Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 608/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 40/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der normative Gestaltungsspielraum einer KV im Zusammenhang mit Änderungen des EBM (hier: Erhöhung der Punktzahlen für Leistungen im Notfalldienst) ist dann überschritten, wenn eine in Reaktion hierauf vorgenommene Änderung der Honorarverteilung (hier: Reduzierung des Punktwerts für Leistungen im Notfalldienst) einzig darauf gerichtet ist, die Änderung des EBM ins Leere laufen zu lassen.
2. Notfallleistungen müssen für Vertragsärzte und Krankenhäuser grundsätzlich gleich – sowohl hinsichtlich Punktzahl als auch Punktwert – vergütet werden.
2. Notfallleistungen müssen für Vertragsärzte und Krankenhäuser grundsätzlich gleich – sowohl hinsichtlich Punktzahl als auch Punktwert – vergütet werden.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2011 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung im (fahrenden) Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) für die Quartale II/06 bis IV/06.
Die Klägerin ist eine aus zwei Ärzten bestehende Berufsausübungsgemeinschaft, die in dieser Form in den Quartalen I/06 bis II/11 an der vertragsärztlichen Versorgung im Berliner Stadtteil N und in diesem Rahmen am fahrenden Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Beklagten teilnahm. Nach dem bis zum 31. März 2005 geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) wurde die Notfallordinationsgebühr (Gebührenordnungsnummer – GO-Nr. – 1) mit 220 Punkten bewertet. Sie wurde mit Einführung des ab dem 1. April 2005 geltenden EBM 2000plus ersetzt durch die GO-Nr. 01210 ("Ordinationskomplex im organisierten Not(fall)dienst"), welche mit 500 Punkten bewertet wurde.
Bis zum Quartal II/05 wurden die von den Haus- bzw. Fachärzten im Rahmen des ÄBD erbrachten Leistungen mit dem durchschnittlichen haus- bzw. fachärztlichen Mischpunktwert des Jahres 2002 vergütet und unterlagen keinerlei Kontingentierung (§ 8a Abs. 1 bzw. § 8b Abs. 1 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) der Beklagten in der Fassung vom 1. Oktober 2004 bzw. Präambel des Honorarverteilungsvertrags (HVV) vom 20. Juni 2005 (neue Fassung – nF)). Ab dem Quartal III/05 wurde für die Vergütung dieser Leistungen zunächst ein Honorartopf gebildet, indem von dem haus- bzw. fachärztlichen Verteilungsbetrag die Vergütungsmenge in Abzug gebracht wurde, die im Jahre 2002 durchschnittlich je Quartal für die Vergütung dieser Leistungen zur Verfügung stand. Die Vergütung der Leistungen im ÄBD erfolgte dann mit dem Punktwert, der sich aus der Division des zur Verfügung stehenden Verteilungsbetrages durch die im ÄBD erbrachte Leistungsmenge ergab (§ 8a Abs. 1 bzw. § 8b Abs. 1 HVV nF). Demgegenüber war nach § 8 Abs. 4 HVV nF die Vergütung von Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen noch vor der Trennung in den haus- und den fachärztlichen Vergütungsanteil aus dem vorhandenen Verteilungsbetrag wie folgt abzuziehen: "Dazu ist die mitgliederbereinigte und um die vertraglich vereinbarte prozentuale Veränderung der pauschalierten Gesamtvergütung dynamisierte Geldmenge zur Verfügung zu stellen, die im entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres zur Verfügung gestanden hat. Der Auszahlungspunktwert ergibt sich durch Division der o. g. Geldmenge durch die Anzahl der von den Erste-Hilfe-Stellen angeforderten Punkte. Als oberer Interventionspunktwert wird der in § 9 Abs. 1 genannte Individualbudgetpunktwert festgelegt. Der gegebenenfalls verbleibende Betrag wird der pauschalierten Gesamtvergütung zugeführt."
Gegen die Honorarfestsetzungsbescheide der streitigen Quartale legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein mit der Begründung, die im ÄBD erbrachten Leistungen würden ohne sachlichen Grund schlechter vergütet als die entsprechenden Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen.
Alle Widersprüche wurden mit dem Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte insbesondere aus, § 8a HVV nF verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Der Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung sei nicht verletzt, da mit der beabsichtigten Mengensteuerung ein sachlicher Grund für die Bildung eines gesonderten Honorartopfes für den ÄBD bestehe und die am ÄBD teilnehmenden Ärzte als einheitliche Gruppe anzusehen seien. Ein Anspruch auf ein höheres Honorar ergebe sich auch nicht aus dem Gebot der Angemessenheit der Vergütung, da hieraus ein subjektives Recht zugunsten der Ärzte nur dann hergeleitet werden könne, wenn durch das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes auch die berufliche Existenz der Vertragsärzte gefährdet wäre. Auch widersprächen die Regelungen in §§ 8a Abs. 1, 8b Abs. 1 HVV nF nicht den höherrangigen Vorgaben des EBM. Maßgebend für die Einführung eines Honorartopfes für den ÄBD ab dem 1. Juli 2005 sei gerade, dass ab dem Quartal II/2005 mit der Einführung des EBM 2000plus die Zahl der in diesen Quartalen angeforderten Punkte gestiegen sei, da mit dem neuen EBM eine Höherbewertung der Notfall-Leistungen erfolgt sei. So werde z.B. der Ordinationskomplex im organisierten Notfalldienst jetzt mit 500 Punkten bewertet statt wie bisher mit 220 Punkten (für die Notfallordinationsgebühr). Unter dem Gesichtspunkt, dass die zu verteilende Gesamtvergütung nur in einem begrenzten Umfang zur Verfügung stehe, müsse diese nach sachlichen Gesichtspunkten auf die ärztlichen Leistungserbringer zum Zwecke der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages aufgeteilt werden. Unter Berücksichtigung der Verpflichtung, die Gesamtvergütung in hausärztliche und fachärztliche Versorgungsbereiche zu trennen, sei die Vergütung der Leistungen des Bereitschaftsdienstes nach den Vorgaben des §§ 8a Abs. 1, 8b Abs. 1 HVV nF durchaus geeignet, den notärztlichen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst sei nach der Bereitschaftsdienstordnung eine Ergänzungstätigkeit zur Praxisarbeit und dürfe nicht zum Schwerpunkt der vertragsärztlichen Tätigkeit werden. Die Haupterwerbsquelle müsse nach wie vor die Praxistätigkeit sein. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die für den ÄBD erforderlichen sächlichen Mitteln von der Beklagten zur Verfügung gestellt würden. Nach alledem sei festzustellen, dass ein "nach unten offen fallender" (floatender), nicht gestützter und von den im Rahmen der Praxistätigkeit geltenden Punktwerten abweichender Punktwert für die Leistungen im ÄBD nicht zu beanstanden sei. Dass durch die Höhe des Auszahlungspunktwertes für die im ÄBD erbrachten Leistungen die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung und infolgedessen auch das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes gefährdet sei, sei nicht ersichtlich und von der Klägerseite auch nicht vorgetragen. Im Übrigen bestünden zwischen dem fahrenden ÄBD und der Erste-Hilfe-Stellen erhebliche Unterschiede, die eine abweichende Vergütung mit einem höheren, im Voraus festgelegten Punktwert durchaus rechtfertigten.
