S 20 KA 99/13 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 20 KA 99/13 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Antragsgegnerin wird vorläufig bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens verpflichtet, die am Versichertenverzeichnis gemäß § 9 Abs. 2 des HzV-Vertrages mit Wirkung des § 9 Abs. 3 HzV-Vertrages für das Quartal 1/2013 vorgenommenen Änderungen rückgängig zu machen, indem sie ein korrigiertes Versichertenver-zeichnis gemäß § 9 Abs. 2 des HzV-Vertrages mit Wirkung des § 9 Abs. 3 HzV-Vertrages für das Quartal 2/2013 an die HÄGV RZ AG, Köln übersendet, welches die bei den Antragstellerinnen zu 2) und 3) eingeschriebenen Patienten mit einer fortlaufenden HzV-Teilnahme, also ohne Beendigung der Teilnahme zum 31.12.2012 ausweist, soweit nicht Änderungen an dem Teilnahmestatus dieser Patienten aus anderen Gründen als der Änderung der Praxisanschrift der Antragstellerinnen erforderlich sind.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens zu 2/3. Im Übrigen tragen die Antragstellerinnen die Kosten des Verfahrens.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz (noch) über die Teil-nahme der Antragstellerinnen zu 2) und 3) im Quartal 1/2013 am Vertrag zur Durchführung einer hausarztzentrierten Versorgung (HzV-Vtg) gemäß § 73b SGB V. Zwischen dem bayerischen Hausärzteverband und der Antragsgegnerin besteht ein HzV-Vertrag. Hausärzte und Versicherte, die an diesem Vertrag teilnehmen wollen, können sich durch Abgabe einer Teilnahmeerklärung einschreiben und haben bei Erfüllung der Teilnahmevoraussetzungen Anspruch auf Teilnahme an diesem Vertrag. Die Versicherten, die ihre Teilnahme am Hausarztvertrag erklärt haben, werden von ihrer Krankenver-sicherung in ein Versichertenverzeichnis aufgenommen. Die Versicherten nehmen dann (nach Ziffer 2.1.1 bzw. 2.1.2 der Anlage 4 zum HzV-Vertrag) solange an der Versorgung teil, bis sie die Teilnahmeerklärung widerrufen, mindestens aber 12 Monate, unter der Vo-raussetzung, dass auch der Arzt solange an der HzV-Versorgung teilnimmt. Das Versi-chertenverzeichnis erscheint quartalsweise neu, um gegebenenfalls Änderungen durch Ausscheiden im HzV-Versichertenbestand Rechnung zu tragen und wird von der Kran-kenversicherung bis spätestens zum 1. Tag des letzten Monats vor Beginn des Abrech-nungsquartals (1.3., 1.6., 1.9., 1.12.) an den Hausärzteverband übermittelt (Ziffer 2.1.3 a.a.O.). Änderungen, die sich für ein bereits laufendes Quartal nach der Erstellung des Versicherungsverzeichnisses ergeben, werden im Rahmen der Lieferung des HzV-Versichertenverzeichnisses für das Folgequartal an den Hausärzteverband übermittelt (Ziffer 2.2 a.a.O.). Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) führen als Ärztinnen für Allgemeinmedizin eine Gemeinschaftspraxis und sind vertragsärztlich tätig. Die Antragstellerin zu 1) ist Patientin der Gemeinschaftspraxis und nimmt an der hausarztzentrierten Versorgung bei der Antragstellerin zu 2) teil. Im September 2011 teilte die A-Stadt dem Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich das Gebäude mit den Praxisräumen befindet, mit, dass im Jahr 1985 dem Grundstück in der A-Straße versehentlich die Hausnummer 5 statt der Hausnummer 6 zugeordnet und dies nun korrigiert worden sei. Die Teilnahmeerklärungen der Antragstellerinnen und ihrer Patienten an dem neu festgesetzten HzV-Vertrag Anfang 2012 wurden dem (neben den Abrechnungen) auch für die Entgegennahme, Weiterverarbeitung und Weiterleitung der Teilnahmeerklärungen an die Krankenkassen zuständigen Rechenzentrum HÄVG RZ AG in Köln unter der neuen Hausnummer übersandt. Verse-hentlich korrigierte die HÄVG RZ AG insoweit nicht ihren alten Datenbestand und übermit-telte der Antragsgegnerin die Teilnahmeerklärungen unter der alten Hausnummer. Die Korrektur der Adresse in " A-Straße 6" erfolgte durch das Rechenzentrum erst mit der Übermittlung der Daten für das Quartal 1/2013 an die Antragsgegnerin. Ohne Rückspra-che mit den Antragstellerinnen zu 2) und 3), dem BHÄV oder dem Rechenzentrum zu halten, informierte die Antragsgegnerin mit einem