Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
7
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 1 SB 280/11 PKH
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 7 SB 84/11 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 23. November 2011 wird aufgehoben und dem Kläger Prozesskostenhilfe für die Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens unter Beiordnung von Rechtsanwalt Stieglitz, Sangerhausen, gewährt.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Halle (SG), das die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Klageverfahrens abgelehnt hat. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob zu seinen Gunsten ein Grad der Behinderung (GdB) im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) festzustellen ist.
Der am ... 1965 geborene Kläger beantragte erstmals am 13. April 2010 die Feststellung von Behinderungen nach dem SGB IX, da er an Behinderungen der Wirbelsäule, des rechten Ellenbogens, des rechten Trommelfells und unter Bluthochdruck leide. Der Beklagte holte einen Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 8. Juni 2010 ein, die u. a. ausführte, dass sie den Kläger wegen Bluthochdrucks behandle. Der Facharzt für Orthopädie G. führte in dem Befundbericht vom 23. Juni 2010 aus, es sei bei Beckengradstand keine Verkrümmung der Brust- und Lendenwirbelsäule festzustellen gewesen. Er teilte einen Finger-Boden-Abstand von 5 cm, das Schober’sche Zeichen mit 10/13 cm, das Ott’sche Zeichen mit 30/34 cm und die Beweglichkeit der Brust-/Lendenwirbelsäule bei der Seitneigung mit 40/0/50 Grad und bei der Rotation mit 30/0/40 Grad mit. Hinsichtlich des rechten Ellenbogens gab er bei 10 % Streckdefizit sowie freier Beugung und guter Motorik eine freie Rotation des Unterarms an. Nach dem Befundbericht der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dipl.-Med. R. vom 4. Mai 2010 liegt bei bestehender chronischer mesotympanaler Otitis media rechts und beidseitiger Innenohrschwerhörigkeit und Trommelfellnarbe rechts ein Hörverlust für das rechte Ohr von 10 % und für das linke Ohr von 0 % vor. Der Beklagte beteiligte seinen ärztlichen Dienst, der zu der Einschätzung kam, die chronische Mittelohrentzündung mit Trommelfellnarbe rechts bedinge ebenso wie die Schwindelzustände bei Bluthochdruck und das Übergewicht einen GdB von jeweils 10, so dass sich ein Gesamt-GdB von jeweils 10 ergebe. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2010 lehnte der Beklagte die Feststellung von Behinderungen ab.
Hiergegen legte der Kläger am 28. Oktober 2010 Widerspruch ein und reichte ein einseitiges Gutachten nach Aktenlage des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 2. November 2010 ein. Darin führte die Fachärztin für Innere Medizin/Angiologie und Sozialmedizin Dr. M. aus, dass dem Kläger eine vollschichtige leidensgerechte Tätigkeit zumutbar sei. Als Maurer bzw. Baufachwerker könne er nicht mehr arbeiten. Mit weiterem Befundbericht vom 7. April 2011 teilte der Facharzt für Orthopädie G. mit, dass bei den unteren Extremitäten ein Kräftegrad von 5/5 nach Janda vorliege. Es bestünden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im Bereich des Großzehengrundgelenks rechts. Die vom Kläger angegebene schmerzfreie Gehstrecke betrage 20 Meter. Dem Bericht war ein Schreiben der H. Klinik H. vom 1. Februar 2011 beigefügt, in der sich der Kläger vom 25. Januar bis zum 1. Februar 2011 in stationärer Behandlung befunden hatte. Nach der durchgeführten Schmerzbehandlung sei es zu einer deutlichen Linderung vorbestehender Beschwerden gekommen. In einem Röntgenbefund dieser Klinik vom 11. Januar 2011 konnten altersentsprechende knöcherne Konturen und Strukturen der Knie ohne Anhalt für eine Gonarthrose oder Retropatellararthrose festgestellt werden. Nach einem beigefügten Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis D. A., A. und S. vom 12. November 2010 wurde eine spinale Magnetresonanztomografie der Lendenwirbelsäule durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass ein Bandscheibenprolaps nach rechts dorsolateral im Segment L 4/5, deutliche Ausspannung/Auslenkung/Imprimierung des Wurzelverlaufs bei L 4 rechts bei ausgeprägter Bandscheibenhernierung vorliege. Es liege eine fortgeschrittene degenerative Veränderung im Bereich der Lendenwirbelsäule nach einem lumbalen Morbus Scheuermann vor. In Auswertung dieser Befunde kam der ärztliche Dienst des Beklagten zu der Einschätzung, dass neben der chronischen Mittelohrentzündung nebst Trommelfellnarbe rechts mit einem GdB von 10 und den Schwindelbeschwerden bei Bluthochdruck und Übergewicht mit einem GdB von 10 ein Wirbelsäulenschmerzsyndrom mit einem GdB von 10 bestehe, was weiterhin einen Gesamt-GdB von 10 bedinge. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er bezog sich auf die Feststellungen des ärztlichen Dienstes.
