L 1 U 5189/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 2 U 3351/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 5189/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 01.10.2012 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Weitergewährung von Verletztenrente ab dem 01.07.2011 im Streit.

Der 1959 geborene Kläger erlitt am 11.07.2008 bei seiner Tätigkeit als Zimmermann einen bei der Beklagten versicherten Arbeitsunfall. Der Kläger befand sich auf einer Leiter und beabsichtigte, eine über Kopf gehaltene große Holzplatte an der Wand zu befestigen, als die mit links gehaltene Holzplatte überraschend verrutschte und ihm bei dem Versuch, diese festzuhalten, den linken Arm nach hinten drehte.

Im Durchgangsarztbericht des Chirurgen Dr. W. vom Unfalltag ist als Erstdiagnose eine AC-Gelenksprengung Tossy III [Sprengung des Acromioclaviculargelenks/Schultereckgelenks mit Komplettruptur der gesamten schulterstabilisierenden Strukturen] links angegeben. Am 15.07.2008 wurde durch Dr. W. zur temporären Transfixation eine Kirschner-Draht-Osteosynthese vorgenommen.

Der Kläger befand sich wegen andauernder Beschwerden vom 09.12.2008 bis zum 23.12.2008 in stationärer Behandlung in der B. U. T., wo die Beweglichkeit und muskuläre Insuffizienz der linken Schulter verbessert werden konnte. Am 07.01.2009 wurde dort eine diagnostische Arthroskopie mit Labrum-Refixation durchgeführt.

Im ersten Rentengutachten des Dr. W. vom 29.08.2009 ist angegeben, dass als wesentliche Unfallfolge eine AC-Gelenksprengung links Grad Tossy III mit verbliebener Instabilität nach erfolgter Kirschner-Draht-Osteosynthese vom 11.07.2008 mit partieller Supraspinatussehnenläsion vorliege. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage 30 vom Hundert (v.H.) vom 11.07.2008 bis zum 07.01.2009 und anschließend bis zum 14.07.2009 und vom 14.07.2009 "bis ein Jahr" 20 v.H. Danach betrage die MdE voraussichtlich nur noch 10 v.H.

Mit Bescheid vom 05.11.2009 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 04.05.2009 bis auf Weiteres. Als Unfallfolge wurden eine Bewegungseinschränkung und Instabilität des Schultergelenkes nach AC-Gelenksprengung Tossy III genannt.

In dem Gutachten zur Nachprüfung der MdE des Prof. Dr. G. vom 25.06.2010 wurden eine AC-Gelenksprengung links Grad III nach Rockwood mit verbliebener Instabilität und eine schmerzreflektorische Bewegungsminderung im linken Schultergelenk mit Kraftreduktion bei Abduktion M4/5 angegeben. Die MdE betrage weiterhin 20 v.H. Der Beratungsarzt Dr. K. übernahm diese Einschätzung mit Stellungnahme vom 12.08.2010.

Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 26.08.2010 weiterhin die Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H.

In seinem Rentengutachten zur Rentengewährung auf unbestimmte Zeit vom 15.02.2011 stellte Prof. Dr. G. eine beginnende posttraumatische AC-Gelenkarthrose, eine posttraumatische schmerzreflektorische Bewegungsminderung im linken Schultergelenk mit Kraftreduktion bei Flexion, Abduktion und Außenrotation M4/5 und eine verbliebene vertikale Instabilität fest. Die MdE betrage 20 v.H.

Dr. K. verwies hierzu auf die Fundstelle in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 523, wonach die MdE eher unter 20 v.H. betrage.

Prof. Dr. G. stimmte diesem Einwand am 02.05.2011 insoweit zu, als für eine Bewegungseinschränkung bei Vorhebung bis 120 Grad eine MdE um 10 v.H. in Betracht komme (mit Hinweis auf Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane). Hinzu komme jedoch die festgestellte Kraftminderung, die durch eine muskuläre Atrophie in der Fossa supraspinata angedeutet sei. Außerdem lägen nicht objektivierbare Schmerzen bei Heben des Armes über 90 Grad und bei Innenrotation vor. Die MdE sei deswegen im allgemeinen Erwerbsleben zwar nur um 10 v.H. gemindert, für den Beruf des Zimmermanns (Überkopfarbeiten, schweres Heben und Tragen) seien die Unfallfolgen jedoch mit einer MdE um 20 v.H. zu bewerten.