Mit Urteil vom 16. Februar 2011 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet, weil die der Vergütung im ÄBD zu Grunde liegende Regelung des § 8a Abs. 1 HVV in der Fassung vom 10. April 2006 gegen die Vorgaben des EBM verstoße und die am fahrenden ÄBD teilnehmenden Leistungserbringer gegenüber den Erst-Hilfe-Stellen der Krankenhäuser benachteilige. Nicht zu beanstanden sei, dass die Beklagte einen Honorartopf für Leistungen im ÄBD gebildet und dies mit dem Schutz der übrigen Leistungserbringer begründet habe. Unzulässig sei aber die Anknüpfung an das Jahr 2002, obwohl zwischenzeitlich durch den EBM eine höhere Bewertung der ÄBD-Leistungen erfolgt sei. Obwohl nicht bei allen EBM-Änderungen stets auch die Honorarverteilungsregelungen anzupassen seien, sei ein HVM rechtswidrig, wenn durch seine Regelungen ein durch den EBM erkennbar verfolgtes Regelungsziel unterlaufen werde, wie dies das Bundessozialgericht (BSG) im Zusammenhang mit den Vorschriften des EBM über Kinder-Früherkennungs-Untersuchungen angenommen habe. Vorliegend sei ein vergleichbarer Fall gegeben. Im Ergebnis hätten die am fahrenden ÄBD teilnehmenden Ärzte keine höhere Vergütung erhalten, obwohl eine bedarfsbedingte, durch den EBM – und nicht die Ärzte – hervorgerufene Mengenausweitung der ÄBD-Leistungen vorgelegen habe.
Gegen dieses ihr am 28. Februar 2011 zugestellte richtet sich die Berufung der Beklagten vom 11. März 2011, zu deren Begründung sie u.a. vorträgt: Das Urteil des Sozialgerichts leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil die Krankenkassen nicht beigeladen worden seien. Deren Beiladung sei notwendig, da die Entscheidung des Sozialgerichts unmittelbare Auswirkungen auf den zwischen ihr und den Krankenkassenverbänden abgeschlossenen HVV habe. Denn der nach Auffassung des Sozialgerichts zu zahlende höhere Punktwert für Leistungen im ÄBD müsse zu Nachvergütungen der Krankenkassenverbände führen. Der HVV nF verstoße weder gegen den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung noch gegen den der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Sie – die Beklagte – habe auch keine Obliegenheit verletzt, auf eine angemessene Vergütung ärztlicher Leistungen hinzuwirken. Dass der EBM 2000plus für Leistungen des ÄBD eine höhere Bewertung vorsehe, könne nicht dazu führen, dass im Ergebnis diese Aufwertung zu Lasten anderer vertragsärztlicher Leistungen und Facharztgruppen führe. Die von den Krankenkassenverbänden gezahlte und von der Beklagten zu verteilende Gesamtvergütung sei nämlich nicht gestiegen. Nachforderungen der Beklagten an die Krankenkassen seien grundsätzlich nicht möglich. Zu berücksichtigen sei auch, dass mit der Einführung des EBM 2000plus auch andere Leistungen aufgewertet worden seien. Zum Beispiel sei der operative Eingriff an Knochen und Gelenken der Kategorie D3 von 1800 auf 6570 Punkten und der Einbau, der Wechsel oder die Entfernung eines Schrittmachersystems der Kategorie L2 von 1000 auf 4860 Punkte aufgewertet worden. Nach der Auffassung des Sozialgerichts müssten konsequenterweise sämtliche Aufwertungen des EBM 2000plus letztendlich zu einem höheren Punktwert auch bei den anderen Leistungserbringern führen. Das Sozialgericht habe zudem übersehen, dass die Anpassung und Bildung von Honorartöpfen auch dann rechtmäßig bleibe, wenn in der Zwischenzeit eine Höherbewertung der in Frage stehenden Leistungen im EBM erfolgt sei. Das BSG habe bereits geklärt, das Höherbewertungen im EBM nicht dazu verpflichteten, im HVV Korrekturen bei den Honorarkontingenten vorzunehmen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei es durchaus sachlich gerechtfertigt, auf das Vergütungsvolumen des ÄBD des Jahres 2002 zurückzugreifen. Ein Rückgriff auf länger zurückliegende Jahre sei nämlich dann zulässig, wenn es Gründe für die Annahme gebe, dass das Leistungs- und Abrechnungsverhalten damals mehr als später den tatsächlichen medizinischen Bedarf widerspiegele. Ebenso wie in dem bis zum Quartal II/05 gültigen HVV sei auch in dem ab dem Folgequartal gültigen HVV das Jahr 2002 als Bezugszeitraum herangezogen worden, um auf dieser Grundlage eine vergleichbare und zudem verlässliche Berechnungsgröße zu erhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig, da die Punktwerte für Leistungen im ÄBD nicht im Zusammenhang mit der Einführung des EBM 2000plus hätten abgesenkt werden dürfen.
I) Verfahrensrechtliche Fehler sind der Entscheidung des Sozialgerichts nicht vorzuhalten. Insbesondere mussten die Krankenkassen(-verbände) nicht notwendig beigeladen werden. Bei der Beiladung der Krankenkassen(-verbände) als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung handelt es sich um einen Fall der einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die im Ermessen des Gerichts steht. Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit einer (Honorarverteilungs-) Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig wird. Die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch Art. 1 Nr. 64 Buchst. h des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) beabsichtigte Einbindung der Verbände der Krankenkassen in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung (BT-Drucks 15/1525 S. 101) ändert nichts daran, dass im Honorarstreitverfahren primär über den Anspruch eines Leistungserbringers auf vertragsärztliches Honorar und nur inzident (auch) über die Geltung von Vorschriften des HVV gestritten wird. Das Unterlassen auch einer sachgerechten und naheliegenden einfachen Beiladung ist kein sachentscheidungshindernder Verfahrensmangel (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011, Az.: B 6 KA 17/10 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
II) Zu Recht hat das Sozialgericht die streitgegenständlichen Honorarbescheide der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 geändert. Die Regelungen des in den Quartalen II/06 bis IV/06 geltenden HVV, die die Vergütung von Leistungen im ÄBD betrafen, d.h. § 8a Abs. 1 und § 8b Abs. 1 HVV nF, sind nichtig, weil sie gegen höherrangiges Recht verstoßen. Zur Begründung verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts zur Zulässigkeit von Honorartöpfen und macht sich diese zu Eigen. Die im Berufungsverfahren vorgetragenen Einwände der Beklagten führen zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unter 1. und 2.). Darüber hinaus verstoßen die o.g. HVV-Regelungen – wie bereits vom Sozialgericht festgestellt – auch gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz (GG), weil sie dazu führen, dass Leistungen, die von Vertragsärzten im ambulanten Notfalldienst erbracht werden, hinsichtlich des Punktwerts schlechter vergütet werden als ambulante Notfallbehandlungen durch Krankenhäuser (hierzu unter 3.).
