L 11 R 634/13 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 4426/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 634/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 15.01.2013 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe (PKH). In der Hauptsache begehrt sie Rente wegen Erwerbsminderung.

Die 1964 geborene Klägerin war zuletzt vom 02.01.1991 bis 31.03.1992 versicherungspflichtig beschäftigt, vom 01.04.1992 bis 26.07.1995 liegen von der Bundesagentur für Arbeit gemeldete Pflichtbeitragszeiten vor sowie vom 22.11.2004 bis 30.11.2004 eine weitere Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Im Jahr 2001 wurde bei der Klägerin ein Schilddrüsenkarzinom festgestellt mit Lymphknotenmetastasen, welches seither nicht ausgeheilt ist. Im Jahr 2005 absolvierte die Klägerin eine Rehabilitationsmaßnahme in D ... Im Entlassungsbericht wurde ausgeführt, dass die Klägerin im täglichen Leben selbstständig ohne funktionelle Einschränkungen sei, je nach Verlauf könne sie eine leichte Tätigkeit vollschichtig aufnehmen.

Mit Bescheid vom 11.08.2010 lehnte die Beklagte die Vormerkung einer Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit vom 10. bis 23.05.2007 ab, weil eine versicherungspflichtige Beschäftigung nicht unterbrochen worden sei. Im Versicherungsverlauf der Klägerin war eine Pflichtbeitragszeit wegen Kindererziehung vom 01.05.1987 bis 30.04.1988 vorgemerkt sowie Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vom18.04.1987 bis 17.04.1997. Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin ua geltend, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass sie seit 2001 durchgehend erkrankt sei, zudem seien Erziehungszeiten des 1987 geborenen Sohnes nicht vermerkt. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Weitere Erziehungszeiten und Anrechnungszeiten wegen Arbeitsunfähigkeit und seien nicht vorzumerken.

Am 19.04.2001 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung und legte hierzu zahlreiche ärztliche Unterlagen vor. Die Beklagte ließ ein internistisches Gutachten bei Dr K.-Kr. erstellen, welche leichte Tätigkeiten weiterhin für vollschichtig möglich hielt. Mit Bescheid vom 01.09.2011 lehnte die Beklagte die Gewährung von Erwerbsminderungsrente ab, den hiergegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, Erwerbsminderung liege nicht vor, da das Leistungsvermögen für leichte körperliche Tätigkeiten nicht zeitlich eingeschränkt sei. Zudem lägen die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht vor, da im Fünf-Jahres-Zeitraum vom 18.04.2006 bis 17.04.2011 keine Pflichtbeiträge vorhanden seien.

Sowohl gegen den Bescheid vom 11.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2011 als auch gegen den Bescheid vom 01.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2011 richtet sich die am 23.12.2011 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin die Gewährung von "Erwerbsunfähigkeitsrente" begehrt. Sie trägt vor, die Beklagte habe keine Berichte bei ihrem Hausarzt eingeholt. Erziehungszeiten seien nicht vermerkt. Es sei davon auszugehen, dass die Tumorerkrankung bereits vor ihrer Entdeckung vorhanden gewesen sei und Erwerbsminderung vorgelegen habe. Zunächst sei mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens festzustellen, wann Erwerbsminderung eingetreten sei.