Der Beratungsarzt Dr. K. vertrat hierzu am 18.05.2011 die Auffassung, dass unter Dauerrentengesichtspunkten die MdE auf unter 20 v.H. einzuschätzen sei.

Nach Anhörung des Klägers entzog die Beklagte mit Bescheid vom 14.06.2011 die Verletztenrente mit Ablauf des Monats Juni 2011, da kein Anspruch auf Rente auf unbestimmte Zeit bestehe. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden anerkannt: Bewegungseinschränkung, Kraftminderung und Instabilität im Bereich des linken Schultergelenkes nach AC-Gelenksprengung Tossy III links, beginnende posttraumatische AC-Gelenksarthrose links.

Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, dass nach den Ausführungen von Prof. Dr. G. von einer MdE um 20 v.H. auszugehen sei. Neben der Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes sei auch zu berücksichtigen, dass es zu einer deutlich objektivierbaren Kraftminderung des Armes bei Flexion/Abduktion und der Außenrotation gekommen sei. Der Arm könne aktiv nicht mehr schmerzfrei mehr als 90 Grad angehoben werden. Auch sei zu prüfen, ob nicht im Hinblick auf eine besondere berufliche Betroffenheit die MdE zu erhöhen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es bestehe lediglich noch eine MdE von 10 v.H., da die Einschätzung nach den Kriterien des allgemeinen Arbeitsmarktes zu erfolgen habe.

Der Kläger hat am 11.10.2011 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben. Es liege eine besondere berufliche Betroffenheit vor. Er sei zum Zeitpunkt des Unfalls 49 Jahre alt gewesen und habe nach seiner Ausbildung von drei Jahren Dauer mehrere Zusatzausbildungen absolviert. Von 1975 bis zum Unfallzeitpunkt sei er über 33 Jahre lang beschäftigt gewesen und habe hierbei auch einen Stundenlohn von 16 EUR aufgrund seiner jahrelangen Erfahrung erzielt. Zwar könne er seine Kenntnisse und Fähigkeiten noch als Berater oder Fachverkäufer im Holz- bzw. Baufachhandel verwerten, allerdings ergebe sich hierdurch für ihn ein unzumutbarer sozialer Abstieg, da diese Tätigkeiten tariflich wesentlich geringer entlohnt würden.

Die Beklagte trat der Klage mit der Argumentation entgegen, dass die Tätigkeit des Zimmermanns nicht so spezielle Fertigkeiten voraussetze, dass von dem Grundsatz der abstrakten Schadensberechnung abgewichen werden könne. Die MdE sei daher nach den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes zu bemessen, wonach lediglich von einer MdE um 10 v.H ausgegangen werden könne.