1) Soweit die Berufungsbegründung allgemeine Ausführungen zur Zulässigkeit von Honorartöpfen im Rahmen der Honorarverteilung, zur Honorarverteilungsgerechtigkeit und zum Anspruch auf angemessene Vergütung vertragsärztlicher Leistungen enthält, widerspricht der Senat der Beklagten nicht. Diese Ausführungen sind in ihrer allgemeinen Natur zutreffend, tangieren jedoch die Rechtmäßigkeit der umstrittenen Änderung des HVV zum Quartal II/05 nicht. Auch das Sozialgericht hat seine Entscheidung hierauf nicht gestützt.
2) Unbestritten ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, die Höherbewertung einzelner Leistungen im EBM dergestalt nachzuvollziehen, dass die Honorarkontingente, die die höher bewerteten Leistungen beinhalten, erweitert werden. Entsprechendes gilt selbstverständlich auch, wenn die Punktzahl einer EBM-Leistung verringert wird. Die Beklagte verkennt allerdings, dass das Fehlen dieser Verpflichtung nicht der Berechtigung gleichsteht, Punktzahlveränderungen im EBM durch gezielte, gegenläufig wirkende Änderungen in der Honorarverteilung leer laufen zu lassen.
a) Es liegt auf der Hand, dass eine Kassenärztliche Vereinigung (KV) überfordert wäre, müsste sie jede Punktzahlveränderung im EBM zum Anlass nehmen, nicht nur die hiervon betroffenen Honorartöpfe entsprechend anzupassen, sondern zusätzlich – wegen der unveränderten Gesamtvergütung – als Ausgleich Verschiebungen aus oder in andere Honorartöpfe vorzunehmen. Eine diesbezügliche Verpflichtung hat aber auch das Sozialgericht nicht angenommen. Es hat vielmehr – und völlig zu Recht – beanstandet, dass die Beklagte die Höherbewertung der Grundgebühr für notärztliche Leistungen zum Anlass genommen hat, den bislang nicht mit einer Obergrenze versehenen (nicht "gedeckelten") Honorartopf nach § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVM mit einer solchen Obergrenze ("Deckel") zu versehen, was einen floatenden und im Ergebnis gravierend abgesenkten Punktwert für die betroffenen Leistungen des ÄBD zur Folge hatte. Damit hat die Beklagte gezielt eine einzelne Entscheidung des Bewertungsausschusses zu Lasten der am ÄBD teilnehmenden Vertragsärzte korrigiert. Eine rechnerische Analyse der o.g. Abrechnungsdaten bestätigt dies eindrucksvoll. Hierbei erweist es sich als hilfreich, dass die Beklagte offensichtlich zunächst für die Quartale III/05 bis I/06 die Regelungen nach § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVM versehentlich weiter angewandt hat, indem sie – anders als nach § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVV nF vorgesehen – die Leistungen des ÄBD mit dem durchschnittlichen hausärztlichen Mischpunktwert des Jahres 2002 (aber mit den Punktzahlen des EBM 2000plus) vergütete, sodass den am ÄBD teilnehmenden Vertragsärzten zunächst die vom Bewertungsausschuss gewollte Besserstellung uneingeschränkt zu Gute kam. In den vom Senat am selben Tag entschiedenen Parallelverfahren L 7 KA 55/10 und L 7 KA 4/11 ergab sich folgendes Bild: Die durchschnittliche Fallpunktzahl im ÄBD übertraf in den ersten 4 Quartalen nach Einführung des EBM 2000plus, d.h. im Zeitraum II/05 bis I/06, die entsprechende Punktzahl in den letzten 4 Quartalen unter dem alten EBM (II/04 bis I/05) um ca. 97 bzw. 128 %, und in den 3 Folgequartalen (II/06 bis IV/06) um ca. 104 bzw. 122 %. Diese Entwicklung spiegelte also die Höherbewertung der Ordinationsgebühr für einen Behandlungsfall im ÄBD (Notdienst) annähernd wieder. Betrachtete man hingegen beim Fallwert im ÄBD die Veränderung in den ersten 3 Quartalen nach Anwendung der umstrittenen HVV-Änderung (II/06 bis IV/06) gegenüber den letzten 4 Quartalen (II/04 bis I/05), in denen sowohl der alte EBM als auch der HVM galten, stellte man fest, dass die Höherbewertung der Notfallordinationsgebühr um ca. 130 % lediglich zu einem Anstieg dieses Fallwerts um ca. 27 bzw. 36 % geführt hatte. Darin sah der Senat in den Parallelverfahren eine faktische Entwertung der durch den EBM 2000plus erfolgten Höherbewertung.
b) Einen sachlichen Grund für diese im Widerspruch zu den Vorgaben den EBM 2000plus stehende HVV-Änderung hat die Beklagte nicht benannt.
aa) Zunächst, so im Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008, hat die Beklagte (allein) den Anstieg der Punktzahlen für Leistungen des ÄBD durch die Einführung des EBM 2000plus als Begründung angeführt. Dies offenbart die wahren Motive der Beklagten für die Änderung in § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVV: Die Deckelung des Honorars war darauf gerichtet, eine aus ihrer Sicht nicht gerechtfertigte Höherbewertung von Leistungen im ÄBD auszuhebeln.
bb) Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung auf ihre Verpflichtung hinweist, mengensteuernde Regelungen aus Sicherstellungsaspekten – etwa zum Schutz anderer Leistungserbringer – zu erlassen, überzeugt dies nicht. Denn dass die vertragsärztliche Versorgung in Berlin (allein) durch die Höherbewertung der Ordinationsgebühr für Notfallleistungen gefährdet war, ist seitens der Beklagten noch nicht einmal behauptet worden. Erforderlich wäre hierfür substantiierter Vortrag gewesen (etwa zur Entwicklung des für ÄBD-Leistungen verwendeten Teils der Gesamtvergütung vor und nach der Punktzahlerhöhung und den Einfluss dieser Entwicklung auf die vertragsärztliche Versorgung im Land Berlin insgesamt), der es nachvollziehbar erscheinen lässt, warum im Zusammenhang mit der Einführung des EBM 2000plus und der damit einhergegangenen Vielzahl an Neubewertungen von Leistungen gerade die (gezielte) Beeinflussung des Punktwerts für ÄBD-Leistungen keine Willkür darstellte, sondern einen maßgeblichen Beitrag zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin geleistet habe.
