L 1 R 24/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 6 RA 537/04
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 24/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 16. Januar 2007 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die an den Kläger gezahlte Altersrente für die Zeit vom 01. März 2002 bis zum 30. Juni 2011 wegen einer gleichzeitig bezogenen Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu vermindern ist.

Der am ... 1937 geborene Kläger bezog von der Beklagten ab dem 02. September 1993 zunächst eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (Bescheid vom 30. Dezember 1993). Auf seinen Antrag bewilligte sie ihm ab dem 01. März 2002 eine Regelaltersrente. Am 09. Dezember 2002 teilte die Berufsgenossenschaft für F. der Beklagten unter Übersendung einer Kopie ihres Bescheides an den Kläger vom 05. Dezember 2002 mit, dass sie diesem ab dem 29. Mai 2001 wegen einer Berufskrankheit (BK 4104) unter Zugrundelegung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 100 vom Hundert eine Rente auf unbestimmte Zeit bewilligt habe. Mit Bescheid vom 21. Januar 2003 berechnete die Beklagte die Altersrente des Klägers ab dem 01. März 2002 neu. In der Anlage 7 (Zusammentreffen mehrerer Ansprüche) stellte sie bei der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) diese in Höhe des im Beitrittsgebiet geltenden Betrages ein. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 18. August 2003 stellte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) einen Antrag auf Überprüfung seiner Versichertenrente. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juli 2004 ab. Bei Erlass des Bescheides vom 21. Januar 2003 sei weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden. Zwar hätten sowohl der 4. als auch der 13. Senat des BSG entschieden, dass bei der Berücksichtigung eines "Freibetrages" bei der Berechnung der Altersrente in den alten und den neuen Bundesländern ein einheitlicher Betrag anzusetzen sei. Der Gesetzgeber habe aber im Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz (RVNG) klargestellt, dass rückwirkend ab dem 01. Januar 1992 in den neuen Bundesländern ein niedrigerer Freibetrag gelte. Den dagegen am 19. August 2004 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. November 2004 zurück.

Daraufhin hat der Kläger am 08. Dezember 2004 Klage beim Sozialgericht Halle (SG) erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 16. Januar 2007 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger eine höhere Rente zu gewähren.

Gegen den am 23. Januar 2007 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 21. Februar 2007 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt.

Das Verfahren hat von März 2007 bis August 2010 und von Januar 2011 bis Januar 2012 geruht.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass ihre Vorgehensweise dem geltenden Recht entspreche und weist darauf hin, dass seit dem 01. Juli 2011 der Grundrentenbetrag West auch für das Beitrittsgebiet gilt, und dies im Falle des Klägers entsprechend umgesetzt worden ist.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 16. Januar 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Halle vom 16. Januar 2007 zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Mit Schriftsätzen vom 11. Juli 2012 und 17. Juli 2012 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und in der von § 151 SGG vorgeschriebenen Frist und Form eingelegte Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und beschwert den Kläger deshalb nicht im Sinne der §§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Gerichtsbescheid des SG war deshalb aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bei Erlass ihres Bescheides vom 21. Januar 2003 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Vielmehr hat sie die bis zum 30. Juni 2011 geltenden Rechtsvorschriften zutreffend angewandt (nachfolgend 1.). Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass diese Vorschriften verfassungswidrig sind (nachfolgend 2.).

1.

Die Beklagte hat bei Erlass ihres Bescheides vom 21. Januar 2003 das Recht richtig angewandt und ist auch nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, so dass die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) nicht vorliegen. Die vom Kläger angegriffene Berechnungsweise der Beklagten entspricht für den Zeitraum vom 01. März 2002 bis zum 30. Juni 2011 den gesetzlichen Bestimmungen. Er hat in diesem Zeitraum keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente unter Berücksichtigung eines höheren Freibetrages bei der Anrechnung seiner Unfallrente nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a) des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI).

