L 19 R 855/11

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 R 850/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 855/11
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Psychische Erkrankungen sind erst dann rentenrechtlich relevant, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen ist, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft nicht mehr überwinden kann.
I. Auf die Berufung der Beklagten hin wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.08.2011 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 25.06.2009 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 25.05.2010 sowie des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2010 abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.



Tatbestand:


Streitig ist zwischen den Beteiligten, wann der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Zeit bei dem Beigeladenen A. eingetreten und ab wann ihm in der Folge Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren ist.

Der 1971 geborene Beigeladene steht seit 26.06.2008 unter Betreuung durch die Betreuerin B ... Das Versorgungsamt C-Stadt hat mit Bescheid vom 08.04.2008 einen Grad der Behinderung von 70 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung für April 2011 wegen Suchterkrankung zuerkannt.

Am 10.09.2008 stellte die Betreuerin des Beigeladenen einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente wegen Alkoholismus, Depressionen und Rückenleiden. Der Beigeladene sei akut seit 2007 infolgedessen erwerbsgemindert. Die Beklagte lehnte durch streitgegenständlichen Bescheid vom 25.06.2009 eine Rentengewährung ab. Nach den ärztlichen Untersuchungsergebnissen sei die Erwerbsfähigkeit des Beigeladenen durch folgende Krankheiten oder Behinderungen beeinträchtigt:

- Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol: Abhängigkeitssyndrom
- Rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode
- In der Vorgeschichte psychische und Verhaltensstörungen durch Opioide: Ab-
hängigkeitssyndrom
- Pseudoradiales Lendenwirbelsäulensyndrom bei Zustand nach Nukleotomie
L5/S1 August 2007 bei Bandscheibenvorfall L5/S1
- HWS-BWS-Syndrom.

Der Beigeladene könne noch mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Hiergegen legte der Kläger unter Bezugnahme auf § 95 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XII - Widerspruch für den Beigeladenen ein. Mit Fax vom 28.07.2009 schloss sich die Betreuerin des Beigeladenen dem Widerspruch des Klägers an. Mit Schriftsatz vom 21.09.2009 wies der Kläger darauf hin, dass bei der Beurteilung des Leistungsvermögens des Beigeladenen die bestehenden Gesundheitsstörungen

- alkoholbedingte Hepatitis sowie Fettleber

nicht berücksichtigt worden seien. Diese Gesundheitsstörungen ergäben sich aus dem beigefügten nervenärztlichen Gutachten von Frau Dr.R., Ärztin für Neurologie und Psychiatrie vom 30.05.2008 unter Hinweis auf die Ergebnisse über die in der Zeit vom 28.04.2008 bis 30.04.2008 im BKH A-Stadt durchgeführte stationäre Behandlung des Beigeladenen. Insbesondere sei aufgrund der Schwere der bestehenden Gesundheitsstörungen auch eine längerfristige Betreuung erforderlich. Aus dem vorgenannten Gutachten ergäbe sich auch der maßgebliche Zeitpunkt für den Eintritt des Versicherungsfalls der Erwerbsminderung, nämlich der 28.04.2008. Dies sei der Tag der Aufnahme im BKH A-Stadt aufgrund eines erneuten Alkoholrückfalls. Auch die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung vom 27.03.2009 erweise sich erkennbar nicht als widerspruchsfrei. Dies ergebe sich bereits aus der eigenen Beurteilung der Reha-Einrichtung, wonach der Versicherte im Entlassungszeitpunkt weiterhin als arbeitsunfähig beurteilt worden sei sowie aus der beigefügten fachärztlichen Stellungnahme vom 18.12.2008, aus der eindeutig hervorgehe, dass auch nach Beendigung der stationären Reha-Maßnahme noch keine ausreichende gesundheitliche Stabilisierung eingetreten sei, sodass weiterhin eine stationäre Unterbringung in einer soziotherapeutischen Einrichtung für den Ausschluss eines erneuten Alkoholrückfalles infolge der als extrem bewerteten Rückfallgefahr erforderlich sei. Die Notwendigkeit einer weiteren stationären Unterbringung zur ausreichenden Stabilisierung des Gesundheitszustandes schließe eine Tätigkeitsaufnahme auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für deren Dauer erkennbar von vorneherein aus. Der Versicherte sei ausschließlich in der Lage arbeitsähnliche Tätigkeiten außerhalb des allgemeinen Arbeitsmarktes und nicht unter Wettbewerbsbedingungen zu verrichten.

Die Beklagte holte daraufhin ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten von Frau Dr.B. ein, die den Beigeladenen am 10.12.2009 untersuchte. Im Rahmen dieser Begutachtung gab der Kläger u.a. an, dass er im Alter von etwa 20 oder 21 Jahren mit dem Alkoholtrinken angefangen habe, zunächst habe er nur an den Wochenenden getrunken, wenn er unterwegs gewesen sei, beispielsweise mit dem Fußball- oder mit dem Billardverein. Richtig angefangen Alkohol zu trinken habe er etwa mit seinem 30. Lebensjahr. Im Laufe der Zeit habe er regelmäßig Alkohol getrunken, auch heimlich. Besonders schlimm sei es dann mit seinem Alkoholkonsum geworden als der Vater verstorben sei. Durch seinen Alkoholkonsum habe seine Leistungsfähigkeit nachgelassen, weshalb er auf der Arbeit angesprochen worden sei. 2007 sei er in der ersten Entwöhnungstherapie gewesen. Etwa ein halbes Jahr nach Beendigung der Therapie habe er im Zusammenhang mit der Trennung von seiner Frau wieder zum Trinken angefangen. Jetzt sei er seit etwa April oder Mai 2008 trocken. Ein Delir oder epileptische Anfälle seien ihm nicht erinnerlich. Seit 2008 sei er in einer ambulanten Psychotherapie im Klinikum am E. in A-Stadt, wo er einmal pro Woche hingehe. Im September 2007 habe er sich von seiner Frau getrennt, im April 2009 sei die Ehe geschieden worden. Er habe derzeit keinen Kontakt zu seinen Kindern. Das Haus, das er gemeinsam mit seiner Frau gehabt habe, sei infolge der Trennung versteigert worden. Seit März 2008 wohne er in der WAB in C-Stadt. In diese Einrichtung sei er auf seinen eigenen Wunsch hin gekommen, nachdem er Gedanken des Lebensüberdrusses gehabt habe. Er bewohne dort ein Einzelzimmer und er arbeite täglich 3 Stunden in der Kantine. Dr. B. kam in ihrem Gutachten vom 15.12.2009 zu folgenden Diagnosen:

- Schwere depressive Episode, wohl im Rahmen einer rezidivierenden depres-
siven Störung
- anhaltende somatoforme Schmerzstörung
- Alkoholabhängigkeit - derzeit abstinent
- anhaltende Nackenbeschwerden bei einem Bandscheibenvorfall in Höhe
HWK4/5
- anhaltende Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung in das rechte Bein nach einer
Bandscheibenoperation in Höhe LWK5/SWK1 im August 2007
- Gewöhnung an Schmerzmittel.

