Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 4393/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2874/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein einschießender Schmerz stellt noch keine Gesundheitserstschaden dar, sondern kann allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierbaren Gesundheitserstschadens gewertet werden.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1941 geborene Kläger stellte sich am 22.05.2003 beim Chirurgen T., Oberarzt am Kreiskrankenhaus Sch., vor und führte aus, er habe vor circa 10 Jahren im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kontrolleur beim Herunternehmen eines großen Gehäuses aus einem Regal einen plötzlichen Schmerz in seinem rechten Arm verspürt und sei damals bei verschiedenen Ärzten behandelt worden. Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich eine deutliche Muskelatrophie des rechten Oberarmes und deutliche Zeichen eines Abrisses der langen Bizepssehne proximal (H-Arzt-Bericht vom 22.05.2003, Nachschaubericht vom 22.05.2003). Auf Anfrage der Beklagten legte die AOK - Die Gesundheitskasse L. - das über den Kläger geführte Vorerkrankungsverzeichnis (unter anderem Arbeitsunfähigkeitszeit wegen einer Periarthritis Coxae vom 03.01.1995 bis zum 25.03.1995) vor. Auf Nachfrage gab der Kläger gegenüber der Beklagten am 15.06.2003 an, der Arbeitsunfall habe sich am 18.01.1993 zugetragen und sei vom Orthopäden L. behandelt worden. Die AOK - Die Gesundheitskasse L. - führte sodann aus, sie könne keine Auskünfte über einen sich am 18.01.1993 zugetragenen Arbeitsunfall machen. Es lägen ihr weder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch ein sonstiger Schriftwechsel hierüber vor. Der Orthopäde L. führte in seiner Auskunft vom 15.07.2003 aus, er habe den Kläger erstmals am 07.06.1988 behandelt. Ende der 80er Jahre seien beim Kläger Schmerzen im Bereich der rechten Schulter aufgetreten, nachdem dieser während seiner beruflichen Tätigkeit eine Büchse von einem Regal heruntergeholt habe. Ein eigentlicher Unfall sei ihm nicht bekannt. Seit Mitte der 90er Jahre bestehe der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur mit Impingement-Syndrom der rechten Schulter. Er legte den Arztbrief des Prof. Dr. H., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung im Kreiskrankenhaus R., vom 06.09.1995 (Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur mit Impingement-Syndrom rechts, der Kläger habe vor 7 Jahren beim Herunterholen einer Büchse von einem Regal ein plötzliches Stechen in der rechten Schulter verspürt und seither ständig Schmerzen und Bewegungsprobleme) vor. Die ESD GmbH - EKATO Sicherheits- und Dichtungstechnik, teilte unter dem 17.07.2003 mit, ein sich in ihrem Betrieb zugetragener Arbeitsunfall sei ihr nicht bekannt. Daraufhin führte der Kläger aus, das Herunterholen einer schweren Zylinderbüchse stelle ein Unfallereignis dar. Er habe sich am 18.01.1993 ordnungsgemäß bei seinem Vorgesetzten abgemeldet, da er die Arbeit nicht mehr habe fortsetzen können und sofort einen Orthopäden aufgesucht habe. Er habe von dort keinen "gelben Zettel" mitgenommen und sei noch am gleichen Tag, wenn auch unter erheblichen Schmerzen, bei der Arbeit erschienen. Er legte eine Bescheinigung des Orthopäden L. (Behandlung am 18.01.1993) und den Arztbrief des Radiologen Dr. B. vom 25.05.2001 (magnetresonanztomografisch am 25.05.2001 gesicherte komplette Ruptur der Supraspinatussehne mit Retraktion des Muskels und Ruptur der langen Bizepssehne, konsekutiv HO.tand im glenohumeralen Gelenk, zusätzlich Nachweis einer aktivierten AC-Gelenkarthrose) vor. Auf Anfrage der Beklagten teilte V. N., ein Kollege des Klägers, unter dem 09.06.2004 mit, ein Vorarbeiter habe ihn am 18.01.1993 darüber informiert, den Kläger vertreten zu müssen, da dieser wegen eines Unfalls, den er selbst nicht gesehen habe, dringend zu einem Arzt habe gehen müssen. Sodann zog die Beklagte über den Orthopäden L. unter anderem dessen Arztbriefe vom 10.06.1986 (die Schmerzen an der rechten Schulter seien auf eine überlastungsbedingte Peritendinose zurückzuführen), 14.08.1989 (röntgenologisch subperiostale Sklerosierung am Tuberus majus rechte Schulter), 25.01.1993 (wie schon 1988 bestehe beim Kläger eine überlastungsbedingte Periarthropathie der rechten Schulter, röntgenologisch erkenne man eine leichte Periostose am Tuberus majus, die Gelenkskonturen der Schulter seien unauffällig) und 05.01.1995 (rezidivierende Schulterperiarthropathie und Periostose, dieses Mal nach Überanstrengungsreaktion) bei. Auf nochmalige Anfrage der Beklagten teilte der Orthopäde L. mit Schreiben vom 20.09.2004 mit, der Kläger habe sich am 18.01.1993 wegen Schulterschmerzen rechts bei ihm vorgestellt. Ein eigentliches Unfallereignis sei zu diesem Zeitpunkt nicht angegeben worden. Beschrieben worden sei eine seit 1988 längere Anamnese von Schulterschmerzen im Sinne einer überlastungsbedingten Schulterperiarthropathie. In der Karteikarte seien für den 18.01.1993 keine Unfallangaben erwähnt.
