Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 5 U 205/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
Zum Unfallversicherungsschutz einer abhängig Beschäftigten mit Betriebsstätte und Arbeitsplatz im eigenen Wohnhaus.
I. Unter Aufhebung des Bescheids vom 07.10.2010 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 24.01.2011 wird die Beklagte verurteilt, den Unfall vom 19.08.2010 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
Die im Jahre 1959 geborene Klägerin arbeitet als Angestellte ihres Ehemannes, der ein Ingenieurbüro betreibt, im Unternehmensbereich Haus- und Grundstücksverwaltung. Ihr Arbeitsplatz befindet sich im Arbeitszimmer im ersten Obergeschoss ihres Wohnhauses in der Stölpchener Straße in A-Stadt. Am 19.08.2010 arbeitete die Klägerin zunächst in ihrem Arbeitzimmer im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses und wollte dann gegen 5:30 Uhr die Toilette im Erdgeschoss aufsuchen. Im Treppenhaus kam sie zu Fall und zog sich eine Sprunggelenksfraktur links zu.
Mit Bescheid vom 07.10.2010 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aus der ge-setzlichen Unfallversicherung ab. Es habe kein Arbeitsunfall vorgelegen. Bei einem selb-ständig Tätigen, dem die Klägerin gleichzustellen sei, sei der Weg zur Toilette nicht versi-chert.
Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 12.10.2010 und wies darauf hin, dass mit ihrem Ehemann ein ganz normales Arbeitsverhältnis bestünde. Beigefügt war ein Sta-tusfeststellungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei Selbständigen und Arbeitnehmern würde der Versicherungsschutz bei Tätigkeiten im häuslichen Bereich mit Durchschreiten der Tür des Betriebsraums enden.
Mit der am 14.02.2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Aner-kennung eines entschädigungspflichtigen Arbeitsunfalls weiter. Die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen betrieblichem und häuslichem Bereich sei nicht nachvollziehbar. Die Toilette im Erdgeschoss habe sie nur über das Treppenhaus erreichen können. Die Treppe müssten auch regelmäßig Mieter und Mietinteressenten oder Hausei-gentümer und Dienstleister benutzen, wenn sie zu Abschlüssen von Mietverträgen, zur Prüfung von Betriebskostenabrechnungen oder aus sonstigen Anlässen vorbeikommen würden.
Die Klägerin beantragt daher,
den Bescheid vom 07.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass der Un-fall vom 19.08.2010 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie stellt jetzt die Unfallzeit in Frage und bestreitet, dass tatsächlich Gespräche mit Mietin-teressenten, Hauseigentümern und Dienstleistern im Arbeitszimmer der Klägerin im ersten Obergeschoss stattgefunden haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG – Urteile vom 07.09.2004, Aktenzeichen: B 2 U 35/03 R und B 2 U 45/03 R) ist das klägerische, auf An-erkennung eines Arbeitsunfalls gerichtete Begehren als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auszulegen. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an dieser Feststellung besteht, weil es die Vorfrage für die Entschei-dung der Beklagten über zu gewährende Leistungen darstellt. Eine Entscheidung hierüber wäre dem erkennenden Gericht verwehrt gewesen, weil die Beklagte über einzelne in Be-tracht kommende Leistungen noch keine Entscheidung getroffen hat.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat am 19.08.2010 einen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versi-cherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begrün-denden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach grundsätzlich erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt und dass das Unfallereignis einen Gesundheits-erstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts war die Klägerin, nach-dem zunächst in ihrem häuslichen Arbeitszimmer schriftliche Arbeiten ausgeführt und am PC gearbeitet hatte, auf dem Weg zur Toilette im Erdgeschoss, als sie im Treppenhaus stürzte und sich am linken Unterarm verletzte. Ob der Unfall sich um 5:38 Uhr oder 5:39 Uhr oder eine halbe Stunde später ereignet hat, ist unerheblich. Jedenfalls war der Aus-gangspunkt des Weges durch das Treppenhaus das Arbeitszimmer und das ins Auge ge-fasste Ziel die Toilette.