Schreiben vom 15.1.2013 die betroffenen 429 Patienten der Antragstellerinnen zu 2) und 3), die in das Versichertenverzeichnis zum Quartal 1/2013 eingeschrieben waren, darüber, dass die Praxis umgezogen sei und daher die Teilnahme des jeweiligen Versicherten an der HzV zum 31.12.2012 ende. Die vorlie-gende Teilnahmebestätigung verliere mit dem 1.1.2013 ihre Gültigkeit. Für den Fall, dass der Versicherte auch künftig an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen wolle, könne er sich bei seinem bisherigen Hausarzt ab dem 1.1.2013 oder bei einem anderen Arzt, der an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehme, wieder neu einschreiben. Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) klärten die Antragsgegnerin über den Irrtum über den vermeintlichen Umzug der Praxis auf. Daraufhin erklärte sich die Antragsgegnerin zwar bereit, die Patienten darüber zu informieren, dass die Antragstellerinnen zu 2) und 3) nicht umgezogen seien, sie blieb aber bei der Auffassung, dass die Versicherten sich zu einer erneuten Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung ab dem 1.04.2013 wieder bei ihrer Hausärztin einschreiben müssten. Zur Begründung verwies die Antragsgegnerin da-rauf, dass der Hausärzteverband für die Richtigkeit der Daten, insbesondere die Meldung von Adressänderungen zuständig und verantwortlich sei. Durch eine gemeldete Adresseänderung würde nach der Satzung der Antragsgegnerin die Teilnahme der eingeschriebenen Versicherten mit Ablauf des Quartals in ihrem System beendet und die Versicherteninformation über das Ende der Teilnahme angestoßen. Am 6.2.2013 beantragten die Antragsteller beim Sozialgericht München einstweiligen Rechtsschutz zunächst mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, unverzüglich an ihre bei den Antragstellerinnen 2) und 3) gemäß dem übersandten Versichertenverzeichnis für das Quartal 1/2013 in den Vertrag zur Hausarztzentrierten Versorgung einge-schriebenen Versicherten ein Schreiben des nachfolgenden Inhalts zu versenden: "Auf-grund eines Missverständnisses haben Sie am 15.1.2013 die Mitteilung von uns erhalten, dass Ihre Hausärztin umgezogen sei und Ihre Teilnahme an der hausarztzentrierten Ver-sorgung beendet wurde. Es handelte sich hierbei um einen Irrtum, der mittlerweile aufgeklärt werden konnte. Sie nehmen weiterhin an der hausarztzentrierten Versorgung bei Ihrer Hausärztin Dr. C./Dr. E. teil. Auch ein Umzug der Praxis hat nicht stattgefunden. Sie finden Ihre Hausärztin weiterhin unter der Ihnen bekannten Adresse A-Straße Nr. 6. Die entstandenen Umstände bedauern wir sehr. Mit freundlichen Grüßen Ihre AOK-Die Gesundheitskasse". Zur Begründung trugen sie vor, dass die Patienten der Antragstellerinnen 2) und 3) stark verunsichert seien. Die überwiegend älteren und kranken Patienten würden zum Teil in der Praxis anrufen und fragen, ob sie noch dort behandelt werden dürften. Andere blieben einfach weg und hätten sich bereits nach anderen Hausärzten umgesehen oder bereits andere aufgesucht, weil sie dächten, die Antragstellerinnen seien aus A-Stadt weggezogen und hätten ihre Praxistätigkeit aufgegeben. Dies führe zu einem Patientenverlust, die Antragstellerinnen zu 2) und 3) hätten teilweise stundenlang nichts zu tun. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, die Fehlinformation richtig zustellen. Die Teil-nahme der bei den Antragstellerinnen zu 2) und 3) eingeschriebenen Patienten an der HzV bestehe fort. Ein Beendigungsgrund sei nicht gegeben. Sämtliche betroffene Patienten seien mit Beginn des HzV-Vertrages unter der richtigen Praxisadresse A-Straße 6 in den HzV-Vertrag ordnungsgemäß eingeschrieben worden. Ein Umzug der Praxis beziehungsweise eine Sitzverlegung habe niemals stattgefunden und sei auch nicht angezeigt worden. Aber selbst ein solcher Umzug innerhalb des KV-Bezirks hätte nach Ziffer 1.4.1 und 2.2 der Anlage 4 zum HzV-Vertrag keinen Einfluss auf die Teilnahme der Hausärztin-nen und der Versicherten am HzV-Vertrag. Soweit sich die Antragsgegnerin auf ihre inter-nen Prozesse und ihre Satzung berufe, so sei dies