S 8 AS 940/11

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 AS 940/11
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Kläger einen Anspruch auf eine zuschussweise Gewährung von Leis-tungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeit-suchende (SGB II) anstelle eines Darlehens haben.

Der am 00.00.00 geborene Kläger zu 1) und die am 00.00.00 geborene Klägerin zu 2) sind jeweils zur Hälfte Eigentümer eines in Aldenhoven gelegenen Hausgrundstücks. Das seit Ende 1998 bezugsfertige Zweifamilienhaus wird von den Klägern teilweise selbst bewohnt, im Obergeschoss befindet sich zudem eine vermietete Wohnung.

Am 07.05.2010 beantragten die Kläger Leistungen nach dem SGB II bei dem Beklagten. Als Vermögenswert gaben sie ihr Hausgrundstück an. Die Grundstücksgröße bezifferten sie mit 549 qm, die Wohnfläche des Hauses mit 182 qm. Eine Fläche von 96 qm werde von ihnen selbst bewohnt, 86 qm seien vermietet. Den Verkehrswert des Hausgrund-stücks gaben die Kläger mit 320.000 EUR an.

Mit Bescheid vom 29.06.2010 bewilligte der Beklagte den Klägern als Bedarfsgemein-schaft darlehensweise Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 230,35 EUR für die Zeit vom 07.05.2010 bis zum 31.05.2010 und in Höhe von monatlich jeweils 1.327,51 EUR für die Zeit ab dem 01.06.2010 bis zum 06.11.2010. Zur Begründung führte der Beklagte aus, das Hausgrundstück in Aldenhoven stelle zu berücksichtigendes Vermögen dar. Zwar sei die Grundstücksfläche angemessen, allerdings überschreite die Wohnfläche den angemessenen Grenzwert. Bei den Klägern liege weder ein erhöhter Wohnraumbedarf vor noch seien andere Gründe für die Anerkennung der Angemessenheit gegeben. Die sofortige Verwertung des Grundstücks sei aber nicht möglich, so dass Leistungen als Darlehen zu erbringen seien.

Gegen den Bescheid vom 29.06.2010 erhoben die Kläger am 16.07.2010 und – noch-mals – am 29.07.2010 Widerspruch.

Mit Änderungsbescheid vom 18.08.2010 setzte der Beklagte die SGB II-Leistungen der Kläger ab September 2010 darlehensweise auf 943,51 EUR fest. Hierbei berücksichtigte er bedarfsmindernd einen ab dem 01.09.2010 an die Kläger ausgezahlten Lastenzu-schuss nach dem Wohngeldgesetz in Höhe von monatlich 384,00 EUR.

Am 29.10.2010 beantragten die Kläger die Fortzahlung der SGB II-Leistungen für die Zeit ab dem 01.11.2010. Hierzu überreichten sie eine Bescheinigung der LBS vom 04.11.2010, wonach der Immobilienmarkt derzeit sehr angespannt sei und daher nicht mit einem schnellen Verkauf des Hausgrundstücks zu einem realistischen Preis zu rechnen sei.

Mit Änderungsbescheid vom 24.11.2010 berechnete der Beklagte die SGB II-Leistungen für die Zeit vom 07.05.2010 bis zum 31.10.2010 unter Berücksichtigung der monatlichen Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung neu. Die Leistungen setzte der Beklagte darlehensweise nunmehr wie folgt fest: 231,00 EUR für Mai 2010, 1.466,40 EUR für Juni bis August 2010 und 1.082,40 EUR für September bis Oktober 2010.

Mit Bescheid vom 25.11.2010 bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.11.2010 bis zum 30.04.2011 als Darlehen in Höhe von monatlich 1.081,91 EUR. Die Begründung für die darlehensweise Gewährung entsprach der Begründung aus dem Bescheid vom 29.06.2010.

Am 13.12.2010 erhoben die Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.11.2010. Zur Begründung führten sie aus, die ihnen zur Verfügung stehende Wohnfläche belaufe sich auf 103 qm und sei daher auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts angemessen. Das Hausgrundstück stelle kein zu berücksichtigendes Vermögen dar.