Hiergegen hat der Kläger am 3. August 2011 Klage beim SG erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er macht geltend: Es sei ein Bandscheibenprolaps festgestellt worden. Die Schmerzsymptomatik habe sich bei ihm im letzten Jahr deutlich verstärkt. Er leide an einer Schmerzausstrahlung in das rechte Bein, den rechten Fußrücken und den Bereich der rechten Leiste. Dem Bericht des Klinikums H. vom 1. Februar 2011 sei auch zu entnehmen, dass die bestehenden Beeinträchtigungen nicht ausgeheilt seien. Die Beschwerden seien lediglich durch Krankengymnastik, Fangopackungen und Mittelfrequenzstrom gemindert worden. Im November 2011 hat der Kläger mitgeteilt, dass sein Gesundheitszustand sich weiter verschlechtert habe. Ohne regelmäßige Tabletteneinnahme und Arztbesuche seien die Schmerzen nicht erträglich. Er habe einen Rentenantrag gestellt und sei in diesem Zusammenhang vom 17. Februar bis zum 10. März 2011 in der Fachklinik T. B. stationär behandelt worden. Die Rentenakten sowie der Befund dieser Klinik seien beizuziehen. Insgesamt sei von einem Gesamt-GdB von 30 auszugehen.
Mit Beschluss vom 23. November 2011 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und ausgeführt: Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befundberichte bestünden keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Es bedürfe nicht der Beiziehung des Befundes über den stationären Reha-Aufenthalt in der Fachklinik T. B. Denn der letzte fachorthopädische Bericht des Orthopäden G. vom 7. April 2011 umfasse den in der stationären Rehabilitation zugrunde liegenden Zeitraum. Obwohl es sich bei der Fachklinik T. um eine orthopädisch ausgerichtete Einrichtung handele, sei dem Einschätzungs- und Beurteilungsvermögen des den Kläger über mehrere Jahre behandelnden Facharztes mehr Gewicht beizumessen. Dieser habe ihn nicht nur in einem kurzen Zeitraum vom 17. Februar bis 10. März 2011 behandelt, sondern durchgängig seit dem 10. März 2009. Soweit der Orthopäde in dem Befundbericht vom 7. April 2011 Schmerzen und Bewegungseinschränkungen des Großzehengrundgelenks rechts erstmals benenne, bedürfe es keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung. Denn erst eine Versteifung der Großzehengelenke würde einen GdB von 20 bedingen. Eine Versteifung liege jedoch auch nach der Klagebegründung nicht vor. Die Bewegungseinschränkung bedinge keine GdB-Bewertung. Dies gelte auch schon deshalb, weil der Orthopäde G. in seinem Befundbericht vom 7. April 2010 im Bereich der unteren Extremitäten keine kräftemäßige Einschränkung festgestellt habe. Das Gutachten der Frau Dr. M. enthalte keine klinischen Befunde. Hinsichtlich der Gelenke der unteren Extremitäten sei keine Bewegungseinschränkung mit einem GdB von mindestens 20 anzunehmen. Etwas anderes folge auch nicht aus der von Dr. G. mitgeteilten klinischen Befunderhebung zur Brust- und Lendenwirbelsäule. Der Orthopäde habe die bestehende Brustkyphose und die Lendenlordose als harmlos bezeichnet. Es seien ein Finger-Boden-Abstand von 5 cm, das Schober’sche Zeichen mit 10/13 cm und das Ott’schen Zeichen mit 30/34 festgestellt worden. Die Bewegungsmaße für die Seitneigung sowie die Rotation lägen im Normalbereich. Für die geltend gemachte Gesundheitsstörung im Bereich des rechten Ellenbogengelenks könne kein GdB angenommen werden, da als einzige Einschränkung ein Streckdefizit von 10 Grad vorliege. Die in dem Befundbericht angegebene schmerzfreie Gehstrecke von 20 Metern beruhe nicht auf klinischen Befunden, sondern auf den Angaben des Klägers. Hinsichtlich des Mittelohrleidens sei auf einer Seite ein GdB von 10 anzunehmen. Dies gelte auch dann, wenn andauernde Sekretion erfolge. Die Trommelfellnarbe beinhalte für sich genommen keinen GdB. Auch aus dem festgestellten Hörverlust von 10 % rechts und 0 % links ergebe sich kein GdB. Die Schwindelbeschwerden bei Bluthochdruck und Übergewicht seien nur mit einem GdB von 10 zu bewerten. Verschiedene 10-er Grade seien nicht zu addieren, so dass die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden sei.
