L 24 KA 11/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
24
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 1 KA 5/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 24 KA 11/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht zwischen den Beteiligten die Verpflichtung der Beklagten zur extrabudgetären Vergütung eines Mehrbedarfs für Leistungen der kurativen Koloskopie in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2004 aufgrund eines Schiedsspruches des Landesschiedsamtes Brandenburg.

Mit Beschlüssen in seiner 77. und 78. Sitzung nahm der Bewertungsausschuss Änderungen am Einheitlichen Bewertungsmaßstab EBM mit Wirkung zum 01. Oktober 2002 bzw. 01. Januar 2003 vor. Damit nahm er sowohl neue als auch höher zu bewertende vertragsärztliche Leistungen u. a. im Bereich der kurativen und präventiven Koloskopie in den EBM auf. So wurden etwa zum 01. Oktober 2002 die Leistungspositionen 156, 163 und 164 neu aufgenommen. Die Bewertung der Leistung nach Nr. 764 wurde ebenfalls ab 01. Oktober 2002 auf 4 100 Punkte erhöht. Die Leistung nach Nr. 765 wurde dementsprechend auf 795 Punkte erhöht und diejenige nach Nr. 768 auf 120 Punkte. Mit Wirkung vom 01. Januar 2003 wurde in der Beschreibung der Leistung nach Nr. 764 ausdrücklich Bezug genommen auf die Qualitätssicherungsvereinbarung zur kurativen Koloskopie (zuvor Qualitätsversicherungsvereinbarung zur Früherkennungs-Koloskopie). Zugleich wurde die Leistungslegende und Leitungsbewertung zu Nr. 760 (partielle Koloskopie mit flexiblem Instrument) geändert (nunmehr 1860 Punkte). Wegen dieser und der weiteren in diesem Zusammenhang erfolgten Änderungen des EBM wird auf die bei den Akten befindlichen Auszüge der Beschlüsse verwiesen.

Im Hinblick auf diese Änderungen des EBM gaben die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung eine Empfehlung zur Finanzierung der Neueinführung der Früherkennungs-Koloskopie in den EBM und der Qualitätssicherungsmaßnahmen der kurativen Koloskopie zum 01. Oktober 2002 ab. Hierin wird festgestellt, dass der finanzielle Mehrbedarf der Einführung der präventiven Koloskopie sowie der Höherbewertung der kurativen Koloskopie durch Einsparungen in anderen geeigneten Bereichen nicht finanziert werden könne. Es wurde empfohlen, für die Vergütung der Früherkennungs-Koloskopie (Nr. 156) sowie den damit zusammenhängenden weiteren ärztlichen Maßnahmen einen festen Punktwert zu vereinbaren. Die Finanzierung des Mehrbedarfs für diese ärztlichen Leistungen sollte außerhalb der budgetierten Gesamtvergütungen erfolgen. Hinsichtlich der kurativen Koloskopie heißt es in der Bundesempfehlung:

"(4) Für die Finanzierung der höheren Bewertung der kurativen Koloskopie empfehlen die Partner dieser Bundesempfehlung den Partnern der Gesamtverträge für das 4. Quartal des Jahres 2002 die Gesamtvergütungen um 0,05 %, ab dem 1.1.2003 um 0,10 % zu erhöhen, wobei im Jahre 2003 die Erhöhung für das 4. Quartal 2002 in vollem Umfang anzurechnen ist."

Mit Wirkung zum 01. Juli 2003 wurde die Bundesempfehlung dahingehend geändert, dass hinsichtlich der Früherkennungs-Koloskopie nicht nur die ärztlichen Leistungen, sondern auch die Sachkostenpauschale nach der Nr. 7153 außerhalb der budgetierten Gesamtvergütungen finanziert werden sollte.