Den mit der Klage gestellten Antrag auf Gewährung von PKH hat das SG mit Beschluss vom 15.01.2013 wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt. Dem Bescheid vom 11.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.11.2011 sei zu entnehmen, dass Pflichtbeitragszeiten wegen Kindererziehung im Umfang der damaligen Höchstdauer von 12 Kalendermonaten anerkannt worden seien und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für 10 Jahre. Sollte sich das Klagebegehren auf die Anerkennung derartiger Zeiten richten, fehle die Erfolgsaussicht. Soweit die Klägerin der Sache nach Erwerbsminderungsrente begehre, komme ein solcher Anspruch nur bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen in Betracht. Diese seien letztmals Mitte 1997 erfüllt gewesen. Seitdem müsse durchgehend Erwerbsminderung bestanden haben, damit ein Rentenanspruch in Frage kommen könne. Allerdings sei dem Entlassungsbericht über eine Reha-Maßnahme 2005 zu entnehmen, dass sich die Klägerin "in letzter Zeit" wieder um einen Arbeitsplatz bemüht habe; einem Bericht des Universitätsklinikums H. sei zu entnehmen, dass sie als Tagesmutter arbeite. Angesichts dieser Beweislage habe die Klägerin nur vortragen lassen, dass sie bereits vor Feststellung der Tumorerkrankung aufgrund dessen erwerbsgemindert gewesen sei. Erwerbsminderung setze nicht nur das latente Vorhandensein einer Erkrankung, sondern tatsächliche Funktionseinschränkungen aufgrund der Erkrankung voraus. Trotz gerichtlicher Aufforderung habe die Klägerin weder konkret vorgetragen, was sie bereits seit 1997 durchgehend am Arbeiten gehindert haben solle, noch habe sie Beweismittel für eine Erwerbsminderung bereits 1997 benannt. Auch im sozialgerichtlichen Verfahren sei es ungeachtet des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht Aufgabe des Gerichts, unter Verzicht auf jeglichen schlüssigen Vortrag Ermittlungen "ins Blaue hinein" zur Ausforschung der Frage aufzunehmen, ob nicht doch ein anspruchsbegründender Sachverhalt gegeben sein könne.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die zunächst beim Arbeitsgericht Mannheim am 28.01.2013 eingelegte Beschwerde, die über das SG am 12.02.2013 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingegangen ist. Die Klägerin macht nochmals geltend, dass die Tumorerkrankung auch schon vor Diagnostizierung vorhanden gewesen sei; hier müsse im Rahmen der Amtsermittlung darauf hingearbeitet werden, von den behandelnden Ärzten Stellungnahmen zu erhalten. Das SG übersehe auch, dass bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente noch geringfügig gearbeitet werden dürfe, weshalb die Suche nach einem Arbeitsplatz einer Rente nicht entgegen stehe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die Beschwerde ist gemäß § 173 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 172 SGG), sie ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat für das Klageverfahren vor dem SG keinen Anspruch auf PKH.

Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht iSd § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (vgl Bundesverfassungsgericht 04.02.1997, 1 BvR 391/93, NJW 1997, 2102, 2103).

Unter Beachtung der oben genannten Grundsätze hat die Rechtsverfolgung der Klägerin vor dem SG keine hinreichende Erfolgsaussicht. Nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554) haben Versicherte nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente nur gegeben wären, wenn der Leistungsfall der Erwerbsminderung spätestens Mitte 1997 eingetreten wäre und seither durchgehend eine Erwerbsminderung vorgelegen hätte. Hierfür bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Allein die Feststellung der Tumorerkrankung im Jahr 2001 sagt nichts darüber aus, ob bereits 1997 das berufliche Leistungsvermögen in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt war. Tatsächlich bestehende Funktionsbeeinträchtigungen bereits ab 1997 hat die Klägerin nicht einmal selbst behauptet. Im Rahmen des Amtsermittlungsgrundsatzes nach § 103 Satz 1 SGG ist das Gericht nicht verpflichtet, nach Tatsachen zu forschen, für deren Bestehen die Umstände des Einzelfalls keine Anhaltspunkte bieten (Bundessozialgericht 17.12.1997, 11 RAr 61/97, BSGE 81, 259 = SozR 3-4100 § 128 Nr 5). Das SG hat daher völlig zu Recht darauf abgestellt, dass es ohne schlüssigen Vortrag nicht Aufgabe des Gerichts ist, durch Ermittlungen "ins Blaue hinein" auszuforschen, ob ein anspruchsbegründender Sachverhalt vielleicht vorliegen könnte.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind gemäß § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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