schlicht unerheblich. Eine Regelung in der Satzung der Antragsgegnerin, nach der bei einer Anschriftenänderung ohne Umzug der Praxis die Teilnahme ende, sei nicht existent. In § 19 c Abs. 8 der Satzung der Antragsgegnerin heiße es, dass die Teilnahme des Versicherten an der hausarztzentrierten Versorgung mit Ablauf des Quartals ende, indem sein gewählter Arzt (unter anderem) seine Praxis verlege. Ob diese Satzungsregelung wirksam sei, da sie nicht HzV-vertragskonform ausgelegt werden könne, sei nicht entscheidungserheblich. Denn zumin-dest setze sie voraus, dass eine Praxissitzverlegung erfolge. Mit Schreiben vom 18.2.2013 informierte die Antragsgegnerin die Patienten der Antragstellerinnen zu 2) und 3) darüber, dass eine Adressänderung zwar ein Ende der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung bewirke, aber als Entgegenkommen ihrerseits - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - eine erneute Teilnahme ohne aktive Einschreibung ab dem zweiten Quartal, also ab dem 1.4.2013 erfolge, soweit die Versicherten nicht widersprächen. Nach Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die Erledigungserklärung der Antragstellerinnen im Hinblick auf den Antrag der Antragstellerin zu 1) nahmen die Antragstellerinnen den Antrag der Antragstellerin zu 1) zurück. Im Hinblick auf die Antragstellerinnen zu 2) und 3) verfolgten sie den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz weiter mit dem nunmeh-rigen Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, es bis zum Abschluss des Hauptsachever-fahrens zu unterlassen, Änderungen am Teilnahmestatus in dem seitens der Antragsgeg-nerin an den Hausärzteverband für das Quartal 1/2013 übermittelten Versichertenver-zeichnis hinsichtlich der bei den Antragstellerinnen zu 2) und 3) eingeschriebenen Versicherten vorzunehmen, es sei denn, Änderungen an deren Teilnahmestatus seien aus an-deren Gründen, als der Adressänderung der Praxis der Antragstellerinnen erforderlich. Den darüber hinausgehenden Antrag nahmen die Antragstellerinnen – ebenfalls nach Widerspruch der Antragsgegnerin gegen die Erledigungserklärung der Antragstellerinnen - zurück. Zur Begründung führten sie an, dass nunmehr nur noch die Teilnahme der Patienten im Quartal 1/2013 durch die Antragsgegnerin bestritten werde, mit der Folge, dass die Antragstellerinnen zu 2) und 3) in diesem Quartal keine Abrechnung im Rahmen der HzV durchführen könnten. In der Sache bleibe es dabei, dass keine Praxisverlegung erfolgt sei und deswegen auch nach der Satzung der Antragsgegnerin keine Beendigung der hausarztzentrierten Versorgung stattgefunden habe. Mitte März übersandte die Antragsgegnerin dem Hausärzteverband die von den Antrag-stellerinnen befürchtete Korrektur des Versichertenverzeichnisses für das Quartal 1/2013, indem die betroffenen Patienten der Antragstellerinnen zu 2) und 3) im Versichertenver-zeichnis mit einer Beendigung bzw. Unterbrechung für das Quartal 1/2013 und als neu eingeschrieben für das Quartal 2/2013 enthalten sind. Nunmehr verfolgen die Antragstel-lerinnen zu 2) und 3) den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz weiter mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Korrektur des Versichertenverzeichnisses für das Quartal 1/2013 rückgängig zu machen, indem die besagten Patienten in dem Versi-chertenverzeichnis für das Quartal 2/2013 mit einer fortlaufenden Teilnahme, d.h. ohne Beendigung im Quartal 1/2013, ausgewiesen werden. Zur Begründung führen sie weiterhin an, dass die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung nicht beendet worden sei und sie daher einen Anspruch auf Übersendung eines entsprechenden Versicherten-verzeichnisses für das Quartal 1/2013 hätten. Der Anordnungsgrund bestehe darin, dass die Antragstellerinnen zu 2) und 3) sichergehen können müssten, ihre ärztlichen Leistungen über das HzV- Abrechnungssystem für das Quartal 1/2013 abrechnen zu können. Die hausarztzentrierte Versorgung stelle eine besondere hausärztliche Versorgung da, die über die hausärztliche Regelversorgung hinausgehe und zum Teil auch höhere Abrech-nungswerte