Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 6/12 EK U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 ÜG 3/13 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Rechtswegzuweisung des § 202 Satz 2 SGG verstößt nicht gegen Art. 34 GG. § 198 GVG gewährt keinen Amtshaftungsanspruch, sondern einen aufopferungsähnlichen Entschädigungsanspruch, der verhaltens- und verschuldensunabhängig als Erfolgsunrecht im Wesentlichen nur das Ergebnis eines Staats- oder Systemversagens in Gestalt einer unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens voraussetzt. Das Bestehen eines Anspruches nach § 198 GVG indiziert keine Amtspflichtverletzung.
2. Auf den Anspruch aus § 198 GVG wegen der unangemessenen Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens sind §§ 291, 288 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden.
3. Zur Auslegung der Übergangsregelungen des Art. 23 Sätze 5 und 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG).
4. Einzelfall der unangemessenen Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung (Verzögerung von einem Jahr bei einer Dauer von 7 Jahren 11 Monaten und einem Tag in zwei Instanzen).
2. Auf den Anspruch aus § 198 GVG wegen der unangemessenen Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens sind §§ 291, 288 Abs. 1 BGB entsprechend anzuwenden.
3. Zur Auslegung der Übergangsregelungen des Art. 23 Sätze 5 und 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG).
4. Einzelfall der unangemessenen Dauer eines sozialgerichtlichen Verfahrens auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung (Verzögerung von einem Jahr bei einer Dauer von 7 Jahren 11 Monaten und einem Tag in zwei Instanzen).
Bemerkung
mit Berichtigungsbeschluss
I. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. April 2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung für die Dauer eines unfallversicherungsrechtlichen Gerichtsverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg (S 3 U 766/01 bzw. S 7 U 732/03) und vor dem Hessischen Landessozialgericht (zuletzt: L 9 U 103/06).
Er erlitt im Jahr 1991 einen Sportunfall mit einer Knieverletzung. Im Jahr 1994 wurde er bei einem Autounfall geschädigt. Er leidet an verschiedenen Behinderungen, u. a. einer funktionellen Blindheit des rechten Auges bei angeborenem Schielfehler mit fehlendem räumlichen Sehvermögen, ferner einem ständigen Hochtontinnitus beidseits, einem HWS-Syndrom, einer Kreuzbandinstabilität des rechten Kniegelenks und an beginnenden Verschleißerscheinungen am linken Kniegelenk. Nach dem Abitur im Jahre 1991 nahm er zunächst ein Lehramtsstudium auf. Im Wintersemester 1996/1997 brach der Kläger dieses Studium ab und begann im Folgenden ein Studium der Rechtswissenschaften, das er zeitweise unterbrach und letztlich ebenfalls nicht mit einem Abschluss beendete. 1996 wurde dem Kläger rückwirkend wegen des Unfallereignisses aus dem Jahr 1991 Verletztenrente bewilligt. Darüber hinaus führte er Rechtsstreite über diverse Leistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung, u.a. über die Weiterbewilligung der Verletztenrente sowie insbesondere über Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben bzw. der beruflichen Rehabilitation gegenüber verschiedensten Sozialleistungsträgern. Allein vor dem Hessischen Landessozialgericht sind gegenwärtig 65 erledigte und anhängige Haupt- und Nebenverfahren seit 1999 verzeichnet.
Durch Bescheid vom 22. April 2002 lehnte die Unfallkasse Hessen - die Beklagte des Ausgangsverfahrens - die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab. Zur Begründung führte sie aus, dass ein Anspruch hierauf nur in Betracht komme, sofern aufgrund der Unfallfolgen die bisherige Tätigkeit auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig ausgeübt werden könne. Der Kläger habe im Jahr 1991 seine Schulausbildung mit dem Abitur beendet. Danach habe er im Herbst 1993 ein Lehramtsstudium begonnen. Seit 1997 studiere der Kläger Rechtswissenschaften mit Unterbrechungen aus finanziellen Gründen. Da er zu diesem Zeitpunkt noch für das Fach immatrikuliert sei, sei nicht erkennbar, dass der Kläger das Jurastudium aufgrund der Unfallfolgen nicht habe fortsetzen können. Der hiergegen erhobene Widerspruch vom 23. Mai 2002 wurde durch Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2002 mit der Begründung zurückgewiesen, dass aus den vorliegenden Unterlagen, den fachärztlichen Gutachten und den anerkannten Unfallfolgen sich nicht ableiten ließe, dass der Kläger eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht erlernen könne. Aufgrund der Unfallfolgen würden keine erheblichen Beeinträchtigungen vorliegen, die einem Studium der Rechtswissenschaften und der sich daraus ergebenden beruflichen Tätigkeit bzw. dem Erlernen einer Bürotätigkeit entgegenstünden.
Durch die Klageerweiterung eines bereits beim Sozialgericht Marburg seit dem 16. Oktober 2001 anhängigen Verfahrens mit dem Streitgegenstand der Gewährung von Maßnahmen der Heilbehandlung seitens der Unfallkasse Hessen - S 3 U 766/01 - vom 13. November 2002 begehrte der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 22. April 2002 und des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2002 und beantragte die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben sowie von unterhaltssichernden und ergänzenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sowie Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).
Zu diesem Zeitpunkt war bei dem Landessozialgericht eine Berufung des Klägers u.a. zur unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit und zum Rentenanspruch anhängig (L 3 U 951/99).
Nach weiterer Korrespondenz sowohl über den ursprünglichen Antrag als auch die Klageerweiterung trennte das Sozialgericht Marburg die Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung mit Beschluss vom 16. Oktober 2003 ab und führte sie unter dem Aktenzeichen S 3 U 732/03 zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung fort. Im Ursprungsverfahren – S 3 U 766/01 – erging am gleichen Tage ein Urteil; die Berufung des Klägers – L 3 U 4/04 – wurde mit Urteil vom 11. April 2006 abgewiesen.
Mit Schreiben vom 18. November 2003 fragte die Kammervorsitzende zum Sachstand des Berufungsverfahrens L 3 U 951/99 beim Landessozialgericht an. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 teilte die Berichterstatterin des 3. Senates des Landessozialgerichts mit, dass ein Termin für Januar/Februar 2004 vorgesehen sei. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 3. Dezember 2003 mit, dass zum abgetrennten sozialgerichtlichen Verfahren nur eine zweibändige Teilakte der Verwaltungsvorgänge vorgelegt werden könne. Auf nochmalige Sachstandsanfrage der Kammervorsitzenden mit Schreiben vom 5. April 2004 wurde am 10. Mai 2004 mitgeteilt, dass die Sache L 3 U 951/99 am 21. April 2004 durch Urteil entschieden worden sei. Mit Schreiben vom 27. Mai 2004 fragte die Kammervorsitzende zum Verbleib der Verwaltungsakten und zum Sachstand im Berufungsrechtszug des Verfahrens S 3 U 766/01 an. Mit Schreiben vom 24. Juni 2004, eingegangen am 1. Juli 2004, übersandte die Beklagte schließlich die noch fehlenden Verwaltungsvorgänge in Gestalt von 7 Bänden mit insgesamt 1145 Blättern.
Am 19. August 2004 ordnete die Kammervorsitzende eine Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an. Nach Aktenübersendung an den Sachverständigen wurden zwischenzeitlich die Verwaltungsakten auf eine Anforderung des Bundessozialgerichts hin zurückgefordert und an das Bundessozialgericht übersandt. Das nach Rückkehr der Akten erstellte Gutachten des Sachverständigen ging am 10. Dezember 2004 bei dem Sozialgericht Marburg ein. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 und 4. Januar 2005 sowie 19. Januar 2005 nahmen die Beteiligten zum Gutachten Stellung. Unter dem Datum vom 24. Januar 2005 erfolgte eine Fristsetzung zur Antragstellung nach § 109 SGG bis zum 28. Februar 2005; unter dem Datum 18. Februar 2005 erfolgte eine Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit einer Stellungnahmefrist bis 15. März 2005.
Mit Schreiben vom 1. März 2005 forderte die Kammervorsitzende die Gerichtsakte L 3 U 4/04 an und übersandte ihrerseits die Gerichtsakte sowie die kompletten Verwaltungsvorgänge am 9. März 2005 an das Landessozialgericht zum Verfahren L 3 U 4/04, die am 12. Mai 2005 wiederum zurück zum Sozialgericht gelangten. Zwischenzeitlich erfolgte noch eine Anforderung seitens des Landessozialgerichts in einem schwerbehindertenrechtlichen Berufungsverfahren, die seitens der Kammervorsitzenden mit einem Hinweis auf die parallel gelagerte Aktenanforderung beantwortet wurde. Am 19. August 2005 fragte der Kläger nach dem Sachstand an. Die Kammervorsitzende antwortete am selben Tag, dass der Rechtsstreit zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgemerkt sei. Aufgrund der Belastungssituation des Gerichts und einer Vielzahl noch älterer Verfahren sei bisher eine Entscheidung leider nicht möglich gewesen. Der Rechtsstreit sei aber für den nächstmöglichen Zeitpunkt der Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgemerkt und werde bevorzugt abgeschlossen. Die Kammervorsitzende wurde zum 1. September 2005 an das Hessische Landessozialgericht abgeordnet. Mit Schreiben vom 29. März 2006 forderte wiederum die Berichterstatterin im Verfahren L 3 U 4/04 die Gerichts- und Verwaltungsakten an. Zwischenzeitlich war die 7. Kammer des Sozialgerichts Marburg für den Rechtsstreit zuständig geworden; bereits mit Verfügung vom 21. März 2006 wurden Teile der Verwaltungsakten kopiert sowie im Wesentlichen eine Duploakte der Gerichtsakte angefertigt und die Originalakten dem Landessozialgericht am 3. April 2006 übersandt.
Durch Gerichtsbescheid vom 20. April 2006 wies der Vorsitzende der 7. Kammer die Klage ab. Der Gerichtsbescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 24. April 2006 zugestellt.
Die hiergegen gerichtete Berufung nebst Prozesskostenhilfegesuch zum Landessozialgericht ging am 26. April 2006 bei dem Sozialgericht Marburg ein (L 3 U 103/06). Die Berufungsschrift enthielt keine Begründung und war auf die Aufhebung des "nicht existenten Gerichtsbescheids" gerichtet. Parallel dazu wurde Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht Marburg gestellt. Auf Nachfrage und richterlichen Hinweis vom 31. Juli 2006 und 11. August 2006 sowie Erinnerungsschreiben der Berichterstatterin mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 hielt die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 17. Januar 2007 am Antrag auf mündliche Verhandlung fest. Dieser wurde mit Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 20. Februar 2007 als unzulässig verworfen. Nach Rücklauf der Akten zum Landessozialgericht erinnerte die Berichterstatterin mit Verfügung vom 16. März 2007 den Kläger an die Berufungsbegründung sowie die Übersendung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ging am 4. April 2007 ein. Am 16. August 2007 fragte die Klägerbevollmächtigte nach dem Fortgang des Verfahrens an und wandte sich erstmals mit einer Begründung inhaltlich gegen den Gerichtsbescheid. Mit Beschluss vom 8. Februar 2008, zugestellt am 22. Februar 2008, lehnte der 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Mit Anhörungsrüge vom 7. März 2008 (L 3 U 45/08 ARG) wies die Klägerbevollmächtigte auf ihre Rechtsauffassung zum verfassungsrechtlichen Maßstab der Gewährung von Prozesskostenhilfe hin und vertiefte die Berufungsbegründung u.a. hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Sachverständigengutachten. Im Anhörungsrügeverfahren erfolgte Korrespondenz bis zum 27. Mai 2008. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 hob der 3. Senat seinen Beschluss vom 8. Februar 2008 auf und bewilligte dem Kläger für das Verfahren L 3 U 103/06 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. Am 16. Dezember 2008 ging eine weitere Berufungsbegründung ein. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2008 wies die Berichterstatterin den Kostenbeamten des SG Marburg darauf hin, dass derzeit ein Abschluss des Verfahrens noch nicht absehbar sei und stellte die Akten zur Verfügung. Zwischen dem 2. Februar 2009 und dem 21. April 2010 erfolgte umfangreiche Korrespondenz, im Wesentlichen in Auseinandersetzung und Vertiefung des Berufungsvortrages aus dem Schriftsatz vom 16. Dezember 2008. Mit Verfügung vom 22. April 2010 wurde für den 1. Juni 2010 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter bestimmt. Im Erörterungstermin wies der Berichterstatter darauf hin, dass im vorliegenden Fall im Hinblick darauf, dass nach dem Vortrag des Klägers beim Sozialgericht Marburg ein Verfahren gegen das Versorgungsamt anhängig sei, im Hinblick auf die Anerkennung von psychischen Gesundheitsschäden dieses Verfahren ruhend gestellt werden könnte, um nach Vorlage von weiteren Anknüpfungstatsachen unter Umständen in diese Richtung weiter zu ermitteln. Der Berufungsantrag wurde dahingehend formuliert, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 20. April 2006 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in gesetzlichem Umfang zu gewähren, hilfsweise, eine weitere Ermittlung von Amts wegen im Hinblick auf mögliche psychische Unfallfolgen in die Wege zu leiten. Mit Schreiben vom 20. Juni 2010 regte die Klägerbevollmächtigte eine Verbindung mit dem Berufungsverfahren L 3 U 68/10 an und wandte sich gegen das Ruhen des Verfahrens. Nach Zuständigkeitswechsel hin zum 9. Senat des Landessozialgerichts wurden mit Beschluss vom 10. August 2010 die Bundesagentur für Arbeit sowie die Universitätsstadt A-Stadt zum Verfahren beigeladen. Mit Verfügung vom 18. August 2010 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. September 2010 bestimmt.
Mit Urteil vom 20. September 2010 wurde die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 20. April 2006 zurückgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerbevollmächtigten am 14. Oktober 2010 zugestellt. Am 28. Oktober 2010 ging am Landessozialgericht ein Berichtigungsantrag seitens des Klägers ein, weiterhin wurde Anhörungsrüge erhoben. Am 15. November 2010 ging ein mit "Nichtigkeitsklage" bezeichneter Antrag ein.
Am selben Tage beantragte der Kläger beim Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zur Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2010. Der 2. Senat des Bundessozialgerichts lehnte diesen Antrag durch Beschluss vom 1. Februar 2011 ab. Zunächst erhob der Kläger persönlich gegen diesen Beschluss Anhörungsrüge, die die Prozessbevollmächtigte am 21. April 2011 aufrechterhielt. Das Bundessozialgericht stellte sodann weitere Ermittlungen zur Geschäftsverteilung des Hessischen Landessozialgerichts im Jahr 2010 an und wies durch Beschluss vom 18. Oktober 2011, dem Kläger zugestellt am 4. November 2011, die Anhörungsrüge zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, wieso auch nach den durchgeführten Ermittlungen hinsichtlich der Geschäftsverteilung im Jahr 2010 kein Verfahrensmangel gem. § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend gemacht werden könne. Gegen diesen Beschluss beantragte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 5. Dezember 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die durch Beschluss vom 20. Dezember 2011 zurückgewiesen wurde. Hiergegen erhob der Kläger am 24. Januar 2012 Anhörungsrüge, die das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 16. Februar 2012 als unzulässig verwarf.
Die hiesige Klage ist am Montag, den 4. Juni 2012 bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangen.