Aktuell stehe bei dem Versicherten eine depressive Symptomatik im Vordergrund, die vor allem mit Schlafstörungen, einer morgendlichen Antriebsschwäche, Grübeln, Schuldgefühlen, Denkverlangsamung, mit gelegentlichen Gedanken des Lebensüberdrusses ohne Hinweise für eine akute Suizidalität und mit einer Erfolglosigkeit verbunden sei. Die depressive Symptomatik sei als schwer einzustufen. Sie sei wohl im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung zu sehen. Diese depressive Symptomatik habe sich bei dem Versicherten möglicherweise im Zusammenhang mit belastenden lebensgeschichtlichen Ereignissen herauskristallisiert, z.B. Scheitern der Ehe, aktuell keinen Kontakt zu den Kindern, Verlust des Hauses, Schulden. Darüber hinaus reagiere der Versicherte seinen eigenen Angaben zufolge in seelischen Konfliktsituationen mit Magenbeschwerden, sowie mit einer Zunahme seiner Beschwerden von Seiten des Bewegungsapparates. Ferner sei eine Gewöhnung an Schmerzmittel anzunehmen. Von seiner Primärpersönlichkeit her mache der Versicherte einen empfindsamen, leicht irritierbaren, unsicheren Eindruck. Angesichts seiner gegenwärtigen psychischen Verfassung sei der Versicherte sicherlich nicht in der Lage, regelmäßig einer relevanten Erwerbstätigkeit nachzugehen, er verfüge insbesondere nicht über den nötigen Antrieb und das erforderliche Durchhaltevermögen. Er sei angesichts seiner depressiven Störung zunächst für die Zeitdauer von etwa 2 Jahren auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich unter dreistündig einsetzbar. Dies gelte auch für seine letzte Tätigkeit. Das angegebene Leistungsbild gelte seit dem 10.12.2009, seit der nervenärztlichen Begutachtung. Verglichen mit der gutachterlichen Untersuchung durch Frau Dr.H. im Mai 2008 sowie dem Entlassungsbericht aus der Fachklinik F. vom 27.03.2009 sei jetzt bei dem Versicherten von einer deutlichen Verschlechterung seiner psychischen Verfassung auszugehen.

Die Beklagte teilte der Betreuerin des Beigeladenen mit Schreiben vom 21.12.2009 mit, dass sie aufgrund des Gutachtens von Frau Dr.B. vom 10.12.2009 bereit sei, unter Annahme eines Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung am 10.12.2009 dem Beigeladenen ab dem 01.07.2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit bis zum 31.12.2011 zu gewähren und übersandte dieses Schreiben auch dem Kläger. Dieser wies mit Schreiben vom 09.02.2010 darauf hin, dass sich die Sachverständige Dr.B. erkennbar nicht mit den Vorbefunden, nämlich dem nervenärztlichen Gutachten von Dr.R. vom 30.05.2008 sowie dem Bericht vom 05.05.2008 über die stationäre Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 28.04.2008 bis 30.04.2008 im Bezirkskrankenhaus A-Stadt hinsichtlich einer Versicherungsfalldatierung bereits am 28.04.2008 auseinander gesetzt habe. Es werde um Übersendung einer ergänzenden Stellungnahme hierzu gebeten. Am 26.02.2010 nahm hierzu der Prüfarzt der Beklagten Dr.L. Stellung. Aus dem Krankenhausentlassungsbericht des Klinikums am E. ergebe sich, dass der Beigeladene vom 28.04. bis 30.04.2008 in erster Linie wegen eines Alkoholrückfalls stationär behandelt worden sei. Nach nur 4 Tagen habe der Versicherte die Entgiftung abgebrochen. Zu diesem Zeitpunkt könne eine Arbeitsunfähigkeit nicht ausgeschlossen werden, keinesfalls könne dadurch aber eine dauerhafte Leistungsminderung begründet werden. Der Beigeladene sei alkoholkrank und leide unter Depressionen. Trotzdem lasse sich den ärztlichen Unterlagen entnehmen, dass er zumindest bis zum Begutachtungszeitpunkt im Dezember 2009 nicht rückfällig geworden sei. Eine Rentenbegutachtung sei im Mai 2008 durch Frau Dr.H. erfolgt, die zu einem 6-stündigen Leistungsvermögen des Beigeladenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gelangt sei. Sie habe aber eine medizinische Reha-Maßnahme empfohlen, die daraufhin in der Fachklinik F. durchgeführt worden sei. Auch hier sei die Annahme eines vollschichtigen Leistungsvermögens bestätigt worden. Erst Frau Dr.B. habe in ihrem Gutachten vom 10.12.2009 eine wesentliche Verschlechterung im Vergleich mit den Voruntersuchungen festgestellt. Ein früherer Leistungsfall lasse sich aus den ärztlichen Unterlagen auch nach eingehender Prüfung keinesfalls belegen. Mit Schreiben vom 15.04.2010 wies der Kläger zu der übersandten prüfärztlichen Stellungnahme vom 26.02.2010 darauf hin, dass die Erwerbsminderung des Beigeladenen nicht ausschließlich durch die bestehende Alkoholrückfallgefahr verursacht werde, sondern auch durch eine schwere depressive Symptomatik und einen Schmerzmittelabusus. Dies ergebe sich bereits aus dem Entlassungsbericht vom 17.03.2008 über die in der Zeit vom 31.10.2007 bis 11.03.2008 im Klinikum M. durchgeführte stationäre Behandlung. Es sei auch nach der weiteren intensiven 4-monatigen stationären Rehabilitationsmaßnahme in der Zeit vom 20.11.2008 bis 12.03.2009 (F.) nicht gelungen, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten wieder herzustellen. Es gebe überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass bei dem Beigeladenen nach dem 12.03.2009 überhaupt jemals wieder Arbeitsfähigkeit oder eine ausreichende psychische Stabilisierung eingetreten sei. Auch aus dem Entwicklungsbericht der soziotherapeutischen Einrichtung vom 24.06.2008 ergebe sich, dass der Beigeladene zu diesem Zeitpunkt noch weiterhin zwingend auf den stationären Rahmen der Wohngruppe zur Vermeidung einer erneuten Alkohol- sowie Medikamentenabhängigkeit sowie zur stetigen Motivation im Arbeitsbereich angewiesen gewesen sei. Soweit die depressive Symptomatik nach Beurteilung der Sachverständigen Dr.B. mit den familiären Umständen des Versicherten im Zusammenhang stehen solle, sei darauf hinzuweisen, dass diese spätestens im April 2009 mit der Beendigung des Ehescheidungsverfahrens anzunehmen wäre. Rückschauend müsse davon ausgegangen werden, dass bereits im Zeitpunkt der Beendigung der stationären Behandlung im Klinikum M. am 11.03.2008 keine ausreichende psychische Stabilisierung bei dem Versicherten vorgelegen hätte, die dann zu dem den Versicherungsfall begründenden Alkoholrückfall am 28.04.2008 geführt habe.

