S44 KR 17/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Dortmund (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
44
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S44 KR 17/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob für eine von der Beigeladenen zu 1) vom 01.09.2006 bis auf weiteres für den Kläger ausgeübte Tätigkeit Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung besteht.

Am 04.10.2006 stellte der Kläger einen Antrag auf sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer von der am 01.05.1964 geborenen Beigeladenen zu 1) für ihn ab 01.09.2006 bis auf weiteres verrichteten Tätigkeit. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus, die Beigeladene zu 1) sei für ihn seit dem 09.01.1990 sozialversicherungspflichtig als Verwaltungsangestellte zum Teil in dessen Einrichtung "Beratungsstelle" sowie in der allgemeinen Verwaltung beschäftigt. Seit rund einem Jahr studiere die Beigeladene zu 1) berufsbegleitend Sozialarbeit. Zusätzlich zu der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung habe man mit ihr für die Zeit ab 01.09.2006 in dessen Einrichtung "Betreutes Wohnen" verschiedene Arbeitsverträge über sozialarbeiterische Betreuung als arbeitnehmerähnliche Person nach § 12 a TVG geschlossen.

Einen dieser Verträge "über die Übernahme einer eigenverantwortlichen Betreuung im Rahmen eines arbeitnehmerähnlichen Vertragsverhältnisses zwischen dem Kläger (Auftraggeber genannt) und der Beigeladenen zu 1) (Auftragnehmer genannt) vom 13.09.2006" legte der Kläger vor. Diese vertragliche Vereinbarung lautet ihrem wesentlichen Inhalt nach wie folgt: "§ 1 Aufgabengebiet Der Auftragnehmer wird den Auftraggeber bei der Durchführung des Betreuten Wohnens für psychisch erkrankte Menschen gemäß § 39 BSHG unterstützen. Er übernimmt die einzelfallbezogene Mitarbeit in der Betreuung von Frau (persönliche Daten der Klientin wurden anonymisiert). Der zeitliche Umfang beträgt wöchentlich 60 Minuten. Inhalt und Umfang dieser Aufgabe besteht in der Durchführung unmittelbarer und mittelbarer Hilfen sowie direkter Leistungen und bemißt sich nach dem von der Hilfeplankonferenz (HPK) beschlossenen Hilfeplan und der vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe dafür festgelegten Stundenzahl. Nach Ablauf der durchgeführten Tätigkeit wird die geleistete Arbeit pro Einsatz auf dem mitzuführenden Quittierungsbeleg von dem Klienten/der Klientin per Unterschrift quittiert (Anlage 2). Die Zeit wird im 10-Minuten-Takt festgehalten. § 2 Grundlagen der Zusammenarbeit Der Auftragnehmer ist bei der Betreuung nicht weisungsgebunden. Er nimmt die von ihm übernommenen Aufgaben in voller Eigenverantwortung wahr. Er stimmt seine Arbeit mit dem Fallverantwortlichen des Klienten/der Klientin ab. Der Auftragnehmer ist in der Bestimmung seiner Arbeitszeit frei und stimmt diese mit dem Klienten/der Klientin ab. Die Betreuungszeiten orientieren sich an den Erfordernissen des Einzelfalles und finden falls notwendig auch am Abend und an den Wochenenden statt. Der Auftragnehmer gewährleistet einen kontinuierlichen Informationsaustausch, mindestens alle zwei Wochen, über den Entwicklungstand der übernommenen Betreuung. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, über alle ihm während der Tätigkeit für den Auftraggeber anvertrauten oder sonst bekannt werdenden fremden Geheimnisse, namentlich jene, die zum persönlichen Lebensbereich von betreuten Personen gehören, Stillschweigen zu bewahren. Dies gilt auch für die Zeit nach Beendigung des Vertragsverhältnisses und im übrigen auch für Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse sowie sonstige geschäftliche bzw. betriebliche Tatsachen. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, betreute Personen, die er ihm Auftrag des Auftraggebers betreut bzw. von deren Betreuungsbedarf er im Rahmen seiner Tätigkeit Kenntnis erhält, nicht ohne Beteiligung des Auftraggebers eigenständig und/oder auf fremde Rechnung zu betreuen, noch deren Betreuung an Dritte zu vermitteln. Diese Regelung gilt noch drei Monate nach Beendigung der Tätigkeit für den Verein. § 3 Abrechnung Als Vergütung wird für die Betreuung 12,50 EUR pro geleisteter Fachleistungsstunde (FLS) vereinbart. Mit diesem Vergütungssatz sind alle direkten und mittelbaren Hilfen sowie indirekten Leistungen abgegolten. Der Auftraggeber stellt dem Auftragnehmer das zur Erledigung seiner Tätigkeit notwendige Arbeitsmaterial zur Verfügung. Die Abrechnung erfolgt per Rechnungsstellung inklusive des Nachweises der dokumentierten Fachleistungsstunden zum Ende des laufenden Monats. Der Auftragnehmer entrichtet die steuerlichen Abgaben beim zuständigen Finanzamt selber. Der Auftraggeber hat das Recht, dem Finanzamt Mitteilung über erfolgte Vergütungszahlungen zu machen. Der Auftragnehmer ist verpflichtet, sich zur gesetzlichen Rentenversicherung anzumelden und die Beiträge abzuführen. Vom Auftraggeber werden keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung gezahlt. Ansprüche aus diesem Vertrag entfallen, wenn sie nicht innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit von dem Auftragnehmer oder dem Auftraggeber geltend gemacht werden. § 4 Sonstige Leistungen Der bezahlte Erholungsurlaub beträgt 20 Arbeitstage pro Jahr bezogen auf eine Fünftagewoche. Der Arbeitnehmer ist über die Berufsgenossenschaft des Auftraggebers gegen Unfall versichert. Das arbeitnehmerähnliche Vertragsverhältnis schließt eine Beteiligung des Betriebsrates bei eventuellen Unstimmigkeiten mit dem Auftraggeber aus."