Der Chirurg Dr. Sch. führte in Auswertung dieser Unterlagen in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme aus, es habe kein von außen wirkendes Ereignis vorgelegen, der Vorschaden sei unstrittig und selbst bei Annahme eines Unfallereignisses bestünden weder ein verletzungskonformer Verlauf noch ein entsprechender Erstbefund.
Mit Bescheid vom 28.04.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab und führte zur Begründung aus, trotz Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Kläger am 18.01.1993 während der betrieblichen Tätigkeit die rechte Schulter verletzt und somit einen Arbeitsunfall erlitten habe. Ferner sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerden, die sich am 18.01.1993 nach dem Herunterholen der Zylinderbüchse wieder bemerkbar gemacht hätten, auf vorbestehende degenerative Veränderungen an der rechten Schulter zurückzuführen seien. Der am 22.05.2003 festgestellte Abriss der langen Bizepssehne könne ebenfalls nicht auf das Ereignis vom 18.01.1993 zurückgeführt werden, sondern sei auf vorbestehende degenerative Veränderungen im Bereich der rechten Schulter zurückzuführen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2005 zurück. Sie führte aus, nach gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen liege einem Riss der langen Bizepssehne in der Mehrzahl der Fälle ein schleichend verlaufender Zermürbungsprozess der Sehnensubstanz in Höhe des Bizepskanals zugrunde. Dies erkläre sich dadurch, dass die Sehne wie ein Seil über eine Winde in der Gleitrinne des Oberarmkopfes verlaufe und an ihrer Umlenkstelle mit Zugkräften, Druck, Reibung und Scherkräften belastet werde. Ähnlich verhalte es sich bei der Supraspinatussehne als Teil des dem Oberarmkopf umschließenden Muskel-/Sehnengebildes. Eine unfallmäßige Irritation der Rotatorenmanschette oder gar ein struktureller Schaden mit entsprechender Begleitsymptomatik wäre denkbar, sofern eine erhebliche Gewalt auf das Schultergelenk einwirke, die vor allem zu einer unnatürlichen Zugbeanspruchung der Supraspinatussehne führe. Das vom Kläger geschilderte Herunterholen einer Zylinderbüchse von einem Regal ohne Hinweise auf sonstige unvorhergesehene Einwirkungen stelle demgegenüber einen willentlich gesteuerten Vorgang dar, welcher nach Art und Schwere weder geeignet gewesen sei, die lange Bizepssehne zum Zerreißen zu bringen, noch einen strukturellen Schaden an tieferen Schulterstrukturen zu bewirken. Die hiergegen beim Sozialgericht F. erhobene und unter dem Aktenzeichen S 10 U 3755/05 geführte Klage nahm der Kläger im Erörterungstermin vom 11.04.2006 zurück.
Am 29.12.2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 28.04.2005 und führte aus, es seien nun neue Erkenntnisse aufgetreten. Er legte ein Urteil des Obersten Gerichtshofes in Österreich vom 25.11.2008 (100bS134/08 - Rotatorenmanschettenruptur bei Anheben eines Gewichts von ca. 8 kg), einen Auszug aus der Dissertation "Die Rotatorenmanschenttenruptur - eine Berufserkrankung?" von K. O. vom September 2008 und den Arztbrief des Universitätsklinikums F. vom 07.11.2008 (alte Rotatorenmanschetten-Massenruptur mit Cuffarthropathie rechts, alte proximale Bizepssehnenruptur rechts; Beginn der Beschwerden, als der Kläger etwas aus einem Regal habe nehmen wollen) vor.
Mit Bescheid vom 18.03.2010 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides ab. Sie führte zur Begründung aus, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die für die Entscheidung erheblich seien beziehungsweise bei der Erteilung des Verwaltungsaktes nicht schon berücksichtigt worden seien. Maßgeblich bleibe, dass der beschriebene Vorgang nicht bewiesen sei.
Hiergegen legte der Kläger am 25.03.2010 Widerspruch ein, mit dem er die Ansicht vertrat, der Verlauf des Ereignisses sei unstreitig. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010 zurück. Ungeachtet des beweislos gebliebenen Unfallhergangs vom 18.01.1993 sei der vom Kläger geschilderte Geschehensablauf auch hinsichtlich der hierbei einwirkenden biodynamischen Kräfte weder im Sinne der Verursachung noch der richtungsgebenden Verschlimmerung geeignet, zu einer unfallbedingten Schädigung von Körperstrukturen, insbesondere des Sehnengeflechts im Bereich der rechten Schulter, zu führen.