Die Beklagte gewährte dem Beigeladenen sodann mit Teilabhilfebescheid vom 25.05.2010 unter Annahme eines Leistungsfalles am 10.12.2009 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit ab dem 01.07.2010 bis zum 31.12.2011. Im Übrigen wurde mit Widerspruchsbescheid vom 17.06.2010 der Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.06.2009 in der Gestalt des Bescheides vom 25.05.2010 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 15.07.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben. Er trage für den Beigeladenen seit dem 11.03.2008 die ungedeckten Kosten der Heimunterbringung im Rahmen der Sozialhilfe. Die Annahme einer schweren depressiven Symptomatik erst im Untersuchungszeitpunkt 10.12.2009 stehe erkennbar in Widerspruch zu den Feststellungen im Bescheid des ZBFS C-Stadt vom 08.04.2008, wonach bei dem Versicherten bereits für die Zeit ab 01.10.2007 infolge einer wesentlichen Verschlimmerung in den bisher festgestellten Gesundheitsstörungen ein Grad der Behinderung von 70 bestehe. Bereits der den Beigeladenen seit dem 13.06.2009 behandelnde Arzt des Klinikums am E. habe in seinem Bericht vom 06.07.2009 auf die Notwendigkeit einer mittelfristigen stationären Unterbringung in einer soziotherapeutischen Einrichtung hingewiesen, nachdem ambulante Maßnahmen keine dauerhafte Alkoholabstinenz hätten sicherstellen können. Es sei in diesem Zusammenhang auch darauf hinzuweisen, dass nach Beendigung der vorangegangenen soziotherapeutischen Maßnahme im Jahr 2008 noch keine ausreichende psychische Stabilität des Berechtigten für eine dauerhafte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt habe erzielt werden können mit der Folge, dass der Versicherte die in der Zeit von April 2008 bis Juni 2008 ausgeübte Beschäftigung als Dreher aufgrund Überforderung wieder habe aufgeben müssen. Diese Tätigkeit sei demnach vom Versicherten auf Kosten seiner Gesundheit verrichtet worden. Auch der Abbruch der stationären Behandlung im Klinikum am E. am 30.04.2008 durch den Versicherten entgegen ärztlichen Rat sei ein Indiz dafür, dass noch keine ausreichende psychische Stabilisierung bei dem Versicherten vorgelegen habe, die die Annahme eines Leistungsvermögens von arbeitstäglich mindestens 3 Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt rechtfertigen würde. Seit dem 28.04.2008 bestehe Erwerbsminderung, infolge derer der Beigeladene nicht mehr in der Lage sei, irgendeine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens 6 Stunden täglich auszuüben.

Mit Beschluss vom 08.09.2010 lud das SG den Versicherten A. nach § 75 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - notwendig zum Verfahren bei.

Das SG hat nach Beiziehung ärztlicher Unterlagen von Dr.S. und Dr.E., der Entwicklungsberichte der WAB C-Stadt gGmbH in A-Stadt und der Akten des ZBFS C-Stadt ein neurologisch/psychiatrisches Gutachten nach Aktenlage von Dr.B. eingeholt, der am 15.03.2011 zu folgenden Diagnosen gelangte:

1. Rezidivierende depressive Störungen, vorwiegend wohl schwere Episoden.
2. Anhaltende somatoforme Schmerzstörung.
3. Alkoholkrankheit.
4. Schädlicher Gebrauch von Schmerzmittel.
5. Hals- und Lendenwirbelsäulenwurzelreizsyndrom; Zustand nach Bandscheiben-OP L5/S1.

Bei den Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet handle es sich um echte psychische Krankheitsbilder mit Krankheitswert, die der Beigeladene weder unter eigener zumutbarer Willenanstrengung noch unter ärztlicher Hilfe in absehbarer Zeit überwinden könne. Der Beigeladene könne eine Erwerbstätigkeit nur noch unter 3 Stunden täglich verrichten. Seit der Begutachtung durch Dr.B. am 10.12.2009 sei es keinesfalls zu einer Besserung gekommen. Mittlerweile sei sogar erneut ein Rezidiv der Alkoholerkrankung aufgetreten. Bei rückschauender Betrachtungsweise sei seit dem 28.04.2008 bis zum 31.12.2011 von einem dauerhaften Absinken des Leistungsvermögens in den unter 6-stündigen Bereich auszugehen. Aus seiner Sicht liege der Beginn des geminderten zeitlichen Leistungsvermögens des Beigeladenen schon deutlich vor dem von Frau Dr.B. angenommenen Termin. Der von der Sachverständigen gewählte Zeitpunkt sei aus rein medizinischer Sicht eigentlich nicht begründbar. Im Frühjahr 2008 hätten sicherlich bereits erhebliche psychische Alterationen bestanden. In der psychiatrischen Klinik B., in der sich der Kläger bis 11.03.2008 stationär befunden habe, habe man eine schwere depressive Episode angenommen, auch einhergehend mit Suizidgedanken. Ende April 2008 seien Entgiftungsbehandlungen im Klinikum am E. A-Stadt durchgeführt worden, wovon er eine abgebrochen habe. Auch diese vorzeitige Beendigung sei als krankheitsbedingt zu interpretieren. All diese Umstände sprächen für eine massive seelische Störung. Frau Dr.H. habe am 15.05.2008 das Leistungsvermögen des Beigeladenen als erheblich gefährdet angesehen, weshalb sie eine erneute Entzugsmaßnahme empfohlen habe. Es habe sich jedoch herausgestellt, dass diese Behandlungen in der Fachklinik F. keine ausreichende Stabilisierung bewirkt hätte. Ergänzend sei anzumerken, dass der aktuelle psychische Zustand des Versicherten nach wie vor recht instabil sei. Dies habe sich aufgrund des vor einigen Tagen mit der Betreuerin geführten Telefonats ergeben. Demnach sei er auch weiterhin nicht in der Lage, regelmäßig eine über 3-stündige Tätigkeit auszuüben.