Die Verrichtung zurzeit des Unfalls war auch der versicherten Tätigkeit der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zuzurechen.
Jede Verrichtung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, die aufgrund ihrer Hand-lungstendenz der Ausübung der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt ist (vgl § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII: Unfall "infolge" einer versicherten Tätigkeit), ist der versicherten Tätig-keit zuzurechnen - ohne Bindung an die Arbeitsstätte und die Arbeitszeit. Allerdings sind nicht alle Verrichtungen eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und auf der Arbeits-stätte versichert, weil es außer in der Schifffahrt (vgl § 10 SGB VII) keinen Betriebsbann gibt (vgl zusammenfassend BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9, jeweils RdNr 5 bis 7 mwN). Dementsprechend stehen auch nicht alle Wege eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und/oder auf der Arbeitsstätte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (zB nicht beim Personaleinkauf: BSG vom 19. Januar 1995 - 2 RU 3/94 - SozR 3-2200 § 548 Nr 22), sondern nur solche Wege, bei denen ein sachlicher Zusammenhang zwischen der - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges gegeben ist, weil der Weg durch die Ausübung des Beschäftigungsverhältnisses oder den Aufenthalt auf der Betriebsstätte bedingt ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Zurücklegen von Wegen in aller Regel nicht die Ausübung der versicherten Tätigkeit selbst darstellt, sondern zu der eigentlichen Tätigkeit, weswegen das Beschäftigungsverhältnis eingegangen wurde, in einer mehr (zB Betriebs-wege zum Besuch der Kunden bei einem Außendienstmitarbeiter wie vorliegend) oder weniger engen Beziehung (zB Weg zur Arbeit ins Büro bei einem Buchhalter) steht.
Aufgrund dessen wirft gerade bei Wegen die Bestimmung des Grenzpunktes für den Be-ginn bzw das Ende des Versicherungsschutzes in Abgrenzung zum unversicherten privaten Lebensbereich besondere Schwierigkeiten auf (vgl zum Wegeunfall schon BSG vom 13. März 1956 - 2 RU 124/54 - BSGE 2, 239 mwN). Seit dieser Entscheidung gelten allgemein Wege in dem vom Versicherten bewohnten Haus als nicht vom Versicherungsschutz mit umfasst und dies gilt auch für Betriebswege, die Teil der eigentlichen versicherten Tätig-keit nach § 8 Abs 1 SGB VII sind (BSG vom 27. Oktober 1987 - 2 RU 32/87; BSG vom 7. November 2000, aaO, S 16 ff mwN und ausführlicher Begründung; Krasney, aaO, § 8 RdNr 92; Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO, Anm 7.14.1). Bei dieser auf objektive Merkmale gegründeten klaren Grenzziehung zwischen dem versicherten Teil und dem unversicherten Teil des Weges hat sich das BSG - neben der schon angeführten der gesetzlichen Unfall-versicherung zugrunde liegenden Unternehmerhaftung - von dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und dem Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung lei-ten lassen und keine Ausnahme zugelassen. Die Grenze "Außentür des Gebäudes" trennt klar den öffentlichen Verkehrsraum von dem unversicherten Bereich ab, dem von dem Versicherten bewohnten Haus bzw. dem Haus, in dem seine Wohnung liegt.