Der Kläger hat gegen den ihm am 1. Dezember 2011 zugestellten Beschluss am 28. Dezember 2011 Beschwerde beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, ein Facharzt für Neurologie habe festgestellt, dass seine Einschränkungen wahrscheinlich durch ein organisches Nervenleiden verursacht würden. Diesbezüglich sei er ab dem 1. Februar 2012 zur stationären Untersuchung im Krankenhaus N. Er leide an einer sehr starken Schmerzsymptomatik, die einen Einsatz von Opiaten erfordere. Dies beeinträchtige sein tägliches Leben ganz erheblich. Nach dem von ihm im Beschwerdeverfahren vorgelegten Krankenhausbericht der Klinik für Neurologie des S.-Krankenhauses N. vom 14. Februar 2012, in dem sich der Kläger vom 1. bis zum 14. Februar 2012 in stationärer Behandlung befunden hatte, wird ein Schmerzsyndrom bei Bandscheiben-Extrusion LWK 4/5 sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. In einer Magnetresonanztomografie der Lendenwirbelsäule habe sich eine breitbasige Bandscheiben-Extrusion LWK 4/5 mit beidseitiger extraforaminaler Kontaktierung der L4-Wurzeln sowie abgangsnaher, intraspinaler Kontaktierung der L5-Wurzeln gezeigt. Unter symptomatischer Therapie mit Tramadol/Novamin habe sich die Symptomatik deutlich verbessert. Es sei eine klare Indikation für eine stationäre verhaltensmedizinisch-orthopädische Kompaktversorgung gegeben. Im multimodalen/multiprofessionellen Setting inklusive hochfrequenter psychotherapeutischer Versorgung könne dann die aktuell suboptimale Medikation überarbeitet werden. Eine intensive bewegungsmedizinische Mitbetreuung und Edukation sei unbenommen. Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass die Schmerzsymptomatiken mit den orthopädischen und chirurgischen Befunden nicht hinreichend erklärbar seien. In verschiedenen Befundberichten, so auch in einem aktuelleren Bericht der H. Klinik B. vom 8. April 2012, werde auf eine mögliche neurologische und psychosomatische Komponente hingewiesen, die noch näher abgeklärt werden müsse. Hierzu werde, falls das Gericht nicht entsprechend ermittle, ein Gutachten nach § 109 SGG des Herrn Dr. R., Q., beantragt.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 23. November 2011 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Die Praxis G. hat auf telefonische Nachfrage des Senats am 17. Januar 2013 mitgeteilt, dass mit der Abkürzung "harm." in dem Befundbericht vom 23. Juni 2010 nicht eine harmlose, sondern eine harmonische Brustkyphose und Lendenlordose gemeint ist.
Der Kläger hat aktualisierte Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte, und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit - neben weiteren Voraussetzungen - die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 13. März 1990, 1 BvR 94/98, in: NJW 1991, S. 413 ff.). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 17. Februar 1989, B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500, § 72 Nr. 19). Das Gericht muss den Rechtsstandpunkt des antragstellenden Beteiligten auf Grund seiner Sachdarstellung, der vorhandenen Unterlagen und unter Berücksichtigung des gegnerischen Vorbringens für zumindest vertretbar halten und – soweit nötig – in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit einer Beweisführung überzeugt sein.
Auf der Grundlage der bisher bekannten Tatsachen erscheint weder eine Beweisaufnahme durch das Sozialgericht entbehrlich noch lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein für den Kläger negatives Ergebnis einer Beweisaufnahme vorwegnehmen.