Zum Gutachten Dr.B. gab der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie und Sozialmedizin Dr.D. am 14.04.2011 eine prüfärztliche Stellungnahme ab. Aus den vorliegenden Unterlagen ergebe sich, dass der Einschätzung von Dr.B. mit der Annahme eines Leistungsfalles am 28.04.2008 nicht gefolgt werden könne. Im Zeitpunkt der nervenärztlichen gutachterlichen Untersuchung durch Frau Dr.H. am 08.05.2008 habe der Beigeladene im Rahmen der rezidivierenden depressiven Störung eine mittelgradige depressive Symptomatik gezeigt. Frau Dr.H. sei damals zu der Einschätzung gelangt, dass der Kläger unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zumindest leichte Tätigkeiten noch 6 Stunden und mehr täglich durchführen könne. Damals habe der Beigeladene angegeben, aktuell alkoholkarent zu sein, dass es jedoch vor 14 Tagen nochmals zu einem Rückfall gekommen sei. Vor diesem Hintergrund angesichts der depressiven Symptomatik und der Somatisierungstendenz habe Frau Dr.H. die Erwerbsfähigkeit des Klägers als gefährdet angesehen und die nochmalige Durchführung einer Langzeitentwöhnungstherapie empfohlen, die vom 20.11.2008 bis zum 12.03.2009 in der Fachklinik F. durchgeführt worden sei. Dort habe abschließend im Rahmen der bekannten rezidivierenden depressiven Störung lediglich noch eine leichte Episode imponiert. Im Vergleich zum nervenärztlichen Gutachten von Frau Dr.H. sei durchaus eine Befundbesserung zu konstatieren. Abschließend sei von der Fachklinik F. nachvollziehbar die Auffassung vertreten worden, dass der Versicherte auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin 6 Stunden und mehr täglich einsetzbar sei, sogar für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten. Eine deutliche Verschlechterung des psychischen Zustandsbildes habe sich dann jedoch im Rahmen der gutachtlichen nervenärztlichen Untersuchung durch Frau Dr.B. am 10.12.2009 abgezeichnet, wobei jetzt eine schwere depressive Symptomatik imponiert habe, sodass Frau Dr.B. zu der Einschätzung gelangte, dass der Beigeladene nur noch unter 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar sei. Im weiteren Verlauf sei das psycho-pathologische Bild des Beigeladenen laut der vorliegenden Unterlagen eher schwankend, und zwar mit einer gewissen, jedoch nicht hinreichenden Stabilisierungstendenz. So sei in einem Arztbrief des Schmerzzentrums der Universität A-Stadt vom 02.02.2010 eine gegenwärtig mittelgradige Episode der rezidivierenden depressiven Störung diagnostiziert.

Hierzu holte das SG eine ergänzende Stellungnahme von Dr.B. ein, der am 05.05.2011 bei seinem gefundenen Ergebnis verblieb. Die von Frau Dr.H. und auch den Ärzten der Rehabilitations-Klinik abgegebenen Leistungseinschätzung sei zu optimistisch ausgefallen. Aus medizinischer Sicht sei es seinerseits auch nicht schlüssig das Datum der jetzt bestehenden zeitlichen Leistungsminderung mit einem Untersuchungszeitpunkt zu begründen. Massive psychische und teilweise auch somatische Einbußen hätten seiner Auffassung nach bereits erheblich früher vorgelegen.

Das SG hat sodann mit Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 25.06.2009 in der Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 25.05.2010 und des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2010 verurteilt, dem Beigeladenen vom 01.11.2008 bis 31.12.2011 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass aufgrund des Gutachtens von Dr.B. vom 15.03.2011 feststehe, dass bei dem Beigeladenen das Leistungsvermögen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes bereits ab dem 28.04.2008 in den unter 3-stündigen Bereich abgesunken sei. Der Beginn des geminderten zeitlichen Leistungsvermögens liege deutlich vor der Untersuchung durch Frau Dr.B., da bereits im Frühjahr 2008 erhebliche psychische Alterationen bestanden hätten. Es sei von einem Leistungsfall am 28.04.2008, dem Zeitpunkt der Entlassung aus dem Bezirkskrankenhaus A-Stadt auszugehen. Die von Frau Dr.H. und der Fachklinik F. abgegebenen Leistungseinschätzungen seien zu optimistisch gewesen und durch den weiteren Krankheitsverlauf widerlegt worden. Die Beklagte habe daher unter Annahme eines Leistungsfalles vom 28.04.2008 ab dem 01.11.2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren, wobei diese bis zum 31.12.2011 zu befristen sei.

Hiergegen hat die Beklagte am 21.09.2011 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und mit Schriftsatz vom 11.05.2012 zur Begründung vorgetragen, dass das SG seine Entscheidung nicht auf das Gutachten des Herrn Dr.B. hätte stützen dürfen. Eine ausführliche Auseinandersetzung mit den vorliegenden ärztlichen Unterlagen, insbesondere den von Frau Dr.H. am 08.05.2008 erstellten Gutachten und dem Ergebnis der stationären Entwöhnungsbehandlung in der Fachklinik F. vom 20.11.2008 bis 12.03.2009 sei in diesem Gutachten nicht erfolgt. Sowohl Frau Dr.H. als auch die Fachklinik F. hätten übereinstimmend ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Rahmen von 6-stündig und mehr täglich angenommen. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass sowohl Frau Dr.H. als auch die Ärzte der Fachklinik F. den Versicherten persönlich untersucht hätten, während Herr Dr.B. sein Gutachten lediglich nach Aktenlage erstellt habe. Frau Dr.H. habe von einer mittelgradigen depressiven Episode gesprochen, die Klinik F. von einer leichtgradigen Depression. Selbst die Gutachterin im Betreuungsverfahren Dr.R. hat in ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 30.05.2008 nur eine mäßige depressive Erkrankung bestätigt. Erst in der Begutachtung durch Frau Dr.B. am 10.12.2009 habe sich eine schwere depressive Symptomatik gezeigt, obwohl der Beigeladene bereits längerfristig alkoholabstinent gewesen sei und eine längere Betreuung im Rahmen der Betreuungseinrichtung erfolgt sei. Nicht entscheidend sei der Umstand, dass der Beigeladene lediglich in der Arbeitstherapie gearbeitet und nicht eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeübt habe. Die Beklagte stelle nicht in Abrede, dass im Hinblick auf die zur Rentengewährung führende Erkrankung des Versicherten der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung vor dem 10.12.2009 eingetreten sein könnte, eventuell bestehende Beweisschwierigkeiten würden jedoch zu Lasten des Klägers gehen.