Hiergegen hat der Kläger am 27.08.2010 erneut Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben und ergänzend vorgetragen, dass sein Arbeitskollege N. zwar nichts gesehen habe, aber habe einspringen müssen, weil es zu einer unfallbedingten Verletzung gekommen sei.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Prof. Dr. St. vom 24.11.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei dem Ereignis vom 18.01.1993 sei es zu keiner Gewalteinwirkung auf das rechte Schultergelenk gekommen, mit der sich eine Anerkennung als Arbeitsunfall begründen ließe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die bei dem Ereignis vom 18.01.1993 eingetretenen Läsionen am rechten Schultergelenk und deren Folgen durch anlagebedingte degenerative Veränderungen verursacht worden seien und es sich bei dem angeschuldigten Ereignis um eine Gelegenheitsursache handele. Die Krankheitsanlage sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit so stark und so leicht ansprechbar gewesen, dass jedes alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit den Gesundheitsschaden und dessen Folgen hätte verursachen können.
Der Kläger hat Einwände gegen das Gutachten erhoben unter anderem den Arztbrief des Dr. B. vom 08.07.2004 (die beschriebenen Knochenaktivierungen seien nicht als Quelle der sauren Phosphatase anzunehmen, sondern sprächen für degenerative Veränderungen) vorgelegt. Prof. Dr. St. ist in seinen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 11.02.2012, 10.03.2012 und 02.04.2012 bei seiner Beurteilung geblieben.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.06.2012 hat das Sozialgericht nach vorangegangener Anhörung (Schreiben vom 13.04.2012) die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Gesundheitsstörungen des Klägers um Folgen eines Arbeitsunfalles handele. Dies gelte auch dann, wenn das vom Kläger behauptete Ereignis vom 18.01.1993 feststehen würde. Ferner entspreche das vom Kläger geschilderte Ereignis keinem Trauma, das nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet wäre, die festzustellenden Gesundheitsstörungen herbeizuführen. Vielmehr sei mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass anlagebedingte degenerative Schultergelenksveränderungen als Ursache dieser Gesundheitsstörungen anzusehen seien.
Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 05.07.2012 Berufung eingelegt. Er hat das Attest des Dr. Sch. vom 24.10.2012 (der Kläger, der angegeben habe, am 11.08.1989 einen Arbeitsunfall erlitten zu haben, habe sich am 16.07.1990 in seine Behandlung begeben) vorgelegt und zur Begründung ausgeführt, das Sozialgericht habe außer Acht gelassen, dass letztendlich nicht nur auf das Unfallereignis vom 18.01.1993, sondern vielmehr auch auf die Vorgeschichte, insbesondere auf den Arbeitsunfall vom 11.08.1989, abzustellen sei. Er habe bei diesem Vorgang einen heftigen Schmerz im Bereich der rechten Schulter verspürt und sich beim Orthopäden L. vorgestellt, der aber ausgeführt habe, es sei wohl nichts Schlimmeres passiert. Es sei aber zu einem vollständigen Abriss der Sehnen, einem Abriss des langen Bizepsmuskels und einer Zerstörung der Rotatorenmanschette gekommen. Wegen der Beschwerden habe er seine Beschäftigung als Formenpolierer aufgegeben und am 05.11.1992 eine Tätigkeit als Güteprüfer aufgenommen. Nach dem sich am 18.01.1993 ereigneten Unfall habe er sich häufig beim Orthopäden L. vorgestellt. Am 25.05.2001 sei eine komplette Rotatorenmanschenttenruptur festgestellt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2005 zurückzunehmen und eine Rotatorenmanschettenruptur sowie einen Riss der langen Bizepssehne als Folge eines am 18. Januar 1993 erlittenen Arbeitsunfalls festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat zur Begründung ausgeführt, Gegenstand dieses Verfahrens sei lediglich der Arbeitsunfall vom 18.01.1993.
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2013 noch einmal zum vorgetragenen Unfallereignis befragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten, die Verwaltungsakte sowie die beigezogene Akte S 10 U 3755/05 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht Freiburg hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines bestandskräftigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Vielmehr hat sie zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 18.01.1993 als Arbeitsunfall abgelehnt, da es einem Vollbeweis dafür fehlt, dass der Kläger einen berufsbedingten Gesundheitserstschaden erlitten hat. Der im Berufungsverfahren erwähnte Arbeitsunfall vom 11.08.1989 ist nicht Gegenstand der Feststellung der Beklagten und des Sozialgerichts gewesen.
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall sind nicht die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, sondern die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar datiert der vom Kläger behauptete Vorgang auf die Zeit vor dem am 01.01.1997 erfolgten Inkrafttreten des SGB VII und gelten nach § 212 SGB VII die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII grundsätzlich für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des SGB VII eintreten, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung findet sich aber in § 214 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die Vorschriften des Ersten und Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, gelten.