Zweifelhaft ist, ob der Senat zugunsten des Klägers den zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung am 23. November 2011 noch nicht vorliegenden Bericht des S.-Krankenhauses N. vom 14. Februar 2012 berücksichtigen darf, in dem sich der Kläger vom 1. bis zum 14. Februar 2012 in stationärer Behandlung befunden hat. Hierin gehen die Ärzte davon aus, dass eine weitere stationäre verhaltensmedizinisch-orthopädische Versorgung indiziert sei. Es sei eine hochfrequente psychotherapeutische Versorgung und eine Überarbeitung der suboptimalen Medikation (Ersatz von Capros durch ein hochwirksames Opiat, schmerzdistanzierende Einführung von Amitriptylin) erforderlich. Es ist umstritten, ob der für die Prüfung der Erfolgsaussichten maßgebliche Zeitpunkt derjenige der erstinstanzlichen Entscheidung ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Dezember 2009 – L 5 AS 338/09 B – Rn. 2, juris) oder derjenige der Entscheidung des Beschwerdegerichts (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 73a Rn. 7d; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., 75. Erg.-Lieferung, § 176 Rn. 4; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Oktober 1991 – IX B 37 u. a. – Rn. 12; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. Januar 2013 – L 11 AS 876/12 B – Rn. 10, jeweils juris).
Diese Frage kann allerdings offen bleiben, da bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung hinreichende Erfolgsaussichten bestanden haben. Der Beweisprognose, auf die das Sozialgericht die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe gestützt hat, liegen keine hinreichenden konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte für die Annahme zugrunde, dass eine Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen werde bzw. überhaupt nicht erforderlich sei. Allein der Hinweis auf die vorliegenden ärztlichen Befunde, die vom Beklagten eingeholt worden sind, kann im vorliegenden Fall die Prognose des Sozialgerichts, dass das Klageverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen würde, nicht begründen. Der Kläger hat im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 8. November 2011 angegeben, dass sein Gesundheitszustand sich weiter verschlechtert habe und die Schmerzsymptomatik (Schmerzausstrahlung in beide Beine, Kniegelenk und Hüftgelenk, Einschlafen des rechten Fußes, krampfartige Schmerzen in den ersten drei Zehen rechts) schlimmer geworden sei. Insoweit hat er unter anderem auf seinen Rentenantrag und die stationäre Behandlung in der Fachklinik T. B. verwiesen. Eine Entscheidung allein auf Basis der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Befundberichte würde einen Verstoß gegen die gemäß § 103 SGG bestehende Aufklärungspflicht darstellen, wonach alle entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln sind. Es hätte jedenfalls nahe gelegen, aufgrund der angegebenen Verschlechterung aktualisierte Befundberichte einzuholen bzw. die Rentenakte beizuziehen. Das SG ist im Sinne einer vorweggenommenen Beweiswürdigung davon ausgegangen, die geltend gemachten Verschlechterungen im November 2011 seien mit den Befundberichten des behandelnden Orthopäden vom 23. Juni 2010 und 7. April 2011 zu entkräften. Tatsächlich ist eine solche Bewertung aber auf der Grundlage aktueller Befunde zu treffen. Der Facharzt für Orthopädie G. gibt in seinem Befundbericht vom 23. Juni 2010 zwar Bewegungsmaße der Wirbelsäule an, sein nach der Rehabilitation (17. Februar bis 10. März 2011) erstellter Befundbericht vom 7. April 2011 enthält jedoch keine Ausführungen zur Wirbelsäule.
Auch die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Der Kläger ist nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung ganz oder zum Teil zu tragen oder in Raten aufzubringen. Er bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 568,09 EUR. Das Vorhandensein von Vermögen hat er glaubhaft verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Sozialgerichts Halle (SG), das die Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung eines Klageverfahrens abgelehnt hat. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob zu seinen Gunsten ein Grad der Behinderung (GdB) im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) festzustellen ist.