Der Kläger trägt vor, eine Verfahrensdauer von mehr als 8 Jahren und 5 Monaten sei nicht mehr als angemessen zu betrachten. Es habe sich nicht um eine Materie von hoher Komplexität gehandelt. Die Vorfrage, ob der Kläger einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall erlitten habe, sei bereits seit Mitte der neunziger Jahre geklärt gewesen. Das Sozialgericht habe schließlich auch durch Gerichtsbescheid entschieden, der nur zulässig sei, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Die Klageerweiterung datiere vom 13. November 2002, das Sachverständigengutachten datiere vom 1. Dezember 2004. Am 20. April 2006 sei ein Gerichtsbescheid ergangen. Das Hessische Landessozialgericht habe erst durch Urteil vom 20. September 2010 entschieden, ohne den Sachverhalt weiter aufzuklären. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Hürde bestanden habe, eine Aktenkopie zu erstellen. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Rechtswegzuweisung zur Sozialgerichtsbarkeit gegen Art. 34 Grundgesetz (GG) verstoße und beantragt, diese Frage nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Er rügt die geschäftsverteilungsplanmäßige Zuständigkeit des Senats.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Land zu verpflichten, dem Kläger Ersatz für den Nichtvermögensschaden gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) mindestens in Höhe von 1.200,00 EUR pro Jahr der Verzögerung seit Eintritt der Rechtshängigkeit am 13. November 2002 zuzüglich Prozesszinsen zu leisten,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Kläger durch die unangemessen lange Verfahrensdauer in seinen Rechten verletzt ist.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land trägt vor, in Anbetracht der Komplexität der Materie und der durch das Verhalten des Klägers selbst herbeigeführten erheblichen Verzögerungen könne die gesamte Verfahrensdauer von Einlegung des Widerspruchs bei der beklagten Unfallkasse Hessen am 23. Mai 2002 bis zur Zustellung des Urteils vom 20. September 2010 am 14. Oktober 2010 noch als angemessen angesehen werden. Der Kläger habe wegen des Arbeitsunfalls vom 12. Februar 1991 mehrere Verfahren parallel gegen die Unfallkasse geführt, was schon wegen der notwendigen Beiziehung der Verwaltungsakten zu den jeweiligen Verfahrensverzögerungen im verwaltungstechnischen Ablauf habe führen müssen. Das Sozialgericht habe zunächst die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts über das Begehren des Klägers hinsichtlich der Weitergewährung der Verletztenrente abwarten müssen. Mit Urteil vom 21. April 2004 habe das Hessische Landessozialgericht dahingehend entschieden, dass dem Kläger auch für die Zeit vom 20. April 2001 bis 13. November 2001 Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren war. Erst hierauf habe das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten einholen können. Unmittelbar nach Eingang des Sachverständigengutachtens und der Gewährung rechtlichen Gehörs bis 28. Februar 2005 habe das Sozialgericht die Verwaltungsakten an das Hessische Landessozialgericht zur Durchführung des dort noch anhängigen Parallelverfahrens mit Verfügung vom 9. März 2005 übersenden müssen; sie hätten dementsprechend bis zur Rückgabe am 12. Mai 2005 nicht zur Verfügung gestanden. Die Verfahrenslaufzeit vom 1. September 2005 bis zur Zustellung des Gerichtsbescheides habe seine Ursache und Rechtfertigung in dem Umstand, dass die zuständige Kammervorsitzende an das Hessische Landessozialgericht abgeordnet worden sei und sich der neue Vorsitzende erst habe einarbeiten müssen. Gegen den dem Kläger am 24. April 2006 zugestellten Gerichtsbescheid vom 20. April 2006 habe der Kläger am 26. April 2006 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt, indes verbunden mit dem unzulässigen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, weshalb das Verfahren erneut am 31. Januar 2007 an das Sozialgericht habe abgegeben werden müssen, das mit Beschluss vom 20. Februar 2007 den Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung als unzulässig verworfen habe. Auch habe der Antragsteller erst mit Schriftsatz vom 4. April 2007 die notwendige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu seinem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorgelegt, wodurch ebenfalls eine Verfahrensverzögerung eingetreten sei. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 seien umfassend Schriftsätze in der Sache gewechselt worden, die sich mit medizinischen Detailfragen befasst hätten. Erstmals im Rahmen des Erörterungstermins am 1. Juni 2010 habe der Kläger psychische Folgeschäden des Unfallereignisses geltend gemacht. Das beklagte Land ist der Rechtsauffassung, die vom Senat zitierte Rechtsprechung hinsichtlich der Möglichkeit der Verfahrensstraffung durch Anfertigung von Kopien sei nicht auf Verfahren von der Art des Ausgangsverfahrens übertragbar. Die Rechtsprechung des EGMR beziehe sich auf Zivilprozesse. Der letztlich allein maßgebliche Zeitraum vom März bis Mai 2005 falle nicht ins Gewicht. Es sei zudem zu beachten, dass sehr umfangreiche Verwaltungsakten hätten beigezogen werden müssen, deren Vervielfältigung einen unverhältnismäßigen Aufwand dargestellt hätte. Zumindest müsste von der Zeit, in der die Gerichts- und Verwaltungsakten versandt gewesen sein, hypothetisch der Zeitaufwand in Abzug gebracht werden, der für eine Vervielfältigung der umfangreichen Gerichts- und Verwaltungsakten benötigt worden wäre. Der danach ggf. noch verbleibende Zeitraum einer Verfahrensverzögerung durch die Aktenversendung wäre dann in das Verhältnis zu dem durch die Prozessführung des Klägers verursachten Zeitraum der Verfahrensverzögerung zu setzen, insbesondere durch den unzulässigen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung, der verzögerten Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die verspätete Geltendmachung psychischer Folgeschäden.
Hierzu trägt der Kläger wiederum vor, dass sich die vom beklagten Land aufgeworfene Frage nicht stelle, ob ein Rehabilitationsträger nur dann zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verpflichtet sei, wenn er auch Rentenleistungen erbringe. Daher habe kein Grund bestanden, den Ausgang des Verfahrens L 3 U 4/04 abzuwarten. Auch bedeute es keine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung des Verfahrens, dass aus Sicht des beklagten Landes die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse im Berufungsverfahren verspätet eingereicht worden seien. Auch die übrige Prozessführung des Klägers habe nicht zu einer Verzögerung geführt. Um den unzulässigen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückzuweisen, hätte es nicht zehn Monate bedurft. Auch die Geltendmachung psychischer Folgeschäden habe nicht zu einer Verfahrensverzögerung geführt. Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass ihm allenfalls dann Verfahrensverzögerung angelastet werden könne, wenn er durch schleppende Prozessführung das Gericht veranlasst hätte, Präklusionsfristen nach §§ 106a, 157a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu setzen. Dies sei nicht der Fall gewesen.
Mit Beschluss vom 4. Februar 2013 hat der Senat eine Klageerweiterung bezüglich eines Wiederaufnahmeantrages zum Ausgangsverfahren abgetrennt und ausgesetzt. Hinsichtlich des Sachstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten L 3/9 U 103/06, L 3 U 4/04 sowie L 3 U 45/08 ARG verwiesen. Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 6. Februar 2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand sind nach Abtrennung der Klageerweiterung durch Beschluss vom 4. Februar 2013 noch die Anträge aus der Klageschrift, wie sie in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2013 präzisiert worden sind.
Die Klage ist zulässig.
Der Senat ist entgegen der Auffassung des Klägers zur Entscheidung über den Entschädigungsanspruch nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) berufen.
Die § 40 Abs. 2 Satz 1 1. Var. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufgrund Spezialität vorgehende Rechtswegzuweisung des § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach die Vorschriften des Siebzehnten Titels des GVG mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt, verstößt nach Überzeugung des Senates nicht gegen Normen des Grundgesetzes.
Sie verstößt nicht gegen Art. 34 GG. Nach Art. 34 Satz 3 GG darf für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Diese Rechtsweggarantie ist in systematischer Hinsicht durch Art. 34 Satz 1 GG begrenzt. Verletzt hiernach jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Mithin ist nicht die Entscheidung über Staatshaftungsansprüche schlechthin der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen, sondern allein die Entscheidung über Schadensersatzansprüche infolge einer Amtspflichtverletzung nach Satz 1 (vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 54. Erg.lfg. 2009, Art. 34 Rn. 305). Insbesondere der Rechtsweg zur Entscheidung über aufopferungsartige Staatshaftungsansprüche mit der Rechtsfolge einer Entschädigung für die Verletzung immaterieller Rechtsgüter ist nicht verfassungsrechtlich geregelt und kann daher den Fachgerichtsbarkeiten zugewiesen werden (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 24. Erg.lfg. 2012, § 40 Rn. 531). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Diese Vorschrift regelt zwar einen Staatshaftungsanspruch, der Tatbestand setzt jedoch weder notwendig noch hinreichend die Verletzung einer Amtspflicht voraus; die Norm gewährleistet als Rechtsfolge auch keinen Schadensersatz, sondern Entschädigung. Es handelt sich um einen aufopferungsähnlichen Entschädigungsanspruch, der verhaltens- und verschuldensunabhängig als Erfolgsunrecht im Wesentlichen nur das Ergebnis eines Staats- oder Systemversagens in Gestalt einer unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens voraussetzt (ähnl. Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, Ergänzung zu § 202 SGG, Rn. 19; Ott in: Steinbeis-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, Kommentar, 2013, § 198 GVG, Rn. 63 und 66). Diese Charakterisierung beruht auf dem Wortlaut und der entstehungsgeschichtlich begründeten Funktion der §§ 198 ff. GVG, eine Rechtsschutzlücke zu schließen, die sowohl den Anforderungen des GG als auch denen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) widerspricht (BT-Drs. 17/3802, S. 1). Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgestellt, dass es in der Bundesrepublik Deutschland vor der Einführung der §§ 198 ff. GVG keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK gab, der Gerichtsverfahren hätte beschleunigen oder angemessene Wiedergutmachung für schon eingetretene Verzögerungen hätte verschaffen können (EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 – 75529/01 – ÜÜ .../. Deutschland – juris). Der Amtshaftungsanspruch wurde vom EGMR u.a. aufgrund seiner Verschuldensabhängigkeit und der Rechtsfolge als unzureichend verworfen (EGMR a.a.O., Rn. 113 f.). Konsequent ist nach dem Wortlaut die Tatbestandsstruktur dahingehend zu verstehen, dass es weder auf ein konkretes, Art. 6, 13 EMRK verletzendes Verhalten noch auf ein Verschulden ankommt. Haftungsbegründende Rechtsgutsverletzung ist allein die unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens, die haftungsausfüllende Kausalität muss zwischen Dauer und Nachteil bestehen (so ausdrücklich auch Ott, a.a.O. Rn. 66). Amtshaftung und Entschädigung nach § 198 GVG sind mithin bereits nach der Tatbestandstruktur und Funktion einander wesensfremd. Die EMRK legt den Konventionsstaaten die Verpflichtung auf, ihr Gerichtssystem so auszugestalten, dass die Gerichte den Anforderungen der Art. 6, 13 EMRK entsprechen können, einschließlich einer Entscheidung innerhalb angemessener Frist (Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 202 m.w.N.). Konventionsrechtlich sind die justizbezogenen Menschenrechte nicht nur an Justizorgane, sondern an die Träger alle Staatsgewalten adressiert, die das konventionsstaatliche Rechtsschutzsystem ausgestalten; insoweit muss es für den konventionsrechtlich fundierten Anspruch auf Entschädigung unerheblich sein, ob die Unangemessenheit der Verfahrensdauer auf einem Verhalten von einzelnen Richtern oder des Präsidiums, der Justizverwaltung oder auf einem Verhalten des Haushaltsgesetzgebers oder des Verfahrensgesetzgebers beruht. Zu entschädigen ist vielmehr das Ergebnis einer unangemessenen Dauer aufgrund eines Staats- oder Systemversagens. Für § 198 GVG bedeutet dies, dass nicht nur eine den Justizorganen zuzurechnende Dauer, sondern auch eine (mittelbar) der Exekutive oder Legislative zuzurechnende Dauer zu entschädigen sein kann. In der Bundesrepublik Deutschland folgt dies bereits aus der Ausgestaltung des Gewaltenteilungsprinzips im Grundgesetz als Gewaltengliederung bzw. Funktionenordnung. Mit der Ausübung der rechtsprechenden Gewalt u.a. durch die Gerichte der Länder (Art. 92 2. Halbsatz letzte Var. GG) ist nämlich in der Bundesrepublik Deutschland – anders als in einigen anderen europäischen Staaten – mit Ausnahme der Verfassungsgerichte des Bundes und einiger Länder kein eigenes Budget(-antrags-)recht der Judikative gegenüber dem Parlament verbunden; eine hinreichende Personalausstattung der Gerichte, über die die Verfahrensdauer maßgeblich gesteuert wird, haben daher Justizminister und Haushaltsgesetzgeber zu verantworten. Ein beklagtes Land kann sich daher nicht damit verteidigen, dass die Verzögerung auf einer nicht vom Gericht zu verantwortenden mangelnden Personalausstattung durch das Justizministerium beruhe. Haftungsbegründend kann ferner auch eine durch Besonderheiten des jeweiligen Rechtsschutzsystems verursachte Verfahrensdauer sein, bei der eine Zurechnung von individuellen Verursachungsanteilen unmöglich ist und vielmehr eine Ursachenvielfalt struktureller Natur wesentlich ist. Konsequent hat der EGMR die Möglichkeit gesehen, eine Überlänge auch dann festzustellen, wenn die Verfahrensdauer im Wesentlichen weder dem Entschädigungskläger noch dem Gericht, sondern im Wesentlichen beteiligten Behörden zuzurechnen ist (EGMR, Urteil vom 23. April 2007 - 17/1986/115/163 – NJW 1989, 650). Auch dies begründet einen grundlegenden Unterschied des Anspruches nach § 198 GVG zum Amtshaftungsanspruch. Nach alledem unterscheidet sich der aufopferungsähnliche Entschädigungsanspruch des § 198 GVG in seiner Struktur so maßgeblich von einem Amtshaftungsanspruch, dass auch eine Umgehung des Art. 34 GG nicht zu besorgen ist. Das Bestehen eines Anspruches nach § 198 GVG ist nicht einmal Indiz für eine Amtspflichtverletzung.
Der 6. Senat ist nach dem zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Geschäftsverteilungsplan zuständig für: "Streitsachen, die mit Ablauf des 31. Dezember 2012 bei ihm anhängig sind sowie für Eingänge ( ) 5. auf dem Gebiet des Rechtsschutzes bei überlangen Gerichtsverfahren."
Die im Wege der Klagehäufung geltend gemachten Anträge zu 3. und zu 4. (zu 1. und zu 2.) sind als Feststellungs- und echte Leistungsklage (§§ 55, 54 Abs. 5 SGG) statthaft.
Die Klage ist fristgemäß am 4. Juni 2012 erhoben worden. Nach Art. 23 Sätze 5 und 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (ÜberlVfRSchG) sind auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens am 3. Dezember 2011 abgeschlossene Verfahren im Sinne des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG die Regelungen des § 198 Abs. 3 GVG – der die Obliegenheit zur Erhebung der Verzögerungsrüge regelt – und des § 193 Abs. 5 GVG Klagefristen – nicht anzuwenden. Die Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG kann stattdessen bei abgeschlossenen Verfahren sofort erhoben werden und muss spätestens am 3. Juni 2012 erhoben werden. Nach Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist die Vorschrift indes nur auf solche abgeschlossenen Verfahren anwendbar, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann.