Dass diese Grenze aber so nicht anwendbar ist, wenn sich die Wohnung des Versicherten und die Arbeitsstätte in einem Haus befinden, liegt auf der Hand. Ebenso klar ist, dass Un-fälle auf Wegen in den zur Arbeitsstätte gehörenden Betriebsräumen auch bei dieser räum-lichen Konstellation unter Versicherungsschutz stehen, wenn sie der versicherten Tätigkeit dienen sollen (BSG vom 29. Januar 1960 - 2 RU 265/56 - BSGE 11, 267, 270), weil es keinen Unterschied rechtfertigt, ob sich die Betriebsstätte in demselben Gebäude wie die Wohnung des Versicherten befindet oder nicht (vgl zur Literatur nur Krasney, aaO, § 8 RdNr 61). Rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Zurechnung von Wegen zur versi-cherten Tätigkeit bei Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Haus treten insbesondere in der hier vorliegenden Fallgestaltung auf: Dabei handelt es sich um Unfälle, die sich in Räumen bzw. auf Treppen ereignen, die we-der eindeutig der Privatwohnung noch der Betriebsstätte zugeordnet werden können. Zur Entscheidung über den Versicherungsschutz hat das BSG darauf abgestellt, ob der Ort, an dem sich der Unfall ereignete, auch Betriebszwecken (wesentlich) dient (BSG vom 29. Januar 1960 - 2 RU 265/56 - BSGE 11, 267, 270 - Malermeister), ob der rein persönliche Lebensbereich schon verlassen wurde (BSG vom 29. Januar 1960 - 2 RU 265/56 - aaO; BSG vom 24. Mai 1960 - 2 RU 122/59 - BSGE 12, 165 = SozR Nr 26 zu § 542 RVO: Sturz eines Landwirts auf der Treppe; BSG vom 30. November 1972 - 2 RU 169/71 - USK 72117 - Aufsuchen der Privattoilette; BSG vom 26. April 1973 - 2 RU 5/70 - Aufsuchen der Privattoilette) bzw auf den Nutzungszweck zum Unfallzeitpunkt (BSG vom 29. Januar 1960 - 2 RU 47/58 - SozR Nr 20 zu § 543 RVO aF - Tierarzt). In der Entscheidung vom 27. Oktober 1987 (- 2 RU 32/87 - Sturz eines Landwirtes in dem von ihm bewohnten und betrieblich auf allen Etagen genutzten Hauses) hat es das BSG als maßgeblich angesehen, ob neben den - immer zu berücksichtigenden - gesamten Umständen des Einzelfalls der Teil des Gebäudes, in dem sich der Unfall ereignete, rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens dient. Als Kriterium für die Wesentlichkeit werden eine ständige und nicht nur gelegentliche Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke angeführt. Daran hat das BSG auch in einer Entscheidung vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R - festgehalten. Ob dafür auch schon das zwei- bis dreimalige wöchentliche Begehen einer Treppe ausreicht (so BSG vom 27. Oktober 1987, aaO), kann offenbleiben.
Vorliegend wurde eine der versicherten Tätigkeit der Klägerin zuzurechnende Nutzung des Treppenhauses festgestellt. Nicht nur gelegentlich, sondern wie nochmals in der mündli-chen Verhandlung glaubhaft von der Klägerin vorgetragen, regelmäßig kommt es zu Besu-chen von Kunden im Arbeitszimmer der Klägerin. Dies reicht aus, um festzustellen, dass die Treppe rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens dient. Den Versiche-rungsschutz im Treppenhaus des vom Versicherten bewohnten älteren Einfamilienhauses davon abhängig zu machen, welches Ausmaß an Arbeitszeit die Klägerin in ihrem häusli-chen Arbeitszimmer erbringt, ist als Abgrenzungskriterium nicht praktikabel. Das pauscha-le Bestreiten von Kundenbesuchen im Arbeitszimmer der Klägerin durch die Beklagte ver-mag die Feststellungen des Gerichts nicht in Zweifel zu ziehen.
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
II. Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Umstritten ist die Feststellung eines Arbeitsunfalls.
