoarbeitsentgelt Beiträge zu entrichten (FZR-VO vom 29. Juli 1976, GBl I Nr. 30 S. 393 f.). Zum 30. Juni 1990 wurde die FZR geschlossen.

Sind in den Versicherungsunterlagen des Beitrittsgebiets für Zeiten vor dem 01. Januar 1992 Arbeitszeiten oder Zeiten der selbstständigen Tätigkeit ordnungsgemäß bescheinigt, wird gemäß § 286 c Satz 1 SGB VI vermutet, dass während dieser Zeiten Versicherungspflicht bestanden hat und für das angegebene Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen die Beiträge gezahlt worden sind. Diese Vorschrift ermöglicht es den Rentenversicherungsträgern, sämtliche in den SVA oder entsprechenden vorherigen Dokumenten eingetragene Zeiten zu berücksichtigen, ohne die tatsächliche Versicherungspflicht und ordnungsgemäße Beitragszahlung im Einzelfall prüfen zu müssen (KassKomm-Wehrhahn § 286 c SGB VI RdNr. 2). Das gilt vorliegend für die von der Beklagten bereits berücksichtigten FZR-Beiträge der Jahre 1977, 1984, 1985 und 1986, die sich aus den SVA des Klägers ergeben. Den SVA kommen hinsichtlich ihrer Eintragungen eine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit zu (§§ 286c, 286e SGB VI). Die Beklagte darf insoweit darauf vertrauen, dass der Betrieb bzw. die Einrichtung, in der der Kläger versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war, die jeweilige Eintragung korrekt vorgenommen hat. Der eintragende Betrieb hat in der letzten Spalte der entsprechenden Seite des SVA mit Stempel und Unterschrift die Richtigkeit der Eintragung bestätigt (§§ 94, 95 VO zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 17. November 1977, GBl. DDR I 1977, 373; vgl. auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09. August 2012 – L 1 R 31/11 –, juris).

Soweit die Vermutung des § 286 c SGB VI nicht eingreift, weil der Versicherte für einzelne Zeiten keine ordnungsgemäßen Bescheinigungen in seinen Versicherungsunterlagen vorlegen kann, greift § 286 b SGB VI ein. Da in der ehemaligen DDR sämtliche leistungsrechtlich relevanten Versicherungsunterlagen von den Versicherten aufbewahrt wurden und lediglich im Leistungsfall der den Antrag aufnehmenden Stelle vorzulegen waren, konnte es für die Versicherten etwa bei Verlust zu Nachweisschwierigkeiten kommen. Um diesen Beweisnotstand zu mildern, hat der Gesetzgeber in § 286 b SGB VI den Versicherten die Möglichkeit einer Glaubhaftmachung von Beitragszeiten eingeräumt. Dabei sind gemäß § 286 b Satz 1 SGB VI die Erzielung eines beitragspflichtigen Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens und die Zahlung der entsprechenden Beiträge glaubhaft zu machen. Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist.

Für den streitgegenständlichen Zeitraum sind Beitragszahlungen nicht gemäß § 286 b Satz 1 SGB VI glaubhaft gemacht. Die vorliegenden Unterlagen – die SVA, die Auskunft der R. O. S. GmbH und ein Schreiben der D. GmbH – lassen die Entrichtung von weiteren FZR-Beiträgen nicht wahrscheinlich erscheinen. Der Kläger trägt für die Tatsache der FZR-Beitragszahlung als Anspruchsvoraussetzung nach materiellem Recht die objektive Beweislast. Nachdem weder das Gericht noch der Kläger selbst weitere Beitragszahlungen ermitteln konnte, trägt der Kläger das Risiko der Nichterweislichkeit.

Soweit der Kläger eine "Intelligenzrente" für seine Tätigkeit als Ingenieur geltend macht, fehlt der Beklagten zur Berücksichtigung dieser Zeiten und Verdienste ein entsprechender bestandskräftiger Feststellungsbescheid des Versorgungsträgers für die Zusatzversorgungssysteme bei der DRV Bund nach § 8 Abs. 2 und 3 AAÜG. Die Beklagte wäre nach § 8 Abs. 5 Satz 2 AAÜG an diesen Feststellungsbescheid gebunden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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