Der am ... 1965 geborene Kläger beantragte erstmals am 13. April 2010 die Feststellung von Behinderungen nach dem SGB IX, da er an Behinderungen der Wirbelsäule, des rechten Ellenbogens, des rechten Trommelfells und unter Bluthochdruck leide. Der Beklagte holte einen Befundbericht der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 8. Juni 2010 ein, die u. a. ausführte, dass sie den Kläger wegen Bluthochdrucks behandle. Der Facharzt für Orthopädie G. führte in dem Befundbericht vom 23. Juni 2010 aus, es sei bei Beckengradstand keine Verkrümmung der Brust- und Lendenwirbelsäule festzustellen gewesen. Er teilte einen Finger-Boden-Abstand von 5 cm, das Schober’sche Zeichen mit 10/13 cm, das Ott’sche Zeichen mit 30/34 cm und die Beweglichkeit der Brust-/Lendenwirbelsäule bei der Seitneigung mit 40/0/50 Grad und bei der Rotation mit 30/0/40 Grad mit. Hinsichtlich des rechten Ellenbogens gab er bei 10 % Streckdefizit sowie freier Beugung und guter Motorik eine freie Rotation des Unterarms an. Nach dem Befundbericht der Fachärztin für HNO-Heilkunde Dipl.-Med. R. vom 4. Mai 2010 liegt bei bestehender chronischer mesotympanaler Otitis media rechts und beidseitiger Innenohrschwerhörigkeit und Trommelfellnarbe rechts ein Hörverlust für das rechte Ohr von 10 % und für das linke Ohr von 0 % vor. Der Beklagte beteiligte seinen ärztlichen Dienst, der zu der Einschätzung kam, die chronische Mittelohrentzündung mit Trommelfellnarbe rechts bedinge ebenso wie die Schwindelzustände bei Bluthochdruck und das Übergewicht einen GdB von jeweils 10, so dass sich ein Gesamt-GdB von jeweils 10 ergebe. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2010 lehnte der Beklagte die Feststellung von Behinderungen ab.
Hiergegen legte der Kläger am 28. Oktober 2010 Widerspruch ein und reichte ein einseitiges Gutachten nach Aktenlage des ärztlichen Dienstes der Bundesagentur für Arbeit vom 2. November 2010 ein. Darin führte die Fachärztin für Innere Medizin/Angiologie und Sozialmedizin Dr. M. aus, dass dem Kläger eine vollschichtige leidensgerechte Tätigkeit zumutbar sei. Als Maurer bzw. Baufachwerker könne er nicht mehr arbeiten. Mit weiterem Befundbericht vom 7. April 2011 teilte der Facharzt für Orthopädie G. mit, dass bei den unteren Extremitäten ein Kräftegrad von 5/5 nach Janda vorliege. Es bestünden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen im Bereich des Großzehengrundgelenks rechts. Die vom Kläger angegebene schmerzfreie Gehstrecke betrage 20 Meter. Dem Bericht war ein Schreiben der H. Klinik H. vom 1. Februar 2011 beigefügt, in der sich der Kläger vom 25. Januar bis zum 1. Februar 2011 in stationärer Behandlung befunden hatte. Nach der durchgeführten Schmerzbehandlung sei es zu einer deutlichen Linderung vorbestehender Beschwerden gekommen. In einem Röntgenbefund dieser Klinik vom 11. Januar 2011 konnten altersentsprechende knöcherne Konturen und Strukturen der Knie ohne Anhalt für eine Gonarthrose oder Retropatellararthrose festgestellt werden. Nach einem beigefügten Bericht der Radiologischen Gemeinschaftspraxis D. A., A. und S. vom 12. November 2010 wurde eine spinale Magnetresonanztomografie der Lendenwirbelsäule durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass ein Bandscheibenprolaps nach rechts dorsolateral im Segment L 4/5, deutliche Ausspannung/Auslenkung/Imprimierung des Wurzelverlaufs bei L 4 rechts bei ausgeprägter Bandscheibenhernierung vorliege. Es liege eine fortgeschrittene degenerative Veränderung im Bereich der Lendenwirbelsäule nach einem lumbalen Morbus Scheuermann vor. In Auswertung dieser Befunde kam der ärztliche Dienst des Beklagten zu der Einschätzung, dass neben der chronischen Mittelohrentzündung nebst Trommelfellnarbe rechts mit einem GdB von 10 und den Schwindelbeschwerden bei Bluthochdruck und Übergewicht mit einem GdB von 10 ein Wirbelsäulenschmerzsyndrom mit einem GdB von 10 bestehe, was weiterhin einen Gesamt-GdB von 10 bedinge. Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Er bezog sich auf die Feststellungen des ärztlichen Dienstes.