Der Senat hat daraufhin ein nervenärztliches Fachgutachten von Dr.C. nach Aktenlage eingeholt, der am 13.11.2012 zu folgenden Diagnosen gelangte:

1. Abhängigkeit von Alkohol.
2. Rezidivierende depressive Störung.
3. Zustand nach Abhängigkeit von Sedativa und Opioiden.
4. Degeneratives Wirbelsäulensyndrom, Zustand nach Nukleotomie L5/S1 8/2007.
5. Schlafapnoe-Syndrom, NCPAP-Therapie.

Die gesundheitlichen Einschränkungen des Beigeladenen seien im Hinblick auf seine Erwerbsfähigkeit in der Alkoholabhängigkeit sowie einem zumindest zeitweise bestehenden schädlichen Gebrauch von Beruhigungs- und Schmerzmitteln, einer rezidivierenden depressiven Störung, einem abnutzungsbedingten Wirbelsäulenleiden und einer atembezogenen Schlafstörung begründet. Mindestens ab dem 10.12.2009 lägen seelische Störungen vor, die weder mit zumutbarer Willenanstrengung aus eigener Kraft noch mit fremder Hilfe hätten überwunden werden können. Auch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne nervliche und körperliche Belastung könne der Beigeladene nicht mehr vollschichtig verrichten. Insbesondere die rezidivierende depressive Störung mit zu diesem Zeitpunkt schwerem Ausprägungsgrad und die somatoforme Störung schränkten die Leistungsfähigkeit des Beigeladenen derart ein, dass ab dem 10.12.2009 ein Leistungsvermögen von nur weniger als 3 Stunden täglich bestehe. Einschränkungen der Merk- und Konzentrationsfähigkeit, der Selbstständigkeit des Denkens und Handelns, des Unterscheidungs- und Beurteilungsvermögens, des Reaktionsvermögens, der praktischen Anstelligkeit und Findigkeit ließen sich aus den vorliegenden Dokumenten nicht nachvollziehen. Allerdings seien im Zusammenhang mit der Suchterkrankung und der rezidivierenden depressiven Störung Einschränkungen der Ausdauer, der Anpassungsfähigkeit an den technischen Wandel sowie des Verantwortungsbewusstseins und der Gewissenhaftigkeit zweifellos zu berücksichtigen. Die Frage der Leistungsmotivation des Beigeladenen lasse sich aufgrund der vorliegenden Dokumente nicht hinreichend beantworten. Die Wegefähigkeit des Beigeladenen sei gegeben. Aufgrund der Suchterkrankung bestehe jedoch Fahruntauglichkeit. Ein Absinken des Leistungsniveaus lasse sich in der Tat erst ab dem 10.12.2009 in relevantem Ausmaß nachvollziehen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 24.08.2011 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 25.06.2009 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 25.05.2010 und des Widerspruchsbescheides vom 17.06.2010 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom
24.08.2011 zurückzuweisen.

Der Beigeladene und seine Betreuerin haben keine Anträge gestellt.

Auf entsprechenden Antrag des Beigeladenen hin hat die Beklagte zwischenzeitlich Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.12.2011 hinaus bis Dezember 2014 bewilligt.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten, die Akten des Bezirks Mittelfranken - Sozialreferat, Akt.Nr. 60147, Fallnr. KREL2111197100, Band 1 - 4 sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.



Entscheidungsgründe:


Die form- und fristgerecht gegen das Urteil des SG Nürnberg eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG). Sie ist auch begründet, da das SG in seinem Urteil vom 24.08.2011 zu Unrecht vom Eintritt eines Leistungsfalles bereits am 28.04.2008 ausgegangen ist. Ein früherer Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung des Beigeladenen vor dem 10.12.2009 ist zur Überzeugung des Senats nicht mit der erforderlichen Gewissheit nachgewiesen (§ 128 Abs 1 SGG).

Gemäß § 43 Abs 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten 5 Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbei-
träge für eine versicherte Tätigkeit oder Beschäftigung haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes für mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles, der wie die übrigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI im Vollbeweis objektiv feststehen muss, muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit angenommen werden können. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG SozR 3-3900 § 15 Nr 4; BSGE 103, 99, 104). Kann - wie vorliegend - der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungsfalles nach Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Amtsermittlung durch das Gericht nicht objektiv und frei von vernünftigen Zweifeln feststellt werden, trifft den Kläger hierfür die objektive Beweislast (BSG SozR 2-2200 § 1247 Nr 8).

Ein Nachweis des Eintritts der vollen Erwerbsminderung ist zur Überzeugung des Senats erst in dem Zeitpunkt der persönlichen Untersuchung des Beigeladenen durch Dr. B. am 10.12.2009 gegeben:

Die mit Beschluss des Amtsgerichts A-Stadt vom 26.06.2008 bestellte Betreuerin beantragte bei der Beklagten für den 1971 geborenen Beigeladenen die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Die Betreuung wurde aufgrund eines vom Amtsgericht A-Stadt eingeholten nervenärztlichen Gutachtens von Frau Dr.R. vom 30.05.2008 angeordnet. Der Beigeladene hat von 1986 bis 1989 eine Lehre als Industriemechaniker absolviert und stand im Zeitpunkt der Rentenantragstellung in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis bei der Firma INA-S. in H ... Am 08.08.2005 erlitt er einen Bandscheibenvorfall im Bereich L5/S1 infolge eines Hebetraumas (der Beigeladene hatte sein Kind die Treppe hinuntertragen wollen). In der Folgezeit befand sich der Beigeladene auf einer ersten stationären medizinischen Rehabilitation in der Klinik R. vom 07.09.2005 bis 27.09.2005, aus der er mit einem Leistungsbild von 6 Stunden und mehr sowohl für die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Industriemechaniker als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde. Im Rahmen dieser Rehabilitationsmaßnahme war eine Alkoholkarenz sowie eine Gewichtsreduktion angeregt worden. Angegeben hatte der Beigeladene hier einen Alkoholkonsum von 3 bis 5 Bier pro Tag. Anhaltspunkte für eine psychische Beeinträchtigung waren in dem Reha-Bericht nicht zu finden.

Eine zweite stationäre medizinische Reha-Maßnahme absolvierte der Beigeladene vom 22.02.2006 bis 22.03.2006 in der F.-Klinik W. wegen persistierender Schmerzen der Lendenwirbelsäule. Aus dieser Maßnahme wurde der Kläger zwar als arbeitsunfähig, jedoch mit einem Leistungsbild von 6 Stunden und mehr sowohl für die letzte Tätigkeit als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt mit qualitativen Einschränkungen entlassen. Angegeben wurde hier vom Beigeladenen, dass er wöchentlich bis zu 10 Flaschen Bier im Durchschnitt trinke. Als psychische Anamnese ist festgehalten, dass der Beigeladene voll bewusstseinsklar und orientiert sei, freundlich, aufgeschlossen und kooperativ.

