L 16 R 955/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 11 R 1614/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 955/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Oktober 2012 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Gewährung von Altersrente (AR) für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute für die Zeit ab 1. Juni 2010.

Der 1946 geborene Kläger war im Beitrittsgebiet vom 1. September 1961 bis 20. Juni 1986 – mit Unterbrechungen durch den Wehrdienst vom 1. Mai 1969 bis 10. November 1970 und durch ein Studium an der Bezirksparteischule der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) GW in D vom 1. September 1982 bis 10. Juli 1983 – bei der Sowjetisch-Deutschen Aktiengesellschaft (SDAG) W – Jugendbergbaubetrieb K - als Hauerlehrling, Hauer und Radiometrist und – nach einem Arbeitsunfall im Jahr 1978 – als Arbeiter des geologisch-geophysischen Dienstes bzw zuletzt als Grubenzimmerer versicherungspflichtig beschäftigt. Durch Überleitungsvertrag vom 15. Mai 1986 zwischen dem Kläger, der SDAG W und dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) endete das Arbeitsverhältnis mit der SDAG W am 22. Juni 1986; der Kläger war fortan beim Bezirksvorstand des FDGB in B als politischer Mitarbeiter tätig. Vom 15. Juni 1989 bis 4. Juni 1990 war er Mitarbeiter der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft – Zentralvorstand -.

Die Beklagte gewährte dem Kläger, der seit 1. November 1978 eine Bergmannsrente aus der Sozialversicherung der früheren DDR bezogen hatte, ab 1. Januar 1992 eine – umgewertete – Rente wegen verminderter Berufsfähigkeit im Bergbau, die nach Zuerkennung einer Bergmannsvollrente nach langjähriger bergbaulicher Versicherung und Vollendung des 50. Lebensjahres gemäß Art. 2 § 6 Rentenüberleitungsgesetz (RÜG) mWv 1. Juli 1996 nicht mehr gezahlt wurde. Daneben erhielt der Kläger einen Übergangszuschlag nach § 319b Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI).

Im Juni 2010 beantragte der Kläger AR für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute. Mit Bescheid vom 1. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, weil der Kläger nur 270 Kalendermonate mit ständigen Arbeiten unter Tage zurückgelegt habe. Bei der Beschäftigung beim FDGB habe es sich nicht um eine Untertagetätigkeit bzw knappschaftlich versicherte Tätigkeit gehandelt.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf Gewährung einer AR für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute "ab Antragstellung" gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Der Kläger habe die nach § 238 Abs. 1 SGB VI für die begehrte AR erforderliche Wartezeit von 25 Jahren (= 300 Kalendermonaten) nicht erfüllt. Er habe nur 270 Kalendermonate mit insoweit anrechenbaren Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung mit ständigen Arbeiten unter Tage bzw mit insoweit nach § 61 Abs. 2 und 3 SGB VI gleichgestellten Zeiten zurückgelegt. Die Tätigkeit als politischer Mitarbeiter bei dem FDGB sei keiner Tätigkeit als Betriebsrat iSv § 61 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI gleichzustellen. Dies gelte schon deshalb, weil nur Betriebsratstätigkeiten in knappschaftlichen Betrieben erfasst würden. Dass eine solche Gleichstellung bei der Gewährung von Bergmannsvollrente iSv Art. 2 § 6 RÜG nach den insoweit weiter geltenden Vorschriften des DDR-Rechts vorgesehen gewesen und von der Beklagten insoweit auch berücksichtigt worden sei, könne auf die hier begehrte AR nach dem SGB VI nicht übertragen werden.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter; auf seine Berufungsbegründung vom 28. Dezember 2012 wird Bezug genommen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 10. Oktober 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 1. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 1. Juni 2010 Altersrente für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Rentenakten der Beklagten (2 Bände) und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hier zuvor gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf AR für langjährig unter Tage beschäftigte Bergleute für die Zeit ab 1. Juni 2010 (Antragsmonat) gemäß § 238 Abs. 1 und 2 SGB VI in der seit 1. Januar 2008 geltenden und vorliegend anwendbaren Fassung von Art. 1 Nr. 60 Rentenversicherungs-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I S 554).

