Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 34 AS 6383/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 528/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Von der Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 SGG wird auch eine Untätigkeitsklage erfasst, die auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist, der Geld-, Dienst- oder Sachleistungen betrifft, die einen Wert von 750,00 EUR nicht übersteigen (Anschluss an BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 –B 9 SB 45/11 B –SozR 4-1500 § 144 Nr. 7).
2. Eine Klageänderung im Berufungsverfahren bewirkt nicht, dass eine nicht statthafte Berufung dadurch statthaft wird. Denn der für § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebende Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat.
2. Eine Klageänderung im Berufungsverfahren bewirkt nicht, dass eine nicht statthafte Berufung dadurch statthaft wird. Denn der für § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebende Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 7. Mai 2012 wird als unzulässig verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem die Untätigkeitsklage, nachdem der Widerspruchsbescheid erlassen worden war, abgewiesen worden ist.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 27. Juni 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Monate Juni bis November 2011. Die für Juni 2011 bewilligten Leistungen betrugen zusammen 26,65 EUR. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 2011. Neben einem unzutreffenden Einkommensbetrag rügte der Kläger insbesondere, dass Einkommen von seiner Ehefrau angesetzt worden sei, obwohl sie seit 1. Juni 2011 nicht mehr arbeite. Unter dem 14. Juli 2011 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid betreffend Oktober 2011. Mit Schreiben vom 22. September 2011 und 9. Oktober 2011 wandte sich der Kläger nochmals an die Be-klagte.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 29. Oktober 2011, beim Sozialgericht eingegangen am 2. November 2011, Klage erhoben, mit der er geltend gemacht hat, dass seit dem Einlegen des Widerspruches mehr als drei Monate vergangen seien, ohne dass der Bewilligungsbescheid vom 27. Juni 2011 korrigiert worden sei. Er bewerte seine moralischen Verluste auf 500,00 EUR.
Der Beklagte hat am 1. November 2011 einen Änderungsbescheid erlassen, in dem die geänderten Einkommensverhältnisse der Ehefrau des Klägers im Juni 2011 berücksichtigt worden sind. Die für Juni 2011 bewilligten Leistungen haben nunmehr zusammen 74,65 EUR betragen. Ferner hat er am 20. Dezember 2012 einen Bescheid erlassen, in dem der Bescheid vom 27. Juni 2011 aufgehoben und die notwendigen Kosten der Widerspruchsverfahrens für erstattungsfähig erklärt worden sind.
Auf den Hinweis des Sozialgerichtes, dass sich die Untätigkeitsklage nunmehr erledigt habe, hat der Kläger mit Schreiben vom 12. Januar 2012 erklärt, dass es gut sei, dass der Beklagte seine Schuld akzeptiert habe. Dies reiche ihm jedoch nicht. Der Beklagte sei vom Gericht zu bestrafen. Er sei noch nicht bereit das Klageverfahren für erledigt zu erklären. Die Frage könne er aber nochmals betrachten, wenn er und seine Ehefrau vom Beklagten eine schriftliche Entschuldigung bekämen und der Beklagte ihm seine moralischen Verluste von 500,00 EUR entschädige. Wenn er die schriftliche Entschuldigung innerhalb von zwei Wochen, das heißt bis spätestens 26. Januar 2012, erhalte, entfalle die Entschädigungs-forderung.