Am 04.01.2007 begab sich der Beigeladene dann erstmals in eine Langzeitentwöhnungsbehandlung in die Fachklinik F., in der er sich bis zum 24.05.2007 befand. Aus dieser Maßnahme wurde er als arbeitsunfähig, jedoch mit einem Leistungsbild von 6 Stunden und mehr sowohl für die letzte berufliche Tätigkeit als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen. Hier ist erstmals als Diagnose eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome festgehalten. Angegeben hatte der Beigeladene in der Anamnese, dass er seit ca. einem Jahr an Depressionen leide und sich innerhalb des vergangenen Jahres eine Abhängigkeit von Schmerzmitteln ergeben habe. Seit 3 Monaten konsultierte er einen niedergelassenen Psychologen, der ihm den stationären Aufenthalt empfohlen und ihn auch in die Therapie vermittelt habe. Über 3 Monate sei er alle 2 Wochen in ambulanter Therapie gewesen. In diesem Reha-Bericht ist letztlich eine deutliche Besserung sowohl in Bezug auf die Alkoholerkrankung als auch im allgemeinen Verhalten und bezüglich der psychischen Situation festgehalten. Während im sog. B.´schen Depressionsinventar bei Aufnahme in die Klinik ein Faktor von 31 (Hinweis auf eine schwere affektive Störung) festgestellt wurde, lag im Zeitpunkt der Entlassung nur noch ein Faktor von 6 vor, d.h. dass es keinen Hinweis auf eine affektive Störung mehr gab. Auch die Ergebnisse des sog. Unsicherheitsfragebogens waren durchaus unauffällig. Es wurde dem Beigeladenen empfohlen, sich einer Selbsthilfegruppe am Wohnort anzuschließen und eine ambulante Behandlung durchführen zu lassen.

Nach einer Nukleotomie L5/S1 am 29.08.2007 befand sich der Beigeladene dann zum 4. Mal in einer stationären medizinischen Rehabilitation, und zwar vom 10.09.2007 bis 01.10.2007 in der Fachklinik H. mit orthopädischem Schwerpunkt, aus der er mit einem Leistungsvermögen von mehr als 6 Stunden für den letzten Beruf als Industriemechaniker/Dreher und den allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde. Während dieser Reha-Maßnahme war ein einmaliger Alkoholrückfall festgehalten worden. Offenbar aufgrund dieses Alkoholrückfalls kam es dann in der Folgezeit, im September 2007, zur Trennung von der Ehefrau, die dem Kläger wohl mehrfach im Vorfeld die Trennung angekündigt hatte, wenn er seine Alkoholkrankheit nicht in den Griff bekäme. Vom 31.10.2007 bis 11.03.2008 wurde der Beigeladene dann stationär in der Nervenklinik B. behandelt, der offenbar nach Trennung von der Ehefrau in eine schwere depressive Episode fiel. Die Aufnahme erfolgte zum qualifizierten Alkoholentzug. Der Beigeladene hatte während dieses Klinikaufenthalts offenbar selbst den Wunsch geäußert, nach Trennung von Ehefrau und Kindern jetzt in eine betreute Wohngruppe zu gehen, in die er auch am Entlassungstag aus der Klinik B. unmittelbar aufgenommen wurde (vgl. HEB-Bogen der WAB C-Stadt gGmbH A-Stadt).

Am 13.05.2008 erstellte sodann die Fachärztin für Psychiatrie Dr.H. nach Untersuchung des Klägers am 08.05.2008 ihr Gutachten, nach dem der Kläger noch über ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen sowohl für seinen bisherigen Beruf als auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verfügte, wenn auch unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen. Allerdings sah Frau Dr.H. die Erwerbsfähigkeit des Klägers infolge der Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit sowie der Depression als erheblich gefährdet an und schlug deshalb eine weitere Langzeit-Entwöhnungsbehandlung vor. Dabei ging Frau Dr.H. ausdrücklich von einer vollschichtigen Erwerbsfähigkeit des Beigeladenen aus, sah allerdings auch die bereits bestehende Gefährdung der Erwerbsfähigkeit, die bei unterlassener Behandlung in absehbarer Zeit letztlich zu einer Erwerbsminderung führen würde. Diese Entwöhnungsbehandlung ist dann in der Fachklinik F. vom 20.11.2008 bis 12.03.2009 durchgeführt worden. Aus dieser Maßnahme ist der Beigeladene ebenfalls mit einem Leistungsvermögen von mehr als 6 Stunden sowohl für die letzte Tätigkeit als auch für den allgemeinen Arbeitsmarkt unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen entlassen worden.

Aufgrund der vorliegenden zahlreichen Reha-Berichte über den Beigeladenen und aufgrund des vom Senat eingeholten Gutachtens von Dr.C. nach Aktenlage vom 13.11.2012 ist der Senat der Überzeugung, dass ein früherer Eintritt eines Leistungsfalles als am 10.12.2009 beim Beigeladenen nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden kann.