Der Vertrag zwischen der Klägerin und den Verbänden der Ersatzkassen für die Honorierung vertragsärztlicher Leistungen im Jahr 2002 sah unter Nr. 2.7 Abs. 2 für die Zeit ab dem 01. Oktober 2002 wegen der dann wirksam werdenden höheren Bewertung der kurativen Koloskopie eine Erhöhung der sich nach Kopfpauschalen errechnenden Gesamtvergütung nach Maßgabe der diesbezüglichen Bundesempfehlung für das IV. Quartal 2002 um 0,05 v. H. vor.

In den Protokollnotizen zum Honorarvertrag 2002 ist zu Nr. 2.7 Abs. 2 festgehalten, dass die Beteiligten im Vorgriff auf den Honorarvertrag für das Jahr 2003 und unter Bezugnahme auf die diesbezügliche Bundesempfehlung sowie die Entscheidung des Landesschiedsamtes Brandenburg vom 11. Dezember 2002 vereinbaren, die Kopfpauschalen nach Nr. 2.7 für die Finanzierung der höheren Bewertung der kurativen Koloskopie um 0,1 v. H. der sich nach Kopfpauschalen errechnenden Gesamtvergütung des Jahres 2003 zu erhöhen. Die Anhebung der Kopfpauschalen im IV. Quartal 2002 sollte im IV. Quartal 2003 angerechnet werden.

Nachdem die Verhandlungen zum Abschluss eines Honorarvertrages für das Jahr 2003 nach einer letzten Verhandlungsrunde am 12. Dezember 2003 gescheitert waren, rief die Klägerin das Landesschiedsamt Brandenburg mit Schreiben vom 15. Dezember 2003 an. Nachdem am 02. Februar 2004 auch die Verhandlungen hinsichtlich eines Honorarvertrages für das Jahr 2004 gescheitert waren, wurde ein entsprechender Antrag unter dem 06. Februar 2004 kassenseitig vom vdak e.V. und AEV e.V. auch für das Folgejahr gestellt.

Mit Schreiben vom 30. März 2004 legte die Klägerin einen Vertragsentwurf für 2003 vor, dessen Inhalt sie festzusetzen beantragte. Dieser Entwurf sah eine Erhöhung der Kopfpauschalen "nach Maßgabe der diesbezüglichen Bundesempfehlung" um den Betrag vor, welcher der Anhebung der Gesamtvergütung nach Kopfpauschalen um 0,25 % entspricht.

Zuletzt beantragte die Klägerin im Schiedsverfahren schriftlich hinsichtlich der Auswirkungen der Kosten der kurativen Koloskopie mit Schreiben vom 14. Mai 2004 für das Jahr 2003 eine Anhebung der pauschalierten Gesamtvergütung um 0,27 %. Sie begründete dies unter Hinweis darauf, dass der tatsächliche Mehrbedarf bereichseigener Ärzte in den ersten drei Quartalen des Jahres 2003 bereits zirka 0,27 % betragen habe. Für das Jahr 2004 wurde die Festsetzung auf der Grundlage der in den Vorjahren vereinbarten Vertragssystematik und der genannten Änderungen beantragt.

Kassenseitig wurde Zurückweisung des Antrags hinsichtlicht der Erhöhung der Gesamtvergütung für die Finanzierung der höher bewerteten kurativen Koloskopie beantragt (Punkt 6 der schriftlichen Anträge der Ersatzkassen für das Jahr 2003 vom 24. Mai 2004).

Am 24. Mai 2004 verhandelte das Landesschiedsamt Brandenburg mündlich über die Gesamtvergütung für die Jahre 2003 und 2004. Durch Beschluss vom selben Tag hob es die pauschalierte Gesamtvergütung für das Jahr 2003 sockelwirksam um 2 Millionen Euro an (Beschlusspunkt I.1). Die Anhebung erfolgte mit einem Teilbetrag von zirka 1,4 Millionen Euro zum Ausgleich der seit dem Jahre 2000 im Bereich der Anlagen 7, 11 und 12 zum Arzt /Ersatzkassenvertrag Onkologie, Sozialpsychiatrie, Schmerztherapie sowie der auf Landesebene geschlossenen Diabetes-Vereinbarung bis zum Jahre 2003 eingetretenen Mengensteigerung sowie mit einem Teilbetrag von zirka 600 000,00 Euro zum Ausgleich von überproportionalen Leistungssteigerungen auf anderen - genauer angegebenen - Gebieten. Für das Jahr 2004 erfolgte eine Anhebung der Kopfpauschale (Beschlusspunkt II.1) sowie der pauschalierten Gesamtvergütung sockelwirksam um weitere 650 000,00 Euro (Beschlusspunkt II.2). im Übrigen enthielt der Beschluss für das Jahr 2003 folgende Regelung als Beschlusspunkt I.3:

"Der Punktwert für präventive Leistungen, Substitution sowie seit dem 01.08.2001 neu in die E GO aufgenommene Leistungen und Höherbewertungen von Leistungen beträgt ab 01.07.2003 4,125 Eurocent."

Für das Jahr 2004 enthielt der Beschluss folgende Regelung als II.4:

"Der Punktwert für präventive Leistungen, Substitution und seit dem 01.08.2001 neu in die E GO aufgenommene Leistungen und Höherbewertungen beträgt ab 01.07.2004 4,25 Eurocent."

Die Begründung enthielt unter anderem folgende Ausführungen:

"1. Da das Beitragssatzsicherungsgesetz für das Jahr 2003 eine Erhöhung der für die Berechnung der Gesamtvergütung maßgeblichen Kopfpauschale entsprechend der sich aus § 71 SGB V ergebenden Veränderungsrate nicht zuließ, kam eine derartige Erhöhung für das Jahr 2003 nicht in Frage. Allerdings waren auch für dieses Jahr im Wege der Ermessensausübung Punktwerte für Präventionsleistungen und für Leistungen auf dem Gebiete der Substitution sowie der seit dem Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes neu hinzugekommenen Leistungen und Höherbewertungen vorzunehmen, sowie die Kosten für diese Leistungen nicht durch Einsparungen kompensiert werden, die sich aus dem Einsatz der neuen Leistungen ergeben. Insoweit ließ das Beitragssatzsicherungsgesetz die Regelungen des § 85 Abs. 3 SGB V unberührt.

2. Wegen der für das Jahr 2003 gesetzlich im Hinblick auf die Veränderungsrate gem. § 71 SGB V angeordneten "Nullrunde", die in den neuen Bundesländern trotz der ziemlich dramatischen finanziellen Situation im Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung um 1.3 % über die Veränderungsrate "West" hinausging, kam für das Jahr 2004 nur eine vollständige Ausschöpfung der für die NBL vom BMG errechneten Veränderungsrate in Frage. Darüber hinaus waren auch für das Jahr 2004 Punktwerte entsprechend Ziffer 1 Satz 2 dieser Begründung festzulegen."

Die Ergebnisniederschrift der Sitzung wurde den Beteiligten zunächst mit E Mail vom 27. Mai 2004 übersandt. In dem hierin enthaltenen Anschreiben heißt es, dass auf Vorschlag des Vorsitzenden und mit Zustimmung der Klägerin Bestimmungen hinsichtlich der KV internen Verteilung der Gelder im Hinblick auf eine Vermeidung von Schwierigkeiten bei der Umsetzung teils präzisiert bzw. konkretisiert worden seien.

Mit Bescheid vom 09. August 2004 beanstandete das Bundesversicherungsamt die Punkte I.1 und II.2 der Vereinbarung über die Vergütung für die vertragsärztlichen Versorgung 2003 und 2004 zwischen dem Verband der Ersatzkassen und der Klägerin, inhaltlich festgesetzt durch Entscheidung des Landesschiedsamtes vom 24. Mai 2004. Die Beanstandung der jeweiligen Erhöhung der Gesamtvergütung wurde auf einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Beitragsstabilitätssicherungsgesetzes sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität gestützt. Eine gegen den Bescheid erhobene Klage wurde beidseitig für erledigt erklärt.