Mit Bescheid vom 07.12.2006 gelangte die Beklagte zu dem Ergebnis, daß die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für den Kläger, auf die sich der vorgelegte Vertrag vom 13.09.2006 bezieht, als abhängige Beschäftigung anzusehen sei und damit der Sozialversicherungspflicht unterliege. Zur Begründung führte die Beklagte im wesentlichen aus, grundsätzlich seien Personen sozialversicherungspflichtig, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt seien. Beschäftigung im Sinne des Sozialversicherungsrechtes sei "nicht- selbständige Arbeit", § 7 Abs. 1 SGB IV. Entscheidende Merkmale des Beschäftigungsbegriffes seien die persönliche Abhängigkeit sowie Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber. Diese persönliche Abhängigkeit erfordere eine Eingliederung in den Betrieb sowie eine Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Entgegen der vertraglichen Formulierung könne die Beigeladene zu 1) nicht weisungsfrei arbeiten. Sie unterliege den Vorgaben des Klägers bei der Betreuung psychisch Kranker in Wohngruppen. Zudem beschränke sich die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) auf eine unterstützende Arbeit. Maßgebend bei der Ausgestaltung der Betreuungsarbeit sei nicht die Beigeladene zu 1), sondern der Fallverantwortliche der Klientin. Mit diesem habe sich die Beigeladene zu 1) laut Vertrag abzustimmen. Ein Weisungsrecht des Klägers bestehe auch darin, daß die Beigeladene zu 1) zu einem kontinuierlichen Informationsaustausch verpflichtet sei. Der zeitliche Umfang der Tätigkeit sei mit 60 Minuten wöchentlich genau festgelegt, wobei zwar die Betreuungszeiten nach den Erfordernissen des Einzelfalles im einzelnen zwischen der Beigeladenen zu 1) und der Klientin festzulegen seien; gleichwohl sei die Einhaltung bestimmter Arbeitszeiten aus der Sache heraus vorgegeben, so daß nicht von einer freien Bestimmung der Arbeitszeit ausgegangen werden könne.