Erst Frau Dr.B. hat in ihrer nervenärztlichen Begutachtung mit Untersuchung des Klägers am 10.12.2009 eine deutliche Verschlimmerung des psychischen Zustandes des Beigeladenen konstatiert und dies auch ausdrücklich in ihrem Gutachten festgehalten. Gegenüber Frau Dr.H. und der Behandlung in der Klinik F. im Jahr 2009 habe sich eine deutliche Verschlimmerung des psychischen Zustandes des Beigeladenen ergeben, der - obwohl er alkoholabstinent gewesen war und sich in der betreuten Wohngruppe integriert sah - durch erneuten psychischen, wohl familiär ausgelösten Stress in einer deutlich schlechteren psychischen Verfassung befunden habe. Dr.C. weist in seinem Gutachten nach Aktenlage zutreffend und überzeugend darauf hin, dass die psychische Erkrankung des Beigeladenen offenbar von einem Auf und Ab gekennzeichnet war, die bereits vor 2008 in besonderen Stress-Situationen in Zeiträume mit schwerer depressiver Episode, aber eben auch in Zeiträume mit nur leicht bis mäßiggradiger depressiven Episoden einzuteilen ist. So befand sich der Beigeladene z.B. ab Oktober 2007 bis März 2008 in der Nervenklinik B., nachdem die Ehefrau sich vom Beigeladenen getrennt hatte und aufgrund dieses Konflikts eine schwere Krise beim Beigeladenen ausgelöst wurde. Andererseits konnte der Beigeladene in der Nervenklinik entsprechend gut behandelt werden, wofür der oben dargelegte B.`sche Depressionsinventarindex auch spricht. Mit Aufnahme in das Wohnheim hatte der Beigeladene auch eine entsprechende Stabilität wieder gefunden, die ihm durch Trennung von seiner Familie und Versteigerung des Hauses letztlich nicht mehr zur Verfügung stand und die auch zu einer entsprechenden Erhöhung der Rückfallgefahr geführt hätte. Aus den in der Akte des SG vorhandenen Berichten über die Hilfeplanung im Wohnheim wird ersichtlich, dass der Beigeladene unmittelbar nach der Aufnahme in die Wohngruppe durchaus in der Lage war, selbstständig seinen Tagesablauf zu gestalten, er sich sehr schnell dort integriert hatte und dass damals auch zu seiner Frau und zu seinen Kindern ein sehr guter Kontakt bestanden hat, obwohl das Ehepaar bereits in Trennung lebte. Die Kinder kamen regelmäßig in die Einrichtung zu Besuch, um das Eltern-Kind-Verhältnis weiter zu stabilisieren. Andererseits ist im Bericht von Juni 2008 aber festgehalten, dass der Beigeladene in Phasen der depressiven Verstimmung nicht belastbar sei, er sei dann oft krank und ziehe sich zurück, er könne in diesen Phasen von den Betreuern auch nicht motiviert werden, an der Arbeitstherapie teilzunehmen. Er arbeitete dort bereits in der Kantine der Einrichtung. Der gerichtliche Sachverständige Dr.C. weist zutreffend darauf hin, dass Dr.B., den das SG mit der Erstellung des Gutachtens nach Aktenlage beauftragt hatte, sein Ergebnis im Wesentlichen darauf stützt, dass sich im Nachhinein die Prognosen von Frau Dr.H. und der Fachklinik F. als zu optimistisch herausgestellt hätten, dass dies aber die persönliche Einschätzung und Untersuchung, insbesondere die Langzeitbeobachtung der Klinik F. nicht aushebeln könne. Die in der Klinik F. gestellten Diagnosen seien auch in Bezug auf entsprechende Persönlichkeitsanteile widerspruchsfrei und in Übereinstimmung mit früher und später gestellten Diagnosen. Es seien im Grunde alle wesentlichen Gesichtspunke berücksichtigt worden und als besonderer Aspekt sei insbesondere hervorzuheben, dass die depressive Symptomatik damals lediglich leicht ausgeprägt gewesen sei. Die Entlassung aus der Akutentzugsbehandlung im April 2008, die vom Kläger als maßgeblicher Leistungsfall in Betracht gezogen werde, könne nur dann als suchttypisches Verhalten gewertet werden, wenn es unmittelbar zur Fortsetzung des Suchtmittelsgebrauchs durch den Beigeladenen gekommen wäre. Im Gegensatz dazu sei aber über einen Zeitraum von 4 Monaten und damit eine durchaus längere Zeit Abstinenz gegeben gewesen. Auch dem Gutachten von Frau Dr.R. vom 30.05.2008 habe eine Untersuchung am 16.05.2008 zugrunde gelegen. Auffällig sei hier, dass ein dezidierter psycho-pathologischer Befund im Gutachten nicht dokumentiert worden sei. Darüber hinaus habe offensichtlich zu diesem Zeitpunkt ebenfalls Abstinenz bestanden. Die Sachverständige habe auch nur eine mäßige depressive Ausprägung beschrieben. Aus diesem Gutachten könne jedenfalls nicht auf eine erhebliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Beigeladenen geschlossen werden. Allein der Umstand der Unterbringung in einem Wohnheim und der Arbeit in einer Arbeitstherapie könne nicht allgemein gleichgesetzt werden mit der Unfähigkeit, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Zustands angemessene Tätigkeit auszuüben. Dafür sprächen zum einen die sog. HEB-Berichte. Explizit werde in den Berichten über den Folgezeitraum von März bis November 2008 darauf hingewiesen, dass der Beigeladene keinerlei Unterstützung bei wesentlichen Aktivitäten des täglichen Lebens benötige. Auch externe Termine habe er selbstständig wahrgenommen. Arbeitsunfähigkeitszeiten aufgrund depressiver Verstimmungen seien zuletzt nicht mehr aufgetreten. Ein relevantes Rückzugsverhalten sei nicht zu beobachten gewesen. Er habe regelmäßig auch an Freizeitangeboten der Einrichtung teilgenommen, habe sich fast jeden Abend mit Freunden zum gemeinsamen Kartenspiel getroffen, es seien nur gelegentliche Rückzugstendenzen beschrieben worden. Aus diesen Berichten lasse sich keine erhebliche depressive Symptomatik nachvollziehen. Offensichtlich habe auch ein Schmerzsyndrom zu diesem Zeitpunkt nicht mehr im Vordergrund gestanden, zumindest sei dies nicht mehr explizit als relevant beschrieben worden. Offensichtlich habe während dieser Zeit auch eine weitgehende Abstinenz von sämtlichen Suchtmitteln bestanden und dieser günstige Zustand habe dann auch zur Teilnahme an einer externen Arbeitsgruppe geführt.

Die von Dr.C. getroffene Einschätzung deckt sich mit den nach persönlicher Untersuchung des Beigeladenen erstellten Gutachten von Frau Dr.H., Frau Dr.R. und den Ergebnissen der Entzugsbehandlung in der Klinik F. sowie den nachfolgenden Untersuchungen und Behandlungen. Auch in den vom SG beigezogenen Unterlagen der behandelnden Ärztin Dr.E. finden sich keine Anhaltspunkte für eine dauerhafte schwere Depression des Beigeladenen, die bereits in dem Zeitraum vor Dezember 2009 festgestellt werden könnte. Die Behandlungsdaten und Aufzeichnungen beginnen am 12.03.2008, also am Tag nach Entlassung aus der Nervenklinik B ... Der Schwerpunkt der Behandlungen lag jedoch auf der Behandlung orthopädischer Leiden, Impfungen, Schmerzmittelversorgung und Medikation. Aus dem beigezogenen Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie K. S. ergibt sich im Jahr 2008 nur ein einmaliger Kontakt am 12.03.2008, also wiederum am Tag unmittelbar nach Entlassung aus der Nervenklinik B ... Hier ist die dort festgestellte Diagnose "rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere depressive Episode" übernommen. Eine Behandlung des Klägers hat aber im Jahr 2008 hier nicht stattgefunden.