Das Sozialgericht hat im Schreiben vom 23. Januar 2012 darauf hingewiesen, dass es für die Forderungen des Klägers keine Rechtsgrundlage gebe. Für das ursprüngliche Klagebegehren fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Wenn die Klage fortgeführt werde, könnten Verschuldenskosten auferlegt werden. Hierauf hat der Kläger trotz des Erinnerungs-schreibens vom 22. Februar 2012 nicht reagiert. Mit dem vom Kammervorsitzenden unterschriebenen Schreiben vom 29. März 2012 hat das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Schreiben vom 23. Januar 2012 zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 EUR angedroht.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2012 die Klage abgewiesen (Ziffer I des Entscheidungstenors), die außergerichtlichen Kosten bis zum 21. Dezember 2011 dem Grunde nach für erstattungsfähig erklärt (Ziffer II des Entscheidungstenors) und gegen den Kläger Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 EUR festgesetzt (Ziffer III des Entscheidungstenors). Für die Fortführung der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Mit den vom Kläger formulierten Bedingungen gehe es ihm nur noch um moralische Belehrungen, für die es keine Rechtsgrundlage gebe. Dass der Kläger auf die hierzu ergangenen richterlichen Hinweise nicht reagiert habe, zeige ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit, sodass die Festsetzung von Verschuldenskosten gerechtfertigt sei.
Der Kläger hat gegen den ihm am 23. Mai 2012 zugestellten Gerichtsbescheid mit Schreiben vom 14. Juni 2012, eingegangen am 15. Juni 2012, Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass der Beklagte seine Untätigkeit nicht akzeptiert habe und deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung der Untätigkeitsklage weiter bestehe. Seine Entschädigungsforderung beziffert der Kläger auf 1.000,00 EUR. Ferner hält der Kläger dem Sozialgericht eine mangelhafte Arbeit und eine inoffizielle Zusammenarbeit mit dem Beklagten vor. Auf den Hinweis, dass wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes die Berufung nicht statthaft sei, hat der Kläger im Schreiben vom 10. März 2013 seine Forderung auf 700,00 EUR verringert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 7. Mai 2012 aufzuheben und die Schuld des Jobcenters Dresden zu bestätigen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Er hält die Berufung für nicht statthaft. Im Übrigen sei der angefochtene Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
II. Die Berufung ist nicht statthaft und deshalb gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Gemäß § 143 SGG findet die Berufung an das Landessozialgericht gegen die Urteile der Sozialgerichte statt, soweit sich aus den Vorschriften des Ersten Unterabschnitts zum Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des Sozialgerichtsgesetzes (§§ 143 bis 159 SGG) nichts anderes ergibt. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betriff.
Nach dem Beschluss des Bundessozialgerichtes vom 6. Oktober 2011 wird von der Be-rufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 SGG auch eine Untätigkeitsklage erfasst, die auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist, der Geld-, Dienst- oder Sachleistungen betrifft, die einen Wert von 750,00 EUR nicht übersteigen (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – B 9 SB 45/11 B – SozR 4-1500 § 144 Nr. 7 Rdnr. 10 f. = JURIS-Dokument Rdnr. 10 f.; so bereits LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 5. September 2008 – L 1 KR 13/08 NZB – JURIS-Dokument Rdnr. 11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2010 – L 12 AL 5449/09 – NZS 2011, 77 [78, Rdnr. 8] = JURIS-Dokument Rdnr. 26; Thür. LSG, Urteil vom 25. August 2011 – L 9 AS 1255/10 – JURIS-Dokument Rdnr. 19, m. w. N.; vgl. nunmehr auch: Thür. LSG, Beschluss vom 26. März 2012 – L 4 AS 1282/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 3). Dies ist hier der Fall.
Mit der Untätigkeitsklage (vgl. § 88 SGG) begehrte der Kläger, den Beklagten zum Erlass einer Entscheidung über seinen Widerspruch im Schreiben vom 8. Juli 2011 gegen den Bewilligungsbescheid vom 27. Juni 2011 zu verpflichten. Im Wesentlichen machte er geltend, dass im Juni 2011 Einkommen von Frau Fedotova berücksichtigt worden sei, obwohl sie seit 1. Juni 2011 nicht mehr arbeite. Es wurden somit höhere Leistungen begehrt. Damit fällt die Untätigkeitsklage unter den Anwendungsbereich des § 144 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 SGG.