cc) Hierbei verkennt der Senat nicht, dass es seitens der Beklagten ein berechtigtes Interesse geben kann, angesichts der limitierten Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und einer an Honorartöpfen orientierten Honorarverteilung bislang ungedeckelte Honorartöpfe zu begrenzen. Dies lässt sich z.B. damit begründen, dass andernfalls Teile der Gesamtvergütung aus anderen Honorarbereichen/-kontingenten zum "Auffüllen" dieses ungedeckelten Honorartopfes dienen müssten, obwohl es keine sachliche Rechtfertigung für die Privilegierung gerade dieses Honorartopfes bzw. der hieraus zu vergütenden Leistungen gibt. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Begrenzung des bislang ungedeckelten Honorartopfes auf dem Niveau eines früheren Jahres (hier: 2002) erfolgt. Bei der Bildung von Honorargrenzen darf – dies hat das Sozialgericht zutreffend erkannt – grundsätzlich an die Verhältnisse in früheren Jahren angeknüpft werden (BSG, Beschluss vom 17. September 2008, Az.: B 6 KA 62/07 B, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
Der insofern bestehende normative Gestaltungsspielraum einer KV ist jedoch dann überschritten, wenn eine solche Deckelung – wie im vorliegenden Fall – einzig darauf gerichtet ist, eine Höherbewertung im Rahmen des EBM zu entwerten. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – der Anstieg der Punktzahlanforderungen im bislang ungedeckelten Bereich allein auf die Anhebung der Punktzahl im EBM zurückzuführen ist. Fallzahlsteigerungen für Leistungen im ÄBD hat die Beklagte weder behauptet noch nachgewiesen. Sie sind angesichts der konkreten Ausgestaltung des ÄBD im Bereich der Beklagten auch nahezu auszuschließen. Denn nach § 6 Abs. 7 der Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten dürfen im fahrenden ÄBD, bei dem dem einzelnen Vertragsarzt von der Beklagten ein Wagen mit Fahrer gestellt wird, nur von der Leitstelle vermittelte Besuchsanforderungen durchgeführt werden. Zusätzliche Akutanforderungen und Mitbesuche sind der Leitstelle zu melden. Weitere Anforderungen, etwa für Hausbesuche eigener Patienten, müssen über die Leitstelle erfolgen und von dieser zugeteilt werden. Hieraus wird deutlich, dass es einer Mengensteuerung i.S.e. Fallzahlbegrenzung nicht bedarf. Eine der Beklagten grundsätzlich mögliche und zulässige Mengensteuerung könnte jedoch über eine Limitierung der Fallpunktzahl vorgenommen werden, da hierbei die Höherbewertung der Notfallordinationsgebühr angemessen berücksichtigt werden kann.
c) Entgegen der Darstellung der Beklagten führt die Auffassung des Sozialgerichts nicht dazu, dass "konsequenterweise sämtliche Aufwertungen des EBM 2000plus letztlich zu einem höheren Punktwert" führen müssen. Denn das Sozialgericht hat – wie bereits dargelegt – keine Verpflichtung der Beklagten angenommen, einer Punktzahlerhöhung im EBM eine Erhöhung des Punktwertes oder zumindest des betroffenen Honorarkontingents folgen zu lassen. Es hat lediglich mit Recht ein Verbot gesehen, eine Punktzahlerhöhung im EBM durch eine zeitgleiche Reduzierung des Punktwertes gezielt ins Leere laufen zu lassen.
d) Soweit das Sozialgericht allerdings die Rechtsauffassung vertreten hat, die Beklagte dürfe im Rahmen der Neuregelung nicht auf das Vergütungsvolumen des Jahres 2002 für Leistungen im ÄBD zurückgreifen, teilt der Senat diese Ansicht in dieser allgemeinen Form nicht. Denn eine der vom Sozialgericht für zulässig erachteten Lösungen, die Anhebung des Vergütungsanteils des Jahres 2002 für Leistungen des ÄBD um die prozentuale Punktzahlerhöhung (wohl der Notfallordinationsgebühr) im EBM 2000plus, würde die Wirkung zeitigen, die herbeizuführen die Beklagte nach dem oben Gesagten gerade nicht verpflichtet ist, nämlich die Vergrößerung des Honorartopfes aus Anlass einer Höherbewertung von Leistungen.
3) Die Vergütung der Leistungen im ÄBD ab dem Quartal II/06 ist ferner deshalb zu beanstanden, weil sie von der Vergütung derselben Leistungen für die Erste-Hilfe-Stellen der Krankenhäuser abweicht.
a) Zwar sind die Leistungen im Notfalldienst für beide Gruppen von Leistungserbringern – zugelassene Vertragsärzte einerseits, Krankenhäuser andererseits – insofern budgetiert, als sie aus zwei jeweils gedeckelten Honorartöpfen vergütet werden. Eine erhebliche Mengenausweitung führt daher in beiden Fällen zu sinkenden Punktwerten. Während jedoch der in § 8a Abs. 1 bzw. § 8b Abs. 1 HVV nF genannte Honorartopf, aus dem die ÄBD-Leistungen der Vertragsärzte vergütet werden, unveränderlich auf das Niveau des Jahres 2002 begrenzt ist, unterliegt der Honorartopf für die Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen einer dynamischen Entwicklung. Diese knüpft zum einen an die Geldmenge an, welche im entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres zur Verfügung stand, zum anderen an die Veränderung der Gesamtvergütung – typischerweise eine Erhöhung. Bei gleichbleibender Leistungsmenge führt dies im letzteren Fall zu einer sukzessiven Steigerung des Punktwertes, bei den ÄBD-Leistungen hingegen zur Stagnation und im Verhältnis beider Gruppen somit zu einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung.
b) Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG schreibt unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (BVerfG NJW 2006, 2175, BVerfGE 115, 381, jeweils m.w.N.; BSG, Urteile vom 17. September 2008, Az.: B 6 KA 46/07 R und B 6 KA 47/07 R, beide veröffentlicht in Juris). Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfGE 107, 133, BVerfG SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 33, jeweils m.w.N.). Hiervon ausgehend hat das BSG in ständiger Rechtsprechung aus der im SGB V vorgenommenen Gleichstellung der bei Notfallbehandlungen Versicherter tätig werdenden Krankenhäuser (oder auch Nichtvertragsärzte) mit den Vertragsärzten abgeleitet, dass die Leistungen im Rahmen der ambulanten Notfallbehandlung grundsätzlich sowohl hinsichtlich der Punktzahl (BSG a.a.O.) als auch des Punktwertes (BSG, Urteil vom 6. September 2006, Az.: B 6 KA 31/05 R, veröffentlicht in Juris) gleich zu vergüten und auch mittelbare Schlechterstellungen nicht zu billigen sind (BSG SozR 3-2500 § 115 Nr. 1). Der Vergütungsanspruch einer Gruppe von Leistungserbringern darf für Notfallbehandlungen deshalb gegenüber dem Vergütungsniveau der anderen Gruppe nur dann reduziert oder im Umfang eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (BSG, Urteil vom 6. September 2006, a.a.O.). Ein solcher sachlicher Grund existiert z.B. für eine an die gesetzliche Regelung des § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V anknüpfende pauschale Honorarminderung in Höhe von 10 % für Notfallleistungen öffentlich geförderter Krankenhäuser (BSGE 75, 184; SozR 3-2500 § 120 Nr. 12). Vorliegend jedoch sind sachlich tragfähige Gründe für die aufgezeigte unterschiedliche Bewertung der im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalte bei ambulanten Notfallbehandlungen im ÄBD einerseits und im Krankenhaus andererseits weder vorgetragen noch anderweitig erkennbar.
III) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Höhe der Vergütung im (fahrenden) Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) für die Quartale II/06 bis IV/06.
Die Klägerin ist eine aus zwei Ärzten bestehende Berufsausübungsgemeinschaft, die in dieser Form in den Quartalen I/06 bis II/11 an der vertragsärztlichen Versorgung im Berliner Stadtteil N und in diesem Rahmen am fahrenden Ärztlichen Bereitschaftsdienst (ÄBD) der Beklagten teilnahm. Nach dem bis zum 31. März 2005 geltenden Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) wurde die Notfallordinationsgebühr (Gebührenordnungsnummer – GO-Nr. – 1) mit 220 Punkten bewertet. Sie wurde mit Einführung des ab dem 1. April 2005 geltenden EBM 2000plus ersetzt durch die GO-Nr. 01210 ("Ordinationskomplex im organisierten Not(fall)dienst"), welche mit 500 Punkten bewertet wurde.