Diese Sonderregelung zur Klagefrist kommt hier entgegen der Auffassung der Beklagten zur Anwendung, da das Ausgangsverfahren mit Zustellung der Entscheidung über die Anhörungsrüge durch Beschluss vom 18. Oktober 2011 am 4. November 2011 bereits abgeschlossen war und dessen Dauer am 3. Dezember 2011 noch hätte Gegenstand einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden können. Sinn der Übergangsvorschrift war es nach dem gesetzgeberischen Willen, weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern und den EGMR zu entlasten (vgl. BT-Drucks. 17/3802, S. 31; zum Folgenden: OLG Celle, Urteil vom 24. Oktober - 23 SchH 10/12). Demnach sollten die Altverfahren aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausfallen, bei denen eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland auch nach der vor Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rechtslage durch den EGMR ausgeschlossen war. Die Auslegung des Art. 23 ÜberlVfRSchG hat sich daher an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 35 EMRK zu orientieren. Die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK beginnt mit (vorgeschriebener) Zustellung oder Kenntnisnahmemöglichkeit der die Rechtswegerschöpfung nach Art. 35 EMRK begründenden letztinstanzlichen Entscheidung (EGMR, Urteil vom 25. März 1999 - 31423/96 – NVwZ 1999, 1325). Außerordentliche oder verfassungsgerichtliche Rechtsbehelfe sind einzulegen, soweit sie "wirksam" sind, d.h. geeignet sind eine Konventionsverletzung oder ihre Fortdauer zu verhindern bzw. Wiedergutmachung zu verschaffen; grundsätzlich zählt hierzu auch die Anhörungsrüge (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 35 Rn.19-21 m.w.N.; zur Wirksamkeit: Art. 13 Rn.10). Außer Betracht bleiben indes für den Kläger erkennbar aussichtslose oder unzulässige außerordentliche Rechtsbehelfe, auch dann, wenn sie eingelegt worden sind (Meyer-Ladewig, a.a.O., Art. 35 Rn. 27 m.w.N.). Fehlt es an einem wirksamen (außerordentlichen) Rechtsbehelf, so läuft die Frist ab Eingriff in das Recht oder ab der letzten Entscheidung über einen wirksamen ordentlichen Rechtsbehelf (Meyer-Ladewig, a.a.O., Art. 35 Rn. 27). Dies führt vor dem Hintergrund des Urteils des EGMR vom 8. Juni 2006 in der Rechtssache ÜÜ .../. Deutschland (75529/01, NJW 2006, 2389) zum fehlenden wirksamen Rechtsbehelf bei überlanger Verfahrensdauer dazu, dass vor dem 3. Dezember 2011 jedenfalls bei alleiniger Rüge der überlangen Verfahrensdauer grundsätzlich mit der Zustellung der letztinstanzlichen ordentlichen Rechtsmittelentscheidung die Frist zu laufen begann (so OLG Frankfurt, Urteil vom 12. Dezember 2012 - 4 EntV 3/12 – juris, zum Verhältnis zur Verfassungsbeschwerde). Hiervon zu unterscheiden ist indes die prozessuale Situation, in der ein Kläger mit der Anhörungsrüge die Verletzung (weiteren) Konventionsrechts rügt und unabhängig davon beabsichtigt, die Verfahrensdauer zu rügen. Insoweit wäre es zumindest bei einer zulässigen Anhörungsrüge eine Überformalisierung bei der Fristberechnung einerseits im Rahmen der Verletzung rechtlichen Gehörs die Erhebung der Anhörungsrüge zu fordern und sie hinsichtlich der Rüge der überlangen Verfahrensdauer außer Betracht zu lassen; dies liefe zudem dem vom EGMR bei der Anwendung des Art. 35 EMRK ersichtlich berücksichtigten Günstigkeitsprinzips zuwider (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Art. 35 Rn. 11 und 13). Die hiesige Auffassung entspricht im Ergebnis der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zum Parallelproblem der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bei der kumulativen Rüge von Art. 103 Abs. 1 GG mit anderen Grundrechten (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2011 – 1 BvR 1468/11; Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 1 BvR 1681/11 – juris).
An diesem Maßstab erweist sich die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 1. Februar 2011 über die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe als maßgeblicher letzter wirksamer Rechtsbehelf, dessen Entscheidung der Kläger abwarten durfte. Der Kläger rügte sinngemäß nämlich auch die Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 6 EMRK bei der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag hinsichtlich der Würdigung des Revisionsgrundes des Entzugs des gesetzlichen Richters; die Rüge veranlasste das Bundessozialgericht zu weiteren Ermittlungen. Die Anhörungsrüge wurde nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen. Mithin erschien ex ante sowohl eine Korrektur der Prozesskostenhilfeentscheidung als auch eine Wiedereinsetzung in das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren und damit eine Fortsetzung des Ausgangsverfahrens aufgrund des Rechtsbehelfs möglich, aufgrund dessen dann auch wieder die überlange Verfahrensdauer hätte gerügt werden können. Außer Betracht bleiben hingegen, die nach Art. 35 EMRK nicht erforderlichen und zudem offensichtlich unzulässigen Wiedereinsetzungsanträge, die die das BSG mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 abgelehnt hat sowie die unzulässige Anhörungsrüge gegen diesen Beschluss, den das BSG mit Beschluss vom 16. Februar 2012 verworfen hat. Der Rechtsweg zum EGMR war mithin erst mit Zustellung des Beschlusses vom 18. Oktober 2011 am 4. November 2011 erschöpft; am 3. Dezember 2011 wäre eine zulässige Beschwerdeeinlegung beim EGMR noch möglich gewesen.
Der Klageeingang am Montag, den 4. Juni 2012 hat die Frist gewahrt. Zwar handelt es sich bei der Frist des Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG um eine datumsmäßig bestimmte Ausschlussfrist zur Klageerhebung bis 3. Juni 2012; nach § 202 Satz 2 SGG ist indes § 64 SGG auf diese Klagefrist anzuwenden (zur Rechtslage nach der VwGO im Erg. ebenso: Sächs. OVG, Urteil vom 15. Januar 2013 – 11 F 1/12 – juris). Nach § 64 Abs. 3 SGG endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Die Vorschrift erfasst auch das datumsmäßig bestimmte (Klage-)Fristende (so ausdrücklich Wolff-Dellen in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 64 Rn. 27; vgl. auch Keller in: Mayer-Ladewig u.a., SGG, 10. Aufl., § 64 Rn. 5a; im Ergebnis zu § 222 ZPO auch: OLG Celle, Urteil vom 24. Oktober 2012 – 23 SchH 3/12 – juris; Sächs. OVG a.a.O.). Dies hat zur Folge, dass bis Montag, den 4. Juni 2012, 24.00 Uhr, fristwahrend Klage erhoben werden konnte.
Die Klage ist im überwiegenden Umfange begründet.
Das beklagte Land ist hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches bezüglich der Verfahrensdauer vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht passiv legitimiert (vgl. § 200 GVG).
Dem Hauptantrag ist im Wesentlichen zu entsprechen, da dem Kläger einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zukommt. Hiernach wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.
Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg (S 3 U 766/01 bzw. S 7 U 732/03) und vor dem Hessischen Landessozialgericht (zuletzt: L 9 U 103/06) war unangemessen.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich (am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 – juris), zumal Zügigkeit oder Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht zu sehen sind (im Erg. ebenso für den Zivilprozess: OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. September 2012 - 4 EntV 7/12). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie des EGMR zu Art. 6, 13 EMRK auszulegen (Schenke, NVwZ 2012, 257, 258). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt insoweit nur beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer sind danach Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Während die rechtliche wie tatsächliche Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falls sowie die Bedeutung des Rechtsstreits Faktoren für eine notwendige Dauer angemessener Sachbehandlung und Verfahrensförderung sind, ist insbesondere das Verhalten des Entschädigungsklägers für die Frage relevant, welche Dauer der Kläger aufgrund eigenen Verhaltens als noch angemessen hinzunehmen hat. Auf der anderen Seite kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (st. Rspr. des BVerfG, aus jüngerer Zeit z.B. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 – 1 BvR 404/10 – zitiert nach juris m.w.N. in Rn. 11). Überlastungstypische Verfahrensweisen können ebensowenig gegen eine Unangemessenheit angeführt werden wie die durchschnittliche Verfahrensdauer einer überlasteten Gerichtsbarkeit (vgl. zur Sozialgerichtsbarkeit, BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 – a.a.O.). Die Beurteilung der Angemessenheit erfolgt daher im Rahmen einer Zurechnung, ob eine Verzögerung überwiegend auf das Verhalten der Beteiligten oder auf eine Untätigkeit des Gerichts zurückzuführen ist (Magnus, ZZP 125 (2012), 75, 81 m.w.N.). Ungeachtet dessen haben die Gerichte aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG, vom 14. Dezember 2010 – 1 BvR 404/10 – a.a.O.). Insoweit beeinflusst die absolute Verfahrensdauer die Würdigung der Verfahrensförderung in einzelnen Abschnitten des Gerichtsverfahrens: Einerseits kann bei ungewöhnlich langen Laufzeiten im Einzelfall eine Vermutung für die Unangemessenheit ohne weitere Würdigung des Verhaltens der Beteiligten oder der Verfahrensförderung durch das Gericht sprechen (EGMR, Urteil vom 5. Oktober 2006 – 66491/01); andererseits kann eine (relative) Verzögerung in einem bestimmten Verfahrensstadium vertretbar sein, wenn die Gesamtverfahrensdauer nicht als unangemessen erachtet werden kann (EGMR, Urteil vom 2. Juni 2009 – 36853/05 – juris Rn. 45 m.w.N.). Die Prüfung der Unangemessenheit hat demnach in zwei Schritten zu erfolgen (vgl. zum Folgenden: Ott in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a.a.O. § 198 GVG Rn. 97ff.; ähnl. Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, Ergänzung zu § 202 SGG, Rn. 32, beide m.w.N.). Zunächst ist das Verfahren nach Feststellung der Schwierigkeit und Bedeutung daraufhin zu untersuchen, ob in den einzelnen Verfahrensabschnitten eine angemessene Sachbehandlung im Sinne der Gewährung effektiven Rechtsschutzes stattgefunden hat, und ist im Wege der Abwägung der o.g. Faktoren festzustellen, ob der Entschädigungskläger diese Dauer aufgrund einer Zurechnung der Verfahrensdauer, insbesondere wegen des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten, im jeweiligen Abschnitt hinzunehmen hat oder aber diese dem Staat als unzureichende Verfahrensförderung zuzurechnen ist. Im Rahmen einer umfassenden Abwägung vor dem Hintergrund der Gesamtverfahrensdauer ist sodann zu prüfen, ob Verzögerungen kompensiert wurden oder aber eine unangemessene Gesamtverfahrensdauer ohne relative Verzögerungen eingetreten ist.
Hiernach stellt sich das Verfahren zunächst hinsichtlich Schwierigkeit und Bedeutung als durchschnittlich dar. Von keiner herausgehobenen Schwierigkeit ist auszugehen, da allein die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage, nämlich des § 35 Abs. 1 SGB VII i.V.m. §§ 33 ff. SGB IX zu prüfen waren, für die – was hier nicht der Prüfung unterliegt – nach Würdigung des zuständigen Gerichts allerdings weitere Tatsachenaufklärung erforderlich war. Eine leicht gesteigerte Komplexität in tatsächlicher Hinsicht bezüglich der Möglichkeit der Verfahrensförderung ist darin zu sehen, dass der Kläger parallel gelagerte Rechtsstreite gegen dieselbe Beklagte betrieb. Während der ganzen Verfahrenslaufzeit gab es allein ein bis zwei parallel geführte Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht und mehrere weitere Rechtsstreite gegen andere Sozialleistungsträger. Der Rechtsstreit war für den Kläger nicht von nachrangiger, aber auch nicht von herausgehobener Bedeutung. Die Vielzahl der Widerspruchsverfahren und Rechtsstreite, die der Kläger im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben bzw. der beruflichen Rehabilitation geführt hat, waren ersichtlich von dem Wunsch getragen, nach zwei abgebrochenen Studiengängen gerade von Sozialversicherungsträgern Hilfe beim Einstieg in das Berufsleben zu erhalten. Der Rechtsstreit war insoweit allein aufgrund der damaligen Lebenssituation bedeutsam. Andererseits hat sich diese Strategie - vor allem ex post betrachtet bei der Erwartungshaltung des Klägers - letztlich als wenig zielführend erwiesen und der Rechtsstreit war insoweit einer unter mehreren parallel gelagerten.
Der Entschädigungsregelung unterliegt nur die Dauer des Gerichtsverfahrens, nicht auch des Widerspruchsverfahrens (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. September 2012 - L 38 SF 73/12 EK AS – juris). § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definiert ein Gerichtsverfahren als Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 17) ergibt sich, dass das Widerspruchsverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers unberücksichtigt bleibt. Für eine Entschädigungsregelung wegen Verzögerungen im Widerspruchsverfahren gebe es keinen Bedarf, da die Verfahrensordnungen – auch das SGG – mit der Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) für den Fall, dass über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden sei, die Möglichkeit einräume, unmittelbar Klage ohne Vorverfahren zu erheben. Der Prüfung unterliegt mithin der Verfahrensgang vom Eingang der Klage am 13. November 2002 bis zur Zustellung des Urteils des Landessozialgerichts am 14. Oktober 2010 mit einer Dauer von 7 Jahren 11 Monaten und einem Tag.
Die relative Verfahrensdauer der maßgeblichen Verfahrensabschnitte in der ersten Instanz ist wie folgt zu bewerten:
Zunächst ist für den Zeitraum ab Klageeingang bis Mitteilung der Entscheidung des Landessozialgerichts im Verfahren die Sache L 3 U 951/99 am 10. Mai 2004 entgegen der Auffassung des Klägers keine Unangemessenheit bereits zu Beginn des Verfahrens festzustellen. Bei der Prüfung, ob die Unangemessenheit der Verfahrensdauer in einem Verfahrensabschnitt auf einer dem Staat zuzurechnenden mangelnden Verfahrensförderung beruht, kommt es zwar wegen der oben dargestellten Tatbestandsstruktur nicht darauf an, ob die konkrete Verfahrenshandlung des Richters im amtshaftungsrechtlichen Sinne "vertretbar" ist (a. A. offenbar Roller, DRiZ 2012, Beilage Juni, 1, 5); auch schuldet der Staat keine "optimale Verfahrensförderung" (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 16), zumal die Prüfung nach § 198 GVG keine Legitimation bietet, von der richterlichen Unabhängigkeit nach Art. 97 GG abgedecktes Verhalten isoliert am Maßstab von Art. 6 EMRK oder Art. 19 Abs. 4 GG als rechtsschutzvereitelnd zu bewerten. Aus der Pflicht des Gerichts, sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen, folgt aber, dass die Feststellung der Unangemessenheit Ergebnis einer Abwägung von bisheriger Verfahrensdauer und den feststellbaren Bemühungen um Verfahrensförderung mit dem Ziel der Rechtsschutzgewährung am Maßstab von Art. 6 EMRK und Art. 19 Abs. 4 GG zu ermitteln ist. Hiernach ist es nicht unangemessen, dass das Sozialgericht die vorgenannte Entscheidung des Landessozialgerichts abgewartet hat, bevor es eine Beweisanordnung erlassen hat. Zwar war das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht vorgreiflich, denn der Anspruch auf Teilhabeleistungen setzt keinen Rentenbezug voraus; da beide Verfahren aber die Unfallfolgen desselben Schulunfalles zum Gegenstand haben, war es naheliegend, vor einer Beweisaufnahme erst die Beweisaufnahme und Tatsachenwürdigung im Parallelverfahren zu Kenntnis zu nehmen. Die Kammervorsitzende hat sich zeitnah nach Feststellung der Erforderlichkeit einer weiteren Beweisaufnahme, die im Abtrennungsbeschluss vom 16. Oktober 2003 zum Ausdruck gekommen ist, nach dem Sachstand im Parallelverfahren erkundigt (Vfg. vom 18. November 2003) und die Mitteilung erhalten, dass eine Terminierung für Januar/Februar 2004 vorgesehen sei. Auf eine weitere Sachstandsanfrage erfolgte dann die Mitteilung über die Entscheidung am 21. April 2004. Gegen eine Unangemessenheit spricht insoweit sowohl der Umstand, dass die Kammervorsitzende das Parallelverfahren "im Blick" hatte, wie die Sachstandsanfragen zeigen, als auch das frühe Verfahrensstadium. Eine Unangemessenheit folgt auch nicht aus dem Verfahrensabschnitt der im Wesentlichen die Amtsermittlung bzw. die Beweisaufnahme betraf; von der Beweisanordnung bis zur Übersendung des Sachverständigengutachtens vergingen dreieinhalb Monate; die zwischenzeitliche Aktenübersendung an das Bundessozialgericht hat zu keinen nennenswerten Verzögerungen geführt. Zur (relativen) Unangemessenheit führt indes der Verfahrensgang nach Ablauf der Stellungnahmefristen zur Anhörung zur weiteren Beweiserhebung nach § 109 SGG und zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Nach Ablauf der Frist am 15. März 2005 vergingen noch über dreizehn Monate bis zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Insoweit geht der Senat davon aus, dass bei einem entscheidungsreifen Verfahren, welches die Voraussetzung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid erfüllt und zum Zeitpunkt des Ablaufs der letzten Stellungnahmefrist bereits eine Verfahrensdauer von 2 Jahren und fünf Monate aufweist, die Verfahrensbeteiligten mit einer Entscheidung binnen fünf Monaten nach Ablauf der letzten Stellungnahmefrist rechnen dürfen, wenn innerhalb dieses Zeitraums keine weiteren Umstände eine Nichtbefassung rechtfertigen. Zwar gibt es keine Frist zur Absetzung des Gerichtsbescheides; ob nach Ablauf eines längeren Zeitraumes eine nochmalige Anhörung erforderlich ist, hängt davon ab, ob sich seit der Anhörung aus Sicht des Gerichts die Tatsachenlage entscheidungserheblich verändert hat (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 105 Rn. 11 m.w.N.). Indes ist vorliegend allein ein Zeitraum zu bestimmen, der noch als angemessene Verfahrensförderung angesehen werden kann. Jedenfalls dann, wenn nach übereinstimmender Bewertung des Gerichts und der Beteiligten von einem ausermittelten Sachverhalt auszugehen und eine fortgeschrittene Verfahrenslaufzeit festzustellen ist, ist diese Grenze nicht jenseits der Frist des § 552 ZPO zu ziehen, dem ein über die Regelung hinausgehender Rechtsgedanke der äußersten Frist für die Übergabe des vollständig abgefassten und unterschriebenen Urteils an die Geschäftsstelle nach Verkündung für alle Verfahrensordnungen entnommen werden kann (GmS-OGB, Beschluss vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – juris).