Kraft Gesetzes sind Beschäftigte versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; jeweils zitiert nach Juris) ist für die Feststellung eines Arbeitsunfalls erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
Trotz des insoweit wenig ergiebigen Akteninhalts ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger am 18.01.1993 den von ihm geschilderten Unfall erlitten hat. Nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger am 18.01.1993 beim Herausnehmen über Kopf eines circa 17 bis 20 Kilogramm schweren Gegenstandes aus einem Regal einen Schulterschmerz verspürt. Obwohl es für diesen Vorgang keine Zeugen gibt, ein sich am 18.01.1993 zugetragener Arbeitsunfall weder dem Arbeitgeber noch der zuständigen Krankenkasse gemeldet worden ist und der am Unfalltag aufgesuchte Orthopäde L. mitgeteilt hat, der Kläger habe am Unfalltag kein eigentliches Unfallereignis angegeben, ist der Senat vom Vorliegen eines Unfallereignisses überzeugt. Zum einen hat der Kläger den Vorgang überzeugend geschildert. Zum anderen muss die Meldung eines Arbeitsunfalls nicht schon deshalb unterblieben sein, weil kein Unfallereignis vorlag, sondern weil der Orthopäde L. das ihm von Kläger geschilderte Ereignis nicht als Unfallereignis im Rechtssinne wertete oder einen Gesundheitserstschaden verneinte.
Trotz des Vorliegens eines am 18.01.1993 erlittenen Unfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Denn es fehlt am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens. Gesundheitsschäden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände entsprechend dem allgemeinen Krankheitsbegriff. Zwar sind Umfang und Dauer unerheblich. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind aber ebenso bedeutungslos (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rz. 20) wie bloße Schmerzen. Der vom Kläger beschriebene einschießende Schmerz in der rechten Schulter stellt nach Ansicht des Senats noch keinen solchen Gesundheitserstschaden dar. Er könnte allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierten Gesundheitserstschadens gewertet werden. An einer solchen Objektivierung fehlt es indessen. Der Senat hat sich aufgrund des Akteninhalts und trotz der Angaben des Klägers nicht davon überzeugen können, dass es am 18.01.1993 im Rahmen der beruflichen Tätigkeit tatsächlich zu einem Gesundheitsschaden gekommen ist. Dagegen spricht schon, dass der Kläger nach den Angaben des Orthopäden L. bereits seit Ende der 80er Jahre an Schmerzen in der rechten Schulter im Sinne einer überlastungsbedingten Periarthropathie gelitten hat. Ferner hat der Orthopäde L. in seinen Eintragungen auf der Patientenkarte am 18.01.1993 keinen neuen Gesundheitsschaden, sondern wieder die Überlastungsperiarthropathie vermerkt. Im Übrigen spricht gegen einen unfallbedingten Erstschaden, dass der Kläger nach dem Aufsuchen des Orthopäden L. weiter gearbeitet hat.
Da es also am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens fehlt, stellt der erlittene Unfall keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII dar. Darauf, dass im Übrigen aufgrund der vom Orthopäden L. seit 1988 beschriebenen Vorerkrankung und der gut nachvollziehbaren Beurteilung durch Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 24.11.2011 auch ein wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den ab 18.01.1993 gegenüber dem Orthopäden L. angegebenen Beschwerden, der am 25.05.2001 von Dr. B. magnetresonanztomographisch gesicherten Sehnenruptur mit Muskelretraktion sowie den am 22.05.2003 vom Chirurgen T. beschriebenen Gesundheitsstörungen einerseits und dem angeschuldigten Ereignis andererseits fehlt, kommt es daher nicht an. Insoweit verweist der Senat aber auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides, denen er sich nach § 153 Abs. 2 SGG in vollem Umfang anschließt.