Mit dieser Untätigkeitsklage wurde der Grenzwert aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht überschritten. Denn für Juni 2011 waren zunächst Leistungen in Höhe von insgesamt 26,65 EUR bewilligt worden. Mit dem Änderungsbescheid vom 1. November 2011 wurden sie auf 74,65 EUR erhöht. Dies ergibt einen Differenzbetrag in Höhe von 48,00 EUR.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Klägers vom 12. Januar 2012. Dort hielt er ausdrücklich an der Untätigkeitsklage fest. Er erklärte: "Deshalb bin ich noch nicht bereit die Erledigung dieses Klageverfahrens zu erklären. Heute bin ich noch gegen diese Erledigung." Der Wille, die Untätigkeitsklage fortzuführen, kommt klar und ein-deutig zum Ausdruck, sodass kein Raum ist, die Erklärung in einem anderen Sinne auszulegen.
Auch die vom Kläger in dem genannten Schreiben angesprochene schriftliche Entschuldigung des Beklagten und Entschädigung seiner moralischen Verluste führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn hierin liegt keine Klageänderung. Eine Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG ist die Änderung des Streitgegenstandes (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2005 – B 13 RJ 31/04 R – SozR 4-2600 § 43 Nr. 3 Rdnr. 13 = NZS 2006, 53 [54] = JURIS-Dokument Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 15 Rdnr. 15 = JURIS-Dokument Rdnr. 15; Udsching, in: Krasney/Udsching, Handbuch des Sozialgerichtlichen Verfahrens [6. Aufl., 2011], Kapitel VII Rdnr. 67). Der Kläger brachte aber im Schreiben vom 12. Januar 2012 nicht zum Ausdruck, dass er nunmehr an Stelle der Untätigkeitsklage oder zusätzlich zu ihr im Klageverfahren Ansprüche auf Entschuldigung und Entschädigung oder eine Fortsetzungsfeststellungsklage zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage verfolgen möchte. Er formulierte die beiden Punkte vielmehr nur als Voraussetzung dafür, dass er nochmals die Frage einer Hauptsacheerledigungserklärung in Erwägung ziehen könnte.
Soweit der Kläger im Berufungsschreiben nunmehr ausdrücklich fordert, den Beklagten zu bestrafen und ihn zur Erstattung von "moralischen Verlusten" in Höhe von zunächst 1.000,00 EUR und zuletzt 700,00 EUR zu verurteilen, liegt hierin eine Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG. Eine Klageänderung ist gemäß § 153 Abs. 1 SGG i. V. m. § 99 SGG grundsätzlich auch noch im Berufungsverfahren möglich (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 99 Rdnr. 12, m. w. N.). Unbeschadet der Frage, ob sie im vorliegenden Fall zulässig ist, bewirkt die Klageänderung im Berufungsverfahren aber nicht, dass eine nicht statthafte Berufung dadurch statthaft wird. Denn der für § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebende Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 141 Rdnr. 14, m. w. N.; Udsching, a. a. O., Kapitel VII Rdnr. 67). Dies war aber der oben benannte Differenzbetrag in Höhe von 48,00 EUR.
Schließlich führt auch die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung durch das Sozialgericht zu keinem anderen Ergebnis. Denn sie bewirkt nicht die Statthaftigkeit eines von Gesetzes wegen nicht zugelassenen Rechtsmittels (ständige Rspr. des BSG: vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 1003 – B 1 KR 25/01 R – SozR 4-1500 § 158 Nr. 1 Rdnr 11 = JURIS-Dokument Rdnr. 18; vgl. auch: Sächs. LSG, Beschluss vom 14. Mai 2012 – L 3 AS 1139/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 5, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Juni 2012 – L 3 AS 148/10 NZB – JURIS-Dokument Rdnr. 8, m. w. N; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], Vor § 143 Rdnr. 14b, m. w. N.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
II. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen einen Gerichtsbescheid, mit dem die Untätigkeitsklage, nachdem der Widerspruchsbescheid erlassen worden war, abgewiesen worden ist.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger und seiner Ehefrau mit Bescheid vom 27. Juni 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) für die Monate Juni bis November 2011. Die für Juni 2011 bewilligten Leistungen betrugen zusammen 26,65 EUR. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 8. Juli 2011. Neben einem unzutreffenden Einkommensbetrag rügte der Kläger insbesondere, dass Einkommen von seiner Ehefrau angesetzt worden sei, obwohl sie seit 1. Juni 2011 nicht mehr arbeite. Unter dem 14. Juli 2011 erließ der Beklagte einen Änderungsbescheid betreffend Oktober 2011. Mit Schreiben vom 22. September 2011 und 9. Oktober 2011 wandte sich der Kläger nochmals an die Be-klagte.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 29. Oktober 2011, beim Sozialgericht eingegangen am 2. November 2011, Klage erhoben, mit der er geltend gemacht hat, dass seit dem Einlegen des Widerspruches mehr als drei Monate vergangen seien, ohne dass der Bewilligungsbescheid vom 27. Juni 2011 korrigiert worden sei. Er bewerte seine moralischen Verluste auf 500,00 EUR.
