L 5 R 774/12 RG

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 774/12 RG
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht B., die Richterin am Landessozialgericht Dr. P.-G. und den Richter am Landessozialgericht Dr. D. wird als unzulässig verworfen.

Die Anhörungsrüge des Klägers gegen den Beschluss des Senats vom 18.01.2012 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Der Kläger wendet sich mit der Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Senats vom 18.01.2012. Gleichzeitig lehnt er die Richter ab, die an diesem Beschluss mitgewirkt haben.

Mit Beschluss vom 18.01.2012 hatte der Senat das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht B. und die Richterin am Landessozialgericht Dr. P.-G., die Anhörungsrüge des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 14.07.2010 und die Gegenvorstellung des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 14.07.2010 als unzulässig verworfen. Zur Begründung hatte der Senat im Wesentlichen ausgeführt, ein Ablehnungsgesuch könne in einem Verfahren nicht mehr erfolgreich mit einem Verhalten in mündlichen Verhandlungen in früheren Verfahren begründet werden, wenn es in diesen nicht rechtzeitig gerügt worden und damit der Verlust des Ablehnungsrechts insoweit eingetreten sei. Diese Voraussetzungen lägen vor, da der Kläger weder in der mündlichen Verhandlung am 14.02.2007, im Erörterungstermin vom 31.05.2010 noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 14.07.2010 ein Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht B. und/oder die Richterin am Landessozialgericht Dr. P.-G. gestellt habe. Die Rüge im Sinne von § 178a Abs. 1 SGG sei nicht statthaft, da der Senat zwar die Revision gegen das Urteil nicht zugelassen habe, dem Kläger aber die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160a SGG möglich gewesen sei. Die Gegenvorstellung sei ebenfalls nicht statthaft, schon weil ein Gericht nach dem maßgeblichen Prozessrecht nicht befugt sei, seine Urteile zu ändern (§ 202 SGG i.V.m. § 318 Zivilprozessordnung (ZPO)).

Dieser Beschluss ist dem Kläger am 21.01.2012 zugestellt worden. Am 21.02.2012 hat der Kläger hiergegen Anhörungsrüge erhoben und ein Befangenheitsgesuch gegen die an dieser Entscheidung beteiligten Richter gestellt.

1. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig, soweit es auf Spruchtätigkeit des Senats gestützt ist und im Übrigen, weil es einem nicht begründeten Gesuch gleichsteht bzw. nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können.

Nach § 60 Abs. 1 SGG i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO findet wegen Besorgnis der Befangenheit die Ablehnung statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob der Beteiligte bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfG, NJW 2010, 669 sowie BSG SozR 1500 § 60 Nr. 3 und BSG SozR 4-1500 § 60 Nr. 7). Subjektive, unvernünftige Erwägungen scheiden aus. Vielmehr müssen objektiv hinreichende Gründe vorhanden sein, dass der ablehnende Beteiligte unter Berücksichtigung der Ansicht eines vernünftig denkenden Beteiligten Misstrauen in die Unparteilichkeit des Richters haben darf. Es muss ein unsachliches Verhalten des betreffenden Richters vorliegen.

Die Geltendmachung dieses prozessualen Rechts wird durch einen auf die Spruchtätigkeit des Kollegialorgans gestützten Ablehnungsantrag missbraucht, oder wenn das Gesuch entweder überhaupt nicht oder nur mit solchen Umständen begründet wird, die eine Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen können. Für die Frage, ob ein Ablehnungsgesuch sich gegen einen Spruchkörper richtet, ist maßgebend, ob der Beteiligte Befangenheitsgründe vorträgt und glaubhaft macht, die sich individuell auf den oder die an der zu treffenden Entscheidung beteiligten Richter beziehen. Das ist nicht schon dann der Fall, wenn die betreffenden Richter im Ablehnungsgesuch namentlich aufgeführt werden. Ein Ablehnungsantrag, der zwar – rein formal betrachtet – eine Begründung für die angebliche Befangenheit enthält, der aber – ohne nähere Prüfung und losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls – zur Begründung der Besorgnis einer Befangenheit gänzlich ungeeignet ist, kann rechtlich dem völligen Fehlen einer Begründung gleichgeachtet werden Völlige Ungeeignetheit ist anzunehmen, wenn jedes Eingehen auf den Gegenstand des Verfahrens selbst entbehrlich ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn Handlungen oder Unterlassungen des Richters beanstandet werden, welche nach der Prozessordnung vorgeschrieben sind oder sich ohne Weiteres aus der Stellung des Richters ergeben (BVerfGK 13, 72 (79 f); BVerfG, Beschluss vom 11.03.2013 - 1 BvR 2853/11 -, m.w.N.).