Hiergegen hat der Kläger am 3. August 2011 Klage beim SG erhoben und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Er macht geltend: Es sei ein Bandscheibenprolaps festgestellt worden. Die Schmerzsymptomatik habe sich bei ihm im letzten Jahr deutlich verstärkt. Er leide an einer Schmerzausstrahlung in das rechte Bein, den rechten Fußrücken und den Bereich der rechten Leiste. Dem Bericht des Klinikums H. vom 1. Februar 2011 sei auch zu entnehmen, dass die bestehenden Beeinträchtigungen nicht ausgeheilt seien. Die Beschwerden seien lediglich durch Krankengymnastik, Fangopackungen und Mittelfrequenzstrom gemindert worden. Im November 2011 hat der Kläger mitgeteilt, dass sein Gesundheitszustand sich weiter verschlechtert habe. Ohne regelmäßige Tabletteneinnahme und Arztbesuche seien die Schmerzen nicht erträglich. Er habe einen Rentenantrag gestellt und sei in diesem Zusammenhang vom 17. Februar bis zum 10. März 2011 in der Fachklinik T. B. stationär behandelt worden. Die Rentenakten sowie der Befund dieser Klinik seien beizuziehen. Insgesamt sei von einem Gesamt-GdB von 30 auszugehen.
Mit Beschluss vom 23. November 2011 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und ausgeführt: Unter Berücksichtigung der vorliegenden Befundberichte bestünden keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Es bedürfe nicht der Beiziehung des Befundes über den stationären Reha-Aufenthalt in der Fachklinik T. B. Denn der letzte fachorthopädische Bericht des Orthopäden G. vom 7. April 2011 umfasse den in der stationären Rehabilitation zugrunde liegenden Zeitraum. Obwohl es sich bei der Fachklinik T. um eine orthopädisch ausgerichtete Einrichtung handele, sei dem Einschätzungs- und Beurteilungsvermögen des den Kläger über mehrere Jahre behandelnden Facharztes mehr Gewicht beizumessen. Dieser habe ihn nicht nur in einem kurzen Zeitraum vom 17. Februar bis 10. März 2011 behandelt, sondern durchgängig seit dem 10. März 2009. Soweit der Orthopäde in dem Befundbericht vom 7. April 2011 Schmerzen und Bewegungseinschränkungen des Großzehengrundgelenks rechts erstmals benenne, bedürfe es keiner weiteren Sachverhaltsaufklärung. Denn erst eine Versteifung der Großzehengelenke würde einen GdB von 20 bedingen. Eine Versteifung liege jedoch auch nach der Klagebegründung nicht vor. Die Bewegungseinschränkung bedinge keine GdB-Bewertung. Dies gelte auch schon deshalb, weil der Orthopäde G. in seinem Befundbericht vom 7. April 2010 im Bereich der unteren Extremitäten keine kräftemäßige Einschränkung festgestellt habe. Das Gutachten der Frau Dr. M. enthalte keine klinischen Befunde. Hinsichtlich der Gelenke der unteren Extremitäten sei keine Bewegungseinschränkung mit einem GdB von mindestens 20 anzunehmen. Etwas anderes folge auch nicht aus der von Dr. G. mitgeteilten klinischen Befunderhebung zur Brust- und Lendenwirbelsäule. Der Orthopäde habe die bestehende Brustkyphose und die Lendenlordose als harmlos bezeichnet. Es seien ein Finger-Boden-Abstand von 5 cm, das Schober’sche Zeichen mit 10/13 cm und das Ott’schen Zeichen mit 30/34 festgestellt worden. Die Bewegungsmaße für die Seitneigung sowie die Rotation lägen im Normalbereich. Für die geltend gemachte Gesundheitsstörung im Bereich des rechten Ellenbogengelenks könne kein GdB angenommen werden, da als einzige Einschränkung ein Streckdefizit von 10 Grad vorliege. Die in dem Befundbericht angegebene schmerzfreie Gehstrecke von 20 Metern beruhe nicht auf klinischen Befunden, sondern auf den Angaben des Klägers. Hinsichtlich des Mittelohrleidens sei auf einer Seite ein GdB von 10 anzunehmen. Dies gelte auch dann, wenn andauernde Sekretion erfolge. Die Trommelfellnarbe beinhalte für sich genommen keinen GdB. Auch aus dem festgestellten Hörverlust von 10 % rechts und 0 % links ergebe sich kein GdB. Die Schwindelbeschwerden bei Bluthochdruck und Übergewicht seien nur mit einem GdB von 10 zu bewerten. Verschiedene 10-er Grade seien nicht zu addieren, so dass die Entscheidung des Beklagten nicht zu beanstanden sei.