Unter dem 22. März 2005 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 145 545,30 Euro auf. Da durch Entscheidung des Sozialgerichts Potsdam zu diesem Zeitpunkt die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Beanstandung durch das Bundesversicherungsamt angeordnet worden sei, resultiere die Zahlungspflicht auf der Anhebung der Gesamtvergütung durch das Schiedsamt. In diesem Betrag enthalten war ein Mehrbedarf für die kurative Koloskopie von 8 762,69 Euro für das I. Quartal 2004. Diesen Betrag errechnete die Klägerin aus der Differenz des alten und des neuen Punktwertes für die Leistungspositionen 760, 764 und 765S. Die sich unter Berücksichtigung der Häufigkeit der einzelnen Leistungspositionen ergebenden Mehrpunkte bewertete die Klägerin mit 4,125 Eurocent. Von dem sich so ergebenden Gesamtbetrag zog sie die Erhöhung der Gesamtvergütung von 0,1 % für die kurative Koloskopie durch bereichseigene Ärzte ab. Wegen der entsprechenden Berechnung wird auf die Anlage zum Schreiben vom 22. März 2005 Bezug genommen. Entsprechend berechnete sie für das II. Quartal 2004 unter Angabe eines Punktwertes von 4,25 Eurocent (gemeint ausweislich der Rechenergebnisse auch insoweit: 4,125einen Betrag von 8 211,11 Euro. Die Beklagte zahlte in der Folge den geforderten Betrag mit Ausnahme des Betrags für die Höherbewertung der kurativen Koloskopie.

Mit Schreiben vom 01. Juni 2005 forderte die Klägerin die Beklagte erneut zur Zahlung von 16 973,81 Euro auf. Sie führte hierbei aus, dass der Beschluss des Landesschiedsamtes sich bezüglich Punkt I.3 bzw. ab 01. August 2004 Punkt II.4 ausschließlich auf Leistungen bezogen habe, die außerhalb der budgetierten Gesamtvergütung gezahlt würden. Daher sei auch der Mehrbedarf für die Realisierung des Punktwertes in Höhe von 4,25 Cent für die Höherbewertung der Leistung der kurativen Koloskopie zusätzlich zur budgetierten Gesamtvergütung zu zahlen. Die Anforderung beinhalte ausschließlich die Beträge, die über die bereits berücksichtigte Erhöhung der Gesamtvergütung um 0,1 % für die kurative Koloskopie hinausgingen.

Die Beklagte bezahlte diesen Betrag nicht.

Mit ihrer am 30. Dezember 2008 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangenen Klage hat die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 16 973,81 Euro nebst Zinsen begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass sich der Anspruch aus dem mit der Beklagten geschlossenen Honorarvertrag 2002 in der Fassung des Beschlusses des Landesschiedsamtes vom 24. Mai 2004 über die Gesamtvergütung für die Leistung im Jahr 2003 und 2004 ergebe. Aus diesem Beschluss ergebe sich ein Anspruch auf extrabudgetäre Zahlung des festen (garantierten) Punktwertes für die höher bewerteten Leistungen der kurativen Koloskopie im Jahr 2004. Die Forderung sei auch nach Nr. 3 Buchstabe c Satz 2 des Honorarvertrages 2002 fällig. Den Punkt II.4 des Spruches des Landesschiedsamtes habe das Bundesversicherungsamt nicht beanstandet. § 85 Abs. 2 SGB V lasse die Vereinbarung eines festen Punktwertes für die Leistung der kurativen Koloskopie zu. Unter Berufung auf das Urteil vom 05. November 2008 (B 6 KA 55/07 R) hat die Klägerin ausgeführt, dass der Beklagten eine rechtliche Überprüfung der Entscheidung des Landesschiedsamtes nicht zustehe.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die Leistungen der kurativen Koloskopie mit der Gesamtvergütung abgedeckt seien. Jede Vergütung vertragsärztlicher Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung bedürfe einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung. Die Festlegung des Punktwertes in der Entscheidung des Landesschiedsamtes wirke sich auf die Höhe der Gesamtvergütung nicht unmittelbar aus. Ein über die vereinbarte Gesamtvergütung hinausgehender Anspruch auf Vergütung der kurativen Koloskopie verstieße zudem gegen den Grundsatz der Beitragssatzstabilität. Anhaltspunkte dafür, dass die notwendige medizinische Versorgung nicht zu gewährleisten sei, lägen nicht vor. Die kurative Koloskopie stelle weder eine gesetzlich vorgeschriebene Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahme oder zusätzliche Leistung dar, die im Rahmen zugelassener strukturierter Behandlungsprogramme erbracht würden. Es handele sich auch nicht um Mehrausgaben aufgrund von Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 135 Abs. 1 SGB V.