Der Beklagte hat am 1. November 2011 einen Änderungsbescheid erlassen, in dem die geänderten Einkommensverhältnisse der Ehefrau des Klägers im Juni 2011 berücksichtigt worden sind. Die für Juni 2011 bewilligten Leistungen haben nunmehr zusammen 74,65 EUR betragen. Ferner hat er am 20. Dezember 2012 einen Bescheid erlassen, in dem der Bescheid vom 27. Juni 2011 aufgehoben und die notwendigen Kosten der Widerspruchsverfahrens für erstattungsfähig erklärt worden sind.
Auf den Hinweis des Sozialgerichtes, dass sich die Untätigkeitsklage nunmehr erledigt habe, hat der Kläger mit Schreiben vom 12. Januar 2012 erklärt, dass es gut sei, dass der Beklagte seine Schuld akzeptiert habe. Dies reiche ihm jedoch nicht. Der Beklagte sei vom Gericht zu bestrafen. Er sei noch nicht bereit das Klageverfahren für erledigt zu erklären. Die Frage könne er aber nochmals betrachten, wenn er und seine Ehefrau vom Beklagten eine schriftliche Entschuldigung bekämen und der Beklagte ihm seine moralischen Verluste von 500,00 EUR entschädige. Wenn er die schriftliche Entschuldigung innerhalb von zwei Wochen, das heißt bis spätestens 26. Januar 2012, erhalte, entfalle die Entschädigungs-forderung.
Das Sozialgericht hat im Schreiben vom 23. Januar 2012 darauf hingewiesen, dass es für die Forderungen des Klägers keine Rechtsgrundlage gebe. Für das ursprüngliche Klagebegehren fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Wenn die Klage fortgeführt werde, könnten Verschuldenskosten auferlegt werden. Hierauf hat der Kläger trotz des Erinnerungs-schreibens vom 22. Februar 2012 nicht reagiert. Mit dem vom Kammervorsitzenden unterschriebenen Schreiben vom 29. März 2012 hat das Sozialgericht unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Schreiben vom 23. Januar 2012 zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 EUR angedroht.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 7. Mai 2012 die Klage abgewiesen (Ziffer I des Entscheidungstenors), die außergerichtlichen Kosten bis zum 21. Dezember 2011 dem Grunde nach für erstattungsfähig erklärt (Ziffer II des Entscheidungstenors) und gegen den Kläger Verschuldenskosten in Höhe von 150,00 EUR festgesetzt (Ziffer III des Entscheidungstenors). Für die Fortführung der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Mit den vom Kläger formulierten Bedingungen gehe es ihm nur noch um moralische Belehrungen, für die es keine Rechtsgrundlage gebe. Dass der Kläger auf die hierzu ergangenen richterlichen Hinweise nicht reagiert habe, zeige ein hohes Maß an Uneinsichtigkeit, sodass die Festsetzung von Verschuldenskosten gerechtfertigt sei.