Der Kläger hat gegen den ihm am 1. Dezember 2011 zugestellten Beschluss am 28. Dezember 2011 Beschwerde beim SG eingelegt, das diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, ein Facharzt für Neurologie habe festgestellt, dass seine Einschränkungen wahrscheinlich durch ein organisches Nervenleiden verursacht würden. Diesbezüglich sei er ab dem 1. Februar 2012 zur stationären Untersuchung im Krankenhaus N. Er leide an einer sehr starken Schmerzsymptomatik, die einen Einsatz von Opiaten erfordere. Dies beeinträchtige sein tägliches Leben ganz erheblich. Nach dem von ihm im Beschwerdeverfahren vorgelegten Krankenhausbericht der Klinik für Neurologie des S.-Krankenhauses N. vom 14. Februar 2012, in dem sich der Kläger vom 1. bis zum 14. Februar 2012 in stationärer Behandlung befunden hatte, wird ein Schmerzsyndrom bei Bandscheiben-Extrusion LWK 4/5 sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung festgestellt. In einer Magnetresonanztomografie der Lendenwirbelsäule habe sich eine breitbasige Bandscheiben-Extrusion LWK 4/5 mit beidseitiger extraforaminaler Kontaktierung der L4-Wurzeln sowie abgangsnaher, intraspinaler Kontaktierung der L5-Wurzeln gezeigt. Unter symptomatischer Therapie mit Tramadol/Novamin habe sich die Symptomatik deutlich verbessert. Es sei eine klare Indikation für eine stationäre verhaltensmedizinisch-orthopädische Kompaktversorgung gegeben. Im multimodalen/multiprofessionellen Setting inklusive hochfrequenter psychotherapeutischer Versorgung könne dann die aktuell suboptimale Medikation überarbeitet werden. Eine intensive bewegungsmedizinische Mitbetreuung und Edukation sei unbenommen. Der Kläger hat weiter vorgetragen, dass die Schmerzsymptomatiken mit den orthopädischen und chirurgischen Befunden nicht hinreichend erklärbar seien. In verschiedenen Befundberichten, so auch in einem aktuelleren Bericht der H. Klinik B. vom 8. April 2012, werde auf eine mögliche neurologische und psychosomatische Komponente hingewiesen, die noch näher abgeklärt werden müsse. Hierzu werde, falls das Gericht nicht entsprechend ermittle, ein Gutachten nach § 109 SGG des Herrn Dr. R., Q., beantragt.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen,
den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 23. November 2011 aufzuheben und ihm Prozesskostenhilfe für die Durchführung des erstinstanzlichen Klageverfahrens unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu gewähren.
Die Praxis G. hat auf telefonische Nachfrage des Senats am 17. Januar 2013 mitgeteilt, dass mit der Abkürzung "harm." in dem Befundbericht vom 23. Juni 2010 nicht eine harmlose, sondern eine harmonische Brustkyphose und Lendenlordose gemeint ist.
Der Kläger hat aktualisierte Erklärungen über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.
Die Gerichts- und Verwaltungsakten haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf ihren Inhalt verwiesen.
II.
Die nach § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte, und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist begründet. Das SG hat zu Unrecht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren wegen fehlender hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt.
Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit - neben weiteren Voraussetzungen - die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 13. März 1990, 1 BvR 94/98, in: NJW 1991, S. 413 ff.). Prozesskostenhilfe kommt jedoch nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 17. Februar 1989, B 13 RJ 83/97 R, SozR 1500, § 72 Nr. 19). Das Gericht muss den Rechtsstandpunkt des antragstellenden Beteiligten auf Grund seiner Sachdarstellung, der vorhandenen Unterlagen und unter Berücksichtigung des gegnerischen Vorbringens für zumindest vertretbar halten und – soweit nötig – in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit einer Beweisführung überzeugt sein.