Der Kläger absolvierte auf Veranlassung der Deutschen Rentenversicherung (DRV) vom 03.03.2011 bis zum 31.03.2011 eine stationäre Maßnahme in der Reha-Klinik H. in B.-B ... In dem Entlassungsbericht ist unter anderem angegeben, dass der Kläger wegen der Restbeschwerden und Funktionseinschränkungen nach seinem Arbeitsunfall keine Überkopfarbeiten links und generell keine Tätigkeiten mehr ausüben könne, welche eine volle Funktionsfähigkeit und ein volles Kraftvermögen der linken Schulter erforderten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 01.10.2012 abgewiesen. Prof. Dr. G. und auch der Beratungsarzt Dr. K. gingen übereinstimmend von einer MdE um lediglich 10 v.H. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt aus. Der Auffassung des Prof. Dr. G., aufgrund der Regelung in § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII sei eine besondere berufliche Betroffenheit gegeben, könne nicht gefolgt werden. Die Möglichkeit zur Nutzung besonderer beruflicher Kenntnisse und Fähigkeiten sei nicht schon deshalb eingeschränkt oder ausgeschlossen, weil der Versicherte seinen erlernten Beruf infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur eingeschränkt ausüben könne. Denn die Beeinträchtigung des Leistungsvermögens eines Versicherten im bisherigen Beruf fließe bereits dadurch in die Bemessung der Verletztenrente ein, dass diese in Höhe des dem Grade der MdE entsprechenden Vomhundertsatzes der Vollrente von 2/3 des Jahresarbeitsverdienstes geleistet werde, welcher sich grundsätzlich nach dem im letzten Jahr vor dem Versicherungsfall erzielten Arbeitsverdienst bestimme. Bei der Höhe der Verletztenrente seien somit Doppelentschädigungen zu vermeiden. Als besondere Nachteile im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII kämen deshalb nur Umstände in Betracht, die nicht schon von der nach § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII bemessenen Höhe im allgemeinen Erwerbsleben und vom Jahresarbeitsverdienst erfasst seien (mit Hinweis auf BSG vom 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R). Entscheidend sei dabei, dass der Versicherte vor dem Versicherungsfall besondere berufliche Kenntnisse oder Erfahrungen erworben habe. Hierbei handele es sich um alle berufsspezifischen Fertigkeiten, die sich von den üblichen beruflichen Kenntnissen und Erfahrungen dadurch unterschieden, dass der Versicherte diese durch eine spezielle Ausbildung, eine vorhandene Begabung und meist jahrlange Übung habe und diese für einen anderen Beruf nicht verwertbar seien. Diese Voraussetzungen erfülle der vom Kläger ausgeübte Beruf des Zimmermanns nicht, denn ein berufliches, länger erprobtes Fachwissen liege in der Regel in jedem auf Dauer ausgeübten Beruf vor und erfülle als solches noch nicht die genannten besonderen Kriterien. Das Urteil ist den Bevollmächtigten des Klägers am 04.12.2012 zugestellt worden.

Die neuen Bevollmächtigten des Klägers haben am 13.12.2012 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt, mit der sie auf die Begründung des Widerspruchs und der Klage Bezug nehmen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass das SG die Klage ohne Durchführung von Ermittlungen abgewiesen habe und der Kläger nach Auslaufen des Arbeitslosengeldes I im Sommer 2012 keine Einnahmen mehr habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 01.10.2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14.06.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.09.2011 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig.

Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten sowie die Akten des SG und des LSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist nicht begründet. Die Voraussetzungen für eine Rentengewährung ab dem 01.07.2011 wurden von der Beklagten zu Recht verneint.

Nach § 26 Abs. 1 SGB VII haben Versicherte Anspruch auf Entschädigungsleistungen u. a. in Form von Heilbehandlung (§ 27 SGB VII) oder Geldleistungen (Verletztengeld § 45 SGB VII und Rente § 56 SGB VII ). Insbesondere nach § 56 Abs. 1 SGB VII erhalten Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, eine Rente. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente; die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern, § 56 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB VII.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Erforderlich ist, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in innerem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - , SozR 4-2700 § 8 Nr. 12).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die BK-Folgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urteil vom 26.06.1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urteil vom 19.12.2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Folgen des Unfalls beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22.08.1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Da die Rentenbewilligung der Beklagten zunächst vorläufig erfolgte, war es für die Einstellung der Rente nach § 62 Abs. 2 Satz 2 SGB VII binnen der vorliegend gewahrten Dreijahresfrist nicht erforderlich, dass eine Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse des Klägers eingetreten ist.

Ausgehend von den übereinstimmenden Ausführungen von Prof. Dr. G. und Dr. K., dass die funktionellen Einschränkungen durch die Unfallfolgen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt lediglich eine MdE um 10 v.H. bedingen, war ein Anspruch auf Rente nicht mehr gegeben. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG und § 136 Abs. 3 SGG auf die schlüssigen Ausführungen in dem angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 23.09.2011 Bezug genommen. Nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O. S. 523) ist bei einer Bewegungseinschränkung vorwärts/seitwärts bis 120 Grad, wie sie von Prof. Dr. G. in beiden Gutachten festgestellt worden ist, grundsätzlich eine MdE um 10 v.H. angemessen. Auch die von Prof. Dr. G. angedeutete Fundstelle bei Rompe/Erlenkämper, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, bestätigt diese Bewertung der MdE mit nur 10 v.H. (vgl. 5. Aufl. 2009, S. 718). Hierbei ist darauf hinzuweisen, dass die üblicherweise mit bestimmten Verletzungsfolgen einhergehenden Schmerzen in den genannten MdE-Erfahrungswerten bereits mitberücksichtigt sind (Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O. S. 216 ff., 221 ff.). Wesentliche hierüber hinausgehende Funktionseinschränkungen oder Schmerzen liegen beim Kläger nicht vor. Insbesondere ist die von Prof. Dr. G. mitgeteilte Kraftminderung in der linken Schulter nur gering ausgeprägt (vier Fünftel der ursprünglichen Kraft).