Mithin hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 die Feststellung eines Arbeitsunfalls und mit Bescheid vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 eine Rücknahme dieses Bescheides abgelehnt. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 26.06.2012 hat sich damit als rechtmäßig erwiesen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Wege eines Überprüfungsverfahrens die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Der 1941 geborene Kläger stellte sich am 22.05.2003 beim Chirurgen T., Oberarzt am Kreiskrankenhaus Sch., vor und führte aus, er habe vor circa 10 Jahren im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kontrolleur beim Herunternehmen eines großen Gehäuses aus einem Regal einen plötzlichen Schmerz in seinem rechten Arm verspürt und sei damals bei verschiedenen Ärzten behandelt worden. Bei der klinischen Untersuchung zeigten sich eine deutliche Muskelatrophie des rechten Oberarmes und deutliche Zeichen eines Abrisses der langen Bizepssehne proximal (H-Arzt-Bericht vom 22.05.2003, Nachschaubericht vom 22.05.2003). Auf Anfrage der Beklagten legte die AOK - Die Gesundheitskasse L. - das über den Kläger geführte Vorerkrankungsverzeichnis (unter anderem Arbeitsunfähigkeitszeit wegen einer Periarthritis Coxae vom 03.01.1995 bis zum 25.03.1995) vor. Auf Nachfrage gab der Kläger gegenüber der Beklagten am 15.06.2003 an, der Arbeitsunfall habe sich am 18.01.1993 zugetragen und sei vom Orthopäden L. behandelt worden. Die AOK - Die Gesundheitskasse L. - führte sodann aus, sie könne keine Auskünfte über einen sich am 18.01.1993 zugetragenen Arbeitsunfall machen. Es lägen ihr weder eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch ein sonstiger Schriftwechsel hierüber vor. Der Orthopäde L. führte in seiner Auskunft vom 15.07.2003 aus, er habe den Kläger erstmals am 07.06.1988 behandelt. Ende der 80er Jahre seien beim Kläger Schmerzen im Bereich der rechten Schulter aufgetreten, nachdem dieser während seiner beruflichen Tätigkeit eine Büchse von einem Regal heruntergeholt habe. Ein eigentlicher Unfall sei ihm nicht bekannt. Seit Mitte der 90er Jahre bestehe der Verdacht auf eine Rotatorenmanschettenruptur mit Impingement-Syndrom der rechten Schulter. Er legte den Arztbrief des Prof. Dr. H., Chefarzt der Orthopädischen Abteilung im Kreiskrankenhaus R., vom 06.09.1995 (Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur mit Impingement-Syndrom rechts, der Kläger habe vor 7 Jahren beim Herunterholen einer Büchse von einem Regal ein plötzliches Stechen in der rechten Schulter verspürt und seither ständig Schmerzen und Bewegungsprobleme) vor. Die ESD GmbH - EKATO Sicherheits- und Dichtungstechnik, teilte unter dem 17.07.2003 mit, ein sich in ihrem Betrieb zugetragener Arbeitsunfall sei ihr nicht bekannt. Daraufhin führte der Kläger aus, das Herunterholen einer schweren Zylinderbüchse stelle ein Unfallereignis dar. Er habe sich am 18.01.1993 ordnungsgemäß bei seinem Vorgesetzten abgemeldet, da er die Arbeit nicht mehr habe fortsetzen können und sofort einen Orthopäden aufgesucht habe. Er habe von dort keinen "gelben Zettel" mitgenommen und sei noch am gleichen Tag, wenn auch unter erheblichen Schmerzen, bei der Arbeit erschienen. Er legte eine Bescheinigung des Orthopäden L. (Behandlung am 18.01.1993) und den Arztbrief des Radiologen Dr. B. vom 25.05.2001 (magnetresonanztomografisch am 25.05.2001 gesicherte komplette Ruptur der Supraspinatussehne mit Retraktion des Muskels und Ruptur der langen Bizepssehne, konsekutiv HO.tand im glenohumeralen Gelenk, zusätzlich Nachweis einer aktivierten AC-Gelenkarthrose) vor. Auf Anfrage der Beklagten teilte V. N., ein Kollege des Klägers, unter dem 09.06.2004 mit, ein Vorarbeiter habe ihn am 18.01.1993 darüber informiert, den Kläger vertreten zu müssen, da dieser wegen eines Unfalls, den er selbst nicht gesehen habe, dringend zu einem Arzt habe gehen müssen. Sodann zog die Beklagte über den Orthopäden L. unter anderem dessen Arztbriefe vom 10.06.1986 (die Schmerzen an der rechten Schulter seien auf eine überlastungsbedingte Peritendinose zurückzuführen), 14.08.1989 (röntgenologisch subperiostale Sklerosierung am Tuberus majus rechte Schulter), 25.01.1993 (wie schon 1988 bestehe beim Kläger eine überlastungsbedingte Periarthropathie der rechten Schulter, röntgenologisch erkenne man eine leichte Periostose am Tuberus majus, die Gelenkskonturen der Schulter seien unauffällig) und 05.01.1995 (rezidivierende Schulterperiarthropathie und Periostose, dieses Mal nach Überanstrengungsreaktion) bei. Auf nochmalige Anfrage der Beklagten teilte der Orthopäde L. mit Schreiben vom 20.09.2004 mit, der Kläger habe sich am 18.01.1993 wegen Schulterschmerzen rechts bei ihm vorgestellt. Ein eigentliches Unfallereignis sei zu diesem Zeitpunkt nicht angegeben worden. Beschrieben worden sei eine seit 1988 längere Anamnese von Schulterschmerzen im Sinne einer überlastungsbedingten Schulterperiarthropathie. In der Karteikarte seien für den 18.01.1993 keine Unfallangaben erwähnt.
Der Chirurg Dr. Sch. führte in Auswertung dieser Unterlagen in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme aus, es habe kein von außen wirkendes Ereignis vorgelegen, der Vorschaden sei unstrittig und selbst bei Annahme eines Unfallereignisses bestünden weder ein verletzungskonformer Verlauf noch ein entsprechender Erstbefund.