Unerheblich ist der vom beklagten Land angeführte Dezernatswechsel. Zum einen ist dieser für die Verzögerung bis 1. September 2005 nicht kausal. Für den nachfolgenden Zeitraum gibt es keinen Hinweis, dass "höhere Gewalt" in Gestalt eines unvorhersehbaren Richterwechsels zur Verzögerung geführt hat. Ein vorhersehbarer Richterwechsel ist indes dem beklagten Land zuzurechnen.
Vorbehaltlich der abschließenden Gesamtwürdigung ergibt sich eine Verzögerung von acht Monaten.
Die relative Verfahrensdauer der maßgeblichen Verfahrensabschnitte in der zweiten Instanz ist wie folgt zu bewerten:
Bis zum Zeitpunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs auf den am 16. August 2007 eingangenen Schriftsatz, der erstmals als Berufungsbegründung angesehen werden konnte, ist die Dauer des Verfahrensgang allein dem Kläger zuzurechnen, der einen ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbaren Berufungsantrag gestellt hat. Trotz Erinnerung an die Berufungsbegründung mit Schreiben vom 16. März 2007 erfolgte eine Begründung erst mit dem o.g. Schriftsatz. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ging erst am 4. April 2007 ein. Zudem hat der Kläger den Verfahrensfortgang durch einen offensichtlich unzulässigen Verfahrensantrag auf mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht weiter verzögert. Auch insoweit ist es eine angemessene Verfahrensförderung gewesen, mit Schreiben vom 31. Juli 2006, 11. August 2006 und 11. Oktober 2006 auf eine sachgerechte Verfahrensführung, insbesondere auf die Rücknahme des Antrages auf mündliche Verhandlung, hinzuwirken. Ab der Übersendung der Abhilfeentscheidung vom 28. Oktober 2008 über die Anhörungsrüge bezüglich des ablehnenden PKH-Beschlusses vom 8. Februar 2008 bis zur Zustellung des Urteils ist ebenfalls keine dem beklagten Land zuzurechnende Verzögerung festzustellen, da alsbald ein reger Schriftwechsel zwischen den Beteiligten über die Würdigung der medizinischen Tatsachenlage einsetzte. Diese Korrespondenz hielt bis zur Bestimmung des Erörterungstermins vor dem Berichterstatter an. Im Erörterungstermin ergänzte der Kläger seinen bisherigen Vortrag hinsichtlich psychischer Unfallfolgen. Insoweit ist festzustellen, dass der Umfang des Tatsachenvortrages im letzten Verfahrensabschnitt eine aktive Verfahrensförderung durch das Gericht erschwert hat. Schließlich erfolgte die Terminierung zur Entscheidung durch Urteil zeitnah nach dem Erörterungstermin, in dem auch denkbare Verfahrensalternativen erörtert worden sind. Differenziert ist der Zeitraum von September 2007 bis November 2008 zu würdigen; eine Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch ca. fünf Monate nach Gewährung rechtlichen Gehörs über den Antrag ist bei isolierter Betrachtung noch nicht als unangemessene Verfahrensförderung anzusehen, indes hat der zuständige Senat diese Entscheidung achteinhalb Monate später auf eine Anhörungsrüge des Klägers hin korrigiert. Die Gesamtdauer des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens, währenddessen im Berufungsverfahren keine weiteren Schritte der Verfahrensförderung festgestellt werden konnten, kann allerdings auch nicht allein dem beklagten Land zugerechnet werden, da das Verfahrenshandeln des Klägers im Anhörungsrügeverfahren durch wenig konzentrierten Vortrag, zuweilen auch durch Polemik (Verweis auf eine Verfassungsbeschwerde "von unser aller Lieblingskindsmörder") und nicht zum Verfahrensgegenstand der Anhörungsrüge zuzuordnendes Vorbringen (Schriftsatz vom 21. April 2008 zum Auswahlrecht nach §§ 14 Abs. 5 SGB IX, 200 Abs. 2 SGB VII) geprägt war. Der letzte Schriftsatz zum Anhörungsrügeverfahren war die am 27. Mai 2008 eingegangene Stellungnahme der dortigen Beklagten auf den letzten Schriftsatz des Klägers. Selbst wenn man eine – nicht gesetzte – kurze Frist zur Gewährung rechtlichen Gehörs in die Prüfung miteinstellen würde, so wäre im Hinblick auf die Dauer des Berufungs- und des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens eine zeitnahe Förderung des Gesamtverfahrens zumindest durch Entscheidung über die Anhörungsrüge ab Ende Juni 2008 möglich gewesen. Hinderungsgründe sind insoweit nicht dokumentiert. Vorbehaltlich einer abschließenden Gesamtwürdigung ist der Zeitraum von vier Monaten ab Ende Juni 2008 bis zur Entscheidung über die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 als dem beklagten Land zuzurechende unterbliebene Verfahrensförderung anzusehen. Der Senat verkennt bei dieser Würdigung des Verfahrensganges nicht, dass eine Mitursache für die Verfahrensdauer auch vor dem Landessozialgericht die Belastung der Spruchkörper mit noch älteren Verfahren war. Die Bestandssituation prägte die Handhabung des Verfahrens ersichtlich und ist auch grundsätzlich dem beklagten Land zuzurechnen. Der Kläger kann sich aber nicht darauf berufen, dass unabhängig von seinen Verursachungsbeiträgen der zuständige Senat durch eine straffere Verfahrensführung einschließlich der Setzung von Präklusionsfristen eine zügigere Entscheidung hätte anstreben müssen. Denn hierfür wiegen zum einen die Verstöße des Klägers gegen die ihn treffenden Verfahrensförderungsobliegenheiten zu schwer: Von den rund viereinhalb Jahren Dauer des Berufungsverfahrens entfallen die ersten eineinhalb Jahren auf die Befassung beider Gerichte mit einem offensichtlich unzulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung sowie auf die fehlende Vervollständigung des Antrages auf Prozesskostenhilfe (Begründung und Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) trotz Erinnerung durch die Berichterstatterin. Erst ab Ende 2008, also erst zweieinhalb Jahre nach Eingang der Berufung, vertieft der Kläger seinen Tatsachenvortrag und ergänzt ihn noch bis in das Jahr 2010 stetig mit inhaltlich neuem Vorbringen. Zum anderen kann dem seinerzeit zuständigen Senat nicht zum Vorwurf gemacht werden, das grundsätzlich durch Klägerfreundlichkeit geprägte Recht des sozialgerichtlichen Verfahrens z.B. durch Verzicht auf das Setzen einer Präklusionsfrist auch klägerfreundlich angewandt zu haben. Nach dem Wortlaut von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist das Verhalten des Entschädigungsklägers ein wesentlicher Zurechnungsfaktor. Dem widerspräche es, wenn der Entschädigungskläger ohne Hinzutreten weiterer Umstände mit dem Argument durchdränge, das Verfahren sei unangemessen lang geworden, weil das Gericht den Entschädigungskläger nicht am Vortrag gehindert habe. Auch der Grundsatz des "venire contra factum proprium" spricht somit gegen eine Zurechnung der entsprechenden Verfahrensdauer zu Lasten des beklagten Landes.
Auch im Rahmen der im zweiten Schritt anzustellenden umfassenden Würdigung der Gesamtverfahrensdauer ist von einer Unangemessenheit von insgesamt einem Jahr auszugehen. Weder in der ersten Instanz noch in der zweiten Instanz sind Abschnitte festzustellen, in denen die festgestellte relative Unangemessenheit durch eine gesteigerte Verfahrensförderung kompensiert worden wäre. Die Gesamtdauer bewegt sich ferner ersichtlich nicht in einem Bereich, in dem von offensichtlicher Angemessenheit gesprochen werden kann. Umgekehrt kann bei einer Dauer von 7 Jahren und 11 Monaten für zwei Instanzen aber auch keine absolute Überlänge festgestellt werden, die über die festgestellte relative Verzögerung von einem Jahr hinaus ginge.
In der Rechtsfolge kann der Kläger die geltend gemachte pauschalisierte Entschädigung beanspruchen.
Eine Wiedergutmachung in andere Weise, insbesondere durch die Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, liegt nicht vor bzw. wäre nicht ausreichend (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Gründe, dass eine derartige Feststellung genügen würde, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise durch aktives Handeln des beklagten Landes ist nicht erfolgt. Eine Feststellung der Unangemessenheit wäre nicht ausreichend, da weder die Bedeutung des Verfahrens oder die Entschädigung in Geld für den Kläger vernachlässigbar ist noch der Ursachenanteil des Klägers an der Verzögerung derart überwiegt, dass eine Entschädigung nicht angezeigt erscheint, weil der Verursachungsanteil des beklagten Landes zu vernachlässigen wäre.
Bei Anwendung des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG ergibt sich ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.200,00 EUR. Regelmäßig beträgt die Entschädigung nach der genannten Vorschrift 1.200,00 EUR für jedes Jahr der Verzögerung. Nach dem insoweit offenen Wortlaut und der eindeutigen Entstehungsgeschichte sind auch Zeiträume von unter einem Jahr entschädigungsfähig (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL – zitiert nach dem Terminbericht; BT-Drs. 17/3802, 20; a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. November 2012 – L 10 SF 5/12 ÜG – juris) mithin auch die Summe aus entsprechenden Zeiträumen aus zwei Instanzen. Zu Grunde zu legen ist vorliegend eine dem beklagten Land zuzurechnende Verzögerung von acht Monaten in der ersten Instanz sowie vier Monaten in der zweiten Instanz, mithin ein Jahr.
Der Senat hat sich nicht veranlasst gesehen, von diesem Betrag nach oben oder unten abzuweichen, denn der Betrag ist nach den Umständen des Einzelfalls nichts als unbillig anzusehen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Bei einem Verhältnis einer Gesamtdauer von sieben Jahren und über elf Monaten bildet eine Entschädigung von einem Jahr unangemessener Überlänge einerseits den erheblichen Verursachungsanteil des Klägers an der Verfahrensdauer hinreichend ab und fällt damit nicht zu hoch aus. Anhaltspunkte für eine unbillig niedrige Entschädigung werden vom Kläger weder vorgetragen noch sind sie sonst erkennbar.
Der zuerkannte Anspruch auf Prozesszinsen folgt nach allgemeinen Regeln aus entsprechender Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Jedenfalls bei Leistungsklagen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 44 SGB I stehen der entsprechenden Anwendung der genannten Vorschriften keine sozialrechtlichen Besonderheiten entgegen (BSG, Urteil vom 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 R; Müller, SGb 2010, 336, 338ff. m.w.N. auch zur älteren Gegenansicht einzelner Senate des BSG). Die analoge Anwendung folgt auch aus der Entstehungsgeschichte der Rechtswegzuweisung, mit der keine Veränderung der materiellen Rechtslage gegenüber der Durchsetzung des Anspruchs in der ordentlichen Gerichtsbarkeit bezweckt wurde. Bei der Anwendung von §§ 288 Abs. 1, 291 BGB ist auf die Rechtshängigkeit der hiesigen Klage abzustellen, nicht des Ausgangsverfahrens, für das Entschädigung beansprucht wird. Soweit Prozesszinsen für den Zeitraum vor dem 4. Juli 2012 beansprucht werden, war die Klage abzuweisen.
Da dem Hauptantrag dem Grunde nach und im Wesentlichen auch der Höhe nach im Sinne der beantragten Mindesthöhe entsprochen wurde, war über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden, zumal sich die begehrte Feststellung aus der zugesprochenen Entschädigung ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 6, 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da kein Fall der Sonderregelung des § 202 SGG i.V.m. § 201 Abs. 4 GVG vorliegt. Der Senat hat den klägerischen Antrag dahingehend ausgelegt, dass er eine Entschädigung von mindestens 1.200,00 EUR beansprucht hat; insoweit war bei der Kostenentscheidung lediglich das im Ergebnis zu vernachlässigende Unterliegen beim Zinsanspruch zu würdigen.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zwar hat sich der Senat bei der Prüfung der Unangemessenheit ausnahmslos an allgemein anerkannten Rechtssätzen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgerichtet. Die weitere einheitliche Konkretisierung dieser Rechtssätze im Rahmen der Übertragung auf § 198 GVG im Sinne von Abwägungsdirektiven ist jedoch ebenso im allgemeinen Interesse gerade an der Wahrung der Rechtseinheit wie die Klärung der Reichweite der Übergangsregelung des Art. 23 ÜberlVfRSchG sowie des Anspruchs auf Prozesszinsen.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Berichtigungsbeschluss
Das Urteil vom 6. Februar 2013 wird wie folgt berichtigt:
Der Tenor zu I. (Satz 1) lautet: "Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. Juni 2012 zu zahlen."
Die Entscheidungsgründe (Seite 23, 3. Absatz, letzter Satz) lauten: "Soweit Prozesszinsen für den Zeitraum vor dem 4. Juni 2012 beansprucht werden, war die Klage abzuweisen."
Gründe:
An den genannten Stellen enthält das Urteil vom 6. Februar 2013 die unzutreffende Angabe "4. April 2012" bzw. "4. Juli 2012".
Es handelt sich um offenbare Unrichtigkeiten, die gemäß § 138 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Amts wegen zu berichtigen waren.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung für die Dauer eines unfallversicherungsrechtlichen Gerichtsverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg (S 3 U 766/01 bzw. S 7 U 732/03) und vor dem Hessischen Landessozialgericht (zuletzt: L 9 U 103/06).
Er erlitt im Jahr 1991 einen Sportunfall mit einer Knieverletzung. Im Jahr 1994 wurde er bei einem Autounfall geschädigt. Er leidet an verschiedenen Behinderungen, u. a. einer funktionellen Blindheit des rechten Auges bei angeborenem Schielfehler mit fehlendem räumlichen Sehvermögen, ferner einem ständigen Hochtontinnitus beidseits, einem HWS-Syndrom, einer Kreuzbandinstabilität des rechten Kniegelenks und an beginnenden Verschleißerscheinungen am linken Kniegelenk. Nach dem Abitur im Jahre 1991 nahm er zunächst ein Lehramtsstudium auf. Im Wintersemester 1996/1997 brach der Kläger dieses Studium ab und begann im Folgenden ein Studium der Rechtswissenschaften, das er zeitweise unterbrach und letztlich ebenfalls nicht mit einem Abschluss beendete. 1996 wurde dem Kläger rückwirkend wegen des Unfallereignisses aus dem Jahr 1991 Verletztenrente bewilligt. Darüber hinaus führte er Rechtsstreite über diverse Leistungen der Gesetzlichen Unfallversicherung, u.a. über die Weiterbewilligung der Verletztenrente sowie insbesondere über Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben bzw. der beruflichen Rehabilitation gegenüber verschiedensten Sozialleistungsträgern. Allein vor dem Hessischen Landessozialgericht sind gegenwärtig 65 erledigte und anhängige Haupt- und Nebenverfahren seit 1999 verzeichnet.