Nach § 93 Abs. 1 SGB VI wird u.a. bei einem zeitlichen Zusammentreffen einer Rente aus eigener Versicherung und einer Verletztenrente aus der Unfallversicherung die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit nicht geleistet, als die Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteigt. Abs. 2 der Vorschrift regelt, welche Beträge bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge unberücksichtigt bleiben. In Abs. 3 ist sodann die Höhe des Grenzbetrages geregelt. Umstritten ist im Falle des Klägers die Anwendung von § 93 Abs. 2 Ziff. 2 Buchstabe a) SGB VI. Diese Vorschrift hatte im Rentenreformgesetz 1992 mit Wirkung vom 01. Januar 1992 folgenden Wortlaut:

"Bei der Ermittlung der Summe der zusammentreffenden Rentenbeträge bleiben unberücksichtigt

bei der Verletztenrente aus der Unfallversicherung

der Betrag, der bei gleichem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit als Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz geleistet würde, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert zwei Drittel der Mindestgrundrente, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um zehn vom Hundert ein Drittel der Mindestgrundrente, und

"

Durch das RVNG vom 21. Juli 2004 (BGBl. I Seite 1791) wurden in Buchstabe a) die Worte "dem Bundesversorgungsgesetz" durch die Worte "§ 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes" ersetzt. Diese Ergänzung ist als "rückwirkende Klarstellung" mit Wirkung vom 01. Januar 1992 in Kraft getreten. Durch das Gesetz zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I Seite 2904) ist der Buchstabe a) der genannten Vorschrift mit Wirkung vom 21. Dezember 2007 wie folgt gefasst worden:

"ein der Grundrente nach § 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 des Bundesversorgungsgesetzes entsprechender Betrag, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 vom Hundert zwei Drittel der Mindestgrundrente, bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 vom Hundert ein Drittel der Mindestgrundrente, "

Das von § 93 Abs. 1 bis 3 SGB VI vorgeschriebene Rechenprogramm hat die Beklagte in der Anlage 7 ihres Bescheides vom 21. Januar 2003 rechnerisch richtig umgesetzt. Zutreffend hat sie dabei den für die neuen Bundesländer geltenden – niedrigeren – Freibetrag Ost in die Berechnung eingestellt. Der erkennende Senat folgt insoweit der (neueren) Rechtsprechung des 13. Senats des BSG und macht sich diese nach eigener Überprüfung zu eigen (vgl. Urteil vom 13. November 2008 – B 13 R 129/08 R – juris). Danach war bereits in § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a) SGB VI in der Fassung des Rentenreformgesetzes 1992 eine Differenzierung der Höhe des Freibetrages nach dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort in den alten und neuen Bundesländern am Stichtag 18. Mai 1990 angelegt (Rdnr. 59 ff. des Urteilsabdrucks). Das entspricht auch Sinn und Zweck der Freibetragsregelung und führt auch zu keiner unangemessenen Benachteiligung der Betroffenen (Rdnr. 70 ff.). Denn hinsichtlich der verletzungsbedingten Mehraufwendungen liegt eine Differenzierung nach den noch immer unterschiedlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in Ost und West auf der Hand (Rdnr. 77 ff.). Die Neufassungen des Gesetzes haben keinen Einfluss auf das anzuwendende Berechnungsprogramm (Rdnr. 110).

Die Beklagte hat auch § 93 Abs. 5 SGB VI beachtet. Danach sind die Absätze 1 bis 4 dieser Vorschrift unter anderem dann nicht anzuwenden, wenn die Rente aus der Unfallversicherung für einen Versicherungsfall geleistet wird, der sich nach Rentenbeginn ereignet hat. Dabei gilt bei Berufskrankheiten als Zeitpunkt des Versicherungsfalls der letzte Tag, an dem der Versicherte versicherte Tätigkeiten verrichtet hat, die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen. Da der Kläger seit dem 02. September 1993 eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezogen hatte, lag ein möglicher Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit lange vor dem Rentenbeginn der Regelaltersrente am 01. März 2002.

2.

Der Senat ist auch nicht von der Verfassungswidrigkeit der genannten Vorschriften überzeugt, so dass eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz ausscheidet. Auch insoweit folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 13. November 2008 (a.a.0.) und macht sich diese ebenfalls zu eigen. Die Auffassung des 13. Senats des BSG ist auch von dem 5a. Senat des Gerichts, als Nachfolgesenat des 4. Senats, geteilt worden (Beschluss vom 30. Juli 2008 – B 5a R 6/08 S –), so dass sich das beim Großen Senat des BSG insoweit anhängige Verfahren erledigt und der 13. Senat seinen Vorlagebeschluss zurückgenommen hat.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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