Am 04.05.2011 ließ der Beklagte das Hausgrundstück durch den Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Düren besichtigen. In dem von diesem erstellten Wertgutachten vom 16.05.2011 wird der Verkehrswert (Marktwert) des klägerischen Hausgrundstücks mit 325.000 EUR angegeben. Die Wohnfläche belaufe sich auf rund 192 qm.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.09.2011 wies der Beklagte die Widersprüche der Klä-ger als unbegründet zurück. Unter Berücksichtigung der vom Bundessozialgericht aner-kannten Größengrenzen sei das Haus der Kläger unangemessen groß. Im Rahmen der Prüfung der Angemessenheit sei die gesamte Wohnfläche unter Einschluss der vermieteten Wohnung maßgeblich. Diese belaufe sich auf 192 qm. Das Hausgrundstück sei somit als Vermögen zu berücksichtigen. Eine besondere Härte liege nicht vor. Da die sofortige Verwertung des Hausgrundstücks nicht möglich gewesen sei, seien Leistungen zu Recht als Darlehen bewilligt worden.

Hiergegen richtet sich die am 30.09.2010 erhobene Klage.

Die Kläger sind der Auffassung, bei ihrem Hausgrundstück handele es sich nicht um zu berücksichtigendes Vermögen. Zwar treffe es zu, dass das Wohnhaus eine Wohnfläche von insgesamt 192 qm habe. Hiervon würden aber nur 96,41 qm von den Klägern selbst genutzt, 76 qm entfielen auf die vermietete Wohnung. Das von dem Beklagten eingeholte Wertgutachten entspreche nicht der Realität. Ein Preis von 325.000 EUR sei für das Hausgrundstück keinesfalls zu erzielen. Allenfalls sei ein Preis von 200.000 EUR realistisch. Das Hausgrundstück weise derzeit eine Schuldenbelastung in Höhe von 203.526,45 EUR zu Gunsten der Sparkasse auf. Im Falle einer Veräußerung würde es von Seiten der Sparkasse zudem zu Vorfälligkeitszinserhebungen kommen, die ca. 45.000 EUR bis 47.000 EUR betragen würden. Auch bei einer Veräußerung beliebe daher kein Vermögen übrig, welches vorrangig zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen wäre.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2010 und der Ände-rungsbescheide vom 18.08.2010 und 24.11.2010 sowie des Bescheides vom 25.11.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.09.2011 zu verurteilen, Leistungen nach dem SGB II zuschussweise zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Unter Berücksichtigung des eingeholten Wertgutachtens fehle für die Annahme, es könne lediglich ein Verkaufserlös von 200.000 EUR erzielt werden, jegliche Grundlage. Es handele es sich um eine Schutzbehauptung der Kläger. Auch bei Berücksichtigung von Vorfälligkeitszinsen wegen vorzeitiger Schuldentilgung verbleibe ein Vermögensbetrag, von dem die Kläger ihren Lebensunterhalt eine Zeit lang sicherstellen könnten.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat das Gericht ein Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. Valter eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vom 29.04.2012 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Kläger werden durch die angegriffenen Bescheide nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert. Ein Anspruch auf eine zuschussweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II besteht nicht, weil die Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum nicht hilfebedürftig waren.

Hilfebedürftig ist gemäß § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliede-rung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft leben-den Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen, sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere nicht von Trägern anderer Sozialleistungen erhält. Diese Voraussetzungen erfüllen die Kläger nicht. Denn sie waren imstande, ihren Lebensunterhalt im streitgegenständlichen Zeitraum aus ihrem zu berücksichtigenden Vermögen sicherzustellen.