Mit Urteil vom 18. Januar 2012 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Aus der Bundesempfehlung der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ergebe sich eindeutig, dass nur die Leistung der präventiven Koloskopie extrabudgetär zu vergüten sein sollte. Die Leistungen der kurativen Koloskopie sollten über eine pauschal erhöhte Gesamtvergütung gezahlt werden. Bei einem durch Einsparungen nicht abgedeckten Mehrbedarf müssten die Partner der Gesamtverträge im Einvernehmen Regelungen treffen, dass nach Ausschöpfung aller Wirtschaftlichkeitsreserven eine notwendige zusätzliche Finanzierung durch die Krankenkassen erfolgen muss. Dies bedeute jedoch nicht, dass diese zusätzliche Finanzierung extrabudgetär zu erfolgen habe. Eine extrabudgetäre Vergütung sei nur in Ausnahmefällen möglich. Eine gesetzliche Vorgabe der auch nur teilweisen extrabudgetären Vergütung der kurativen Koloskopie liege nicht vor. Die Bundesempfehlung habe eindeutig vorgegeben, dass die Finanzierung der kurativen Koloskopie innerhalb der Gesamtvergütung erfolgen solle. Die vereinbarte Erhöhung von 0,05 % und 0,10 % sei für 2002 und 2003 auch tatsächlich durch die Beklagte gezahlt worden. Die Klägerin selbst sei mit ihrem Antrag beim Landesschiedsamt von einer Vergütung innerhalb der Gesamtvergütung ausgegangen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des Landesschiedsamtes sei die Festsetzung eines Punktwertes innerhalb der Gesamtvergütung nicht zulässig gewesen. Die Festsetzung eines festen Punktwertes habe daher allein für extrabudgetär zu vergütende Leistungen erfolgen können. Da die kurative Koloskopie aber nicht zu den extrabudgetär zu vergütenden Leistungen gehöre, könne der im Beschluss gleichwohl enthaltene Begriff "Höherbewertung von Leistungen" sich nicht auf einen Teil der für die Kurativkoloskopie zu vergütenden Punkte beziehen. Eine Teilung der Finanzierung der Vergütung hinsichtlich des Restes der Punktzahl, nämlich der Höherbewertung nach einem festen Punktwert, als extrabudgetär sei dem Abrechnungssystem fremd.