Mit Bescheid vom 28.04.2005 lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen ab und führte zur Begründung aus, trotz Ausschöpfung aller erreichbaren Beweismittel sei nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass der Kläger am 18.01.1993 während der betrieblichen Tätigkeit die rechte Schulter verletzt und somit einen Arbeitsunfall erlitten habe. Ferner sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Beschwerden, die sich am 18.01.1993 nach dem Herunterholen der Zylinderbüchse wieder bemerkbar gemacht hätten, auf vorbestehende degenerative Veränderungen an der rechten Schulter zurückzuführen seien. Der am 22.05.2003 festgestellte Abriss der langen Bizepssehne könne ebenfalls nicht auf das Ereignis vom 18.01.1993 zurückgeführt werden, sondern sei auf vorbestehende degenerative Veränderungen im Bereich der rechten Schulter zurückzuführen. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.08.2005 zurück. Sie führte aus, nach gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen liege einem Riss der langen Bizepssehne in der Mehrzahl der Fälle ein schleichend verlaufender Zermürbungsprozess der Sehnensubstanz in Höhe des Bizepskanals zugrunde. Dies erkläre sich dadurch, dass die Sehne wie ein Seil über eine Winde in der Gleitrinne des Oberarmkopfes verlaufe und an ihrer Umlenkstelle mit Zugkräften, Druck, Reibung und Scherkräften belastet werde. Ähnlich verhalte es sich bei der Supraspinatussehne als Teil des dem Oberarmkopf umschließenden Muskel-/Sehnengebildes. Eine unfallmäßige Irritation der Rotatorenmanschette oder gar ein struktureller Schaden mit entsprechender Begleitsymptomatik wäre denkbar, sofern eine erhebliche Gewalt auf das Schultergelenk einwirke, die vor allem zu einer unnatürlichen Zugbeanspruchung der Supraspinatussehne führe. Das vom Kläger geschilderte Herunterholen einer Zylinderbüchse von einem Regal ohne Hinweise auf sonstige unvorhergesehene Einwirkungen stelle demgegenüber einen willentlich gesteuerten Vorgang dar, welcher nach Art und Schwere weder geeignet gewesen sei, die lange Bizepssehne zum Zerreißen zu bringen, noch einen strukturellen Schaden an tieferen Schulterstrukturen zu bewirken. Die hiergegen beim Sozialgericht F. erhobene und unter dem Aktenzeichen S 10 U 3755/05 geführte Klage nahm der Kläger im Erörterungstermin vom 11.04.2006 zurück.
Am 29.12.2009 beantragte der Kläger die Überprüfung des Bescheides vom 28.04.2005 und führte aus, es seien nun neue Erkenntnisse aufgetreten. Er legte ein Urteil des Obersten Gerichtshofes in Österreich vom 25.11.2008 (100bS134/08 - Rotatorenmanschettenruptur bei Anheben eines Gewichts von ca. 8 kg), einen Auszug aus der Dissertation "Die Rotatorenmanschenttenruptur - eine Berufserkrankung?" von K. O. vom September 2008 und den Arztbrief des Universitätsklinikums F. vom 07.11.2008 (alte Rotatorenmanschetten-Massenruptur mit Cuffarthropathie rechts, alte proximale Bizepssehnenruptur rechts; Beginn der Beschwerden, als der Kläger etwas aus einem Regal habe nehmen wollen) vor.
Mit Bescheid vom 18.03.2010 lehnte die Beklagte eine Rücknahme des Bescheides ab. Sie führte zur Begründung aus, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, die für die Entscheidung erheblich seien beziehungsweise bei der Erteilung des Verwaltungsaktes nicht schon berücksichtigt worden seien. Maßgeblich bleibe, dass der beschriebene Vorgang nicht bewiesen sei.
Hiergegen legte der Kläger am 25.03.2010 Widerspruch ein, mit dem er die Ansicht vertrat, der Verlauf des Ereignisses sei unstreitig. Diesen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2010 zurück. Ungeachtet des beweislos gebliebenen Unfallhergangs vom 18.01.1993 sei der vom Kläger geschilderte Geschehensablauf auch hinsichtlich der hierbei einwirkenden biodynamischen Kräfte weder im Sinne der Verursachung noch der richtungsgebenden Verschlimmerung geeignet, zu einer unfallbedingten Schädigung von Körperstrukturen, insbesondere des Sehnengeflechts im Bereich der rechten Schulter, zu führen.
Hiergegen hat der Kläger am 27.08.2010 erneut Klage beim Sozialgericht Freiburg erhoben und ergänzend vorgetragen, dass sein Arbeitskollege N. zwar nichts gesehen habe, aber habe einspringen müssen, weil es zu einer unfallbedingten Verletzung gekommen sei.