Durch Bescheid vom 22. April 2002 lehnte die Unfallkasse Hessen - die Beklagte des Ausgangsverfahrens - die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben ab. Zur Begründung führte sie aus, dass ein Anspruch hierauf nur in Betracht komme, sofern aufgrund der Unfallfolgen die bisherige Tätigkeit auf Dauer nicht mehr wettbewerbsfähig ausgeübt werden könne. Der Kläger habe im Jahr 1991 seine Schulausbildung mit dem Abitur beendet. Danach habe er im Herbst 1993 ein Lehramtsstudium begonnen. Seit 1997 studiere der Kläger Rechtswissenschaften mit Unterbrechungen aus finanziellen Gründen. Da er zu diesem Zeitpunkt noch für das Fach immatrikuliert sei, sei nicht erkennbar, dass der Kläger das Jurastudium aufgrund der Unfallfolgen nicht habe fortsetzen können. Der hiergegen erhobene Widerspruch vom 23. Mai 2002 wurde durch Widerspruchsbescheid vom 18. Oktober 2002 mit der Begründung zurückgewiesen, dass aus den vorliegenden Unterlagen, den fachärztlichen Gutachten und den anerkannten Unfallfolgen sich nicht ableiten ließe, dass der Kläger eine angemessene Erwerbstätigkeit nicht erlernen könne. Aufgrund der Unfallfolgen würden keine erheblichen Beeinträchtigungen vorliegen, die einem Studium der Rechtswissenschaften und der sich daraus ergebenden beruflichen Tätigkeit bzw. dem Erlernen einer Bürotätigkeit entgegenstünden.
Durch die Klageerweiterung eines bereits beim Sozialgericht Marburg seit dem 16. Oktober 2001 anhängigen Verfahrens mit dem Streitgegenstand der Gewährung von Maßnahmen der Heilbehandlung seitens der Unfallkasse Hessen - S 3 U 766/01 - vom 13. November 2002 begehrte der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 22. April 2002 und des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2002 und beantragte die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung von Leistungen der Teilhabe am Arbeitsleben sowie von unterhaltssichernden und ergänzenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) sowie Neuntes Buch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX).
Zu diesem Zeitpunkt war bei dem Landessozialgericht eine Berufung des Klägers u.a. zur unfallbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit und zum Rentenanspruch anhängig (L 3 U 951/99).
Nach weiterer Korrespondenz sowohl über den ursprünglichen Antrag als auch die Klageerweiterung trennte das Sozialgericht Marburg die Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung mit Beschluss vom 16. Oktober 2003 ab und führte sie unter dem Aktenzeichen S 3 U 732/03 zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung fort. Im Ursprungsverfahren – S 3 U 766/01 – erging am gleichen Tage ein Urteil; die Berufung des Klägers – L 3 U 4/04 – wurde mit Urteil vom 11. April 2006 abgewiesen.
Mit Schreiben vom 18. November 2003 fragte die Kammervorsitzende zum Sachstand des Berufungsverfahrens L 3 U 951/99 beim Landessozialgericht an. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 teilte die Berichterstatterin des 3. Senates des Landessozialgerichts mit, dass ein Termin für Januar/Februar 2004 vorgesehen sei. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 3. Dezember 2003 mit, dass zum abgetrennten sozialgerichtlichen Verfahren nur eine zweibändige Teilakte der Verwaltungsvorgänge vorgelegt werden könne. Auf nochmalige Sachstandsanfrage der Kammervorsitzenden mit Schreiben vom 5. April 2004 wurde am 10. Mai 2004 mitgeteilt, dass die Sache L 3 U 951/99 am 21. April 2004 durch Urteil entschieden worden sei. Mit Schreiben vom 27. Mai 2004 fragte die Kammervorsitzende zum Verbleib der Verwaltungsakten und zum Sachstand im Berufungsrechtszug des Verfahrens S 3 U 766/01 an. Mit Schreiben vom 24. Juni 2004, eingegangen am 1. Juli 2004, übersandte die Beklagte schließlich die noch fehlenden Verwaltungsvorgänge in Gestalt von 7 Bänden mit insgesamt 1145 Blättern.
Am 19. August 2004 ordnete die Kammervorsitzende eine Beweisaufnahme durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens an. Nach Aktenübersendung an den Sachverständigen wurden zwischenzeitlich die Verwaltungsakten auf eine Anforderung des Bundessozialgerichts hin zurückgefordert und an das Bundessozialgericht übersandt. Das nach Rückkehr der Akten erstellte Gutachten des Sachverständigen ging am 10. Dezember 2004 bei dem Sozialgericht Marburg ein. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2004 und 4. Januar 2005 sowie 19. Januar 2005 nahmen die Beteiligten zum Gutachten Stellung. Unter dem Datum vom 24. Januar 2005 erfolgte eine Fristsetzung zur Antragstellung nach § 109 SGG bis zum 28. Februar 2005; unter dem Datum 18. Februar 2005 erfolgte eine Anhörung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid mit einer Stellungnahmefrist bis 15. März 2005.
Mit Schreiben vom 1. März 2005 forderte die Kammervorsitzende die Gerichtsakte L 3 U 4/04 an und übersandte ihrerseits die Gerichtsakte sowie die kompletten Verwaltungsvorgänge am 9. März 2005 an das Landessozialgericht zum Verfahren L 3 U 4/04, die am 12. Mai 2005 wiederum zurück zum Sozialgericht gelangten. Zwischenzeitlich erfolgte noch eine Anforderung seitens des Landessozialgerichts in einem schwerbehindertenrechtlichen Berufungsverfahren, die seitens der Kammervorsitzenden mit einem Hinweis auf die parallel gelagerte Aktenanforderung beantwortet wurde. Am 19. August 2005 fragte der Kläger nach dem Sachstand an. Die Kammervorsitzende antwortete am selben Tag, dass der Rechtsstreit zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgemerkt sei. Aufgrund der Belastungssituation des Gerichts und einer Vielzahl noch älterer Verfahren sei bisher eine Entscheidung leider nicht möglich gewesen. Der Rechtsstreit sei aber für den nächstmöglichen Zeitpunkt der Entscheidung durch Gerichtsbescheid vorgemerkt und werde bevorzugt abgeschlossen. Die Kammervorsitzende wurde zum 1. September 2005 an das Hessische Landessozialgericht abgeordnet. Mit Schreiben vom 29. März 2006 forderte wiederum die Berichterstatterin im Verfahren L 3 U 4/04 die Gerichts- und Verwaltungsakten an. Zwischenzeitlich war die 7. Kammer des Sozialgerichts Marburg für den Rechtsstreit zuständig geworden; bereits mit Verfügung vom 21. März 2006 wurden Teile der Verwaltungsakten kopiert sowie im Wesentlichen eine Duploakte der Gerichtsakte angefertigt und die Originalakten dem Landessozialgericht am 3. April 2006 übersandt.
Durch Gerichtsbescheid vom 20. April 2006 wies der Vorsitzende der 7. Kammer die Klage ab. Der Gerichtsbescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 24. April 2006 zugestellt.
Die hiergegen gerichtete Berufung nebst Prozesskostenhilfegesuch zum Landessozialgericht ging am 26. April 2006 bei dem Sozialgericht Marburg ein (L 3 U 103/06). Die Berufungsschrift enthielt keine Begründung und war auf die Aufhebung des "nicht existenten Gerichtsbescheids" gerichtet. Parallel dazu wurde Antrag auf mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht Marburg gestellt. Auf Nachfrage und richterlichen Hinweis vom 31. Juli 2006 und 11. August 2006 sowie Erinnerungsschreiben der Berichterstatterin mit Schreiben vom 11. Oktober 2006 hielt die Bevollmächtigte mit Schreiben vom 17. Januar 2007 am Antrag auf mündliche Verhandlung fest. Dieser wurde mit Beschluss des Sozialgerichts Marburg vom 20. Februar 2007 als unzulässig verworfen. Nach Rücklauf der Akten zum Landessozialgericht erinnerte die Berichterstatterin mit Verfügung vom 16. März 2007 den Kläger an die Berufungsbegründung sowie die Übersendung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ging am 4. April 2007 ein. Am 16. August 2007 fragte die Klägerbevollmächtigte nach dem Fortgang des Verfahrens an und wandte sich erstmals mit einer Begründung inhaltlich gegen den Gerichtsbescheid. Mit Beschluss vom 8. Februar 2008, zugestellt am 22. Februar 2008, lehnte der 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ab. Mit Anhörungsrüge vom 7. März 2008 (L 3 U 45/08 ARG) wies die Klägerbevollmächtigte auf ihre Rechtsauffassung zum verfassungsrechtlichen Maßstab der Gewährung von Prozesskostenhilfe hin und vertiefte die Berufungsbegründung u.a. hinsichtlich der Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Sachverständigengutachten. Im Anhörungsrügeverfahren erfolgte Korrespondenz bis zum 27. Mai 2008. Mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 hob der 3. Senat seinen Beschluss vom 8. Februar 2008 auf und bewilligte dem Kläger für das Verfahren L 3 U 103/06 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. Am 16. Dezember 2008 ging eine weitere Berufungsbegründung ein. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2008 wies die Berichterstatterin den Kostenbeamten des SG Marburg darauf hin, dass derzeit ein Abschluss des Verfahrens noch nicht absehbar sei und stellte die Akten zur Verfügung. Zwischen dem 2. Februar 2009 und dem 21. April 2010 erfolgte umfangreiche Korrespondenz, im Wesentlichen in Auseinandersetzung und Vertiefung des Berufungsvortrages aus dem Schriftsatz vom 16. Dezember 2008. Mit Verfügung vom 22. April 2010 wurde für den 1. Juni 2010 ein Erörterungstermin vor dem Berichterstatter bestimmt. Im Erörterungstermin wies der Berichterstatter darauf hin, dass im vorliegenden Fall im Hinblick darauf, dass nach dem Vortrag des Klägers beim Sozialgericht Marburg ein Verfahren gegen das Versorgungsamt anhängig sei, im Hinblick auf die Anerkennung von psychischen Gesundheitsschäden dieses Verfahren ruhend gestellt werden könnte, um nach Vorlage von weiteren Anknüpfungstatsachen unter Umständen in diese Richtung weiter zu ermitteln. Der Berufungsantrag wurde dahingehend formuliert, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 20. April 2006 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Oktober 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in gesetzlichem Umfang zu gewähren, hilfsweise, eine weitere Ermittlung von Amts wegen im Hinblick auf mögliche psychische Unfallfolgen in die Wege zu leiten. Mit Schreiben vom 20. Juni 2010 regte die Klägerbevollmächtigte eine Verbindung mit dem Berufungsverfahren L 3 U 68/10 an und wandte sich gegen das Ruhen des Verfahrens. Nach Zuständigkeitswechsel hin zum 9. Senat des Landessozialgerichts wurden mit Beschluss vom 10. August 2010 die Bundesagentur für Arbeit sowie die Universitätsstadt A-Stadt zum Verfahren beigeladen. Mit Verfügung vom 18. August 2010 wurde Termin zur mündlichen Verhandlung am 20. September 2010 bestimmt.
Mit Urteil vom 20. September 2010 wurde die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Marburg vom 20. April 2006 zurückgewiesen. Das Urteil wurde der Klägerbevollmächtigten am 14. Oktober 2010 zugestellt. Am 28. Oktober 2010 ging am Landessozialgericht ein Berichtigungsantrag seitens des Klägers ein, weiterhin wurde Anhörungsrüge erhoben. Am 15. November 2010 ging ein mit "Nichtigkeitsklage" bezeichneter Antrag ein.
Am selben Tage beantragte der Kläger beim Bundessozialgericht Prozesskostenhilfe zur Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 20. September 2010. Der 2. Senat des Bundessozialgerichts lehnte diesen Antrag durch Beschluss vom 1. Februar 2011 ab. Zunächst erhob der Kläger persönlich gegen diesen Beschluss Anhörungsrüge, die die Prozessbevollmächtigte am 21. April 2011 aufrechterhielt. Das Bundessozialgericht stellte sodann weitere Ermittlungen zur Geschäftsverteilung des Hessischen Landessozialgerichts im Jahr 2010 an und wies durch Beschluss vom 18. Oktober 2011, dem Kläger zugestellt am 4. November 2011, die Anhörungsrüge zurück. Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, wieso auch nach den durchgeführten Ermittlungen hinsichtlich der Geschäftsverteilung im Jahr 2010 kein Verfahrensmangel gem. § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG geltend gemacht werden könne. Gegen diesen Beschluss beantragte der Kläger durch seine Prozessbevollmächtigte am 5. Dezember 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, die durch Beschluss vom 20. Dezember 2011 zurückgewiesen wurde. Hiergegen erhob der Kläger am 24. Januar 2012 Anhörungsrüge, die das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 16. Februar 2012 als unzulässig verwarf.
Die hiesige Klage ist am Montag, den 4. Juni 2012 bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingegangen.
Der Kläger trägt vor, eine Verfahrensdauer von mehr als 8 Jahren und 5 Monaten sei nicht mehr als angemessen zu betrachten. Es habe sich nicht um eine Materie von hoher Komplexität gehandelt. Die Vorfrage, ob der Kläger einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall erlitten habe, sei bereits seit Mitte der neunziger Jahre geklärt gewesen. Das Sozialgericht habe schließlich auch durch Gerichtsbescheid entschieden, der nur zulässig sei, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweise und der Sachverhalt geklärt sei. Die Klageerweiterung datiere vom 13. November 2002, das Sachverständigengutachten datiere vom 1. Dezember 2004. Am 20. April 2006 sei ein Gerichtsbescheid ergangen. Das Hessische Landessozialgericht habe erst durch Urteil vom 20. September 2010 entschieden, ohne den Sachverhalt weiter aufzuklären. Es sei nicht ersichtlich, dass eine Hürde bestanden habe, eine Aktenkopie zu erstellen. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Rechtswegzuweisung zur Sozialgerichtsbarkeit gegen Art. 34 Grundgesetz (GG) verstoße und beantragt, diese Frage nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Er rügt die geschäftsverteilungsplanmäßige Zuständigkeit des Senats.
Der Kläger beantragt,
das beklagte Land zu verpflichten, dem Kläger Ersatz für den Nichtvermögensschaden gemäß § 198 Abs. 2 Satz 3 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) mindestens in Höhe von 1.200,00 EUR pro Jahr der Verzögerung seit Eintritt der Rechtshängigkeit am 13. November 2002 zuzüglich Prozesszinsen zu leisten,
hilfsweise,
festzustellen, dass der Kläger durch die unangemessen lange Verfahrensdauer in seinen Rechten verletzt ist.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land trägt vor, in Anbetracht der Komplexität der Materie und der durch das Verhalten des Klägers selbst herbeigeführten erheblichen Verzögerungen könne die gesamte Verfahrensdauer von Einlegung des Widerspruchs bei der beklagten Unfallkasse Hessen am 23. Mai 2002 bis zur Zustellung des Urteils vom 20. September 2010 am 14. Oktober 2010 noch als angemessen angesehen werden. Der Kläger habe wegen des Arbeitsunfalls vom 12. Februar 1991 mehrere Verfahren parallel gegen die Unfallkasse geführt, was schon wegen der notwendigen Beiziehung der Verwaltungsakten zu den jeweiligen Verfahrensverzögerungen im verwaltungstechnischen Ablauf habe führen müssen. Das Sozialgericht habe zunächst die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts über das Begehren des Klägers hinsichtlich der Weitergewährung der Verletztenrente abwarten müssen. Mit Urteil vom 21. April 2004 habe das Hessische Landessozialgericht dahingehend entschieden, dass dem Kläger auch für die Zeit vom 20. April 2001 bis 13. November 2001 Rente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren war. Erst hierauf habe das Sozialgericht ein Sachverständigengutachten einholen können. Unmittelbar nach Eingang des Sachverständigengutachtens und der Gewährung rechtlichen Gehörs bis 28. Februar 2005 habe das Sozialgericht die Verwaltungsakten an das Hessische Landessozialgericht zur Durchführung des dort noch anhängigen Parallelverfahrens mit Verfügung vom 9. März 2005 übersenden müssen; sie hätten dementsprechend bis zur Rückgabe am 12. Mai 2005 nicht zur Verfügung gestanden. Die Verfahrenslaufzeit vom 1. September 2005 bis zur Zustellung des Gerichtsbescheides habe seine Ursache und Rechtfertigung in dem Umstand, dass die zuständige Kammervorsitzende an das Hessische Landessozialgericht abgeordnet worden sei und sich der neue Vorsitzende erst habe einarbeiten müssen. Gegen den dem Kläger am 24. April 2006 zugestellten Gerichtsbescheid vom 20. April 2006 habe der Kläger am 26. April 2006 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt, indes verbunden mit dem unzulässigen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, weshalb das Verfahren erneut am 31. Januar 2007 an das Sozialgericht habe abgegeben werden müssen, das mit Beschluss vom 20. Februar 2007 den Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung als unzulässig verworfen habe. Auch habe der Antragsteller erst mit Schriftsatz vom 4. April 2007 die notwendige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse zu seinem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorgelegt, wodurch ebenfalls eine Verfahrensverzögerung eingetreten sei. Nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 seien umfassend Schriftsätze in der Sache gewechselt worden, die sich mit medizinischen Detailfragen befasst hätten. Erstmals im Rahmen des Erörterungstermins am 1. Juni 2010 habe der Kläger psychische Folgeschäden des Unfallereignisses geltend gemacht. Das beklagte Land ist der Rechtsauffassung, die vom Senat zitierte Rechtsprechung hinsichtlich der Möglichkeit der Verfahrensstraffung durch Anfertigung von Kopien sei nicht auf Verfahren von der Art des Ausgangsverfahrens übertragbar. Die Rechtsprechung des EGMR beziehe sich auf Zivilprozesse. Der letztlich allein maßgebliche Zeitraum vom März bis Mai 2005 falle nicht ins Gewicht. Es sei zudem zu beachten, dass sehr umfangreiche Verwaltungsakten hätten beigezogen werden müssen, deren Vervielfältigung einen unverhältnismäßigen Aufwand dargestellt hätte. Zumindest müsste von der Zeit, in der die Gerichts- und Verwaltungsakten versandt gewesen sein, hypothetisch der Zeitaufwand in Abzug gebracht werden, der für eine Vervielfältigung der umfangreichen Gerichts- und Verwaltungsakten benötigt worden wäre. Der danach ggf. noch verbleibende Zeitraum einer Verfahrensverzögerung durch die Aktenversendung wäre dann in das Verhältnis zu dem durch die Prozessführung des Klägers verursachten Zeitraum der Verfahrensverzögerung zu setzen, insbesondere durch den unzulässigen Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung, der verzögerten Vorlage der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und die verspätete Geltendmachung psychischer Folgeschäden.