Mit ihrer am 24. Februar 2012 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Vergütungsvereinbarung in Form des Beschlusses des Landesschiedsamtes sei für die Beklagte verbindlich und entziehe sich einer Überprüfung der Vereinbarkeit mit rechtlichen Vorgaben durch ein sozialgerichtliches Verfahren. Dazu hätte es einer Klage gegen den Beschluss des Landesschiedsamtes bedurft. Da es auch an einer Beanstandung des streitgegenständlichen Sachverhaltes durch eine Aufsichtsbehörde fehle, ist der Rechtszustand eingetreten, der auch vorläge, wenn die Vertragspartner sich in Verhandlungen geeinigt hätten. Das Urteil des Sozialgerichts sei daher rechtsfehlerhaft, wenn aus der Interpretation der Bundesempfehlung und des Fehlens einer gesetzlichen Vorgabe für eine auch nur teilweise extrabudgetäre Vergütung der kurativen Koloskopie entgegen des Wortlauts des Beschlusses des Landesschiedsamtes eine Vergütungspflicht der Berufungsbeklagten verneint werde. Die Höherbewertung der kurativen Koloskopie habe nicht zu Lasten anderer Bereiche finanziert werden sollen. Die Beklagte versuche mit einem Verweis auf die internen KV-Mitteilungen zu Zusatzpunktwerten für die kurative Koloskopie im Februar 2005 zwei unterschiedliche Vergütungsgrundlagen (arzt- und kassenseitig) durch einseitige fehlerhafte Betrachtung für sich positiv darzustellen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Potsdam vom 18. Januar 2012 zu verurteilen, an die Klägerin 16.973,81 EURO nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Auffassung, ein extrabudgetär zu vergütender fester Punktwert lasse sich dem Wortlaut des Schiedsspruches nicht entnehmen. Es lasse sich dem Wortlaut bereits nicht entnehmen, dass die kurative Koloskopie von der Vereinbarung erfasst sein soll. Jedenfalls treffe der Schiedsspruch keinerlei Aussage dahingehend, dass ein solcher Punktwert fest außerhalb der Gesamtvergütung zu vergüten wäre. Das Fehlen einer entsprechenden ausdrücklichen Regelung sei auch folgerichtig. Die Vergütung einzelner Leistungen außerhalb der Gesamtvergütung sei nur unter den Voraussetzungen der besonderen gesetzlichen Vorgaben gemäß § 85 SGB V möglich gewesen. Hier habe beispielsweise § 85 Abs. 2 a SGB V die extrabudgetäre Vergütung der Substitutionsbehandlung der Drogenabhängigkeit vorgesehen. Des Weiteren sei eine extrabudgetäre Vergütung gemäß § 85 Abs. 3 a Satz 4 SGB V für die nichtärztlichen Dialyseleistungen in Betracht gekommen. Die Leistungen der kurativen Koloskopie fielen jedoch nicht unter diese Regelungen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tatsache, dass überhaupt ein bestimmter Punktwert für bestimmte Leistungsgruppen festgelegt wurde. Das Landesschiedsamt habe letztlich die Empfehlungen der Bundesverbände umgesetzt, indem es sowohl im Jahr 2003 als auch im Jahr 2004 die Gesamtvergütung jeweils sockelwirksam um einen festen Euro Betrag angehoben habe. Hätte das Landesschiedsamt einen extrabudgetär zu vergütenden festen Punktwert festsetzen wollen, so hätte es dies ausdrücklich klarstellen müssen. In diesem Fall hätte das Bundesversicherungsamt die extrabudgetäre Leistung jedoch aus den gleichen Gründen wie im Beanstandungsbescheid vom 09. August 2004 beanstandet. Die Beklagte verweist darauf, dass die Klägerin in ihren internen Mitteilungen im Februar 2005 ausgeführt habe, dass sich aus den gemäß Bundesempfehlung von den Krankenkassen zur Verfügung gestellten Mitteln Zusatzpunktwerte für die kurative Koloskopie im RPZV der Fachärzte ergäben.

Der Senat hat den Beteiligten in einem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung den Abschluss eines Vergleichs vorgeschlagen und den Rechtsstreit vertagt. Der Vergleich ist nicht zustandegekommen.

Die Akte des Landesschiedsamtes betreffend die Verfahren der Gesamtvergütung im Ersatzkassenbereich für die Jahre 2003 und 2004 sowie Gerichtsakte, auf die wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das Sozialgericht hat die zulässige allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SG) zu Recht abgewiesen.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die den begehrten Ausgleich des Mehrbedarfs für Leistungen für die kurative Koloskopie im ersten und zweiten Quartal 2004 aufgrund der Höherbewertungen dieser Leistungen ab dem 1. Oktober 2002. Es fehlt insoweit an einer Anspruchsgrundlage.