als die Abrechnung bei der KV habe. Die Antragstellerinnen stellen nunmehr sinngemäß den Antrag, die Antragsgegnerin vorläufig bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die am Versichertenverzeichnis für das Quartal 1/2013 vorgenommenen Änderungen rückgängig zu machen, indem sie ein korri-giertes Versichertenverzeichnis für das Quartal 2/2013 übersendet, welches die bei den Antragstellerinnen zu 2) und 3) eingeschriebenen Patienten mit einer fortlaufenden HzV-Teilnahme, also ohne Beendigung der Teilnahme zum 31.12.2012, ausweist, soweit nicht Änderungen an dem Teilnahmestatus dieser Patienten aus anderen Gründen als der Än-derung der Praxisanschrift der Antragstellerinnen erforderlich sind. Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen. Ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund seien nicht ersichtlich. Ein Anord-nungsanspruch bestehe deswegen nicht, weil die Teilnahme der Antragstellerinnen zu 2) und 3) an der hausarztzentrierten Versorgung im Quartal 1/2013 beendet worden sei. Gemäß § 6 Abs. 2 HzV-Vertrages ergebe sich ein Anspruch zur Teilnahme aus der Sat-zung der Krankenkasse in Verbindung mit den Teilnahmebedingungen. Aus § 19 c Abs. 8 der Satzung der Antragsgegnerin ende die Teilnahme des eingeschriebenen Versicherten an der hausarztzentrierten Versorgung, wenn der Arzt seinen Praxissitz verlege. Aus § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV ergebe sich, dass unter die Verlegung des Praxissitzes jegliche Änderung der Praxisadresse falle. Dort sei nämlich die Rede vom "Ort der Niederlassung ", womit nicht die politische Gemeinde oder ein abgrenzbare Ortsteil, sondern die konkrete Praxisanschrift des Vertragsarztes gemeint sei. Auf die Gründe für einen Wechsel der Praxisanschrift stelle die Verordnung nicht ab. Ein Anordnungsgrund sei gleichfalls nicht ersichtlich, da sich aus dem HzV- Vertrag nur in sehr eingeschränkten Maße Zusatzleis-tungen ergäben, die in der Regelversorgung nicht erbracht würden. Die gegebenenfalls entstehenden Schäden seien nicht irreparabel, vielmehr könnten die Leistungen auch später noch abgerechnet werden, wenn die hier streitgegenständlichen Fragen im Haupt-sacheverfahren geklärt worden seien. Auch eine Interessenabwägung würde nicht dazu führen, dass die Interessen der Antragstellerinnen gegenüber denen der Antragsgegnerin überwiegen würden. Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Akten der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin zu 2) und 3) ist nach teilweiser Rücknahme im aufrechterhaltenen beziehungsweise nunmehr gestellten Umfang zulässig und begründet.

Insbesondere ist ein Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen. Die Antragstellerinnen wollen mit ihrem Antrag erreichen, dass die Antragsgegnerin die bei ihr versicherten Patienten nach den Regelungen des HzV-Vertrages in das Versichertenverzeichnis für das Quartal 2/2013 ohne Unterbrechung für das Quartal 1/2013 aufnimmt. Ziel des Antrags ist aber letztlich, dass die Antragstellerinnen zu 2) und 3) berechtigt sind, den höheren Vergütungsanspruch für die im HzV-Vertrag geregelten zusätzlichen Leistungen für die insoweit auch behandelten Patienten, die bei der Antragsgegnerin versichert sind, gegenüber der Antragsgegnerin auch im Quartal 1/2013 geltend zu machen.

Eine vorliegend in Betracht kommende Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG ist nur zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Im Zusammenspiel mit § 86b Abs. 2 S. 4 SGG und § 920 Abs. 2 ZPO ergibt sich, dass der Erfolg eines Eilantrags in Vornahmesachen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes voraussetzt. Ein Anordnungsanspruch in diesem Sinne ist gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit durch Glaubhaftmachung oder Amtsermittlung herbeigeführter überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht. Ein Anordnungsgrund ist gegeben, wenn im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung droht (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, zweite Auflage 2008, Rn. 293,300, jeweils m.w.N.).

