Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 9 SB 194/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 226/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Pots-dam vom 22. Juli 2010 geändert sowie der Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 7. September 2010 verpflichtet, bei dem Kläger ab dem 27. Oktober 2004 einen Grad der Behinderung von 70 festzustellen. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu 3/4 zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).
Auf den Antrag des 1969 geborenen Klägers vom 27. Oktober 2004 stellte der Beklagte nach versorgungsärztlicher Auswertung der eingeholten ärztlichen Befunde mit Bescheid vom 17. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 bei ihm einen GdB von 30 fest. Dem legte er folgende (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
a) Lungenfunktionseinschränkung, chronische Bronchitis, Bronchialasthma (30), b) Ohrgeräusche (Tinnitus) (10), c) Schuppenflechte (10), d) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (10).
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Potsdam hat der Kläger die Feststellung eines GdB von 70 begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten der Arbeitsmedizinerin Dr. Fr vom 9. Juli 2008 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 25. September 2008 und vom 19. Mai 2010 eingeholt, die auf der Grundlage der von ihr festgestellten Behinderungen, nämlich
a) Bronchialasthma und Heuschnupfen (30), b) Wirbelsäulenfunktionsbehinderung, Wirbelsäulenfehlhaltung, Osteoporose (30), c) Schuppenflechte (10), d) Ohrgeräusche (10), e) Knorpelschaden linkes Kniegelenk (10),
einen Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen hat. Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2008 erklärt, bei dem Kläger ab Antragstellung einen GdB dieser Höhe festzustellen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen sein Begehren weiter verfolgt.
Auf den Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht den Internisten Dr. M gehört, der in seinem Gutachten vom 17. November 2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 15. Februar 2010 auf seinem Fachgebiet ein Asthma bronchiale festgestellt und mit einem Einzel-GdB von 50 bewertet hat.
Mit Urteil vom 22. Juli 2010 hat das Sozialgericht den Beklagten verpflichtet, bei dem Kläger ab Antragstellung einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen: Das Asthma bronchiale sei im Hinblick auf die ausgeprägte klinische Symptomatik mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Dem Vorschlag des Gutachters Dr. M, hierfür einen Einzel-GdB von 50 anzusetzen, werde nicht gefolgt, da eine dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion nicht festgestellt worden sei. Der Einzel-GdB für das Lungenleiden sei im Hinblick auf die von der Sachverständigen überzeugend mit einem Einzel-GdB von 30 bewertete Wirbelsäulenerkrankung um einen Zehnergrad auf den Gesamt-GdB von 50 anzuheben. Die übrigen Behinderungen, die jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten seien, wirkten sich nicht erhöhend aus. Mit Ausführungsbescheid vom 7. September 2010 hat der Beklagte bei dem Kläger mit Wirkung ab 27. Oktober 2004 einen Gesamt-GdB von 50 festgestellt.
Mit der Berufung hat der Kläger sein Begehren zunächst weiter verfolgt, mit der er u.a. vorbringt, das Bronchialasthma sei mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten, da er an einer Hyperreagibilität mit Serien schwerer Anfälle und einer dauernden Einschränkung der Lungenfunktion leide. Wegen seiner Osteoporose sei er bereits um 6 cm geschrumpft. Er habe ständig Schmerzen im gesamten Rücken und den Knien.
Neben Befundberichten des Internisten Dr. E vom 12. September 2011 und des Nervenarztes R vom 20. Februar 2012 hat der Senat das Gutachten des Orthopäden Dr. E vom 17. Februar 2012 eingeholt. Nach Untersuchung des Klägers hat der Sachverständige vorgeschlagen, die bei dem Kläger auf seinem Fachgebiet vorliegenden GdB-relevanten Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt zu bewerten:
a) Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule mit geringen funktionellen Auswirkungen, Verschleißerscheinungen der Brustwirbelsäule mit Dorsalgien bei Fehlstatik, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Lumboischialgien, Osteoporose (30), b) schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (ab November 2009: 10), schmerzhafte Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke (ab Februar 2011: 20) c) Psoriasis-Arthraligien der Gelenke der oberen und unteren Extremitäten (10), d) geringer Verschleißzustand der Kniescheibengleitlager (10).