Hierzu trägt der Kläger wiederum vor, dass sich die vom beklagten Land aufgeworfene Frage nicht stelle, ob ein Rehabilitationsträger nur dann zur Gewährung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben verpflichtet sei, wenn er auch Rentenleistungen erbringe. Daher habe kein Grund bestanden, den Ausgang des Verfahrens L 3 U 4/04 abzuwarten. Auch bedeute es keine dem Kläger zuzurechnende Verzögerung des Verfahrens, dass aus Sicht des beklagten Landes die Erklärung über die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse im Berufungsverfahren verspätet eingereicht worden seien. Auch die übrige Prozessführung des Klägers habe nicht zu einer Verzögerung geführt. Um den unzulässigen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückzuweisen, hätte es nicht zehn Monate bedurft. Auch die Geltendmachung psychischer Folgeschäden habe nicht zu einer Verfahrensverzögerung geführt. Der Kläger ist der Rechtsauffassung, dass ihm allenfalls dann Verfahrensverzögerung angelastet werden könne, wenn er durch schleppende Prozessführung das Gericht veranlasst hätte, Präklusionsfristen nach §§ 106a, 157a Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu setzen. Dies sei nicht der Fall gewesen.
Mit Beschluss vom 4. Februar 2013 hat der Senat eine Klageerweiterung bezüglich eines Wiederaufnahmeantrages zum Ausgangsverfahren abgetrennt und ausgesetzt. Hinsichtlich des Sachstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Akten L 3/9 U 103/06, L 3 U 4/04 sowie L 3 U 45/08 ARG verwiesen. Wegen des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift vom 6. Februar 2013 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Streitgegenstand sind nach Abtrennung der Klageerweiterung durch Beschluss vom 4. Februar 2013 noch die Anträge aus der Klageschrift, wie sie in der mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2013 präzisiert worden sind.
Die Klage ist zulässig.
Der Senat ist entgegen der Auffassung des Klägers zur Entscheidung über den Entschädigungsanspruch nach § 198 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) berufen.
Die § 40 Abs. 2 Satz 1 1. Var. Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) aufgrund Spezialität vorgehende Rechtswegzuweisung des § 202 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), wonach die Vorschriften des Siebzehnten Titels des GVG mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden sind, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Landessozialgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundessozialgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung das Sozialgerichtsgesetz tritt, verstößt nach Überzeugung des Senates nicht gegen Normen des Grundgesetzes.
Sie verstößt nicht gegen Art. 34 GG. Nach Art. 34 Satz 3 GG darf für den Anspruch auf Schadensersatz und für den Rückgriff der ordentliche Rechtsweg nicht ausgeschlossen werden. Diese Rechtsweggarantie ist in systematischer Hinsicht durch Art. 34 Satz 1 GG begrenzt. Verletzt hiernach jemand in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht, so trifft die Verantwortlichkeit grundsätzlich den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst er steht. Mithin ist nicht die Entscheidung über Staatshaftungsansprüche schlechthin der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen, sondern allein die Entscheidung über Schadensersatzansprüche infolge einer Amtspflichtverletzung nach Satz 1 (vgl. Papier, in: Maunz/Dürig, GG, Stand 54. Erg.lfg. 2009, Art. 34 Rn. 305). Insbesondere der Rechtsweg zur Entscheidung über aufopferungsartige Staatshaftungsansprüche mit der Rechtsfolge einer Entschädigung für die Verletzung immaterieller Rechtsgüter ist nicht verfassungsrechtlich geregelt und kann daher den Fachgerichtsbarkeiten zugewiesen werden (Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: 24. Erg.lfg. 2012, § 40 Rn. 531). Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Diese Vorschrift regelt zwar einen Staatshaftungsanspruch, der Tatbestand setzt jedoch weder notwendig noch hinreichend die Verletzung einer Amtspflicht voraus; die Norm gewährleistet als Rechtsfolge auch keinen Schadensersatz, sondern Entschädigung. Es handelt sich um einen aufopferungsähnlichen Entschädigungsanspruch, der verhaltens- und verschuldensunabhängig als Erfolgsunrecht im Wesentlichen nur das Ergebnis eines Staats- oder Systemversagens in Gestalt einer unangemessenen Dauer eines Gerichtsverfahrens voraussetzt (ähnl. Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, Ergänzung zu § 202 SGG, Rn. 19; Ott in: Steinbeis-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, Kommentar, 2013, § 198 GVG, Rn. 63 und 66). Diese Charakterisierung beruht auf dem Wortlaut und der entstehungsgeschichtlich begründeten Funktion der §§ 198 ff. GVG, eine Rechtsschutzlücke zu schließen, die sowohl den Anforderungen des GG als auch denen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) widerspricht (BT-Drs. 17/3802, S. 1). Zuvor hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) festgestellt, dass es in der Bundesrepublik Deutschland vor der Einführung der §§ 198 ff. GVG keinen wirksamen Rechtsbehelf im Sinne von Art. 13 EMRK gab, der Gerichtsverfahren hätte beschleunigen oder angemessene Wiedergutmachung für schon eingetretene Verzögerungen hätte verschaffen können (EGMR, Urteil vom 8. Juni 2006 – 75529/01 – ÜÜ .../. Deutschland – juris). Der Amtshaftungsanspruch wurde vom EGMR u.a. aufgrund seiner Verschuldensabhängigkeit und der Rechtsfolge als unzureichend verworfen (EGMR a.a.O., Rn. 113 f.). Konsequent ist nach dem Wortlaut die Tatbestandsstruktur dahingehend zu verstehen, dass es weder auf ein konkretes, Art. 6, 13 EMRK verletzendes Verhalten noch auf ein Verschulden ankommt. Haftungsbegründende Rechtsgutsverletzung ist allein die unangemessene Dauer des Gerichtsverfahrens, die haftungsausfüllende Kausalität muss zwischen Dauer und Nachteil bestehen (so ausdrücklich auch Ott, a.a.O. Rn. 66). Amtshaftung und Entschädigung nach § 198 GVG sind mithin bereits nach der Tatbestandstruktur und Funktion einander wesensfremd. Die EMRK legt den Konventionsstaaten die Verpflichtung auf, ihr Gerichtssystem so auszugestalten, dass die Gerichte den Anforderungen der Art. 6, 13 EMRK entsprechen können, einschließlich einer Entscheidung innerhalb angemessener Frist (Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 202 m.w.N.). Konventionsrechtlich sind die justizbezogenen Menschenrechte nicht nur an Justizorgane, sondern an die Träger alle Staatsgewalten adressiert, die das konventionsstaatliche Rechtsschutzsystem ausgestalten; insoweit muss es für den konventionsrechtlich fundierten Anspruch auf Entschädigung unerheblich sein, ob die Unangemessenheit der Verfahrensdauer auf einem Verhalten von einzelnen Richtern oder des Präsidiums, der Justizverwaltung oder auf einem Verhalten des Haushaltsgesetzgebers oder des Verfahrensgesetzgebers beruht. Zu entschädigen ist vielmehr das Ergebnis einer unangemessenen Dauer aufgrund eines Staats- oder Systemversagens. Für § 198 GVG bedeutet dies, dass nicht nur eine den Justizorganen zuzurechnende Dauer, sondern auch eine (mittelbar) der Exekutive oder Legislative zuzurechnende Dauer zu entschädigen sein kann. In der Bundesrepublik Deutschland folgt dies bereits aus der Ausgestaltung des Gewaltenteilungsprinzips im Grundgesetz als Gewaltengliederung bzw. Funktionenordnung. Mit der Ausübung der rechtsprechenden Gewalt u.a. durch die Gerichte der Länder (Art. 92 2. Halbsatz letzte Var. GG) ist nämlich in der Bundesrepublik Deutschland – anders als in einigen anderen europäischen Staaten – mit Ausnahme der Verfassungsgerichte des Bundes und einiger Länder kein eigenes Budget(-antrags-)recht der Judikative gegenüber dem Parlament verbunden; eine hinreichende Personalausstattung der Gerichte, über die die Verfahrensdauer maßgeblich gesteuert wird, haben daher Justizminister und Haushaltsgesetzgeber zu verantworten. Ein beklagtes Land kann sich daher nicht damit verteidigen, dass die Verzögerung auf einer nicht vom Gericht zu verantwortenden mangelnden Personalausstattung durch das Justizministerium beruhe. Haftungsbegründend kann ferner auch eine durch Besonderheiten des jeweiligen Rechtsschutzsystems verursachte Verfahrensdauer sein, bei der eine Zurechnung von individuellen Verursachungsanteilen unmöglich ist und vielmehr eine Ursachenvielfalt struktureller Natur wesentlich ist. Konsequent hat der EGMR die Möglichkeit gesehen, eine Überlänge auch dann festzustellen, wenn die Verfahrensdauer im Wesentlichen weder dem Entschädigungskläger noch dem Gericht, sondern im Wesentlichen beteiligten Behörden zuzurechnen ist (EGMR, Urteil vom 23. April 2007 - 17/1986/115/163 – NJW 1989, 650). Auch dies begründet einen grundlegenden Unterschied des Anspruches nach § 198 GVG zum Amtshaftungsanspruch. Nach alledem unterscheidet sich der aufopferungsähnliche Entschädigungsanspruch des § 198 GVG in seiner Struktur so maßgeblich von einem Amtshaftungsanspruch, dass auch eine Umgehung des Art. 34 GG nicht zu besorgen ist. Das Bestehen eines Anspruches nach § 198 GVG ist nicht einmal Indiz für eine Amtspflichtverletzung.
Der 6. Senat ist nach dem zum 1. Januar 2013 in Kraft getretenen Geschäftsverteilungsplan zuständig für: "Streitsachen, die mit Ablauf des 31. Dezember 2012 bei ihm anhängig sind sowie für Eingänge ( ) 5. auf dem Gebiet des Rechtsschutzes bei überlangen Gerichtsverfahren."
Die im Wege der Klagehäufung geltend gemachten Anträge zu 3. und zu 4. (zu 1. und zu 2.) sind als Feststellungs- und echte Leistungsklage (§§ 55, 54 Abs. 5 SGG) statthaft.
Die Klage ist fristgemäß am 4. Juni 2012 erhoben worden. Nach Art. 23 Sätze 5 und 6 des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vom 24. November 2011 (ÜberlVfRSchG) sind auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens am 3. Dezember 2011 abgeschlossene Verfahren im Sinne des Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG die Regelungen des § 198 Abs. 3 GVG – der die Obliegenheit zur Erhebung der Verzögerungsrüge regelt – und des § 193 Abs. 5 GVG Klagefristen – nicht anzuwenden. Die Klage zur Durchsetzung eines Anspruchs nach § 198 Abs. 1 GVG kann stattdessen bei abgeschlossenen Verfahren sofort erhoben werden und muss spätestens am 3. Juni 2012 erhoben werden. Nach Art. 23 Satz 1 ÜberlVfRSchG ist die Vorschrift indes nur auf solche abgeschlossenen Verfahren anwendbar, deren Dauer bei seinem Inkrafttreten Gegenstand von anhängigen Beschwerden beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist oder noch werden kann.
Diese Sonderregelung zur Klagefrist kommt hier entgegen der Auffassung der Beklagten zur Anwendung, da das Ausgangsverfahren mit Zustellung der Entscheidung über die Anhörungsrüge durch Beschluss vom 18. Oktober 2011 am 4. November 2011 bereits abgeschlossen war und dessen Dauer am 3. Dezember 2011 noch hätte Gegenstand einer Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte werden können. Sinn der Übergangsvorschrift war es nach dem gesetzgeberischen Willen, weitere Verurteilungen der Bundesrepublik Deutschland zu verhindern und den EGMR zu entlasten (vgl. BT-Drucks. 17/3802, S. 31; zum Folgenden: OLG Celle, Urteil vom 24. Oktober - 23 SchH 10/12). Demnach sollten die Altverfahren aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausfallen, bei denen eine Verurteilung der Bundesrepublik Deutschland auch nach der vor Inkrafttreten des Gesetzes geltenden Rechtslage durch den EGMR ausgeschlossen war. Die Auslegung des Art. 23 ÜberlVfRSchG hat sich daher an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 35 EMRK zu orientieren. Die Frist des Art. 35 Abs. 1 EMRK beginnt mit (vorgeschriebener) Zustellung oder Kenntnisnahmemöglichkeit der die Rechtswegerschöpfung nach Art. 35 EMRK begründenden letztinstanzlichen Entscheidung (EGMR, Urteil vom 25. März 1999 - 31423/96 – NVwZ 1999, 1325). Außerordentliche oder verfassungsgerichtliche Rechtsbehelfe sind einzulegen, soweit sie "wirksam" sind, d.h. geeignet sind eine Konventionsverletzung oder ihre Fortdauer zu verhindern bzw. Wiedergutmachung zu verschaffen; grundsätzlich zählt hierzu auch die Anhörungsrüge (vgl. Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 35 Rn.19-21 m.w.N.; zur Wirksamkeit: Art. 13 Rn.10). Außer Betracht bleiben indes für den Kläger erkennbar aussichtslose oder unzulässige außerordentliche Rechtsbehelfe, auch dann, wenn sie eingelegt worden sind (Meyer-Ladewig, a.a.O., Art. 35 Rn. 27 m.w.N.). Fehlt es an einem wirksamen (außerordentlichen) Rechtsbehelf, so läuft die Frist ab Eingriff in das Recht oder ab der letzten Entscheidung über einen wirksamen ordentlichen Rechtsbehelf (Meyer-Ladewig, a.a.O., Art. 35 Rn. 27). Dies führt vor dem Hintergrund des Urteils des EGMR vom 8. Juni 2006 in der Rechtssache ÜÜ .../. Deutschland (75529/01, NJW 2006, 2389) zum fehlenden wirksamen Rechtsbehelf bei überlanger Verfahrensdauer dazu, dass vor dem 3. Dezember 2011 jedenfalls bei alleiniger Rüge der überlangen Verfahrensdauer grundsätzlich mit der Zustellung der letztinstanzlichen ordentlichen Rechtsmittelentscheidung die Frist zu laufen begann (so OLG Frankfurt, Urteil vom 12. Dezember 2012 - 4 EntV 3/12 – juris, zum Verhältnis zur Verfassungsbeschwerde). Hiervon zu unterscheiden ist indes die prozessuale Situation, in der ein Kläger mit der Anhörungsrüge die Verletzung (weiteren) Konventionsrechts rügt und unabhängig davon beabsichtigt, die Verfahrensdauer zu rügen. Insoweit wäre es zumindest bei einer zulässigen Anhörungsrüge eine Überformalisierung bei der Fristberechnung einerseits im Rahmen der Verletzung rechtlichen Gehörs die Erhebung der Anhörungsrüge zu fordern und sie hinsichtlich der Rüge der überlangen Verfahrensdauer außer Betracht zu lassen; dies liefe zudem dem vom EGMR bei der Anwendung des Art. 35 EMRK ersichtlich berücksichtigten Günstigkeitsprinzips zuwider (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., Art. 35 Rn. 11 und 13). Die hiesige Auffassung entspricht im Ergebnis der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zum Parallelproblem der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bei der kumulativen Rüge von Art. 103 Abs. 1 GG mit anderen Grundrechten (vgl. z.B. BVerfG, Beschluss vom 14. Juli 2011 – 1 BvR 1468/11; Beschluss vom 6. Dezember 2011 – 1 BvR 1681/11 – juris).