Am 13.12.2006 erhob der Kläger im wesentlichen mit der Begründung Widerspruch, zum einen biete man keine Betreuung psychisch Kranker in Wohngruppen an, so daß es hierzu auch keine Vorgaben gebe. Die betreuten Klienten wohnten in selbst angemieteten Wohnräumen und würden in deren Wohnungen sowie bei Behörden- oder Arztbesuchen etc. betreut. Zum anderen mache man der Beigeladenen zu 1) weder gemäß dem vorgelegten Vertrag noch in sonstiger Weise Vorgaben, was die Durchführung der Arbeit angehe. Was unter unmittelbaren und mittelbaren Hilfen sowie direkten Leistungen i.S.v. § 1 des vorgelegten Vertrages zu verstehen sei, ergebe sich nicht aus irgendwelchen Vorgaben des Klägers, sondern aus einer landesweit von den beiden Landschaftsverbänden erlassenen Leistungs- und Prüfungsvereinbarung gemäß §§ 75 ff. SGB XII. Die Hilfeplankonferenz, die den auf den Einzelfall bezogenen Hilfeplan beschließe, werde vom Gesundheitsamt der Stadt Bochum geleitet, setze sich aus etwa einem Dutzend Personen zusammen, die von etwa einem halben Dutzend Trägern (von denen einer der Kläger sei) entsandt würden. Der Weisungsungebundenheit der Beigeladenen zu 1) stehe auch nicht entgegen, daß es für jeden Klienten einen fallverantwortlichen Mitarbeiter des Klägers gebe, der sich der Mitarbeit der arbeitnehmerähnlich eingesetzten Beigeladenen zu 1) bediene. Sowohl nach dem Vertragstext als auch in der tatsächlichen Durchführung gehe es um eine Abstimmung und einen Informationsaustausch, was alle zwei Wochen stattzufinden habe. Es sei keine Über- oder Unterordnung geregelt, sondern lediglich eine Abstimmung, um Arbeitsdoppelungen oder -lücken zu vermeiden. Die fallverantwortlichen Mitarbeiter des Klägers überließen ausdrücklich einen Teil der anfallenden Betreuungsarbeit der selbständigen Entscheidung der Beigeladenen zu 1) und ergänzten die Hilfe durch eigene Interventionen. Was die Arbeitszeit betreffe, so mache der Hinweis auf Abendstunden und Wochenende deutlich, daß alle denkbaren Arbeitszeiten (außer der Schlafenszeit) von der Beigeladenen zu 1) gewählt werden könnten, also nicht nur die sonst beim Kläger üblichen Büroarbeitszeiten. Die Feststellung der Beklagten, daß sich die Arbeitszeiten aus der Sache heraus ergäben, sei insofern richtig, als Begleitungen von Klienten zu Ärzten, Behörden, Kino etc. natürlich nur soweit frei gestaltet werden könnten, wie die Öffnungszeiten dieser Institutionen dies zuließen. Der Kläger mache insoweit jedoch keine Vorgaben.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11.01.2007 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, ausweislich des vorgelegten Vertrages habe sich die Beigeladene zu 1) in ihrer betreuerischen Tätigkeit mit den beim Kläger beschäftigten Fallbetreuern abzustimmen. Indem sich diese Fallverantwortlichen der Mitarbeit der Beigeladenen zu 1) bedienten, erhalte die Beigeladene zu 1) wegen ihrer Betreuungstätigkeit Weisungen bezüglich der auszuführenden Betreuungsarbeiten. Wer aber Weisungen bezüglich Art, Ort und Umfang seiner Arbeitsleistung von einem Arbeitgeber erhalte, sei beschäftigt und unterliege damit der Versicherungspflicht zur Sozialversicherung.

Am 11.02.2007 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er im wesentlichen ergänzend aus, nach dem vorgelegten Vertrag sei weder die Art der Hilfeleistung noch der Ort, noch der Umfang der Tätigkeit vorgegeben. Der vereinbarte zeitliche Umfang der Betreuungstätigkeit auf 60 Minuten wöchentlich sei lediglich die Obergrenze dessen, was vergütet werde, so daß z.B. 240 abrechnungsfähige Minuten in einem Kalendermonat auch ausschließlich während der ersten Woche eines solchen Monats erbracht werden könnten. Überdies könne die Beigeladene zu 1) ihre Arbeitszeit unter Berücksichtigung der Bedürfnisse des Klienten unabhängig von den Vorgaben des Klägers selbst bestimmen. Zwar müsse die Beigeladene zu 1) eine Abstimmung mit dem Fallverantwortlichen vornehmen; dies habe aber nichts mit einer entsprechenden Weisungsbefugnis des Klägers zu tun. Diese Abstimmung solle allenfalls sicherstellen, daß sich nicht zwei Personen (der Fallverantwortliche und die Beigeladene zu 1)) zur gleichen Zeit um einen Klienten kümmern.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2007 festzustellen, daß die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) für ihn, bezogen auf die Betreuung der im während des Antragsverfahrens vorgelegten Vertrag vom 13.09.2006 näher bezeichneten Klientin, ab September 2006 bis auf weiteres nicht versicherungspflichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich zur Begründung auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Darüber hinaus trägt sie im wesentlichen ergänzend vor, die Beigeladene zu 1) werde im Rahmen der von ihr verrichteten Betreuungstätigkeit von einem hauptberuflichen Fallverantwortlichen angeleitet. Mit diesem müsse sie ihre Betreuungstätigkeit abstimmen, weil dieser einen Teil der Betreuungstätigkeit selbst verrichte. In welchem Umfang die Beigeladene zu 1) ihre Betreuungstätigkeit im einzelnen unabhängig vom Fallverantwortlichen gestalten könne, entscheide somit der Fallverantwortliche. Darin sei eine persönliche Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) vom Kläger zu erblicken.