Bis zum Quartal II/05 wurden die von den Haus- bzw. Fachärzten im Rahmen des ÄBD erbrachten Leistungen mit dem durchschnittlichen haus- bzw. fachärztlichen Mischpunktwert des Jahres 2002 vergütet und unterlagen keinerlei Kontingentierung (§ 8a Abs. 1 bzw. § 8b Abs. 1 des Honorarverteilungsmaßstabs (HVM) der Beklagten in der Fassung vom 1. Oktober 2004 bzw. Präambel des Honorarverteilungsvertrags (HVV) vom 20. Juni 2005 (neue Fassung – nF)). Ab dem Quartal III/05 wurde für die Vergütung dieser Leistungen zunächst ein Honorartopf gebildet, indem von dem haus- bzw. fachärztlichen Verteilungsbetrag die Vergütungsmenge in Abzug gebracht wurde, die im Jahre 2002 durchschnittlich je Quartal für die Vergütung dieser Leistungen zur Verfügung stand. Die Vergütung der Leistungen im ÄBD erfolgte dann mit dem Punktwert, der sich aus der Division des zur Verfügung stehenden Verteilungsbetrages durch die im ÄBD erbrachte Leistungsmenge ergab (§ 8a Abs. 1 bzw. § 8b Abs. 1 HVV nF). Demgegenüber war nach § 8 Abs. 4 HVV nF die Vergütung von Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen noch vor der Trennung in den haus- und den fachärztlichen Vergütungsanteil aus dem vorhandenen Verteilungsbetrag wie folgt abzuziehen: "Dazu ist die mitgliederbereinigte und um die vertraglich vereinbarte prozentuale Veränderung der pauschalierten Gesamtvergütung dynamisierte Geldmenge zur Verfügung zu stellen, die im entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres zur Verfügung gestanden hat. Der Auszahlungspunktwert ergibt sich durch Division der o. g. Geldmenge durch die Anzahl der von den Erste-Hilfe-Stellen angeforderten Punkte. Als oberer Interventionspunktwert wird der in § 9 Abs. 1 genannte Individualbudgetpunktwert festgelegt. Der gegebenenfalls verbleibende Betrag wird der pauschalierten Gesamtvergütung zugeführt."
Gegen die Honorarfestsetzungsbescheide der streitigen Quartale legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein mit der Begründung, die im ÄBD erbrachten Leistungen würden ohne sachlichen Grund schlechter vergütet als die entsprechenden Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen.
Alle Widersprüche wurden mit dem Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte insbesondere aus, § 8a HVV nF verstoße nicht gegen höherrangiges Recht. Der Grundsatz der leistungsproportionalen Vergütung sei nicht verletzt, da mit der beabsichtigten Mengensteuerung ein sachlicher Grund für die Bildung eines gesonderten Honorartopfes für den ÄBD bestehe und die am ÄBD teilnehmenden Ärzte als einheitliche Gruppe anzusehen seien. Ein Anspruch auf ein höheres Honorar ergebe sich auch nicht aus dem Gebot der Angemessenheit der Vergütung, da hieraus ein subjektives Recht zugunsten der Ärzte nur dann hergeleitet werden könne, wenn durch das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes auch die berufliche Existenz der Vertragsärzte gefährdet wäre. Auch widersprächen die Regelungen in §§ 8a Abs. 1, 8b Abs. 1 HVV nF nicht den höherrangigen Vorgaben des EBM. Maßgebend für die Einführung eines Honorartopfes für den ÄBD ab dem 1. Juli 2005 sei gerade, dass ab dem Quartal II/2005 mit der Einführung des EBM 2000plus die Zahl der in diesen Quartalen angeforderten Punkte gestiegen sei, da mit dem neuen EBM eine Höherbewertung der Notfall-Leistungen erfolgt sei. So werde z.B. der Ordinationskomplex im organisierten Notfalldienst jetzt mit 500 Punkten bewertet statt wie bisher mit 220 Punkten (für die Notfallordinationsgebühr). Unter dem Gesichtspunkt, dass die zu verteilende Gesamtvergütung nur in einem begrenzten Umfang zur Verfügung stehe, müsse diese nach sachlichen Gesichtspunkten auf die ärztlichen Leistungserbringer zum Zwecke der Erfüllung des Sicherstellungsauftrages aufgeteilt werden. Unter Berücksichtigung der Verpflichtung, die Gesamtvergütung in hausärztliche und fachärztliche Versorgungsbereiche zu trennen, sei die Vergütung der Leistungen des Bereitschaftsdienstes nach den Vorgaben des §§ 8a Abs. 1, 8b Abs. 1 HVV nF durchaus geeignet, den notärztlichen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst sei nach der Bereitschaftsdienstordnung eine Ergänzungstätigkeit zur Praxisarbeit und dürfe nicht zum Schwerpunkt der vertragsärztlichen Tätigkeit werden. Die Haupterwerbsquelle müsse nach wie vor die Praxistätigkeit sein. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die für den ÄBD erforderlichen sächlichen Mitteln von der Beklagten zur Verfügung gestellt würden. Nach alledem sei festzustellen, dass ein "nach unten offen fallender" (floatender), nicht gestützter und von den im Rahmen der Praxistätigkeit geltenden Punktwerten abweichender Punktwert für die Leistungen im ÄBD nicht zu beanstanden sei. Dass durch die Höhe des Auszahlungspunktwertes für die im ÄBD erbrachten Leistungen die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung und infolgedessen auch das vertragsärztliche Versorgungssystem als Ganzes gefährdet sei, sei nicht ersichtlich und von der Klägerseite auch nicht vorgetragen. Im Übrigen bestünden zwischen dem fahrenden ÄBD und der Erste-Hilfe-Stellen erhebliche Unterschiede, die eine abweichende Vergütung mit einem höheren, im Voraus festgelegten Punktwert durchaus rechtfertigten.
Mit Urteil vom 16. Februar 2011 hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben und die Beklagte zur Neubescheidung verpflichtet, weil die der Vergütung im ÄBD zu Grunde liegende Regelung des § 8a Abs. 1 HVV in der Fassung vom 10. April 2006 gegen die Vorgaben des EBM verstoße und die am fahrenden ÄBD teilnehmenden Leistungserbringer gegenüber den Erst-Hilfe-Stellen der Krankenhäuser benachteilige. Nicht zu beanstanden sei, dass die Beklagte einen Honorartopf für Leistungen im ÄBD gebildet und dies mit dem Schutz der übrigen Leistungserbringer begründet habe. Unzulässig sei aber die Anknüpfung an das Jahr 2002, obwohl zwischenzeitlich durch den EBM eine höhere Bewertung der ÄBD-Leistungen erfolgt sei. Obwohl nicht bei allen EBM-Änderungen stets auch die Honorarverteilungsregelungen anzupassen seien, sei ein HVM rechtswidrig, wenn durch seine Regelungen ein durch den EBM erkennbar verfolgtes Regelungsziel unterlaufen werde, wie dies das Bundessozialgericht (BSG) im Zusammenhang mit den Vorschriften des EBM über Kinder-Früherkennungs-Untersuchungen angenommen habe. Vorliegend sei ein vergleichbarer Fall gegeben. Im Ergebnis hätten die am fahrenden ÄBD teilnehmenden Ärzte keine höhere Vergütung erhalten, obwohl eine bedarfsbedingte, durch den EBM – und nicht die Ärzte – hervorgerufene Mengenausweitung der ÄBD-Leistungen vorgelegen habe.