An diesem Maßstab erweist sich die Anhörungsrüge gegen den Beschluss vom 1. Februar 2011 über die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe als maßgeblicher letzter wirksamer Rechtsbehelf, dessen Entscheidung der Kläger abwarten durfte. Der Kläger rügte sinngemäß nämlich auch die Verletzung rechtlichen Gehörs nach Art. 6 EMRK bei der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag hinsichtlich der Würdigung des Revisionsgrundes des Entzugs des gesetzlichen Richters; die Rüge veranlasste das Bundessozialgericht zu weiteren Ermittlungen. Die Anhörungsrüge wurde nicht als unzulässig verworfen, sondern als unbegründet zurückgewiesen. Mithin erschien ex ante sowohl eine Korrektur der Prozesskostenhilfeentscheidung als auch eine Wiedereinsetzung in das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren und damit eine Fortsetzung des Ausgangsverfahrens aufgrund des Rechtsbehelfs möglich, aufgrund dessen dann auch wieder die überlange Verfahrensdauer hätte gerügt werden können. Außer Betracht bleiben hingegen, die nach Art. 35 EMRK nicht erforderlichen und zudem offensichtlich unzulässigen Wiedereinsetzungsanträge, die die das BSG mit Beschluss vom 20. Dezember 2011 abgelehnt hat sowie die unzulässige Anhörungsrüge gegen diesen Beschluss, den das BSG mit Beschluss vom 16. Februar 2012 verworfen hat. Der Rechtsweg zum EGMR war mithin erst mit Zustellung des Beschlusses vom 18. Oktober 2011 am 4. November 2011 erschöpft; am 3. Dezember 2011 wäre eine zulässige Beschwerdeeinlegung beim EGMR noch möglich gewesen.
Der Klageeingang am Montag, den 4. Juni 2012 hat die Frist gewahrt. Zwar handelt es sich bei der Frist des Art. 23 Satz 6 ÜberlVfRSchG um eine datumsmäßig bestimmte Ausschlussfrist zur Klageerhebung bis 3. Juni 2012; nach § 202 Satz 2 SGG ist indes § 64 SGG auf diese Klagefrist anzuwenden (zur Rechtslage nach der VwGO im Erg. ebenso: Sächs. OVG, Urteil vom 15. Januar 2013 – 11 F 1/12 – juris). Nach § 64 Abs. 3 SGG endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt. Die Vorschrift erfasst auch das datumsmäßig bestimmte (Klage-)Fristende (so ausdrücklich Wolff-Dellen in: Breitkreuz/Fichte, SGG, § 64 Rn. 27; vgl. auch Keller in: Mayer-Ladewig u.a., SGG, 10. Aufl., § 64 Rn. 5a; im Ergebnis zu § 222 ZPO auch: OLG Celle, Urteil vom 24. Oktober 2012 – 23 SchH 3/12 – juris; Sächs. OVG a.a.O.). Dies hat zur Folge, dass bis Montag, den 4. Juni 2012, 24.00 Uhr, fristwahrend Klage erhoben werden konnte.
Die Klage ist im überwiegenden Umfange begründet.
Das beklagte Land ist hinsichtlich des geltend gemachten Anspruches bezüglich der Verfahrensdauer vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht passiv legitimiert (vgl. § 200 GVG).
Dem Hauptantrag ist im Wesentlichen zu entsprechen, da dem Kläger einen Entschädigungsanspruch nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG zukommt. Hiernach wird derjenige angemessen entschädigt, der infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet.
Die Dauer des Gerichtsverfahrens vor dem Sozialgericht Marburg (S 3 U 766/01 bzw. S 7 U 732/03) und vor dem Hessischen Landessozialgericht (zuletzt: L 9 U 103/06) war unangemessen.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG richtet sich die Angemessenheit der Verfahrensdauer nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Eine generelle Festlegung, wann ein Verfahren unverhältnismäßig lange dauert, ist nicht möglich (am Maßstab von Art. 19 Abs. 4 GG: BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 27. September 2011 – 1 BvR 232/11 – juris), zumal Zügigkeit oder Verfahrensbeschleunigung keine absoluten Werte sind, sondern stets im Zusammenhang mit den übrigen Verfahrensgrundsätzen, insbesondere dem Amtsermittlungsgrundsatz und dem damit korrespondierenden Interesse der Verfahrensbeteiligten an einer gründlichen und zutreffenden Bearbeitung durch das Gericht zu sehen sind (im Erg. ebenso für den Zivilprozess: OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. September 2012 - 4 EntV 7/12). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist nach Entstehungsgeschichte und Zielsetzung unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG zu Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie des EGMR zu Art. 6, 13 EMRK auszulegen (Schenke, NVwZ 2012, 257, 258). § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG benennt insoweit nur beispielhaft und ohne abschließenden Charakter Umstände, die für die Beurteilung der Angemessenheit besonders bedeutsam sind. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer sind danach Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens und das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritter. Während die rechtliche wie tatsächliche Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falls sowie die Bedeutung des Rechtsstreits Faktoren für eine notwendige Dauer angemessener Sachbehandlung und Verfahrensförderung sind, ist insbesondere das Verhalten des Entschädigungsklägers für die Frage relevant, welche Dauer der Kläger aufgrund eigenen Verhaltens als noch angemessen hinzunehmen hat. Auf der anderen Seite kann sich der Staat nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen (st. Rspr. des BVerfG, aus jüngerer Zeit z.B. Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Dezember 2010 – 1 BvR 404/10 – zitiert nach juris m.w.N. in Rn. 11). Überlastungstypische Verfahrensweisen können ebensowenig gegen eine Unangemessenheit angeführt werden wie die durchschnittliche Verfahrensdauer einer überlasteten Gerichtsbarkeit (vgl. zur Sozialgerichtsbarkeit, BVerfG, vom 14. Dezember 2010 - 1 BvR 404/10 – a.a.O.). Die Beurteilung der Angemessenheit erfolgt daher im Rahmen einer Zurechnung, ob eine Verzögerung überwiegend auf das Verhalten der Beteiligten oder auf eine Untätigkeit des Gerichts zurückzuführen ist (Magnus, ZZP 125 (2012), 75, 81 m.w.N.). Ungeachtet dessen haben die Gerichte aber auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen (BVerfG, vom 14. Dezember 2010 – 1 BvR 404/10 – a.a.O.). Insoweit beeinflusst die absolute Verfahrensdauer die Würdigung der Verfahrensförderung in einzelnen Abschnitten des Gerichtsverfahrens: Einerseits kann bei ungewöhnlich langen Laufzeiten im Einzelfall eine Vermutung für die Unangemessenheit ohne weitere Würdigung des Verhaltens der Beteiligten oder der Verfahrensförderung durch das Gericht sprechen (EGMR, Urteil vom 5. Oktober 2006 – 66491/01); andererseits kann eine (relative) Verzögerung in einem bestimmten Verfahrensstadium vertretbar sein, wenn die Gesamtverfahrensdauer nicht als unangemessen erachtet werden kann (EGMR, Urteil vom 2. Juni 2009 – 36853/05 – juris Rn. 45 m.w.N.). Die Prüfung der Unangemessenheit hat demnach in zwei Schritten zu erfolgen (vgl. zum Folgenden: Ott in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, a.a.O. § 198 GVG Rn. 97ff.; ähnl. Breitkreuz in: Breitkreuz/Fichte, SGG, Ergänzung zu § 202 SGG, Rn. 32, beide m.w.N.). Zunächst ist das Verfahren nach Feststellung der Schwierigkeit und Bedeutung daraufhin zu untersuchen, ob in den einzelnen Verfahrensabschnitten eine angemessene Sachbehandlung im Sinne der Gewährung effektiven Rechtsschutzes stattgefunden hat, und ist im Wege der Abwägung der o.g. Faktoren festzustellen, ob der Entschädigungskläger diese Dauer aufgrund einer Zurechnung der Verfahrensdauer, insbesondere wegen des Verhaltens der Verfahrensbeteiligten, im jeweiligen Abschnitt hinzunehmen hat oder aber diese dem Staat als unzureichende Verfahrensförderung zuzurechnen ist. Im Rahmen einer umfassenden Abwägung vor dem Hintergrund der Gesamtverfahrensdauer ist sodann zu prüfen, ob Verzögerungen kompensiert wurden oder aber eine unangemessene Gesamtverfahrensdauer ohne relative Verzögerungen eingetreten ist.
Hiernach stellt sich das Verfahren zunächst hinsichtlich Schwierigkeit und Bedeutung als durchschnittlich dar. Von keiner herausgehobenen Schwierigkeit ist auszugehen, da allein die Voraussetzungen einer Anspruchsgrundlage, nämlich des § 35 Abs. 1 SGB VII i.V.m. §§ 33 ff. SGB IX zu prüfen waren, für die – was hier nicht der Prüfung unterliegt – nach Würdigung des zuständigen Gerichts allerdings weitere Tatsachenaufklärung erforderlich war. Eine leicht gesteigerte Komplexität in tatsächlicher Hinsicht bezüglich der Möglichkeit der Verfahrensförderung ist darin zu sehen, dass der Kläger parallel gelagerte Rechtsstreite gegen dieselbe Beklagte betrieb. Während der ganzen Verfahrenslaufzeit gab es allein ein bis zwei parallel geführte Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht und mehrere weitere Rechtsstreite gegen andere Sozialleistungsträger. Der Rechtsstreit war für den Kläger nicht von nachrangiger, aber auch nicht von herausgehobener Bedeutung. Die Vielzahl der Widerspruchsverfahren und Rechtsstreite, die der Kläger im Bereich der Teilhabe am Arbeitsleben bzw. der beruflichen Rehabilitation geführt hat, waren ersichtlich von dem Wunsch getragen, nach zwei abgebrochenen Studiengängen gerade von Sozialversicherungsträgern Hilfe beim Einstieg in das Berufsleben zu erhalten. Der Rechtsstreit war insoweit allein aufgrund der damaligen Lebenssituation bedeutsam. Andererseits hat sich diese Strategie - vor allem ex post betrachtet bei der Erwartungshaltung des Klägers - letztlich als wenig zielführend erwiesen und der Rechtsstreit war insoweit einer unter mehreren parallel gelagerten.
Der Entschädigungsregelung unterliegt nur die Dauer des Gerichtsverfahrens, nicht auch des Widerspruchsverfahrens (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 13. September 2012 - L 38 SF 73/12 EK AS – juris). § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definiert ein Gerichtsverfahren als Verfahren von der Einleitung bis zum rechtskräftigen Abschluss. Aus den Gesetzesmaterialien (vgl. BT-Drs. 17/3802, S. 17) ergibt sich, dass das Widerspruchsverfahren nach dem Willen des Gesetzgebers unberücksichtigt bleibt. Für eine Entschädigungsregelung wegen Verzögerungen im Widerspruchsverfahren gebe es keinen Bedarf, da die Verfahrensordnungen – auch das SGG – mit der Untätigkeitsklage (§ 88 SGG) für den Fall, dass über einen Widerspruch ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden sei, die Möglichkeit einräume, unmittelbar Klage ohne Vorverfahren zu erheben. Der Prüfung unterliegt mithin der Verfahrensgang vom Eingang der Klage am 13. November 2002 bis zur Zustellung des Urteils des Landessozialgerichts am 14. Oktober 2010 mit einer Dauer von 7 Jahren 11 Monaten und einem Tag.
Die relative Verfahrensdauer der maßgeblichen Verfahrensabschnitte in der ersten Instanz ist wie folgt zu bewerten:
Zunächst ist für den Zeitraum ab Klageeingang bis Mitteilung der Entscheidung des Landessozialgerichts im Verfahren die Sache L 3 U 951/99 am 10. Mai 2004 entgegen der Auffassung des Klägers keine Unangemessenheit bereits zu Beginn des Verfahrens festzustellen. Bei der Prüfung, ob die Unangemessenheit der Verfahrensdauer in einem Verfahrensabschnitt auf einer dem Staat zuzurechnenden mangelnden Verfahrensförderung beruht, kommt es zwar wegen der oben dargestellten Tatbestandsstruktur nicht darauf an, ob die konkrete Verfahrenshandlung des Richters im amtshaftungsrechtlichen Sinne "vertretbar" ist (a. A. offenbar Roller, DRiZ 2012, Beilage Juni, 1, 5); auch schuldet der Staat keine "optimale Verfahrensförderung" (BVerfG, Beschluss vom 14. Dezember 2010 a.a.O. Rn. 16), zumal die Prüfung nach § 198 GVG keine Legitimation bietet, von der richterlichen Unabhängigkeit nach Art. 97 GG abgedecktes Verhalten isoliert am Maßstab von Art. 6 EMRK oder Art. 19 Abs. 4 GG als rechtsschutzvereitelnd zu bewerten. Aus der Pflicht des Gerichts, sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen, folgt aber, dass die Feststellung der Unangemessenheit Ergebnis einer Abwägung von bisheriger Verfahrensdauer und den feststellbaren Bemühungen um Verfahrensförderung mit dem Ziel der Rechtsschutzgewährung am Maßstab von Art. 6 EMRK und Art. 19 Abs. 4 GG zu ermitteln ist. Hiernach ist es nicht unangemessen, dass das Sozialgericht die vorgenannte Entscheidung des Landessozialgerichts abgewartet hat, bevor es eine Beweisanordnung erlassen hat. Zwar war das Verfahren vor dem Landessozialgericht nicht vorgreiflich, denn der Anspruch auf Teilhabeleistungen setzt keinen Rentenbezug voraus; da beide Verfahren aber die Unfallfolgen desselben Schulunfalles zum Gegenstand haben, war es naheliegend, vor einer Beweisaufnahme erst die Beweisaufnahme und Tatsachenwürdigung im Parallelverfahren zu Kenntnis zu nehmen. Die Kammervorsitzende hat sich zeitnah nach Feststellung der Erforderlichkeit einer weiteren Beweisaufnahme, die im Abtrennungsbeschluss vom 16. Oktober 2003 zum Ausdruck gekommen ist, nach dem Sachstand im Parallelverfahren erkundigt (Vfg. vom 18. November 2003) und die Mitteilung erhalten, dass eine Terminierung für Januar/Februar 2004 vorgesehen sei. Auf eine weitere Sachstandsanfrage erfolgte dann die Mitteilung über die Entscheidung am 21. April 2004. Gegen eine Unangemessenheit spricht insoweit sowohl der Umstand, dass die Kammervorsitzende das Parallelverfahren "im Blick" hatte, wie die Sachstandsanfragen zeigen, als auch das frühe Verfahrensstadium. Eine Unangemessenheit folgt auch nicht aus dem Verfahrensabschnitt der im Wesentlichen die Amtsermittlung bzw. die Beweisaufnahme betraf; von der Beweisanordnung bis zur Übersendung des Sachverständigengutachtens vergingen dreieinhalb Monate; die zwischenzeitliche Aktenübersendung an das Bundessozialgericht hat zu keinen nennenswerten Verzögerungen geführt. Zur (relativen) Unangemessenheit führt indes der Verfahrensgang nach Ablauf der Stellungnahmefristen zur Anhörung zur weiteren Beweiserhebung nach § 109 SGG und zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Nach Ablauf der Frist am 15. März 2005 vergingen noch über dreizehn Monate bis zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Insoweit geht der Senat davon aus, dass bei einem entscheidungsreifen Verfahren, welches die Voraussetzung zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid erfüllt und zum Zeitpunkt des Ablaufs der letzten Stellungnahmefrist bereits eine Verfahrensdauer von 2 Jahren und fünf Monate aufweist, die Verfahrensbeteiligten mit einer Entscheidung binnen fünf Monaten nach Ablauf der letzten Stellungnahmefrist rechnen dürfen, wenn innerhalb dieses Zeitraums keine weiteren Umstände eine Nichtbefassung rechtfertigen. Zwar gibt es keine Frist zur Absetzung des Gerichtsbescheides; ob nach Ablauf eines längeren Zeitraumes eine nochmalige Anhörung erforderlich ist, hängt davon ab, ob sich seit der Anhörung aus Sicht des Gerichts die Tatsachenlage entscheidungserheblich verändert hat (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 105 Rn. 11 m.w.N.). Indes ist vorliegend allein ein Zeitraum zu bestimmen, der noch als angemessene Verfahrensförderung angesehen werden kann. Jedenfalls dann, wenn nach übereinstimmender Bewertung des Gerichts und der Beteiligten von einem ausermittelten Sachverhalt auszugehen und eine fortgeschrittene Verfahrenslaufzeit festzustellen ist, ist diese Grenze nicht jenseits der Frist des § 552 ZPO zu ziehen, dem ein über die Regelung hinausgehender Rechtsgedanke der äußersten Frist für die Übergabe des vollständig abgefassten und unterschriebenen Urteils an die Geschäftsstelle nach Verkündung für alle Verfahrensordnungen entnommen werden kann (GmS-OGB, Beschluss vom 27. April 1993 – GmS-OGB 1/92 – juris).