Die Beigeladene zu 1) schließt sich dem Antrag des Klägers an.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer durfte verhandeln und entscheiden, obwohl für die Beigeladenen zu 2) bis 4) niemand im Termin anwesend war. Dies folgt aus den §§ 124, 126 SGG. Diese Beigeladenen sind auf diese Möglichkeit in den entsprechenden Terminsmitteilungen hingewiesen worden.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert i.S.v. § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Die Beklagte ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß für die streitbefangene Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten und Arbeitslosenversicherung ab 01.09.2006 bis auf weiteres besteht.

Die Kammer folgt den Begründungen im angefochtenen Bescheid sowie im Widerspruchsbescheid und sieht insoweit gemäß § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Im übrigen macht sich die Kammer die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung zu eigen.

Darüber hinaus merkt die Kammer ergänzend folgendes an:

Bei der streitbefangenen Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) handelt es sich um eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis, § 7 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers, § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV.

Daß die Beigeladene zu 1) ihre Betreuungstätigkeit jeweils nach Weisungen des Klägers zu verrichten hat, folgt letztlich aus § 2 S. 2 des Vertrages vom 13.09.2006. Nach dieser vertraglichen Bestimmung hat die Beigeladene zu 1) ihre Arbeit mit dem Fallverantwortlichen des Klienten abzustimmen. Der Kläger hat diese vertragliche Bestimmung selbst dahin klargestellt, daß es der gelebten Vertragswirklichkeit entspricht, der Beigeladenen zu 1) die einzelnen Inhalte bzw. Segmente ihrer Betreuungstätigkeit durch die Fallverantwortlichen zuzuweisen, weil die Fallverantwortlichen ihrerseits gewisse Segmente der Betreuungstätigkeit selbst übernehmen. Auf diese Weise werden Art, Ort und Umfang der von der Beigeladenen zu 1) zu verrichtenden Betreuungstätigkeit durch die beim Kläger beschäftigten Fallverantwortlichen und mithin letztlich durch den Kläger bereits im einzelnen festgelegt. Darüber hinaus ist auch der zeitliche Umfang der von der Beigeladenen zu 1) zu verrichtenden Betreuungstätigkeit gemäß § 1 S. 3 des Vertrages vom 13.09.2006 bereits vorgegeben. Daß die Beigeladene zu 1) diesen bereits vorgegebenen zeitlichen Rahmen in gewisser Weise eigenständig zu gestalten in der Lage ist, entspricht indessen nicht etwa irgendeiner unternehmerischen Gestaltungsfreiheit, sondern folgt aus der Art der zu verrichtenden Betreuungstätigkeit, was insbesondere seinen beredten Ausdruck darin findet, daß die Beigeladene zu 1) die Gestaltung der Arbeitszeit gemäß § 2 S. 4 und 5 des Vertrages vom 13.09.2006 stets unter Berücksichtigung der Erfordernisse des Einzelfalles in Abstimmung mit dem Klienten vorzunehmen hat. Dieser rechtlichen Würdigung steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht etwa der von der Hilfeplankonferenz beschlossene Hilfeplan entgegen. Der Inhalt dieses Hilfeplans berührt zwar das Rechtsverhältnis zwischen dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe als überörtlichem Träger der Sozialhilfe und dem Kläger als bereits vorhandenem Träger einer Einrichtung i.S.v. § 93 BSHG bzw. § 75 SGB XII. Dies ändert indessen nichts daran, daß der Kläger unter Betätigung seiner Arbeitgeberbefugnisse Sorge dafür trägt, daß die Inhalte des Hilfeplans mittels Verrichtung der einzelnen Betreuungstätigkeiten realisiert werden.