Nach diesem Maßstab ist das vorliegende Gesuch unzulässig. Der Kläger begründet seine Besorgnis der Befangenheit, die er insoweit gegen die an der Entscheidung beteiligten Richter als Spruchkörper richtet, damit, dass er zur mündlichen Verhandlung vom "18.01.2011" nicht beigeladen gewesen sei, aber ein Beigeladener der Bundesagentur für Arbeit. Weiterhin trägt er vor, in jedem Beschluss oder Urteil seien die Namen der "Teilnehmer" zu nennen. Dies hätte die "federführende" Richterin Dr. P.-G. wissen müssen. Ein solcher Fehler hätte ihr nicht unterlaufen dürfen. Dieser lasse Zweifel an der Unabhängigkeit der Gerichte aufkommen.

Der Beschluss im Verfahren L 5 R 5025/11 RG wurde, wie sich diesem eindeutig entnehmen lässt, am 18.01.2012 ohne mündliche Verhandlung gefasst worden. Im Übrigen sind nach der Prozessordnung auch bei Entscheidungen aufgrund einer mündlichen Verhandlung die für die Beteiligten Erschienen lediglich in der Niederschrift nicht aber in der Entscheidung aufzunehmen. Der Vortrag hat damit nicht den Ansatz einer tatsächlichen Grundlage und kann eine Besorgnis der Befangenheit unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen.

2. Die Anhörungsrüge des Klägers ist unzulässig, da sie weder ansatzweise einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör darlegt noch innerhalb der gesetzlichen Frist von zwei Wochen erhoben worden ist.

Nach § 178a Abs. 1 Satz 1 SGG ist das Verfahren auf die Rüge eines durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten Beteiligten fortzuführen, wenn ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist (Nr. 1) und das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat (Nr. 2). Mithin ist es Zulässigkeitsvoraussetzung einer Anhörungsrüge, dass der Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen (auch) des § 178a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG schlüssig darlegt (vgl. BSG, Beschluss vom 07.04.2005 – B 7a AL 38/05 B = SozR 4-1500 § 178a Nr. 2; BSG SozR 4-1500 § 178a Nr. 6; vgl. § 178a Abs. 2 Satz 5 SGG). Gemäß § 178a Abs. 2 SGG ist die Rüge innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben; der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Nach Ablauf eines Jahres seit Bekanntgabe der angegriffenen Entscheidung kann die Rüge nicht mehr erhoben werden.

Der Kläger macht hier zunächst geltend, er sei nicht beigeladen gewesen, demgegenüber sei ein Vertreter der Bundesagentur für Arbeit, dessen Namen nicht genannt werde, zur mündlichen Verhandlung beigeladen gewesen. Die Bundesagentur für Arbeit sei nicht "Adressat des Rechtsstreits" und unzuständig, Seine Anhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. In jedem Beschluss oder Urteil seien die Namen der "Teilnehmer" zu nennen.

Diese Gehörsrüge ist verfristet. Der Kläger hat sie erst am 17.02.2012 als Einschreiben zur Post gegeben. Die Frist für die mit dem Rubrum des Beschlusses begründete Rüge war aber bereits am Montag, den 06.02.2012 abgelaufen. Im Übrigen ist hierzu zu bemerken, dass der Kläger als solcher und als Antragsteller Beteiligter war. Er musste und konnte daher nicht beigeladen werden. Über seine Anträge wurde durch Beschluss des Senats vom 18.01.2012 ohne mündliche Verhandlung entschieden, so dass auch keine Ladungen erfolgt sind, hätten erfolgen müssen oder können. Es gab damit mangels mündlicher Verhandlung auch keine "Teilnehmer". Soweit der Kläger sich sinngemäß gegen die Beiladung der Bundesagentur für Arbeit richtet, ist nicht ersichtlich, dass der verfahrensbeteiligte Kläger und Antragsteller hierdurch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt sein könnte. Im Übrigen war diese Behörde bereits vom Sozialgericht im erstinstanzlichen Verfahren beigeladen worden. Die Aufhebung dieser Beiladung ist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens von keinem der Beteiligten beantragt worden.

Weiterhin richtet sich sein Vortrag gegen das erstinstanzliche Urteil und das Berufungsurteil und setzt sich nicht mit den Gründen des Beschlusses vom 18.01.2012 auseinander. Soweit der Kläger damit geltend machen will, dass er in dem zugrundeliegenden Klage- und Berufungsverfahren nicht ausreichend angehört worden sei, ist bezüglich des Berufungsurteils über seine entsprechende Gehörsrüge bereits mit Beschluss vom 18.01.2012 entschieden worden. Im Übrigen ist insoweit, wie auch hinsichtlich des Urteils des Sozialgerichts, gegen das ein entsprechender Antrag bei diesem innerhalb der genannten Frist hätte gestellt werden können, bereits die Ausschlussfrist von einem Jahr abgelaufen. Hiervon unabhängig zielen die Ausführungen des Klägers letztlich ausschließlich darauf ab, die Richtigkeit der Urteile zu beanstanden. Er wendet sich damit unter Hinweis auf angebliche Gehörsverstöße gegen die Rechtsanwendung durch das Sozialgericht und den Senat. Das Recht auf rechtliches Gehör bietet aber keinen Anspruch darauf, dass Anträgen eines Beteiligten gefolgt wird (vgl. BSG SozR 4-1500 § 178a Nr. 10 Rn. 13).

Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG nicht anfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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