Die im Jahre 1959 geborene Klägerin arbeitet als Angestellte ihres Ehemannes, der ein Ingenieurbüro betreibt, im Unternehmensbereich Haus- und Grundstücksverwaltung. Ihr Arbeitsplatz befindet sich im Arbeitszimmer im ersten Obergeschoss ihres Wohnhauses in der Stölpchener Straße in A-Stadt. Am 19.08.2010 arbeitete die Klägerin zunächst in ihrem Arbeitzimmer im Rahmen ihres Beschäftigungsverhältnisses und wollte dann gegen 5:30 Uhr die Toilette im Erdgeschoss aufsuchen. Im Treppenhaus kam sie zu Fall und zog sich eine Sprunggelenksfraktur links zu.
Mit Bescheid vom 07.10.2010 lehnte die Beklagte Entschädigungsleistungen aus der ge-setzlichen Unfallversicherung ab. Es habe kein Arbeitsunfall vorgelegen. Bei einem selb-ständig Tätigen, dem die Klägerin gleichzustellen sei, sei der Weg zur Toilette nicht versi-chert.
Dem widersprach die Klägerin mit Schreiben vom 12.10.2010 und wies darauf hin, dass mit ihrem Ehemann ein ganz normales Arbeitsverhältnis bestünde. Beigefügt war ein Sta-tusfeststellungsbescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei Selbständigen und Arbeitnehmern würde der Versicherungsschutz bei Tätigkeiten im häuslichen Bereich mit Durchschreiten der Tür des Betriebsraums enden.
Mit der am 14.02.2011 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Aner-kennung eines entschädigungspflichtigen Arbeitsunfalls weiter. Die von der Beklagten vorgenommene Differenzierung zwischen betrieblichem und häuslichem Bereich sei nicht nachvollziehbar. Die Toilette im Erdgeschoss habe sie nur über das Treppenhaus erreichen können. Die Treppe müssten auch regelmäßig Mieter und Mietinteressenten oder Hausei-gentümer und Dienstleister benutzen, wenn sie zu Abschlüssen von Mietverträgen, zur Prüfung von Betriebskostenabrechnungen oder aus sonstigen Anlässen vorbeikommen würden.
Die Klägerin beantragt daher,
den Bescheid vom 07.10.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.01.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, festzustellen, dass der Un-fall vom 19.08.2010 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie stellt jetzt die Unfallzeit in Frage und bestreitet, dass tatsächlich Gespräche mit Mietin-teressenten, Hauseigentümern und Dienstleistern im Arbeitszimmer der Klägerin im ersten Obergeschoss stattgefunden haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG – Urteile vom 07.09.2004, Aktenzeichen: B 2 U 35/03 R und B 2 U 45/03 R) ist das klägerische, auf An-erkennung eines Arbeitsunfalls gerichtete Begehren als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG auszulegen. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an dieser Feststellung besteht, weil es die Vorfrage für die Entschei-dung der Beklagten über zu gewährende Leistungen darstellt. Eine Entscheidung hierüber wäre dem erkennenden Gericht verwehrt gewesen, weil die Beklagte über einzelne in Be-tracht kommende Leistungen noch keine Entscheidung getroffen hat.
Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat am 19.08.2010 einen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch VII (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versi-cherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begrün-denden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach grundsätzlich erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt und dass das Unfallereignis einen Gesundheits-erstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -).
Nach den tatsächlichen Feststellungen des erkennenden Gerichts war die Klägerin, nach-dem zunächst in ihrem häuslichen Arbeitszimmer schriftliche Arbeiten ausgeführt und am PC gearbeitet hatte, auf dem Weg zur Toilette im Erdgeschoss, als sie im Treppenhaus stürzte und sich am linken Unterarm verletzte. Ob der Unfall sich um 5:38 Uhr oder 5:39 Uhr oder eine halbe Stunde später ereignet hat, ist unerheblich. Jedenfalls war der Aus-gangspunkt des Weges durch das Treppenhaus das Arbeitszimmer und das ins Auge ge-fasste Ziel die Toilette.
Die Verrichtung zurzeit des Unfalls war auch der versicherten Tätigkeit der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII zuzurechen.