Gemäß § 12 Abs. 1 SGB II sind als Vermögen alle verwertbaren Vermögensgegenstände zu berücksichtigen. Dazu gehört das Hausgrundstück der Kläger. Ein Fall des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II, wonach ein selbst genutztes Hausgrundstück von angemessener Größe nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist, liegt nicht vor. Denn das Hausgrund-stück der Kläger ist nicht "angemessen groß". Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist bei der Konkretisierung des Rechtsbegriffs der angemessenen Größe im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II im Grundsatz bundeseinheitlich auf die Vorgaben des außer Kraft getretenen Zweiten Wohnbaugesetzes (II. WoBauG) vom 19.08.1994 abzustellen, wobei eine Differenzierung nach der Bewohnerzahl – nicht nur beschränkt auf die Bedarfsgemeinschaft – angebracht ist (Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 16.05.2007 – B 11b AS 37/06 R, vom 07.11.2006 – B 7b AS 2/05 R). Nach § 39 Abs. 1 Satz. 1Nr. 1 II. WoBauG lag die Angemessenheitsgrenze für ein Familienheim mit nur einer Wohnung bei einem Vier-Personen-Haushalt bei 130 qm, wobei sich für jede weitere Person die Wohnfläche um 20 qm erhöhte (§ 82 Abs. 3 II. WoBauG). Entsprechend ist die angemessene Wohnfläche zu reduzieren, wenn ein Hausgrundstück nur von weniger Personen bewohnt wird, so dass die angemessene Wohnfläche für zwei Personen regelmäßig bei 90 qm liegt (BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 34/06 R). Dieser Grenzwert kann allerdings nicht als quasi normative Größe herangezogen werden. Er orientiert sich am Durchschnittsfall und bedarf je nach den Umständen des Einzelfalles einer Anpassung nach oben, gegebenenfalls aber auch nach unten (BSG, Urteil vom 19.09.2008, B 14 AS 54/07 R). Nach diesen Vorgaben handelt es sich vorliegend nicht um ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 SGB II. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit nicht allein auf die von den Klägern selbst genutzte Wohnfläche, sondern vielmehr auf die Wohnfläche des gesamten Eigentums einschließlich der vermieteten Wohnung abzustellen ist (BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 99/11 R; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 09.05.2012, L 12 AS 1464/11). Denn anders als bei einem Miteigentumsanteil bestehen im Falle des hier vorliegenden Alleineigentums keine eigentumsrechtlichen Ein-schränkungen in dem Sinne, dass jeder Miteigentümer durch die Rechte der anderen Miteigentümer in seinem Nutzungsrecht, auch dem Wohnnutzungsrecht, eingeschränkt ist. Solange eine Teilung nicht vorliegt, ist daher das Hausgrundstück in seiner Gesamtheit zu beurteilen (BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 99/11 R). Die Kläger haben die Gesamtwohnfläche des Hausgrundstücks in ihrem Leistungsantrag vom 07.05.2010 mit 182 qm angegeben. Im Rahmen des Klageverfahrens haben sie diese Angabe auf 192 qm korrigiert. Der Sachverständige hat die Gesamtwohnfläche in seinem Gutachten vom 29.04.2012 mit 207,20 qm ermittelt, wovon 76,41 qm auf die vermietete Wohnung im Obergeschoss entfallen sollen (Blatt 88 der Gerichtsakte). Welcher dieser Werte zutrifft, kann letztlich dahinstehen. Denn es steht jedenfalls fest, dass die Wohnfläche deutlich über der regelmäßig für einen Zwei-Personen-Haushalt einschlägigen Angemessenheitsgrenze von 90 qm liegt. Für eine Unbeachtlichkeit dieser Überschreitung aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls bestehen keine Anhaltspunkte.

Das Hausgrundstück der Kläger ist auch ein verwertbarer Vermögensgegenstand im Sin-ne des § 12 Abs. 1 SGB II. Der Begriff der Verwertbarkeit ist ein rein wirtschaftlicher und beurteilt sich sowohl nach den tatsächlichen als auch nach den rechtlichen Verhältnissen (BSG, Urteil vom 16.05.2007 – B 11b AS 37/06 R; LSG NRW, Urteil vom 29.06.2011 – L 12 AS 1484/10). Tatsächlich nicht verwertbar sind Vermögensbestandteile, für die in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden sein wird, sei es, dass Gegenstände dieser Art nicht (mehr) marktgängig sind oder dass ein Grundstück infolge sinkender Immobilienpreise über den Marktwert hinaus belastet ist (BSG, Urteil vom 16.05.2007 – B 11b AS 37/06 R; LSG NRW, Urteil vom 29.06.2011 – L 12 AS 1484/10). Rechtlich nicht verwertbar ist ein Vermögensgegenstand, für den Verfügungsbeschränkungen bestehen, deren Aufhebung der Hilfebedürftige nicht erreichen kann (LSG NRW, Urteil vom 09.05.2012, L 12 AS 1464/11). Dass derartige Verwertungshindernisse bestehen, ist insbesondere dem gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten vom 29.04.2012 nicht zu entnehmen. Aus der von den Klägern vorgelegten Bescheinigung der LBS vom 04.11.2010 geht zwar hervor, dass nicht mit einem "schnellen" Verkauf des Hausgrundstücks zu rechnen sei. Dass im Fall ernsthafter Verkaufsbemühungen auch eine Verwertung in absehbarer Zeit nicht möglich ist, haben die Kläger hingegen nicht dargetan.

Die Verwertung des Hausgrundstücks ist auch nicht offensichtlich unwirtschaftlich im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 1. Alt. SGB II. Von einer offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung ist auszugehen, wenn der auf dem Markt erzielbare Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum "wirklichen Wert" steht (BSG, Urteile vom 16.05.2007 – B 11b AS 37/06 R, und vom 25. April 2002 – B 11 AL 69/01 R). Es ist mithin zu ermitteln, welchen Verkaufspreis der jeweilige Vermögensgegenstand im Zeitpunkt der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II auf dem Markt hatte (BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 99/11 R). Dieser aktuelle (gegenwärtige) Verkaufspreis ist dem Substanzwert gegenüberzustellen. Eine Unwirtschaftlichkeit kommt demnach etwa in Betracht, wenn bei einer Veräußerung wesentlich weniger als der von den Klägern zum Erwerb des Grundstücks und zur Erstellung des Hauses aufgewendete Gesamtbetrag erzielt werden könnte; gewisse Verluste – insbesondere unter dem Aspekt veränderter Marktpreise und des bisher in Anspruch genommenen Wohnwertes – können jedoch als zumutbar angesehen werden (BSG, Urteil vom 16.05.2007 – B 11b AS 37/06 R; Geiger, in; Münder (Hrsg.), Lehr- und Praxiskommentar zum Sozialgesetzbuch II, 4. Auflage 2011, Rn. 62 zu § 12 SGB II). Eine absolute Grenze lässt sich bei Immobilien nicht ziehen. Der Sachverständige hat den Verkehrswert des Hausgrundstücks der Kläger in seinem Gutachten wie folgt ermittelt: 285.000 EUR zum 07.05.2010 und 01.11.2010, 287.000 EUR zum 30.04.2011 und 307.000 EUR zum 27.04.2012. Die Kammer folgt den Ausführungen des Sachverständigen. Das Gutachten wurde ordnungsgemäß erstellt, ist in sich schlüssig und enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass für die Gutachtenerstellung erforderliche und maßgebliche Parameter unrichtig erhoben oder gewürdigt wurden. Der Sachverständige hat das Hausgrundstück am 27.04.2012 persönlich besichtigt. Zudem hat er für die Gutachtenerstellung relevante Unterlagen beigezogen, etwa Bauzeichnungen (Grundrisse, Ansichten, Schnitte), einen Grundbuchauszug sowie eine Berechnung des Bruttorauminhalts und der Wohn- und Nutzflächen. Die konkreten örtliche Verhältnisse, etwa Grund- und Bodenverhältnisse sowie Einzelheiten zu dem Gebäude und den Außenanlagen, hat der Sachverständige in seinem Gutachten ausführlich beschrieben. Demgegenüber haben die Kläger den Verkehrswert ihres Hausgrundstücks im Rahmen ihres Leistungsantrags vom 07.05.2010 mit 320.000 EUR beziffert. Wenn man diese eigene Einschätzung der Kläger als Substanzwert zu Grunde legt, würde die Differenz zwischen dem Substanzwert (320.000 EUR) und dem zur Zeit der SGB II-Antragstellungen am 07.05.2010 bzw. 29.10.2010 auf dem Markt erzielbaren Verkaufspreis (285.000 EUR) ca. 11% betragen. Dies reicht für ein deutliches Missverhältnis, welches eine offensichtlich unwirtschaftliche Verwertung begründen könnte, nicht aus.

Die Verwertung stellt für die Kläger ferner keine besondere Härte dar. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alt. SGB II sind als Vermögen nicht zu berücksichtigen Sachen oder Rechte, soweit ihre Verwertung nach den jeweiligen Umständen für den Betroffenen eine besondere Härte bedeuten würde. Hierzu müssen außergewöhnliche Umstände vorliegen, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangen als eine ein-fache Härte und erst recht als die mit der Vermögensverwertung stets verbundenen Einschnitte (LSG NRW, Urteil vom 09.05.2012, L 12 AS 1464/11). Der Kläger zu 1) war zum Zeitpunkt der Beantragung der streitgegenständlichen SGB II-Leistungen 57 bzw. 58 Jahre alt (Anträge vom 07.05.2010 und 29.10.2010). Die Klägerin zu 2) war zu den vorgenannten Zeitpunkten 60 bzw. 61 Jahre alt. Allein das Alter der Kläger und der Umstand, dass die Verwertung des Hausgrundstücks für diese verständlicherweise eine besondere Belastung darstellt, führen noch nicht zur Bejahung einer besonderen Härte. Dies machen auch die Gesetzesmaterialien deutlich. Hiernach soll ein Härtefall etwa dann vorliegen, wenn ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger kurz vor dem Rentenalter seine Ersparnisse für die Altersvorsorge einsetzen müsste, obwohl seine Rentenversicherung Lücken wegen selbstständiger Tätigkeit aufweist (Bundestags-Drucksache 15/1749, S. 32). Dem kann entnommen werden, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers nicht allein der Verlust der Altersvorsorge und dessen Zeitpunkt, sondern beides auch nur zusammen mit der Versorgungslücke eine besondere Härte darstellt. Es sind daher nur besondere, bei anderen Hilfebedürftigen nicht anzutreffende Umstände beachtlich und in ihrem Zusammenwirken zu prüfen (LSG NRW, Urteil vom 09.05.2012, L 12 AS 1464/11). Derartige besondere Umstände sind nicht gegeben. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Kläger mit dem Hausgrundstück über einen nicht geschützten Vermögensgegenstand ver-fügen, der hinsichtlich seiner Größe erheblich über das von § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II geschützte Hausgrundstück im Sinne der Erfüllung des Grundbedürfnisses "Wohnen" als räumlicher Lebensmittelpunkt hinausgeht (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2012, B 4 AS 99/11 R).

Entgegen der Auffassung der Kläger verbleibt auch bei Berücksichtigung der vom Vermögen abzusetzenden Beträge ein einzusetzender Vermögenswert. Wie bereits ausgeführt, hat der Sachverständige den Verkehrswert des Hausgrundstücks nachvollziehbar mit 285.000 EUR ermittelt. Ausweislich der in der Verwaltungsakte enthaltenen Kontoauszüge war das Hausgrundstück am 31.03.2010, d.h. kurz vor der ersten SGB II-Antragstellung am 07.05.2010, mit Darlehensverbindlichkeiten in Höhe von 203.526,45 EUR belastet. Zu Gunsten der Kläger sind zudem jeweils der Grundfreibetrag des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II und der Freibetrag für notwendige Anschaffungen gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB II zu berücksichtigen. Insgesamt beliefen sich diese Freibeträge zu den Antragszeitpunkten 07.05.2010 und 29.10.2010 auf 19.050 EUR bzw. 19.350 EUR. Selbst wenn man die von den Klägern nur ganz pauschal behaupteten und auch auf Nachfrage des Gerichts nicht nachgewiesenen Vorfälligkeitszinsen mit 47.000 EUR vollständig als zusätzliche Verbindlichkeit berücksichtigen würde, würden sich die vom Vermögen abzusetzenden Beträge im Zeitpunkt der SGB II-Antragstellungen auf maximal 269.576,45 EUR bzw. 269.876,45 EUR belaufen. Ausgehend von dem Verkehrswert des Hausgrundstücks verbliebe damit ein Vermögenswert in Höhe von 15.423,55 EUR bzw. 15.123,55 EUR. Im Hinblick darauf, dass die Kläger für die Erhebung von Vorfälligkeitszinsen seitens der Sparkasse keinerlei Nachweis erbracht haben, ist jedoch davon auszugehen, dass der den Klägern verbleibende Vermögenswert deutlich höher liegt.

Nach alledem haben die Kläger keinen Anspruch auf eine zuschussweise Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Der Beklagte hat mit dem angefochtenen Bescheid allerdings zutreffend das Vorliegen der Voraussetzungen des § 23 Abs. 5 SGB II a.F. bejaht und die beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Darlehen bewilligt. Denn den Klägern war im streitgegenständlichen Zeitraum eine sofortige Verwertung des Hausgrundstücks nicht möglich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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