Gegen dieses ihr am 28. Februar 2011 zugestellte richtet sich die Berufung der Beklagten vom 11. März 2011, zu deren Begründung sie u.a. vorträgt: Das Urteil des Sozialgerichts leide an einem wesentlichen Verfahrensmangel, weil die Krankenkassen nicht beigeladen worden seien. Deren Beiladung sei notwendig, da die Entscheidung des Sozialgerichts unmittelbare Auswirkungen auf den zwischen ihr und den Krankenkassenverbänden abgeschlossenen HVV habe. Denn der nach Auffassung des Sozialgerichts zu zahlende höhere Punktwert für Leistungen im ÄBD müsse zu Nachvergütungen der Krankenkassenverbände führen. Der HVV nF verstoße weder gegen den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung noch gegen den der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Sie – die Beklagte – habe auch keine Obliegenheit verletzt, auf eine angemessene Vergütung ärztlicher Leistungen hinzuwirken. Dass der EBM 2000plus für Leistungen des ÄBD eine höhere Bewertung vorsehe, könne nicht dazu führen, dass im Ergebnis diese Aufwertung zu Lasten anderer vertragsärztlicher Leistungen und Facharztgruppen führe. Die von den Krankenkassenverbänden gezahlte und von der Beklagten zu verteilende Gesamtvergütung sei nämlich nicht gestiegen. Nachforderungen der Beklagten an die Krankenkassen seien grundsätzlich nicht möglich. Zu berücksichtigen sei auch, dass mit der Einführung des EBM 2000plus auch andere Leistungen aufgewertet worden seien. Zum Beispiel sei der operative Eingriff an Knochen und Gelenken der Kategorie D3 von 1800 auf 6570 Punkten und der Einbau, der Wechsel oder die Entfernung eines Schrittmachersystems der Kategorie L2 von 1000 auf 4860 Punkte aufgewertet worden. Nach der Auffassung des Sozialgerichts müssten konsequenterweise sämtliche Aufwertungen des EBM 2000plus letztendlich zu einem höheren Punktwert auch bei den anderen Leistungserbringern führen. Das Sozialgericht habe zudem übersehen, dass die Anpassung und Bildung von Honorartöpfen auch dann rechtmäßig bleibe, wenn in der Zwischenzeit eine Höherbewertung der in Frage stehenden Leistungen im EBM erfolgt sei. Das BSG habe bereits geklärt, das Höherbewertungen im EBM nicht dazu verpflichteten, im HVV Korrekturen bei den Honorarkontingenten vorzunehmen. Entgegen der Ansicht des Sozialgerichts sei es durchaus sachlich gerechtfertigt, auf das Vergütungsvolumen des ÄBD des Jahres 2002 zurückzugreifen. Ein Rückgriff auf länger zurückliegende Jahre sei nämlich dann zulässig, wenn es Gründe für die Annahme gebe, dass das Leistungs- und Abrechnungsverhalten damals mehr als später den tatsächlichen medizinischen Bedarf widerspiegele. Ebenso wie in dem bis zum Quartal II/05 gültigen HVV sei auch in dem ab dem Folgequartal gültigen HVV das Jahr 2002 als Bezugszeitraum herangezogen worden, um auf dieser Grundlage eine vergleichbare und zudem verlässliche Berechnungsgröße zu erhalten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 16. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht der Klage stattgegeben. Die angegriffenen Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig, da die Punktwerte für Leistungen im ÄBD nicht im Zusammenhang mit der Einführung des EBM 2000plus hätten abgesenkt werden dürfen.
I) Verfahrensrechtliche Fehler sind der Entscheidung des Sozialgerichts nicht vorzuhalten. Insbesondere mussten die Krankenkassen(-verbände) nicht notwendig beigeladen werden. Bei der Beiladung der Krankenkassen(-verbände) als Vertragspartner im Rahmen der Honorarverteilung handelt es sich um einen Fall der einfachen Beiladung nach § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die im Ermessen des Gerichts steht. Allein der Gesichtspunkt, dass es in einem Rechtsstreit auf den Inhalt, die Auslegung oder die Wirksamkeit einer (Honorarverteilungs-) Regelung ankommt, führt nicht dazu, dass die Entscheidung gegenüber den an der Normsetzung Beteiligten nur einheitlich ergehen kann und deren Beiladung in jedem Vergütungsrechtsstreit deshalb notwendig wird. Die vom Gesetzgeber mit der Neufassung des § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch Art. 1 Nr. 64 Buchst. h des GKV-Modernisierungsgesetzes vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) beabsichtigte Einbindung der Verbände der Krankenkassen in die Mitverantwortung für eine leistungsgerechte Honorarverteilung (BT-Drucks 15/1525 S. 101) ändert nichts daran, dass im Honorarstreitverfahren primär über den Anspruch eines Leistungserbringers auf vertragsärztliches Honorar und nur inzident (auch) über die Geltung von Vorschriften des HVV gestritten wird. Das Unterlassen auch einer sachgerechten und naheliegenden einfachen Beiladung ist kein sachentscheidungshindernder Verfahrensmangel (BSG, Urteil vom 29. Juni 2011, Az.: B 6 KA 17/10 R, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
II) Zu Recht hat das Sozialgericht die streitgegenständlichen Honorarbescheide der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 2008 geändert. Die Regelungen des in den Quartalen II/06 bis IV/06 geltenden HVV, die die Vergütung von Leistungen im ÄBD betrafen, d.h. § 8a Abs. 1 und § 8b Abs. 1 HVV nF, sind nichtig, weil sie gegen höherrangiges Recht verstoßen. Zur Begründung verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts zur Zulässigkeit von Honorartöpfen und macht sich diese zu Eigen. Die im Berufungsverfahren vorgetragenen Einwände der Beklagten führen zu keinem anderen Ergebnis (hierzu unter 1. und 2.). Darüber hinaus verstoßen die o.g. HVV-Regelungen – wie bereits vom Sozialgericht festgestellt – auch gegen den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Grundgesetz (GG), weil sie dazu führen, dass Leistungen, die von Vertragsärzten im ambulanten Notfalldienst erbracht werden, hinsichtlich des Punktwerts schlechter vergütet werden als ambulante Notfallbehandlungen durch Krankenhäuser (hierzu unter 3.).
1) Soweit die Berufungsbegründung allgemeine Ausführungen zur Zulässigkeit von Honorartöpfen im Rahmen der Honorarverteilung, zur Honorarverteilungsgerechtigkeit und zum Anspruch auf angemessene Vergütung vertragsärztlicher Leistungen enthält, widerspricht der Senat der Beklagten nicht. Diese Ausführungen sind in ihrer allgemeinen Natur zutreffend, tangieren jedoch die Rechtmäßigkeit der umstrittenen Änderung des HVV zum Quartal II/05 nicht. Auch das Sozialgericht hat seine Entscheidung hierauf nicht gestützt.