Jede Verrichtung im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses, die aufgrund ihrer Hand-lungstendenz der Ausübung der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt ist (vgl § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII: Unfall "infolge" einer versicherten Tätigkeit), ist der versicherten Tätig-keit zuzurechnen - ohne Bindung an die Arbeitsstätte und die Arbeitszeit. Allerdings sind nicht alle Verrichtungen eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und auf der Arbeits-stätte versichert, weil es außer in der Schifffahrt (vgl § 10 SGB VII) keinen Betriebsbann gibt (vgl zusammenfassend BSG Urteil vom 26. Oktober 2004 - B 2 U 24/03 R - BSGE 93, 279 = SozR 4-2700 § 8 Nr 9, jeweils RdNr 5 bis 7 mwN). Dementsprechend stehen auch nicht alle Wege eines Beschäftigten während der Arbeitszeit und/oder auf der Arbeitsstätte unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung (zB nicht beim Personaleinkauf: BSG vom 19. Januar 1995 - 2 RU 3/94 - SozR 3-2200 § 548 Nr 22), sondern nur solche Wege, bei denen ein sachlicher Zusammenhang zwischen der - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit und dem Zurücklegen des Weges gegeben ist, weil der Weg durch die Ausübung des Beschäftigungsverhältnisses oder den Aufenthalt auf der Betriebsstätte bedingt ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Zurücklegen von Wegen in aller Regel nicht die Ausübung der versicherten Tätigkeit selbst darstellt, sondern zu der eigentlichen Tätigkeit, weswegen das Beschäftigungsverhältnis eingegangen wurde, in einer mehr (zB Betriebs-wege zum Besuch der Kunden bei einem Außendienstmitarbeiter wie vorliegend) oder weniger engen Beziehung (zB Weg zur Arbeit ins Büro bei einem Buchhalter) steht.
Aufgrund dessen wirft gerade bei Wegen die Bestimmung des Grenzpunktes für den Be-ginn bzw das Ende des Versicherungsschutzes in Abgrenzung zum unversicherten privaten Lebensbereich besondere Schwierigkeiten auf (vgl zum Wegeunfall schon BSG vom 13. März 1956 - 2 RU 124/54 - BSGE 2, 239 mwN). Seit dieser Entscheidung gelten allgemein Wege in dem vom Versicherten bewohnten Haus als nicht vom Versicherungsschutz mit umfasst und dies gilt auch für Betriebswege, die Teil der eigentlichen versicherten Tätig-keit nach § 8 Abs 1 SGB VII sind (BSG vom 27. Oktober 1987 - 2 RU 32/87; BSG vom 7. November 2000, aaO, S 16 ff mwN und ausführlicher Begründung; Krasney, aaO, § 8 RdNr 92; Bereiter-Hahn/Mehrtens, aaO, Anm 7.14.1). Bei dieser auf objektive Merkmale gegründeten klaren Grenzziehung zwischen dem versicherten Teil und dem unversicherten Teil des Weges hat sich das BSG - neben der schon angeführten der gesetzlichen Unfall-versicherung zugrunde liegenden Unternehmerhaftung - von dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit und dem Streben nach einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung lei-ten lassen und keine Ausnahme zugelassen. Die Grenze "Außentür des Gebäudes" trennt klar den öffentlichen Verkehrsraum von dem unversicherten Bereich ab, dem von dem Versicherten bewohnten Haus bzw. dem Haus, in dem seine Wohnung liegt.