Zutreffend hat das SG auch festgestellt, dass bei der Bemessung der MdE auch keine besonderen Nachteile iS des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII zu berücksichtigen sind. Solche Nachteile liegen vor, wenn Versicherte bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit die Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten ausgeglichen werden, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann (BSG vom 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R -, Breithaupt 2010, 31).

Die Vorschrift verlangt wie ihre Vorläuferbestimmung in § 581 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die Versicherte dadurch erleiden, dass sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können. Allerdings lässt diese unfallversicherungsrechtliche Regelung keine allgemeine Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit - etwa entsprechend den Grundsätzen des § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes - zu. Eine derartige Auslegung widerspräche der Systematik des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung, das für die Bemessung der Verletztenrente anders als das Versorgungsrecht für Beschädigtengrundrenten nicht lediglich ohne Rücksicht auf Alter und Einkommen des Beschäftigten allein nach der Höhe der MdE zu gewährende Pauschalsätze vorsieht, sondern (auch) den individuelleren Maßstab des vom Verletzten während des letzten Jahres vor dem Versicherungsfall verdienten Arbeitsentgelts (§§ 56 Abs 3, 81 ff SGB VII) zugrunde legt. Die eine Höherbewertung der MdE rechtfertigenden Nachteile liegen im Rahmen des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII nur dann vor, wenn unter Wahrung des in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsatzes der abstrakten Schadensberechnung die Nichtberücksichtigung von Ausbildung und Beruf bei der Bewertung der MdE im Einzelfall zu einer unbilligen Härte führen würde. Selbst wenn der Verletzte seinen erlernten Beruf in Folge des Versicherungsfalles nicht mehr ausüben kann, muss dies daher nicht zwangsläufig zu einer Erhöhung der MdE führen (BSG vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R -, SozR 4-2700 § 56 Nr. 2, Breithaupt 2007, 499 m.w.N.).

Als wesentliche Merkmale für die Beurteilung der Frage, ob eine höhere Bewertung der MdE zur Vermeidung unbilliger Härten geboten ist, hat das BSG insbesondere das Alter des Verletzten, die Dauer der Ausbildung sowie vor allem die Dauer der Ausübung der speziellen beruflichen Tätigkeit und auch den Umstand bezeichnet, dass die bisher verrichtete Tätigkeit eine günstige Stellung im Erwerbsleben gewährleistete sowie schließlich, dass der Versicherungsfall einen unzumutbaren sozialen Abstieg hervorgerufen hat (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 7, S. 29, 30 m.w.N.). Bei der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich, dass eine unbillige Härte im Sinne des § 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VII zu verneinen ist. Die vom Kläger vor Eintritt des Versicherungsfalles ausgeübte Tätigkeit als Zimmermann ist nicht aufgrund der Dauer der Ausbildung hervorgehoben. Auch hat sie dem Kläger keine außergewöhnlich günstige Stellung im Erwerbsleben verschafft. Es handelt sich um eine qualifizierte Facharbeitertätigkeit, wie sie auch von unzähligen anderen Arbeitnehmern ausgeübt wird (vgl. BSG vom 05.09.2006 - B 2 U 25/05 R -, SozR 4-2700 § 56 Nr. 2, Breithaupt 2007, 499 zum Fall eines CNC-Drehers und Fräsers). Im Vergleich hierzu stellt die dem Kläger noch mögliche Ausübung einer Tätigkeit als Fachverkäufer in einem Baumarkt, bei der die Fachkenntnisse des Klägers weiter von Nutzen sein können, keinen unzumutbaren sozialen Abstieg im Sinne dieser Vorschrift dar.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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