Der Umstand, dass es in der Tat zu einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes des Beigeladenen im Dezember 2009 gekommen ist, lässt sich auch aufgrund des Berichts des Universitätsklinikums A-Stadt - Interdisziplinäres Schmerzzentrum vom 02.02.2010 bestätigen. In diesem Bericht ist festgehalten, dass, mit ausgelöst durch die Probleme am Arbeitsplatz, es zu einer zunehmenden Zuspitzung mit vermehrten Auffälligkeiten im Privat- und Berufsleben des Beigeladenen und schließlich 2006 zu einem Zusammenbruch gekommen sei. Nach zwei Langzeittherapien und einer kontinuierlichen psychiatrischen Behandlung sei der Beigeladene nun seit ca. 1,5 Jahren abstinent. Seit Abschluss der 2. Langzeittherapie im Frühjahr 2008 lebe der Beigeladene in einer betreuten Wohngruppe und habe sich in der Folge psychisch stabilisieren können. Seit ca. einem Jahr beobachte er jedoch wieder zunehmende Depressivität. Gegenwärtig sei die Stimmung als überwiegend niedergeschlagen beschrieben, das Interesse sei vermindert, die emotionale Schwingungsfähigkeit eingeschränkt. Aktuell belastet sei der Beigeladene durch den fehlenden Kontakt zu seinen Kindern seit 5 Monaten, die finanzielle Situation (Schulden, Privatinsolvenz) und die unsichere persönliche Perspektive.

In den umfassenden ärztlichen Unterlagen ist dokumentiert, dass der Beigeladene in entsprechenden Stress-Situationen, sei es beruflicher Art, sei es familiärer Art, z. B. durch Erkrankung von Familienangehörigen, dazu neigt ein stärkeres Suchtverhalten zu zeigen und gleichzeitig psychisch zu dekompensieren. Während im Jahr 2008 sich nicht zuletzt aus den HEB-Berichten eine psychische Stabilisierung und ein kontrolliertes Suchtverhalten des Beigeladenen sowohl hinsichtlich Alkohol als auch Medikamenten zeigt, scheint der Kläger im Laufe des Jahres 2009 doch wieder stärker unter psychischen Druck geraten zu sein. Die geschiedene Ehefrau hatte zwischenzeitlich einen neuen Partner gefunden und ist an einen anderen Ort verzogen, die Kinder hatte sie mitgenommen und der Kontakt des Klägers zu seinen Kindern war offenbar seit Sommer/Herbst 2009 völlig unterbunden. Das Haus wurde versteigert, der Kläger hat erhebliche Schulden, deren Abtragung er wohl nicht für möglich hält, sodass eine entsprechende Zuspitzung seiner sozialen und familiären Situation im Jahr 2009 nachvollziehbar ist, obwohl er in dieser Zeit alkoholkarent und in der Wohngruppe sozial integriert war. Unter Berücksichtigung der geschilderten Reaktionsmuster des Klägers ist es durchaus nachzuvollziehen, dass Frau Dr.B. im Zeitpunkt ihrer Untersuchung des Beigeladenen (10.12.2009) unter Annahme der nun vorliegenden schweren Depression zu einem unter dreistündigen Leistungsvermögen gelangt und auch ausdrücklich eine wesentliche Verschlimmerung des Zustandes des Beigeladenen gegenüber Mai 2008 (Untersuchung Dr. H.) und Mai 2009 (Entlassung aus der Reha-Klinik F.) sieht.

Dem Gutachten nach Aktenlage von Dr. B. vom 15.03.2011 ist hingegen nicht zu folgen, da darin eine exakte Abgrenzung zwischen Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung, Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung und der Gefährdung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des Rehabilitationsrechts nicht erfolgt. Dr. B. bestätigt im Übrigen die Einschätzungen von Dr. H. und der Fachklinik F. dem Grunde nach, hält diese Einschätzungen jedoch rückblickend für zu optimistisch, wobei er sich letztlich entscheidend auf die telefonischen Angaben der Betreuerin des Beigeladenen aus dem Jahr 2011 stützte, wonach der Beigeladene "nach längerer Abstinenz einen Rückfall erlitten habe". Zum anderen ist es durchaus rentenrechtlich zulässig und üblich, den Zeitpunkt des Eintritts eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung kalendarisch an eine Untersuchung durch einen ärztlichen Sachverständigen zu knüpfen, wenn sich - wie im vorliegenden Fall - ein anderer, früherer oder späterer Zeitpunkt aus den Befundberichten und Akten nicht mit der für den Rentenanspruch erforderlichen Gewissheit feststellen lässt. Die Beklagte hat selbst darauf hingewiesen, dass es durchaus sein könne, dass das Leistungsvermögen des Beigeladenen in quantitativer Hinsicht schon früher in rentenrechtlich relevantem Umfang abgesunken sein könnte. Hierbei ist allerdings zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant werden, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen ist, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft nicht mehr überwinden kann (BSG Urteil vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89; BSG Urteil vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R - jeweils zitiert nach juris; BayLSG Urteil vom 12.10.2011 - L 19 R 738/08; BayLSG Urteil vom 30.11.2011 - L 20 R 229/08; BayLSG Urteil vom 18.01.2012 - L 20 R 979/09; BayLSG Urteil vom 15.02.2012 - L 19 R 774/06; BayLSG Urteil vom 21.03.2012 - L 19 R 35/08). Der psychische Zustand des Beigeladenen war aber durchweg behandlungsfähig, wurde auch behandelt und konnte immer wieder einer Besserung zugeführt werden. Er unterlag Schwankungen, aber bis Dezember 2009 kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass durchgehend eine mittelschwere bis schwere Depression des Beigeladenen vorgelegen hätte, die nicht mehr überwindbar gewesen wäre. Im Übrigen kommt Dr.B. in seinem Gutachten auch nicht zu einem unter 3-stündigen Leistungsvermögen ab dem 28.04.2008, sondern lediglich zu einem Absinken in den unter 6-stündigen Bereich, was allenfalls einer teilweisen Erwerbsminderung des Beigeladenen entspräche.

Nach alledem steht zur Überzeugung des Senats der Eintritt des Leistungsfalles der vollen Erwerbsminderung erst im Zeitpunkt der Begutachtung durch Frau Dr.B., also am 10.12.2009 mit Gewissheit fest. Fest steht ebenfalls, dass der Zustand des Beigeladenen noch behandelbar und eine Besserungsaussicht nicht völlig unwahrscheinlich ist, so dass gemäß § 102 Abs 2 SGB VI auch nur eine Rente auf Zeit zu gewähren war, die gemäß § 101 Abs 1 SGB VI mit Beginn des 7. Kalendermonats nach dem Eintritt des Leistungsfalles, vorliegend also ab dem 01.07.2010 zu gewähren war.

Auf die Berufung der Beklagten hin war somit das Urteil des SG Nürnberg vom 24.08.2011 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 25.06.2009 in Gestalt des Teilabhilfebescheides vom 25.05.2010 sowie des Widerspruchsbescheids vom 17.06.2010 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Kläger macht im Wege der Prozessstandschaft übergeleitete Rentenansprüche des Beigeladenen nach
§ 95 SGB XII geltend und kommt damit in den Genuss der Kostenprivilegierung nach § 183 SGG (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 183 SGG, Rdnr. 6 b m.w.N).

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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