2) Unbestritten ist die Beklagte auch nicht verpflichtet, die Höherbewertung einzelner Leistungen im EBM dergestalt nachzuvollziehen, dass die Honorarkontingente, die die höher bewerteten Leistungen beinhalten, erweitert werden. Entsprechendes gilt selbstverständlich auch, wenn die Punktzahl einer EBM-Leistung verringert wird. Die Beklagte verkennt allerdings, dass das Fehlen dieser Verpflichtung nicht der Berechtigung gleichsteht, Punktzahlveränderungen im EBM durch gezielte, gegenläufig wirkende Änderungen in der Honorarverteilung leer laufen zu lassen.
a) Es liegt auf der Hand, dass eine Kassenärztliche Vereinigung (KV) überfordert wäre, müsste sie jede Punktzahlveränderung im EBM zum Anlass nehmen, nicht nur die hiervon betroffenen Honorartöpfe entsprechend anzupassen, sondern zusätzlich – wegen der unveränderten Gesamtvergütung – als Ausgleich Verschiebungen aus oder in andere Honorartöpfe vorzunehmen. Eine diesbezügliche Verpflichtung hat aber auch das Sozialgericht nicht angenommen. Es hat vielmehr – und völlig zu Recht – beanstandet, dass die Beklagte die Höherbewertung der Grundgebühr für notärztliche Leistungen zum Anlass genommen hat, den bislang nicht mit einer Obergrenze versehenen (nicht "gedeckelten") Honorartopf nach § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVM mit einer solchen Obergrenze ("Deckel") zu versehen, was einen floatenden und im Ergebnis gravierend abgesenkten Punktwert für die betroffenen Leistungen des ÄBD zur Folge hatte. Damit hat die Beklagte gezielt eine einzelne Entscheidung des Bewertungsausschusses zu Lasten der am ÄBD teilnehmenden Vertragsärzte korrigiert. Eine rechnerische Analyse der o.g. Abrechnungsdaten bestätigt dies eindrucksvoll. Hierbei erweist es sich als hilfreich, dass die Beklagte offensichtlich zunächst für die Quartale III/05 bis I/06 die Regelungen nach § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVM versehentlich weiter angewandt hat, indem sie – anders als nach § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVV nF vorgesehen – die Leistungen des ÄBD mit dem durchschnittlichen hausärztlichen Mischpunktwert des Jahres 2002 (aber mit den Punktzahlen des EBM 2000plus) vergütete, sodass den am ÄBD teilnehmenden Vertragsärzten zunächst die vom Bewertungsausschuss gewollte Besserstellung uneingeschränkt zu Gute kam. In den vom Senat am selben Tag entschiedenen Parallelverfahren L 7 KA 55/10 und L 7 KA 4/11 ergab sich folgendes Bild: Die durchschnittliche Fallpunktzahl im ÄBD übertraf in den ersten 4 Quartalen nach Einführung des EBM 2000plus, d.h. im Zeitraum II/05 bis I/06, die entsprechende Punktzahl in den letzten 4 Quartalen unter dem alten EBM (II/04 bis I/05) um ca. 97 bzw. 128 %, und in den 3 Folgequartalen (II/06 bis IV/06) um ca. 104 bzw. 122 %. Diese Entwicklung spiegelte also die Höherbewertung der Ordinationsgebühr für einen Behandlungsfall im ÄBD (Notdienst) annähernd wieder. Betrachtete man hingegen beim Fallwert im ÄBD die Veränderung in den ersten 3 Quartalen nach Anwendung der umstrittenen HVV-Änderung (II/06 bis IV/06) gegenüber den letzten 4 Quartalen (II/04 bis I/05), in denen sowohl der alte EBM als auch der HVM galten, stellte man fest, dass die Höherbewertung der Notfallordinationsgebühr um ca. 130 % lediglich zu einem Anstieg dieses Fallwerts um ca. 27 bzw. 36 % geführt hatte. Darin sah der Senat in den Parallelverfahren eine faktische Entwertung der durch den EBM 2000plus erfolgten Höherbewertung.
b) Einen sachlichen Grund für diese im Widerspruch zu den Vorgaben den EBM 2000plus stehende HVV-Änderung hat die Beklagte nicht benannt.
aa) Zunächst, so im Widerspruchsbescheid vom 19. August 2008, hat die Beklagte (allein) den Anstieg der Punktzahlen für Leistungen des ÄBD durch die Einführung des EBM 2000plus als Begründung angeführt. Dies offenbart die wahren Motive der Beklagten für die Änderung in § 8a Abs. 1, § 8b Abs. 1 HVV: Die Deckelung des Honorars war darauf gerichtet, eine aus ihrer Sicht nicht gerechtfertigte Höherbewertung von Leistungen im ÄBD auszuhebeln.
bb) Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung auf ihre Verpflichtung hinweist, mengensteuernde Regelungen aus Sicherstellungsaspekten – etwa zum Schutz anderer Leistungserbringer – zu erlassen, überzeugt dies nicht. Denn dass die vertragsärztliche Versorgung in Berlin (allein) durch die Höherbewertung der Ordinationsgebühr für Notfallleistungen gefährdet war, ist seitens der Beklagten noch nicht einmal behauptet worden. Erforderlich wäre hierfür substantiierter Vortrag gewesen (etwa zur Entwicklung des für ÄBD-Leistungen verwendeten Teils der Gesamtvergütung vor und nach der Punktzahlerhöhung und den Einfluss dieser Entwicklung auf die vertragsärztliche Versorgung im Land Berlin insgesamt), der es nachvollziehbar erscheinen lässt, warum im Zusammenhang mit der Einführung des EBM 2000plus und der damit einhergegangenen Vielzahl an Neubewertungen von Leistungen gerade die (gezielte) Beeinflussung des Punktwerts für ÄBD-Leistungen keine Willkür darstellte, sondern einen maßgeblichen Beitrag zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung in Berlin geleistet habe.
cc) Hierbei verkennt der Senat nicht, dass es seitens der Beklagten ein berechtigtes Interesse geben kann, angesichts der limitierten Gesamtvergütung (§ 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V) und einer an Honorartöpfen orientierten Honorarverteilung bislang ungedeckelte Honorartöpfe zu begrenzen. Dies lässt sich z.B. damit begründen, dass andernfalls Teile der Gesamtvergütung aus anderen Honorarbereichen/-kontingenten zum "Auffüllen" dieses ungedeckelten Honorartopfes dienen müssten, obwohl es keine sachliche Rechtfertigung für die Privilegierung gerade dieses Honorartopfes bzw. der hieraus zu vergütenden Leistungen gibt. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Begrenzung des bislang ungedeckelten Honorartopfes auf dem Niveau eines früheren Jahres (hier: 2002) erfolgt. Bei der Bildung von Honorargrenzen darf – dies hat das Sozialgericht zutreffend erkannt – grundsätzlich an die Verhältnisse in früheren Jahren angeknüpft werden (BSG, Beschluss vom 17. September 2008, Az.: B 6 KA 62/07 B, veröffentlicht in Juris, m.w.N.).