Auf der Grundlage der bisher bekannten Tatsachen erscheint weder eine Beweisaufnahme durch das Sozialgericht entbehrlich noch lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit ein für den Kläger negatives Ergebnis einer Beweisaufnahme vorwegnehmen.
Zweifelhaft ist, ob der Senat zugunsten des Klägers den zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung am 23. November 2011 noch nicht vorliegenden Bericht des S.-Krankenhauses N. vom 14. Februar 2012 berücksichtigen darf, in dem sich der Kläger vom 1. bis zum 14. Februar 2012 in stationärer Behandlung befunden hat. Hierin gehen die Ärzte davon aus, dass eine weitere stationäre verhaltensmedizinisch-orthopädische Versorgung indiziert sei. Es sei eine hochfrequente psychotherapeutische Versorgung und eine Überarbeitung der suboptimalen Medikation (Ersatz von Capros durch ein hochwirksames Opiat, schmerzdistanzierende Einführung von Amitriptylin) erforderlich. Es ist umstritten, ob der für die Prüfung der Erfolgsaussichten maßgebliche Zeitpunkt derjenige der erstinstanzlichen Entscheidung ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Dezember 2009 – L 5 AS 338/09 B – Rn. 2, juris) oder derjenige der Entscheidung des Beschwerdegerichts (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 73a Rn. 7d; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., 75. Erg.-Lieferung, § 176 Rn. 4; Bundesfinanzhof, Beschluss vom 7. Oktober 1991 – IX B 37 u. a. – Rn. 12; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23. Januar 2013 – L 11 AS 876/12 B – Rn. 10, jeweils juris).
Diese Frage kann allerdings offen bleiben, da bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung hinreichende Erfolgsaussichten bestanden haben. Der Beweisprognose, auf die das Sozialgericht die Ablehnung des Antrags auf Prozesskostenhilfe gestützt hat, liegen keine hinreichenden konkreten und nachvollziehbaren Anhaltspunkte für die Annahme zugrunde, dass eine Beweisaufnahme mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen werde bzw. überhaupt nicht erforderlich sei. Allein der Hinweis auf die vorliegenden ärztlichen Befunde, die vom Beklagten eingeholt worden sind, kann im vorliegenden Fall die Prognose des Sozialgerichts, dass das Klageverfahren mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Klägers ausgehen würde, nicht begründen. Der Kläger hat im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 8. November 2011 angegeben, dass sein Gesundheitszustand sich weiter verschlechtert habe und die Schmerzsymptomatik (Schmerzausstrahlung in beide Beine, Kniegelenk und Hüftgelenk, Einschlafen des rechten Fußes, krampfartige Schmerzen in den ersten drei Zehen rechts) schlimmer geworden sei. Insoweit hat er unter anderem auf seinen Rentenantrag und die stationäre Behandlung in der Fachklinik T. B. verwiesen. Eine Entscheidung allein auf Basis der zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Befundberichte würde einen Verstoß gegen die gemäß § 103 SGG bestehende Aufklärungspflicht darstellen, wonach alle entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen zu ermitteln sind. Es hätte jedenfalls nahe gelegen, aufgrund der angegebenen Verschlechterung aktualisierte Befundberichte einzuholen bzw. die Rentenakte beizuziehen. Das SG ist im Sinne einer vorweggenommenen Beweiswürdigung davon ausgegangen, die geltend gemachten Verschlechterungen im November 2011 seien mit den Befundberichten des behandelnden Orthopäden vom 23. Juni 2010 und 7. April 2011 zu entkräften. Tatsächlich ist eine solche Bewertung aber auf der Grundlage aktueller Befunde zu treffen. Der Facharzt für Orthopädie G. gibt in seinem Befundbericht vom 23. Juni 2010 zwar Bewegungsmaße der Wirbelsäule an, sein nach der Rehabilitation (17. Februar bis 10. März 2011) erstellter Befundbericht vom 7. April 2011 enthält jedoch keine Ausführungen zur Wirbelsäule.
Auch die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe sind erfüllt. Der Kläger ist nach seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozessführung ganz oder zum Teil zu tragen oder in Raten aufzubringen. Er bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende in Höhe von 568,09 EUR. Das Vorhandensein von Vermögen hat er glaubhaft verneint.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Der Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
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