Das Sozialgericht hat von Amts wegen das Gutachten des Orthopäden und Chirurgen Prof. Dr. St. vom 24.11.2011 eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei dem Ereignis vom 18.01.1993 sei es zu keiner Gewalteinwirkung auf das rechte Schultergelenk gekommen, mit der sich eine Anerkennung als Arbeitsunfall begründen ließe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die bei dem Ereignis vom 18.01.1993 eingetretenen Läsionen am rechten Schultergelenk und deren Folgen durch anlagebedingte degenerative Veränderungen verursacht worden seien und es sich bei dem angeschuldigten Ereignis um eine Gelegenheitsursache handele. Die Krankheitsanlage sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit so stark und so leicht ansprechbar gewesen, dass jedes alltäglich vorkommende Ereignis zur selben Zeit den Gesundheitsschaden und dessen Folgen hätte verursachen können.
Der Kläger hat Einwände gegen das Gutachten erhoben unter anderem den Arztbrief des Dr. B. vom 08.07.2004 (die beschriebenen Knochenaktivierungen seien nicht als Quelle der sauren Phosphatase anzunehmen, sondern sprächen für degenerative Veränderungen) vorgelegt. Prof. Dr. St. ist in seinen ergänzenden gutachterlichen Stellungnahmen vom 11.02.2012, 10.03.2012 und 02.04.2012 bei seiner Beurteilung geblieben.
Mit Gerichtsbescheid vom 26.06.2012 hat das Sozialgericht nach vorangegangener Anhörung (Schreiben vom 13.04.2012) die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, es könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den Gesundheitsstörungen des Klägers um Folgen eines Arbeitsunfalles handele. Dies gelte auch dann, wenn das vom Kläger behauptete Ereignis vom 18.01.1993 feststehen würde. Ferner entspreche das vom Kläger geschilderte Ereignis keinem Trauma, das nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft geeignet wäre, die festzustellenden Gesundheitsstörungen herbeizuführen. Vielmehr sei mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass anlagebedingte degenerative Schultergelenksveränderungen als Ursache dieser Gesundheitsstörungen anzusehen seien.
Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 05.07.2012 Berufung eingelegt. Er hat das Attest des Dr. Sch. vom 24.10.2012 (der Kläger, der angegeben habe, am 11.08.1989 einen Arbeitsunfall erlitten zu haben, habe sich am 16.07.1990 in seine Behandlung begeben) vorgelegt und zur Begründung ausgeführt, das Sozialgericht habe außer Acht gelassen, dass letztendlich nicht nur auf das Unfallereignis vom 18.01.1993, sondern vielmehr auch auf die Vorgeschichte, insbesondere auf den Arbeitsunfall vom 11.08.1989, abzustellen sei. Er habe bei diesem Vorgang einen heftigen Schmerz im Bereich der rechten Schulter verspürt und sich beim Orthopäden L. vorgestellt, der aber ausgeführt habe, es sei wohl nichts Schlimmeres passiert. Es sei aber zu einem vollständigen Abriss der Sehnen, einem Abriss des langen Bizepsmuskels und einer Zerstörung der Rotatorenmanschette gekommen. Wegen der Beschwerden habe er seine Beschäftigung als Formenpolierer aufgegeben und am 05.11.1992 eine Tätigkeit als Güteprüfer aufgenommen. Nach dem sich am 18.01.1993 ereigneten Unfall habe er sich häufig beim Orthopäden L. vorgestellt. Am 25.05.2001 sei eine komplette Rotatorenmanschenttenruptur festgestellt worden.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Juni 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 18. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihren Bescheid vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2005 zurückzunehmen und eine Rotatorenmanschettenruptur sowie einen Riss der langen Bizepssehne als Folge eines am 18. Januar 1993 erlittenen Arbeitsunfalls festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat zur Begründung ausgeführt, Gegenstand dieses Verfahrens sei lediglich der Arbeitsunfall vom 18.01.1993.
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.01.2013 noch einmal zum vorgetragenen Unfallereignis befragt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten, die Verwaltungsakte sowie die beigezogene Akte S 10 U 3755/05 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das Sozialgericht Freiburg hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme eines bestandskräftigen nicht begünstigenden Verwaltungsaktes ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (§ 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X).
Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen hat. Vielmehr hat sie zu Recht die Feststellung des Ereignisses vom 18.01.1993 als Arbeitsunfall abgelehnt, da es einem Vollbeweis dafür fehlt, dass der Kläger einen berufsbedingten Gesundheitserstschaden erlitten hat. Der im Berufungsverfahren erwähnte Arbeitsunfall vom 11.08.1989 ist nicht Gegenstand der Feststellung der Beklagten und des Sozialgerichts gewesen.
Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Ereignisses als Arbeitsunfall sind nicht die Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, sondern die §§ 2, 7 und 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII). Zwar datiert der vom Kläger behauptete Vorgang auf die Zeit vor dem am 01.01.1997 erfolgten Inkrafttreten des SGB VII und gelten nach § 212 SGB VII die Vorschriften des Ersten bis Neunten Kapitels des SGB VII grundsätzlich für Versicherungsfälle, die nach dem Inkrafttreten des SGB VII eintreten, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist. Eine andere Bestimmung findet sich aber in § 214 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die Vorschriften des Ersten und Fünften Abschnitts des Dritten Kapitels des SGB VII auch für Versicherungsfälle, die vor dem Tag des Inkrafttretens des SGB VII eingetreten sind, gelten.