Wie zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht kommt als Anspruchsgrundlage nur der Gesamtvertrag für das Jahr 2002 in der Fassung des Schiedsspruchs des Landesschiedsamtes Brandenburg von 24. Mai 2004 in Betracht. Da das Landesschiedsamt entgegen § 89 Abs. 1 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nicht den vollständigen Inhalt des Vertragestextes für die Jahr 2003 und 2004 festgesetzt hat, sondern nur einzelne Änderungen beschlossen hat, ist der Vertrag für das Jahr 2002 die Grundlage für die nicht ausdrücklich vom Schiedsamt selbst geregelten Punkte. Hiervon geht auch die Klägerin selbst aus.

Ob sich aus dem Schiedsspruch des Landesschiedsamtes eine Grundlage für den von der Klägerin behaupteten Anspruch ergibt, ist allein durch Auslegung des Schiedsspruchs zu ermitteln.

Die Auslegung des Schiedsspruchs nach § 89 Abs. 1 Satz 1 SGB V hat nach den allgemeinen für Normen geltenden Auslegungsregeln zu erfolgen, da der Schiedsspruch die normsetzenden Gesamtverträge nach § 85 Abs. 1 SGB V (vgl. zum Normsetzungscharakter auch gegenüber den einzelnen Krankenkassen BSG, Urteil vom 15.3.1995 – Az.: 6 RKa 36/93 Rn. 19 bei Juris = BSGE 76, 48) in der hier auf die vertragsärztliche Versorgung noch anzuwendenden Fassung ersetzt. Hierzu kann als ein Auslegungskriterium unter dem Gesichtspunkt der systematischen Auslegung auch die Einpassung in die Rechtsordnung gehören. Vorliegend sprechen jedoch bereits andere Umstände entscheidend gegen die Auslegung des Schiedsspruchs als Schaffung eines Anspruchs auf extrabudgetäre Vergütung der streitigen Mehraufwendungen für die kurative Koloskopie:

Da mit dem Schiedsspruch kein vollständiger Vertragstext festgesetzt worden ist und dieser somit auf dem Gesamtvertrag für das Jahr 2002 aufbaute, hätte es bei der Abweichung hinsichtlich der Art der Vergütung für bestimmte Leistungen von diesem Honorarvertrag einer ausdrücklichen Regelung bedurft. Nicht die Bundesempfehlung zur Berücksichtigung des Mehraufwandes für die kurative Koloksopie durch eine Erhöhung der Gesamtvergütung um 0,05 % zum 1. Oktober 2002 und 0,1 % zum 1. Januar 2003 ist insoweit bedeutsam, sondern dass die Vertragsparteien die Bundesempfehlung im Vertrag für das Jahr 2002 und im Rahmen der Protokollnotizen auch bereits für das Jahr 2003 vereinbart hatten. Die Berücksichtigung der Empfehlung nach § 86 Abs. 2 Satz 1 SGB V war daher bereits erfolgt. Der Vertrag für das Jahr 2002 sah die Ermittlung der Gesamtvergütung nach Kopfpauschalen entsprechend § 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V a.F. vor. Die Erhöhungen der Gesamtvergütung waren vereinbart für den Betrag, der sich bei der Errechnung der Gesamtvergütung nach Kopfpauschalen ergab (Nr. 2.7 des Vertrages für 2002; Absatz 2 der Protokollnotiz zu Nr. 2.7). Ausweislich der entsprechenden Abzugsposition in der Berechnung der eingeklagten Forderung durch die Klägerin hat die Beklagte entsprechend der Protokollnotiz die um 0,1 % erhöhte Gesamtvergütung ab 1. Januar 2003 gezahlt. Dies hat die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung – insoweit außerhalb der Sitzungsniederschrift – auch bestätigt. Entsprach die vertragliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten damit der Bundesempfehlung, hätte es einer ausdrücklichen Regelung im Schiedsspruch bedurft, um die Mehrkosten der kurativen Koloskopie dem System der Gesamtvergütung zu entziehen und der extrabudgetären Vergütung zuzuordnen. Letztlich hat die Klägerin auch noch im Schiedsverfahren die Erhöhung der Gesamtvergütung (um einen höheren Prozentsatz) aufgrund der Mehrkosten für die kurative Koloskopie begehrt.