Vorliegend ist ein Anordnungsanspruch zu bejahen. Die Herausnahme der Versicherten der Antragsgegnerin, die sich nach § 6 des HzV-Vertrags eingeschrieben haben, aus dem Versichertenverzeichnis für das Quartal 1/2013 mit dem Ziel einer Beendigung der Teilnahme der Antragstellerinnen zu 2) und 3) an dem HzV- Vertrag für das Quartal 1/2013 ist offensichtlich rechtswidrig. Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) haben zweifellos an dem zwischen dem Hausärzteverband und der Antragsgegnerin geschlossenen HzV- Vertrag auch im Quartal 1/2013 teilgenommen. Eine Beendigung der Teilnahme nach § 5 des Vertrages ist nicht ersichtlich. Ebenso wenig ergibt sich eine Beendigung des Vertrages aus § 6 Abs. 2 HzV in Verbindung mit § 19c Abs. 8 der Satzung der Antragsgegnerin durch die Änderung der Praxisanschrift der Antragstellerinnen zu 2) und 3). Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Satzungsregelung Anwendung findet, beziehungsweise wirksam ist. Denn ihre Anwendbarkeit und Wirksamkeit unterstellt, liegen ihre Voraussetzungen hier nicht vor. Danach endet die Teilnahme des Versicherten an der hausarztzentrierten Versorgung mit dem Ablauf des Quartals, in dem der gewählte Arzt seinen Praxissitz verlegt. Zwar befindet sich der Vertragsarztsitz eines Arztes gemäß § 24 Abs. 1 Ärzte-ZV am Ort der Niederlassung des Arztes, unter dem das BSG die Praxisanschrift des Vertragsarztes versteht (vgl. BSG B 6 KA 67/98 R Rdnr. 18). Eine Verlegung dieses Sitzes ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erfolgt. Eine Verlegung des Vertragsarztsitzes ist nach Auffassung des BSG nämlich nur anzunehmen, wenn die Praxis an anderer Stelle und unter einer anderen Praxisanschrift fortgeführt wird (vergleiche BSG am angegebenen Ort). Dies ist hier unzweifelhaft nicht der Fall. Die Praxis wurde immer an derselben Stelle fortgeführt, lediglich durch eine Änderung in der Flurbezeichnung wurde die Praxisanschrift geändert. Da damit die Voraussetzungen für die Beendigung der Teilnahme auch nach der Satzung der Antragsgegnerin nicht gegeben sind, haben die Antragstellerinnen zu 2) und 3) auch im Quartal 1/2013 der hausarztzentrierten Versorgung teilgenommen. Daher haben sie auch einen Anspruch auf Aufnahme ihrer bei der Antragsgegnerin versicherten Patienten in das Versichertenverzeichnis für das Quartal 1/2013 bzw. auf Ausweisung dieser Patienten als fortlaufend – d.h. ohne Unterbrechung im Quartal 1/2013 – teilnehmend im Quartal 2/2013.

Auch ein Anordnungsgrund im Sinne einer besonderen Eilbedürftigkeit ist hier zu bejahen, wobei zu berücksichtigen ist, dass an das Vorliegen des Anordnungsgrundes weniger strenge Anforderungen zu stellen sind, wenn das Obsiegen in der Hauptsache nach summarischer Prüfung sehr wahrscheinlich ist (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b, Rdnr. 29). Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) können die von ihnen erbrachten hausärztlichen Leistungen im Falle einer Nichtteilnahme an dem HzV- Vertrag zwar im Gesamtvergütungssystem gegenüber der kassenärztlichen Vereinigung Bayerns abrechnen, so dass die Leistungen - wenn auch geringer - honoriert würden. Die im Vertrag vorgesehenen zusätzlichen Leistungen wären dann aber gerade nicht abrechenbar. In Anbetracht der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Vorgehens der Antragsgegnerin wäre ein Obsiegen im Hauptsacheverfahren hochwahrscheinlich, so dass diese drohende Einbuße als Anordnungsgrund genügt.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin werden den Antragstellerinnen zu 2) und 3) durch den Erlass dieser Regelungsanordnung auch nicht Leistungen für vergangene Zeiträume zugesprochen. Vielmehr ging es den Antragstellerinnen von Anfang an, d.h. seit dem Eingang des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz bei Gericht am 7.2.2013 auch um die ununterbrochene Teilnahme der Patienten an der hausarztzentrierten Versorgung im Quartal 1/2013. Eine frühere Geltendmachung dieses Rechts durch die Antragstellerinnen wäre nicht möglich bzw. ohne Rechtsschutzbedürfnis gewesen, da die Teilnahme ja erst durch das Verhalten der Antragsgegnerin – zunächst durch das Schreiben an ihre Versicherten vom 15.01.2013 und später durch die tatsächliche Herausnahme aus dem Verzeichnis für das Quartal 1/2013 - in Abrede gestellt wurde.

Auch eine Vorwegnahme der Hauptsache erfolgt durch diese Regelungsanordnung nicht, da eine solche nur dann vorläge, wenn die Maßnahme nachträglich nicht mehr für die Vergangenheit korrigierbar wäre (vgl. Keller a.a.O., Rdnr. 31). Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 197a SGG, §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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