Der insofern bestehende normative Gestaltungsspielraum einer KV ist jedoch dann überschritten, wenn eine solche Deckelung – wie im vorliegenden Fall – einzig darauf gerichtet ist, eine Höherbewertung im Rahmen des EBM zu entwerten. Dies gilt umso mehr, wenn – wie hier – der Anstieg der Punktzahlanforderungen im bislang ungedeckelten Bereich allein auf die Anhebung der Punktzahl im EBM zurückzuführen ist. Fallzahlsteigerungen für Leistungen im ÄBD hat die Beklagte weder behauptet noch nachgewiesen. Sie sind angesichts der konkreten Ausgestaltung des ÄBD im Bereich der Beklagten auch nahezu auszuschließen. Denn nach § 6 Abs. 7 der Bereitschaftsdienstordnung der Beklagten dürfen im fahrenden ÄBD, bei dem dem einzelnen Vertragsarzt von der Beklagten ein Wagen mit Fahrer gestellt wird, nur von der Leitstelle vermittelte Besuchsanforderungen durchgeführt werden. Zusätzliche Akutanforderungen und Mitbesuche sind der Leitstelle zu melden. Weitere Anforderungen, etwa für Hausbesuche eigener Patienten, müssen über die Leitstelle erfolgen und von dieser zugeteilt werden. Hieraus wird deutlich, dass es einer Mengensteuerung i.S.e. Fallzahlbegrenzung nicht bedarf. Eine der Beklagten grundsätzlich mögliche und zulässige Mengensteuerung könnte jedoch über eine Limitierung der Fallpunktzahl vorgenommen werden, da hierbei die Höherbewertung der Notfallordinationsgebühr angemessen berücksichtigt werden kann.
c) Entgegen der Darstellung der Beklagten führt die Auffassung des Sozialgerichts nicht dazu, dass "konsequenterweise sämtliche Aufwertungen des EBM 2000plus letztlich zu einem höheren Punktwert" führen müssen. Denn das Sozialgericht hat – wie bereits dargelegt – keine Verpflichtung der Beklagten angenommen, einer Punktzahlerhöhung im EBM eine Erhöhung des Punktwertes oder zumindest des betroffenen Honorarkontingents folgen zu lassen. Es hat lediglich mit Recht ein Verbot gesehen, eine Punktzahlerhöhung im EBM durch eine zeitgleiche Reduzierung des Punktwertes gezielt ins Leere laufen zu lassen.
d) Soweit das Sozialgericht allerdings die Rechtsauffassung vertreten hat, die Beklagte dürfe im Rahmen der Neuregelung nicht auf das Vergütungsvolumen des Jahres 2002 für Leistungen im ÄBD zurückgreifen, teilt der Senat diese Ansicht in dieser allgemeinen Form nicht. Denn eine der vom Sozialgericht für zulässig erachteten Lösungen, die Anhebung des Vergütungsanteils des Jahres 2002 für Leistungen des ÄBD um die prozentuale Punktzahlerhöhung (wohl der Notfallordinationsgebühr) im EBM 2000plus, würde die Wirkung zeitigen, die herbeizuführen die Beklagte nach dem oben Gesagten gerade nicht verpflichtet ist, nämlich die Vergrößerung des Honorartopfes aus Anlass einer Höherbewertung von Leistungen.
3) Die Vergütung der Leistungen im ÄBD ab dem Quartal II/06 ist ferner deshalb zu beanstanden, weil sie von der Vergütung derselben Leistungen für die Erste-Hilfe-Stellen der Krankenhäuser abweicht.
a) Zwar sind die Leistungen im Notfalldienst für beide Gruppen von Leistungserbringern – zugelassene Vertragsärzte einerseits, Krankenhäuser andererseits – insofern budgetiert, als sie aus zwei jeweils gedeckelten Honorartöpfen vergütet werden. Eine erhebliche Mengenausweitung führt daher in beiden Fällen zu sinkenden Punktwerten. Während jedoch der in § 8a Abs. 1 bzw. § 8b Abs. 1 HVV nF genannte Honorartopf, aus dem die ÄBD-Leistungen der Vertragsärzte vergütet werden, unveränderlich auf das Niveau des Jahres 2002 begrenzt ist, unterliegt der Honorartopf für die Leistungen der Erste-Hilfe-Stellen einer dynamischen Entwicklung. Diese knüpft zum einen an die Geldmenge an, welche im entsprechenden Abrechnungsquartal des Vorjahres zur Verfügung stand, zum anderen an die Veränderung der Gesamtvergütung – typischerweise eine Erhöhung. Bei gleichbleibender Leistungsmenge führt dies im letzteren Fall zu einer sukzessiven Steigerung des Punktwertes, bei den ÄBD-Leistungen hingegen zur Stagnation und im Verhältnis beider Gruppen somit zu einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung.
b) Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG schreibt unter stetiger Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken vor, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend unterschiedlich zu behandeln (BVerfG NJW 2006, 2175, BVerfGE 115, 381, jeweils m.w.N.; BSG, Urteile vom 17. September 2008, Az.: B 6 KA 46/07 R und B 6 KA 47/07 R, beide veröffentlicht in Juris). Damit ist dem Normgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt das Grundrecht vielmehr nur, wenn er eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rechtsprechung des BVerfG, vgl. BVerfGE 107, 133, BVerfG SozR 4-1100 Art. 3 Nr. 33, jeweils m.w.N.). Hiervon ausgehend hat das BSG in ständiger Rechtsprechung aus der im SGB V vorgenommenen Gleichstellung der bei Notfallbehandlungen Versicherter tätig werdenden Krankenhäuser (oder auch Nichtvertragsärzte) mit den Vertragsärzten abgeleitet, dass die Leistungen im Rahmen der ambulanten Notfallbehandlung grundsätzlich sowohl hinsichtlich der Punktzahl (BSG a.a.O.) als auch des Punktwertes (BSG, Urteil vom 6. September 2006, Az.: B 6 KA 31/05 R, veröffentlicht in Juris) gleich zu vergüten und auch mittelbare Schlechterstellungen nicht zu billigen sind (BSG SozR 3-2500 § 115 Nr. 1). Der Vergütungsanspruch einer Gruppe von Leistungserbringern darf für Notfallbehandlungen deshalb gegenüber dem Vergütungsniveau der anderen Gruppe nur dann reduziert oder im Umfang eingeschränkt werden, wenn dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist (BSG, Urteil vom 6. September 2006, a.a.O.). Ein solcher sachlicher Grund existiert z.B. für eine an die gesetzliche Regelung des § 120 Abs. 3 Satz 2 SGB V anknüpfende pauschale Honorarminderung in Höhe von 10 % für Notfallleistungen öffentlich geförderter Krankenhäuser (BSGE 75, 184; SozR 3-2500 § 120 Nr. 12). Vorliegend jedoch sind sachlich tragfähige Gründe für die aufgezeigte unterschiedliche Bewertung der im Wesentlichen gleich gelagerten Sachverhalte bei ambulanten Notfallbehandlungen im ÄBD einerseits und im Krankenhaus andererseits weder vorgetragen noch anderweitig erkennbar.
III) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsordnung.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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