Eine hiernach erforderliche ausdrückliche Regelung enthält der Schiedsspruch unter Punkt I.3 bzw. II.4 indes nicht. Er legt vielmehr allein einen festen Punktwert fest. Die Zuordnung der von den Beschlusspunkten erfassten Leistungen zur Gesamtvergütung oder zur extrabudgetären Vergütung ist nicht ausdrücklich geregelt. Dem Hinweis im Übersendungsschreiben des Landesschiedsamtes ist zu entnehmen, dass das Schiedsamt sich grundsätzlich auch für befugt hielt, Regelungen zur KV-internen Verteilung der Mittel zu treffen. Der Schiedsamtsspruch ist nach Auffassung des Senats dahingehend auszulegen, dass es für alle von den Beschlusspunkten I.3 und II.4 erfassten Leistungen bei der Zuordnung zu ihrer bisherigen Art der Vergütung (innerhalb oder außerhalb der Gesamtvergütung) verbleibt.

Gegen die Schaffung eines neuen Anspruchs auf extrabudgetäre Vergütung spricht auch deren Ausnahmecharakter. Die Gesamtvergütung auf Grundlage des Gesamtvertrages ist nach § 85 Abs. 1 Satz 1 SGB V a.F. der systematische Normalfall, jede Vergütung außerhalb der Gesamtvergütung bedarf und bedurfte auch 2003 und 2004 bereits einer gesetzlichen Ermächtigung (vgl. Freudenberg in juris/PK, SGB V, Rn. 36 zu § 85 SGB V). Die Regelung einer Ausnahme bedarf im Zweifelsfall der ausdrücklichen Anordnung. In Ermangelung einer solchen verbleibt es bei dem Grundsatz, dass Ausnahmeregelungen eng auszulegen sind (.

Für das Erfordernis einer ausdrücklichen Regelung im Gesamtvertrag bzw. im Schiedsspruch streitet zudem, dass die Klägerin letztlich von der Festsetzung eines gemischten Vergütungssystems ausgeht, das einen noch weitergehenden Ausnahmecharakter hätte: Sie geht selbst nicht von der vollständigen Abrechnung der Kosten der kurativen Koloskopie außerhalb der Gesamtvergütung aus, sondern von einer außerbudgetären Erstattung der Mehrkosten trotz Erhöhung der Gesamtvergütung unter demselben Gesichtspunkt. Eine solche reine Mehrkostenüberwälzung stellt eine Systemvermischung dar, worauf auch das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat.

Auch die Begründung des Beschlusses des Landesschiedsamtes spricht gegen die Annahme eines Anspruchs auf extrabudgetäre Vergütung. Die Begründung nimmt unter Nummer 1 ausdrücklich nur auf § 85 Abs. 3 SGB V Bezug, der allerdings Regelungen zur Anpassung der Gesamtvergütung enthielt und enthält. Eine Zuordnung einer der dort genannten Leistungen zur extrabudgetären Vergütung, soweit diese nicht bereits bestand, ergibt sich auch aus der Begründung nicht.

Es ist nicht Aufgabe des Senats, zu klären, welchen Anwendungsbereich die Beschlusspunkte außerhalb des hier streitigen Anspruchs haben. Den Anforderungen an einen normsetzenden Vertrag zur Begründung der Pflicht zur Vergütung der Mehrkosten für Leistungen der kurativen Koloskopie außerhalb der Gesamtvergütung genügen sie jedenfalls nicht.

Da sich aus dem Schiedsspruch bereits die von der Klägerin geltend gemachte Anspruchsgrundlage nicht ergibt, kann offen bleiben, ob eine ggf. die Beklagte belastende Regelung trotz der Bestandskraft (vgl. zur Einordnung als Verwaltungsakt etwa BSG, Urteil von 29.11.2006 – Az.: B 6 KA 4/06 R) auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht durch das Gericht zu prüfen wäre.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nummer 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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