Anspruch auf die begehrte AR haben danach langjährig unter Tage beschäftigte und vor dem 1. Januar 1952 geborene Versicherte, wenn sie das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit von 25 Jahren (300 Monaten) erfüllt haben. Auf die Wartezeit von 25 Jahren werden Kalendermonate mit Beitragszeiten aufgrund einer Beschäftigung mit ständigen Arbeiten unter Tage angerechnet (§ 51 Abs. 2 SGB VI). Ständige Arbeiten unter Tage sind gemäß § 61 Abs. 1 SGB VI solche Arbeiten nach dem 31. Dezember 1967, die nach ihrer Natur ausschließlich unter Tage ausgeübt werden, wobei im Beitrittsgebiet vor dem 1. Januar 1992 überwiegend unter Tage ausgeübte Tätigkeiten ständige Arbeiten unter Tage sind (vgl § 254a SGB VI). Diesen Arbeiten sind die Tätigkeiten iSv § 61 Abs. 2 und Abs. 3 SGB VI gleichgestellt. Für Zeiten vor dem 1. Januar 1968 gelten die in der Anlage 9 zum SGB VI aufgeführten Hauerarbeiten als ständige Arbeiten unter Tage (vgl. Niesel in: KassKomm, 65. Erg.-Lfg. 1. April 2010, § 61 SGB VI Rn 3 mwN). Die Wartezeit von 25 Jahren ist auch erfüllt, wenn die in § 238 Abs. 3 und 4 SGB VI geregelten tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

Der Kläger erfüllt die vorgesehene Wartezeit nicht, weil er nur 270 Kalendermonate mit auf die Wartezeit anrechenbaren Zeiten zurückgelegt hat, und zwar vom 1. September 1961 bis 1. Mai 1969 (93 Monate), vom 10. November 1970 bis 26. Januar 1978 (87 Monate), vom 9. März 1978 bis 31. August 1982 (54 Monate) und vom 11. Juli 1983 bis 20. Juni 1986 (36 Monate). Die ab 23. Juni 1986 innegehabten Beschäftigungen beim Bezirksvorstand des FDGB und der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft stellen keine Tätigkeiten dar, die ständigen Arbeiten unter Tage gleichzustellen wären. Ein gesetzlicher Gleichstellungstatbestand ist nicht erfüllt. Der Senat nimmt insoweit auf die ausführliche Begründung des SG in dem angefochtenen Urteil (S. 5 Absatz 3 Zeile 1 bis S. 7 Absatz 1 letzte Zeile) gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und sieht von weiteren Ausführungen ab. Ergänzend ist nur darauf hinzuweisen, dass die Beschäftigung des Klägers als politischer Mitarbeiter beim Bezirksvorstand des FDGB keine Betriebsratstätigkeit iSv § 61 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI darstellt, worauf der Kläger in seiner Berufungsbegründung abhebt. Nach der genannten Vorschrift werden den ständigen Arbeiten unter Tage (nur) Arbeiten als Mitglieder des Betriebsrats gleichgestellt, wenn die Versicherten bisher ständige Arbeiten unter Tage oder nach § 61 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGB VI gleichgestellte Arbeiten ausgeübt haben und im Anschluss daran wegen der Betriebsratstätigkeit von diesen Arbeiten freigestellt worden sind. Der Kläger hatte zwar bis 22. Juni 1986 eine ständige Arbeit unter Tage ausgeübt. Er wurde jedoch nicht im Anschluss an diese Arbeiten wegen einer Betriebsratstätigkeit in dem knappschaftlichen Betrieb von eben diesen Arbeiten freigestellt, sondern er beendete sein Arbeitsverhältnis mit der SDAG W und begründete ein neues Arbeitsverhältnis als politischer Mitarbeiter beim FDGB. Eine Gleichstellung ist insoweit vom Gesetz nicht vorgesehen und auch nicht geboten. Denn der Normzweck des § 61 Abs. 2 Nr. 3 SGB VI, der der Regelung im früheren § 7 Nr. 2 Hauerarbeiten-Verordnung (HaVO) entspricht, liegt darin, dem allgemeinen Grundsatz des Betriebsverfassungsrechts Rechnung zu tragen, wonach Betriebsratsangehörigen aus ihrer Tätigkeit weder Vor- noch Nachteile erwachsen sollen. Vorauszusetzen ist daher, dass der Betreffende, wenn er nicht Betriebsratsmitglied gewesen wäre, seine frühere Tätigkeit unter Tage ausgeübt hätte (vgl für § 7 Nr 2 HaVO: BSG, Urteil vom 13. März 1964 – 5 RKn 7/62 – juris). Gerade dies war bei dem Kläger, der beim FDGB in einer Bürotätigkeit – und nicht als Betriebsratsmitglied – beschäftigt war, ersichtlich nicht der Fall. Dass diese Tätigkeit im Rahmen der dem Kläger gewährten Bergmannsvollrente nach Art. 2 § 6 RÜG in Anwendung von Art. 2 § 17 Abs. 3 Nr. 4 RÜG auf die Wartezeit in der bergbaulichen Versicherung der DDR anrechenbar war, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn diese Gleichstellungsvorschriften hat der Gesetzgeber in das SGB VI nicht übernommen. Verfassungsrechtlich ist dies im Hinblick auf die Übergangsregelungen in Art. 2 RÜG nicht zu beanstanden (vgl die vom SG insoweit zitierte Rechtsprechung des BSG).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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