Der Kläger hat gegen den ihm am 23. Mai 2012 zugestellten Gerichtsbescheid mit Schreiben vom 14. Juni 2012, eingegangen am 15. Juni 2012, Berufung eingelegt. Er macht geltend, dass der Beklagte seine Untätigkeit nicht akzeptiert habe und deshalb das Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung der Untätigkeitsklage weiter bestehe. Seine Entschädigungsforderung beziffert der Kläger auf 1.000,00 EUR. Ferner hält der Kläger dem Sozialgericht eine mangelhafte Arbeit und eine inoffizielle Zusammenarbeit mit dem Beklagten vor. Auf den Hinweis, dass wegen des Wertes des Beschwerdegegenstandes die Berufung nicht statthaft sei, hat der Kläger im Schreiben vom 10. März 2013 seine Forderung auf 700,00 EUR verringert.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Dresden vom 7. Mai 2012 aufzuheben und die Schuld des Jobcenters Dresden zu bestätigen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen.
Er hält die Berufung für nicht statthaft. Im Übrigen sei der angefochtene Gerichtsbescheid nicht zu beanstanden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten aus beiden Verfahrenszügen sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I. Das Gericht konnte trotz Ausbleibens des Klägers verhandeln und entscheiden, weil er hierauf in der Ladung hingewiesen worden ist (vgl. § 153 Abs. 1 i. V. m. § 110 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).
II. Die Berufung ist nicht statthaft und deshalb gemäß § 158 Satz 1 SGG als unzulässig zu verwerfen.
Gemäß § 143 SGG findet die Berufung an das Landessozialgericht gegen die Urteile der Sozialgerichte statt, soweit sich aus den Vorschriften des Ersten Unterabschnitts zum Zweiten Abschnitt des Zweiten Teils des Sozialgerichtsgesetzes (§§ 143 bis 159 SGG) nichts anderes ergibt. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betriff.
Nach dem Beschluss des Bundessozialgerichtes vom 6. Oktober 2011 wird von der Be-rufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 SGG auch eine Untätigkeitsklage erfasst, die auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichtet ist, der Geld-, Dienst- oder Sachleistungen betrifft, die einen Wert von 750,00 EUR nicht übersteigen (vgl. BSG, Beschluss vom 6. Oktober 2011 – B 9 SB 45/11 B – SozR 4-1500 § 144 Nr. 7 Rdnr. 10 f. = JURIS-Dokument Rdnr. 10 f.; so bereits LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 5. September 2008 – L 1 KR 13/08 NZB – JURIS-Dokument Rdnr. 11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. April 2010 – L 12 AL 5449/09 – NZS 2011, 77 [78, Rdnr. 8] = JURIS-Dokument Rdnr. 26; Thür. LSG, Urteil vom 25. August 2011 – L 9 AS 1255/10 – JURIS-Dokument Rdnr. 19, m. w. N.; vgl. nunmehr auch: Thür. LSG, Beschluss vom 26. März 2012 – L 4 AS 1282/11 – JURIS-Dokument Rdnr. 3). Dies ist hier der Fall.
Mit der Untätigkeitsklage (vgl. § 88 SGG) begehrte der Kläger, den Beklagten zum Erlass einer Entscheidung über seinen Widerspruch im Schreiben vom 8. Juli 2011 gegen den Bewilligungsbescheid vom 27. Juni 2011 zu verpflichten. Im Wesentlichen machte er geltend, dass im Juni 2011 Einkommen von Frau Fedotova berücksichtigt worden sei, obwohl sie seit 1. Juni 2011 nicht mehr arbeite. Es wurden somit höhere Leistungen begehrt. Damit fällt die Untätigkeitsklage unter den Anwendungsbereich des § 144 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 SGG.