Außerdem ist die Beigeladene zu 1) zwecks Verrichtung ihrer Betreuungstätigkeit in die Arbeitsorganisation ihres Weisungsgebers bzw. des Klägers eingegliedert. Als Arbeitsorganisation i.S.v. § 7 Abs. 1 S. 2 SGB IV bzw. als Betrieb ist jede organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb der mit Hilfe sächlicher und sonstiger Mittel ein bestimmter arbeitstechnischer Zweck fortgesetzt verfolgt wird (vgl. ebenso etwa jurisPK-SGB IV § 7 Rdnr. 84 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Eine fehlende Eingliederung und selbständige Tätigkeit läßt sich nicht allein dadurch begründen, daß die eine Tätigkeit verrichtende Person dabei eine gewisse Eigenständigkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Eine Eingliederung ist gleichwohl zu bejahen, solange die Tätigkeit fremden Interessen dient und sich gerade als - wenn auch herausgehobener - Bestandteil einer nach wie vor fremden Arbeitsorganisation darstellt (vgl. wiederum jurisPK-SGB IV § 7 Rdnr. 85). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle erfüllt, weil die Betreuungstätigkeit der Beigeladenen zu 1) dem fremden Interesse des Klägers, Eingliederungshilfe für Behinderte bzw. behinderte Menschen i.S.v. § 39 ff. BSHG bzw. 53 ff. SGB XII für den Landschaftsverband Westfalen-Lippe zu erbringen, zu dienen bestimmt ist. Daß demgegenüber die gewisse Eigenständigkeit der Beigeladenen zu 1), ihre Arbeitszeit frei einteilen zu können, ausschließlich mit den Erfordernissen der von ihr zu verrichtenden Tätigkeit verknüpft ist, wurde oben bereits in anderem Zusammenhang ausgeführt, worauf verwiesen wird.

Vor dem gesamten tatsächlichen Hintergrund verfügt die Beigeladene zu 1) über keinerlei unternehmerische Gestaltungsmöglichkeiten, weswegen sie dementsprechend keinerlei Unternehmerrisiko zu tragen hat. Vielmehr ist der zeitliche Umfang ihrer Tätigkeit in § 1 S. 3 des Vertrages vom 13.09.2006 festgelegt, was genauso für die Höhe der Vergütung pro geleisteter Fachleistungsstunde nach Maßgabe von § 3 S. 1 des Vertrages vom 13.09.2006 gilt. Im übrigen hat die Beigeladene zu 1) keinerlei Arbeit, Geld oder sonstige Vermögenswerte mit dem Risiko ihres Verlustes im Rahmen ihrer Betreuungstätigkeit einzusetzen, was insbesondere aus § 3 S. 3 des Vertrages vom 13.09.2006 folgt, wonach der Kläger ihr sogar das zur Erledigung ihrer Tätigkeit notwendige Arbeitsmaterial zur Verfügung stellt. Nicht zuletzt handelt es sich bei § 4 S. 2 des Vertrages vom 13.09.2006 um eine für eine abhängige Beschäftigung geradezu typische unfallversicherungsrechtliche Regelung, die dem Beschäftigten hinreichenden Schutz bieten soll, um dem Arbeitgeber den Genuß des entsprechenden Haftungsprivilegs zu verschaffen.

Dabei verkennt die Kammer nicht die der oben vorgenommenen rechtlichen Würdigung geradezu widersprechenden Regelungen in § 2 S. 1 sowie § 3 S. 5, 7 und 8 des Vertrages vom 13.09.2006, wonach keine Weisungsgebundenheit der Beigeladenen zu 1) gegeben sein soll, die Beigeladene zu 1) die steuerlichen Abgaben selbst zu entrichten habe, sie verpflichtet sei, sich zur gesetzlichen Rentenversicherung selbst anzumelden und entsprechende Beiträge abzuführen, sowie vom Kläger keine Beiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung gezahlt würden. Bei diesen vertraglichen Regelungen handelt es sich indessen um privatrechtliche Vereinbarungen, die lediglich zum Nachteil des Sozialleistungsberechtigten von Vorschriften des SGB, nämlich von § 7 SGB IV sowie den Versicherungspflichttatbeständen wegen einer entgeltlich ausgeübten Beschäftigung in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung abweichen; infolgedessen sind diese vertraglichen Vereinbarungen gemäß § 32 SGB I nichtig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 S. 1 Halbs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.
Rechtskraft
Aus
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