Dass diese Grenze aber so nicht anwendbar ist, wenn sich die Wohnung des Versicherten und die Arbeitsstätte in einem Haus befinden, liegt auf der Hand. Ebenso klar ist, dass Un-fälle auf Wegen in den zur Arbeitsstätte gehörenden Betriebsräumen auch bei dieser räum-lichen Konstellation unter Versicherungsschutz stehen, wenn sie der versicherten Tätigkeit dienen sollen (BSG vom 29. Januar 1960 - 2 RU 265/56 - BSGE 11, 267, 270), weil es keinen Unterschied rechtfertigt, ob sich die Betriebsstätte in demselben Gebäude wie die Wohnung des Versicherten befindet oder nicht (vgl zur Literatur nur Krasney, aaO, § 8 RdNr 61). Rechtliche Schwierigkeiten hinsichtlich der Zurechnung von Wegen zur versi-cherten Tätigkeit bei Wohnung und Arbeitsstätte in demselben Haus treten insbesondere in der hier vorliegenden Fallgestaltung auf: Dabei handelt es sich um Unfälle, die sich in Räumen bzw. auf Treppen ereignen, die we-der eindeutig der Privatwohnung noch der Betriebsstätte zugeordnet werden können. Zur Entscheidung über den Versicherungsschutz hat das BSG darauf abgestellt, ob der Ort, an dem sich der Unfall ereignete, auch Betriebszwecken (wesentlich) dient (BSG vom 29. Januar 1960 - 2 RU 265/56 - BSGE 11, 267, 270 - Malermeister), ob der rein persönliche Lebensbereich schon verlassen wurde (BSG vom 29. Januar 1960 - 2 RU 265/56 - aaO; BSG vom 24. Mai 1960 - 2 RU 122/59 - BSGE 12, 165 = SozR Nr 26 zu § 542 RVO: Sturz eines Landwirts auf der Treppe; BSG vom 30. November 1972 - 2 RU 169/71 - USK 72117 - Aufsuchen der Privattoilette; BSG vom 26. April 1973 - 2 RU 5/70 - Aufsuchen der Privattoilette) bzw auf den Nutzungszweck zum Unfallzeitpunkt (BSG vom 29. Januar 1960 - 2 RU 47/58 - SozR Nr 20 zu § 543 RVO aF - Tierarzt). In der Entscheidung vom 27. Oktober 1987 (- 2 RU 32/87 - Sturz eines Landwirtes in dem von ihm bewohnten und betrieblich auf allen Etagen genutzten Hauses) hat es das BSG als maßgeblich angesehen, ob neben den - immer zu berücksichtigenden - gesamten Umständen des Einzelfalls der Teil des Gebäudes, in dem sich der Unfall ereignete, rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens dient. Als Kriterium für die Wesentlichkeit werden eine ständige und nicht nur gelegentliche Nutzung des Unfallorts für betriebliche Zwecke angeführt. Daran hat das BSG auch in einer Entscheidung vom 12.12.2006 - B 2 U 1/06 R - festgehalten. Ob dafür auch schon das zwei- bis dreimalige wöchentliche Begehen einer Treppe ausreicht (so BSG vom 27. Oktober 1987, aaO), kann offenbleiben.
Vorliegend wurde eine der versicherten Tätigkeit der Klägerin zuzurechnende Nutzung des Treppenhauses festgestellt. Nicht nur gelegentlich, sondern wie nochmals in der mündli-chen Verhandlung glaubhaft von der Klägerin vorgetragen, regelmäßig kommt es zu Besu-chen von Kunden im Arbeitszimmer der Klägerin. Dies reicht aus, um festzustellen, dass die Treppe rechtlich wesentlich den Zwecken des Unternehmens dient. Den Versiche-rungsschutz im Treppenhaus des vom Versicherten bewohnten älteren Einfamilienhauses davon abhängig zu machen, welches Ausmaß an Arbeitszeit die Klägerin in ihrem häusli-chen Arbeitszimmer erbringt, ist als Abgrenzungskriterium nicht praktikabel. Das pauscha-le Bestreiten von Kundenbesuchen im Arbeitszimmer der Klägerin durch die Beklagte ver-mag die Feststellungen des Gerichts nicht in Zweifel zu ziehen.
Nach alledem war der Klage stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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