Mit dieser Untätigkeitsklage wurde der Grenzwert aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Satz 1 Nr. 1 SGG nicht überschritten. Denn für Juni 2011 waren zunächst Leistungen in Höhe von insgesamt 26,65 EUR bewilligt worden. Mit dem Änderungsbescheid vom 1. November 2011 wurden sie auf 74,65 EUR erhöht. Dies ergibt einen Differenzbetrag in Höhe von 48,00 EUR.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben des Klägers vom 12. Januar 2012. Dort hielt er ausdrücklich an der Untätigkeitsklage fest. Er erklärte: "Deshalb bin ich noch nicht bereit die Erledigung dieses Klageverfahrens zu erklären. Heute bin ich noch gegen diese Erledigung." Der Wille, die Untätigkeitsklage fortzuführen, kommt klar und ein-deutig zum Ausdruck, sodass kein Raum ist, die Erklärung in einem anderen Sinne auszulegen.
Auch die vom Kläger in dem genannten Schreiben angesprochene schriftliche Entschuldigung des Beklagten und Entschädigung seiner moralischen Verluste führt zu keinem anderen Ergebnis. Denn hierin liegt keine Klageänderung. Eine Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG ist die Änderung des Streitgegenstandes (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 2005 – B 13 RJ 31/04 R – SozR 4-2600 § 43 Nr. 3 Rdnr. 13 = NZS 2006, 53 [54] = JURIS-Dokument Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 3. März 2009 – B 4 AS 37/08 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 15 Rdnr. 15 = JURIS-Dokument Rdnr. 15; Udsching, in: Krasney/Udsching, Handbuch des Sozialgerichtlichen Verfahrens [6. Aufl., 2011], Kapitel VII Rdnr. 67). Der Kläger brachte aber im Schreiben vom 12. Januar 2012 nicht zum Ausdruck, dass er nunmehr an Stelle der Untätigkeitsklage oder zusätzlich zu ihr im Klageverfahren Ansprüche auf Entschuldigung und Entschädigung oder eine Fortsetzungsfeststellungsklage zur Vorbereitung einer Amtshaftungsklage verfolgen möchte. Er formulierte die beiden Punkte vielmehr nur als Voraussetzung dafür, dass er nochmals die Frage einer Hauptsacheerledigungserklärung in Erwägung ziehen könnte.
Soweit der Kläger im Berufungsschreiben nunmehr ausdrücklich fordert, den Beklagten zu bestrafen und ihn zur Erstattung von "moralischen Verlusten" in Höhe von zunächst 1.000,00 EUR und zuletzt 700,00 EUR zu verurteilen, liegt hierin eine Klageänderung im Sinne von § 99 Abs. 1 SGG. Eine Klageänderung ist gemäß § 153 Abs. 1 SGG i. V. m. § 99 SGG grundsätzlich auch noch im Berufungsverfahren möglich (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 99 Rdnr. 12, m. w. N.). Unbeschadet der Frage, ob sie im vorliegenden Fall zulässig ist, bewirkt die Klageänderung im Berufungsverfahren aber nicht, dass eine nicht statthafte Berufung dadurch statthaft wird. Denn der für § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG maßgebende Wert des Beschwerdegegenstandes ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht dem Rechtsmittelführer versagt hat (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 141 Rdnr. 14, m. w. N.; Udsching, a. a. O., Kapitel VII Rdnr. 67). Dies war aber der oben benannte Differenzbetrag in Höhe von 48,00 EUR.
Schließlich führt auch die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung durch das Sozialgericht zu keinem anderen Ergebnis. Denn sie bewirkt nicht die Statthaftigkeit eines von Gesetzes wegen nicht zugelassenen Rechtsmittels (ständige Rspr. des BSG: vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 1003 – B 1 KR 25/01 R – SozR 4-1500 § 158 Nr. 1 Rdnr 11 = JURIS-Dokument Rdnr. 18; vgl. auch: Sächs. LSG, Beschluss vom 14. Mai 2012 – L 3 AS 1139/11 B PKH – JURIS-Dokument Rdnr. 5, m. w. N.; Sächs. LSG, Beschluss vom 27. Juni 2012 – L 3 AS 148/10 NZB – JURIS-Dokument Rdnr. 8, m. w. N; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], Vor § 143 Rdnr. 14b, m. w. N.).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
IV. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Dr. Scheer Höhl Atanassov
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