Unerheblich ist der vom beklagten Land angeführte Dezernatswechsel. Zum einen ist dieser für die Verzögerung bis 1. September 2005 nicht kausal. Für den nachfolgenden Zeitraum gibt es keinen Hinweis, dass "höhere Gewalt" in Gestalt eines unvorhersehbaren Richterwechsels zur Verzögerung geführt hat. Ein vorhersehbarer Richterwechsel ist indes dem beklagten Land zuzurechnen.
Vorbehaltlich der abschließenden Gesamtwürdigung ergibt sich eine Verzögerung von acht Monaten.
Die relative Verfahrensdauer der maßgeblichen Verfahrensabschnitte in der zweiten Instanz ist wie folgt zu bewerten:
Bis zum Zeitpunkt der Gewährung rechtlichen Gehörs auf den am 16. August 2007 eingangenen Schriftsatz, der erstmals als Berufungsbegründung angesehen werden konnte, ist die Dauer des Verfahrensgang allein dem Kläger zuzurechnen, der einen ohne nähere Begründung nicht nachvollziehbaren Berufungsantrag gestellt hat. Trotz Erinnerung an die Berufungsbegründung mit Schreiben vom 16. März 2007 erfolgte eine Begründung erst mit dem o.g. Schriftsatz. Die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ging erst am 4. April 2007 ein. Zudem hat der Kläger den Verfahrensfortgang durch einen offensichtlich unzulässigen Verfahrensantrag auf mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht weiter verzögert. Auch insoweit ist es eine angemessene Verfahrensförderung gewesen, mit Schreiben vom 31. Juli 2006, 11. August 2006 und 11. Oktober 2006 auf eine sachgerechte Verfahrensführung, insbesondere auf die Rücknahme des Antrages auf mündliche Verhandlung, hinzuwirken. Ab der Übersendung der Abhilfeentscheidung vom 28. Oktober 2008 über die Anhörungsrüge bezüglich des ablehnenden PKH-Beschlusses vom 8. Februar 2008 bis zur Zustellung des Urteils ist ebenfalls keine dem beklagten Land zuzurechnende Verzögerung festzustellen, da alsbald ein reger Schriftwechsel zwischen den Beteiligten über die Würdigung der medizinischen Tatsachenlage einsetzte. Diese Korrespondenz hielt bis zur Bestimmung des Erörterungstermins vor dem Berichterstatter an. Im Erörterungstermin ergänzte der Kläger seinen bisherigen Vortrag hinsichtlich psychischer Unfallfolgen. Insoweit ist festzustellen, dass der Umfang des Tatsachenvortrages im letzten Verfahrensabschnitt eine aktive Verfahrensförderung durch das Gericht erschwert hat. Schließlich erfolgte die Terminierung zur Entscheidung durch Urteil zeitnah nach dem Erörterungstermin, in dem auch denkbare Verfahrensalternativen erörtert worden sind. Differenziert ist der Zeitraum von September 2007 bis November 2008 zu würdigen; eine Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch ca. fünf Monate nach Gewährung rechtlichen Gehörs über den Antrag ist bei isolierter Betrachtung noch nicht als unangemessene Verfahrensförderung anzusehen, indes hat der zuständige Senat diese Entscheidung achteinhalb Monate später auf eine Anhörungsrüge des Klägers hin korrigiert. Die Gesamtdauer des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens, währenddessen im Berufungsverfahren keine weiteren Schritte der Verfahrensförderung festgestellt werden konnten, kann allerdings auch nicht allein dem beklagten Land zugerechnet werden, da das Verfahrenshandeln des Klägers im Anhörungsrügeverfahren durch wenig konzentrierten Vortrag, zuweilen auch durch Polemik (Verweis auf eine Verfassungsbeschwerde "von unser aller Lieblingskindsmörder") und nicht zum Verfahrensgegenstand der Anhörungsrüge zuzuordnendes Vorbringen (Schriftsatz vom 21. April 2008 zum Auswahlrecht nach §§ 14 Abs. 5 SGB IX, 200 Abs. 2 SGB VII) geprägt war. Der letzte Schriftsatz zum Anhörungsrügeverfahren war die am 27. Mai 2008 eingegangene Stellungnahme der dortigen Beklagten auf den letzten Schriftsatz des Klägers. Selbst wenn man eine – nicht gesetzte – kurze Frist zur Gewährung rechtlichen Gehörs in die Prüfung miteinstellen würde, so wäre im Hinblick auf die Dauer des Berufungs- und des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens eine zeitnahe Förderung des Gesamtverfahrens zumindest durch Entscheidung über die Anhörungsrüge ab Ende Juni 2008 möglich gewesen. Hinderungsgründe sind insoweit nicht dokumentiert. Vorbehaltlich einer abschließenden Gesamtwürdigung ist der Zeitraum von vier Monaten ab Ende Juni 2008 bis zur Entscheidung über die Anhörungsrüge mit Beschluss vom 28. Oktober 2008 als dem beklagten Land zuzurechende unterbliebene Verfahrensförderung anzusehen. Der Senat verkennt bei dieser Würdigung des Verfahrensganges nicht, dass eine Mitursache für die Verfahrensdauer auch vor dem Landessozialgericht die Belastung der Spruchkörper mit noch älteren Verfahren war. Die Bestandssituation prägte die Handhabung des Verfahrens ersichtlich und ist auch grundsätzlich dem beklagten Land zuzurechnen. Der Kläger kann sich aber nicht darauf berufen, dass unabhängig von seinen Verursachungsbeiträgen der zuständige Senat durch eine straffere Verfahrensführung einschließlich der Setzung von Präklusionsfristen eine zügigere Entscheidung hätte anstreben müssen. Denn hierfür wiegen zum einen die Verstöße des Klägers gegen die ihn treffenden Verfahrensförderungsobliegenheiten zu schwer: Von den rund viereinhalb Jahren Dauer des Berufungsverfahrens entfallen die ersten eineinhalb Jahren auf die Befassung beider Gerichte mit einem offensichtlich unzulässigen Antrag auf mündliche Verhandlung sowie auf die fehlende Vervollständigung des Antrages auf Prozesskostenhilfe (Begründung und Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse) trotz Erinnerung durch die Berichterstatterin. Erst ab Ende 2008, also erst zweieinhalb Jahre nach Eingang der Berufung, vertieft der Kläger seinen Tatsachenvortrag und ergänzt ihn noch bis in das Jahr 2010 stetig mit inhaltlich neuem Vorbringen. Zum anderen kann dem seinerzeit zuständigen Senat nicht zum Vorwurf gemacht werden, das grundsätzlich durch Klägerfreundlichkeit geprägte Recht des sozialgerichtlichen Verfahrens z.B. durch Verzicht auf das Setzen einer Präklusionsfrist auch klägerfreundlich angewandt zu haben. Nach dem Wortlaut von § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ist das Verhalten des Entschädigungsklägers ein wesentlicher Zurechnungsfaktor. Dem widerspräche es, wenn der Entschädigungskläger ohne Hinzutreten weiterer Umstände mit dem Argument durchdränge, das Verfahren sei unangemessen lang geworden, weil das Gericht den Entschädigungskläger nicht am Vortrag gehindert habe. Auch der Grundsatz des "venire contra factum proprium" spricht somit gegen eine Zurechnung der entsprechenden Verfahrensdauer zu Lasten des beklagten Landes.
Auch im Rahmen der im zweiten Schritt anzustellenden umfassenden Würdigung der Gesamtverfahrensdauer ist von einer Unangemessenheit von insgesamt einem Jahr auszugehen. Weder in der ersten Instanz noch in der zweiten Instanz sind Abschnitte festzustellen, in denen die festgestellte relative Unangemessenheit durch eine gesteigerte Verfahrensförderung kompensiert worden wäre. Die Gesamtdauer bewegt sich ferner ersichtlich nicht in einem Bereich, in dem von offensichtlicher Angemessenheit gesprochen werden kann. Umgekehrt kann bei einer Dauer von 7 Jahren und 11 Monaten für zwei Instanzen aber auch keine absolute Überlänge festgestellt werden, die über die festgestellte relative Verzögerung von einem Jahr hinaus ginge.
In der Rechtsfolge kann der Kläger die geltend gemachte pauschalisierte Entschädigung beanspruchen.
Eine Wiedergutmachung in andere Weise, insbesondere durch die Feststellung, dass die Verfahrensdauer unangemessen war, liegt nicht vor bzw. wäre nicht ausreichend (§ 198 Abs. 2 Satz 2 GVG). Gründe, dass eine derartige Feststellung genügen würde, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Eine Wiedergutmachung auf andere Weise durch aktives Handeln des beklagten Landes ist nicht erfolgt. Eine Feststellung der Unangemessenheit wäre nicht ausreichend, da weder die Bedeutung des Verfahrens oder die Entschädigung in Geld für den Kläger vernachlässigbar ist noch der Ursachenanteil des Klägers an der Verzögerung derart überwiegt, dass eine Entschädigung nicht angezeigt erscheint, weil der Verursachungsanteil des beklagten Landes zu vernachlässigen wäre.
Bei Anwendung des § 198 Abs. 2 Satz 3 GVG ergibt sich ein Entschädigungsanspruch in Höhe von 1.200,00 EUR. Regelmäßig beträgt die Entschädigung nach der genannten Vorschrift 1.200,00 EUR für jedes Jahr der Verzögerung. Nach dem insoweit offenen Wortlaut und der eindeutigen Entstehungsgeschichte sind auch Zeiträume von unter einem Jahr entschädigungsfähig (vgl. BSG, Urteil vom 21. Februar 2013 – B 10 ÜG 1/12 KL – zitiert nach dem Terminbericht; BT-Drs. 17/3802, 20; a.A. LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 29. November 2012 – L 10 SF 5/12 ÜG – juris) mithin auch die Summe aus entsprechenden Zeiträumen aus zwei Instanzen. Zu Grunde zu legen ist vorliegend eine dem beklagten Land zuzurechnende Verzögerung von acht Monaten in der ersten Instanz sowie vier Monaten in der zweiten Instanz, mithin ein Jahr.
Der Senat hat sich nicht veranlasst gesehen, von diesem Betrag nach oben oder unten abzuweichen, denn der Betrag ist nach den Umständen des Einzelfalls nichts als unbillig anzusehen (§ 198 Abs. 2 Satz 4 GVG). Bei einem Verhältnis einer Gesamtdauer von sieben Jahren und über elf Monaten bildet eine Entschädigung von einem Jahr unangemessener Überlänge einerseits den erheblichen Verursachungsanteil des Klägers an der Verfahrensdauer hinreichend ab und fällt damit nicht zu hoch aus. Anhaltspunkte für eine unbillig niedrige Entschädigung werden vom Kläger weder vorgetragen noch sind sie sonst erkennbar.
Der zuerkannte Anspruch auf Prozesszinsen folgt nach allgemeinen Regeln aus entsprechender Anwendung der §§ 288 Abs. 1, 291 BGB. Jedenfalls bei Leistungsklagen außerhalb des Anwendungsbereichs des § 44 SGB I stehen der entsprechenden Anwendung der genannten Vorschriften keine sozialrechtlichen Besonderheiten entgegen (BSG, Urteil vom 4. März 2004 – B 3 KR 4/03 R; Müller, SGb 2010, 336, 338ff. m.w.N. auch zur älteren Gegenansicht einzelner Senate des BSG). Die analoge Anwendung folgt auch aus der Entstehungsgeschichte der Rechtswegzuweisung, mit der keine Veränderung der materiellen Rechtslage gegenüber der Durchsetzung des Anspruchs in der ordentlichen Gerichtsbarkeit bezweckt wurde. Bei der Anwendung von §§ 288 Abs. 1, 291 BGB ist auf die Rechtshängigkeit der hiesigen Klage abzustellen, nicht des Ausgangsverfahrens, für das Entschädigung beansprucht wird. Soweit Prozesszinsen für den Zeitraum vor dem 4. Juli 2012 beansprucht werden, war die Klage abzuweisen.
Da dem Hauptantrag dem Grunde nach und im Wesentlichen auch der Höhe nach im Sinne der beantragten Mindesthöhe entsprochen wurde, war über den Hilfsantrag nicht zu entscheiden, zumal sich die begehrte Feststellung aus der zugesprochenen Entschädigung ergibt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 6, 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da kein Fall der Sonderregelung des § 202 SGG i.V.m. § 201 Abs. 4 GVG vorliegt. Der Senat hat den klägerischen Antrag dahingehend ausgelegt, dass er eine Entschädigung von mindestens 1.200,00 EUR beansprucht hat; insoweit war bei der Kostenentscheidung lediglich das im Ergebnis zu vernachlässigende Unterliegen beim Zinsanspruch zu würdigen.
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Zwar hat sich der Senat bei der Prüfung der Unangemessenheit ausnahmslos an allgemein anerkannten Rechtssätzen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausgerichtet. Die weitere einheitliche Konkretisierung dieser Rechtssätze im Rahmen der Übertragung auf § 198 GVG im Sinne von Abwägungsdirektiven ist jedoch ebenso im allgemeinen Interesse gerade an der Wahrung der Rechtseinheit wie die Klärung der Reichweite der Übergangsregelung des Art. 23 ÜberlVfRSchG sowie des Anspruchs auf Prozesszinsen.
------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Berichtigungsbeschluss
Das Urteil vom 6. Februar 2013 wird wie folgt berichtigt:
Der Tenor zu I. (Satz 1) lautet: "Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.200,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 4. Juni 2012 zu zahlen."
Die Entscheidungsgründe (Seite 23, 3. Absatz, letzter Satz) lauten: "Soweit Prozesszinsen für den Zeitraum vor dem 4. Juni 2012 beansprucht werden, war die Klage abzuweisen."
Gründe:
An den genannten Stellen enthält das Urteil vom 6. Februar 2013 die unzutreffende Angabe "4. April 2012" bzw. "4. Juli 2012".
Es handelt sich um offenbare Unrichtigkeiten, die gemäß § 138 Sozialgerichtsgesetz (SGG) von Amts wegen zu berichtigen waren.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved