S 22 AS 1107/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
22
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 22 AS 1107/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Aufspaltung eines Bescheides und der Erhebung mehrerer Klagen bezüglich der einzelnen in ihm enthaltenen Verwaltungsakte ohne sachgerechte prozess- oder materiell-rechtliche Gründe oder ein besonderes prozesstaktisches Verhalten ist mutwillig. Der Prozessbevollmächtigte verstößt damit in offensichtlicher Weise gegen seine gegenüber dem Kläger aus dem Mandatsverhältnis erwachsende Kostenminderungspflicht.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Der Kläger wendet sich in der Hauptsache gegen die Ablehnung der Übernahme eines doppelten Mietzinses für September 2011 durch den Bescheid des Beklagten vom 25.11.2011.

Der am geborene Kläger bezieht vom Beklagten Leistungen der Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 28.09.2011 beantragte er beim Beklagten die Übernahme der aufgrund eines Umzugs anfallenden doppelten Mietzahlung für den Monat September 2011 sowie Mietkaution für die neue Wohnung. Mit Bescheid vom 25.11.2011 lehnte der Beklagte den Antrag bezüglich beider Leistungen ab. Gegen den Bescheid legte der Kläger mit einem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 27.12.2011 Widerspruch gegen die Ablehnung der Übernahme der doppelten Mietzinszahlung und mit einem weiteren Schriftsatz vom 27.12.2011 Widerspruch gegen die Ablehnung der Übernahme der Mietkaution ein. Die Widersprüche wurden mit Widerspruchsbescheid vom 07.02.2012 zurückgewiesen.

Mit Schriftsätzen seines Prozessbevollmächtigten vom 05.03.2012 hat der Kläger zwei Klagen erhoben und zugleich Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten gestellt. Unter dem Aktenzeichen S 22 AS 1106/12 wird die Klage gegen die Ablehnung der Übernahme der Mietkaution und unter dem Aktenzeichen S 22 AS 1107/12 die vorliegende Klage gegen die Ablehnung der doppelten Mietzahlung geführt.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt ist zulässig, aber unbegründet.

Voraussetzung für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nach § 73 a Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO), dass neben dem Vorliegen der Bedürftigkeit die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichend Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Erfolgsaussicht heißt dabei nicht Erfolgsgewissheit. Hinreichende Erfolgsaussichten sind vielmehr bereits dann zu bejahen, wenn der Rechtsstandpunkt eines Klägers zumindest vertretbar ist oder auch noch eine Beweisaufnahme notwendig ist (Thomas/Putzo, ZPO, § 114 Rn. 3 f.). Bei der Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung ist maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage abzustellen, wie sie sich im Zeitpunkt einer ordnungsgemäßen Entscheidung durch das zuständige Gericht darstellt. Nach diesem Zeitpunkt eingetretene tatsächliche Veränderungen bleiben grundsätzlich unberücksichtigt (sogenannte Bewilligungsreife; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.01.2008 - L 28 B 2139/07 AS PKH -, zit. in Juris). Die Bewilligungsreife ist dann gegeben, wenn nach Antragstellung die für die Entscheidung maßgeblichen Unterlagen dem Gericht vorliegen und das Gericht nach Gewährung rechtlichen Gehörs entscheiden könnte (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, § 119 Rn. 12 ff.). Dies ist vorliegend zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung der Fall.

Vorliegend kann offen bleiben, ob der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten nicht schon deshalb abzulehnen ist, weil der Kläger bisher keine Erklärung über seine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse oder sonstige Unterlagen vorgelegt hat, aus denen das Gericht nachvollziehen kann, ob und inwieweit er in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung insgesamt oder in Raten zu tragen. Allein der Umstand, dass der Kläger Leistungen nach dem SGB II bezieht genügt für die Annahme einer Bedürftigkeit im Sinne des Prozesskostenhilferechts noch nicht. Dies folgt schon daraus, dass § 115 Abs. 3 Satz 2 ZPO hinsichtlich der Schonvermögensgrenzen auf § 90 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) abstellt, wogegen § 12 Abs. 2 SGB II bereits einen Grundfreibetrag von 3.100,00 EUR gewährt. Dies kann im Einzelfall zur Folge haben, dass ein Bezieher von SGB II-Leistungen nicht bedürftig i.S.v. §§ 114 und 115 ZPO ist und damit bereits aus diesem Grund die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu versagen wäre.

Offen bleiben kann auch, ob die Klage hinreichende Erfolgsaussichten hat. Denn die vorliegende Klage ist mutwillig.

Von Mutwilligkeit i.S.v. § 73 a SGG i.V.m. § 114 ZPO ist auszugehen, wenn ein verständiger Beteiligter, der für seine Prozesskosten selbst aufkommen muss, die von der Prozesskostenhilfe beantragenden Partei angestrebte Rechtsverfolgung zur Schonung eigener Mittel unterlassen würde, ferner wenn sich das angestrebte Ziel auch auf andere, einfachere und kostengünstigere Weise erzielen lässt. Dies ist vorliegend der Fall. Gem. § 95 SGG ist Klagegegenstand der Verwaltungsakt in der Gestalt des Widerspruchsbescheides. Dabei ist der Verwaltungsakt (§ 31 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – SGB X -) nicht gleichzusetzen mit dem Bescheid als äußere Form. Zulässig ist es, mehrere Verfügungen in einem Bescheid zusammenzufassen. Zulässig ist es mithin auch, mehrere in einem Bescheid erfasste Verwaltungsakte durch mehrere Klagen getrennt anzufechten. Das Gericht stellt ausdrücklich fest, dass die mit Verfügung vom 29.03.2012 mitgeteilte Rechtsmeinung nicht aufrechterhalten wird. Von der prozessualen Zulässigkeit ist jedoch die Frage der Mutwilligkeit eines bestimmten Prozessverhaltens zu trennen. Mit der Aufspaltung eines Bescheides und der Erhebung mehrerer Klagen bezüglich der einzelnen in ihm enthaltenen Verfügungen verstößt der Prozessbevollmächtigte in offensichtlicher Weise gegen seine gegenüber dem Kläger aus dem Mandatsverhältnis erwachsende Kostenminderungspflicht. Rechtsanwälte sind gegenüber ihren Mandanten verpflichtet, deren Rechte so wahrzunehmen, dass möglichst geringe Kosten erwachsen (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.07.1988 - 4 WF 192/88 -, zit. in Juris m.w.N.). Die Verursachung von Kosten, die zur Erreichung des Prozessziels nicht erforderlich sind, stellen eine schadensersatzpflichtige Pflichtverletzung des Anwaltsvertrages dar (§ 280 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB -). Dies gilt gleichermaßen für den im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt. Seine Pflicht zur Vermeidung unnötiger Kosten wird nicht dadurch berührt, dass er seine Gebühren aus der Landeskasse statt von seinem Auftraggeber erhält (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.07.1988, a.a.O.). Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat vorliegend gegen die Pflicht zur kostensparenden Tätigkeit verstoßen, indem er in zwei gesonderten Klagen gegen alle im Bescheid des Beklagten vom 25.11.2011 enthaltene Verwaltungsakte erhoben hat. Enthält ein Bescheid mehrere Verwaltungsakte und ist es Klageziel, sämtliche Verwaltungsakte anzufechten, so drängt es sich auf, eine Klage gegen den Bescheid insgesamt zu erheben. Sachgerechte prozess- oder materiell-rechtliche Gründe oder ein besonderes prozesstaktisches Verhalten für die Erhebung mehrerer Klagen in einer solchen Prozesssituation sind weder für das Gericht erkennbar noch sind solche vom Prozessbevollmächtigten vorgetragen worden. Das Gericht drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass dadurch ausschließlich auf Kosten der Prozesskostenhilfe mehrfach Gebühren geltend gemacht werden sollen.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des Prozessbevollmächtigten wird daher abgelehnt.
Rechtskraft
Aus
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