Kraft Gesetzes sind Beschäftigte versichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII). Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Nach der Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.02.2009 - B 2 U 18/07 R; BSG, Urteil vom 30.01.2007 - B 2 U 23/05 R; BSG, Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R; jeweils zitiert nach Juris) ist für die Feststellung eines Arbeitsunfalls erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer beziehungsweise sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem Unfallereignis als einem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkendem Ereignis geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Art und das Ausmaß des Unfallereignisses und der Gesundheitserstschaden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Lässt sich ein Nachweis nicht führen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten.
Trotz des insoweit wenig ergiebigen Akteninhalts ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger am 18.01.1993 den von ihm geschilderten Unfall erlitten hat. Nach den glaubhaften Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Senats hat der Kläger am 18.01.1993 beim Herausnehmen über Kopf eines circa 17 bis 20 Kilogramm schweren Gegenstandes aus einem Regal einen Schulterschmerz verspürt. Obwohl es für diesen Vorgang keine Zeugen gibt, ein sich am 18.01.1993 zugetragener Arbeitsunfall weder dem Arbeitgeber noch der zuständigen Krankenkasse gemeldet worden ist und der am Unfalltag aufgesuchte Orthopäde L. mitgeteilt hat, der Kläger habe am Unfalltag kein eigentliches Unfallereignis angegeben, ist der Senat vom Vorliegen eines Unfallereignisses überzeugt. Zum einen hat der Kläger den Vorgang überzeugend geschildert. Zum anderen muss die Meldung eines Arbeitsunfalls nicht schon deshalb unterblieben sein, weil kein Unfallereignis vorlag, sondern weil der Orthopäde L. das ihm von Kläger geschilderte Ereignis nicht als Unfallereignis im Rechtssinne wertete oder einen Gesundheitserstschaden verneinte.
Trotz des Vorliegens eines am 18.01.1993 erlittenen Unfalls hat der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung eines Arbeitsunfalls. Denn es fehlt am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens. Gesundheitsschäden sind alle regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustände entsprechend dem allgemeinen Krankheitsbegriff. Zwar sind Umfang und Dauer unerheblich. Minimale Regelwidrigkeiten ohne Arbeitsunfähigkeit oder Behandlungsbedürftigkeit sind aber ebenso bedeutungslos (Ricke in Kasseler Kommentar, § 8 SGB VII, Rz. 20) wie bloße Schmerzen. Der vom Kläger beschriebene einschießende Schmerz in der rechten Schulter stellt nach Ansicht des Senats noch keinen solchen Gesundheitserstschaden dar. Er könnte allenfalls als erstes Zeichen eines im weiteren Verlauf objektivierten Gesundheitserstschadens gewertet werden. An einer solchen Objektivierung fehlt es indessen. Der Senat hat sich aufgrund des Akteninhalts und trotz der Angaben des Klägers nicht davon überzeugen können, dass es am 18.01.1993 im Rahmen der beruflichen Tätigkeit tatsächlich zu einem Gesundheitsschaden gekommen ist. Dagegen spricht schon, dass der Kläger nach den Angaben des Orthopäden L. bereits seit Ende der 80er Jahre an Schmerzen in der rechten Schulter im Sinne einer überlastungsbedingten Periarthropathie gelitten hat. Ferner hat der Orthopäde L. in seinen Eintragungen auf der Patientenkarte am 18.01.1993 keinen neuen Gesundheitsschaden, sondern wieder die Überlastungsperiarthropathie vermerkt. Im Übrigen spricht gegen einen unfallbedingten Erstschaden, dass der Kläger nach dem Aufsuchen des Orthopäden L. weiter gearbeitet hat.
Da es also am Nachweis eines am 18.01.1993 eingetretenen Gesundheitserstschadens fehlt, stellt der erlittene Unfall keinen Arbeitsunfall im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB VII dar. Darauf, dass im Übrigen aufgrund der vom Orthopäden L. seit 1988 beschriebenen Vorerkrankung und der gut nachvollziehbaren Beurteilung durch Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 24.11.2011 auch ein wesentlicher Kausalzusammenhang zwischen den ab 18.01.1993 gegenüber dem Orthopäden L. angegebenen Beschwerden, der am 25.05.2001 von Dr. B. magnetresonanztomographisch gesicherten Sehnenruptur mit Muskelretraktion sowie den am 22.05.2003 vom Chirurgen T. beschriebenen Gesundheitsstörungen einerseits und dem angeschuldigten Ereignis andererseits fehlt, kommt es daher nicht an. Insoweit verweist der Senat aber auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides, denen er sich nach § 153 Abs. 2 SGG in vollem Umfang anschließt.
Mithin hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 28.04.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.08.2005 die Feststellung eines Arbeitsunfalls und mit Bescheid vom 18.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2010 eine Rücknahme dieses Bescheides abgelehnt. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 26.06.2012 hat sich damit als rechtmäßig erwiesen. Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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