Ferner hat der Senat das Gutachten des Pneumologen Dr. S vom 22. Juni 2012 eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers ein Asthma bronchiale ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion festgestellt und mit einem Einzel-GdB von 40 angesetzt hat.
Der Kläger wendet sich gegen die Ergebnisse der Gutachten: Angesichts der sehr umfangreichen therapeutischen Maßnahmen erschließe es sich ihm nicht, aus welchen Gründen der Gutachter Dr. S eine dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion verneint habe. Auch seien die Ausführungen des Sachverständigen Dr. E bezüglich der Psoriasis-Arthropathie unzutreffend. Insoweit verweist der Kläger auf den Arztbrief des Rheumatologen Dr. V vom 3. August 2012. Ferner hat er den Befund einer am 7. September (o.J.) durchgeführten Bodyplethysmographie und weitere ärztliche Unterlagen eingereicht.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14. März 2013 hat der Kläger erklärt, keinen höheren GdB als 60 mehr geltend zu machen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Juli 2010 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 17. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 7. September 2010 zu verpflichten, bei ihm ab dem 27. Oktober 2004 einen Grad der Behinderung von 60 festzustellen, hilfsweise, die Sachverständigen Dr. M, Dr. E und Dr. S zur Erläuterung ihrer jeweiligen Gutachten mündlich zu hören.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist.
Er hält an seiner Entscheidung fest.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist – soweit der Kläger diese aufrecht erhalten hat – begründet.
In dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Insoweit sind die Bescheide des Beklagten rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch, dass dieser bei ihm ab 27. Oktober 2004 einen GdB von 60 feststellt.
Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind als antizipierte Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend dem streitgegenständlichen Zeitraum in den Fassungen von 2004, 2005 und – zuletzt – 2008. Seit dem 1. Januar 2009 sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP – ohne dass hinsichtlich der medizinischen Bewertung eine grundsätzliche Änderung eingetreten wäre – abgelöst haben.
Das Bronchialasthma des Klägers mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Der Senat folgt hierbei den Feststellungen des Pneumologen Dr. S. Im Gutachten vom 22. Juni 2012 hat der Sachverständige nachvollziehbar darlegt, dass bei dem Kläger eine Hyperreagibilität mit häufigen und/oder schweren Anfällen im Sinne der Nr. 26.8 (Bl. 69) der AHP bzw. Teil B Nr. 8.5 der Anlage zur VersMedV vorliegt. Die Ansicht des in erster Instanz nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. M, dass für das Bronchialasthma ein GdB von 50 anzusetzen sei, überzeugt nicht. Denn seine Einschätzung, dass von einer dauernden Einschränkung der Lungen-funktion auszugehen sei, hat sich durch das Gutachten des Pneumologen Dr. S nicht bestätigen lassen, der darauf hingewiesen hat, dass die Lungenfunktionsprüfungen normale Werte gezeigt haben.
Der Senat hält einen Einzel-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden des Klägers für angemessen. Er folgt hierbei der überzeugenden Bewertung des Orthopäden Dr. E im Gutachten vom 17. Februar 2012. Der Gutachter hat nachvollziehbar dargelegt, dass hierbei neben den reinen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule auch die Osteoporose, die sich bei dem Kläger infolge der wegen seines Asthmas notwendigen Medikamente entwickelt hat, zu berücksichti-gen ist.
Daneben leidet der Kläger nach den Feststellungen des Gutachters Dr. E an Schulterbeschwerden, die der Sachverständige mit einem GdB von 10 ab November 2009 bzw. mit einem GdB von 20 ab Februar 2011 bewertet hat. Die Ohrgeräusche und Kniebeschwerden sind nach den gutachterlichen Feststellungen mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 anzusetzen. Ob die von Dr. E vorgenommene Bewertung der Psoriasis-Arthraligien der Gelenke der oberen und unteren Extremitäten mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind oder – im Hinblick auf die Ausführungen des den Kläger seit Januar 2010 behandelnden Rheumatologen Dr. V im Arztbrief vom 3. August 2012, wonach der Kläger an einer Psoriasis-Arthritis leide, die eine einerseits anhaltende, andererseits wechselnd, zeitweise deutlich ausgeprägte Aktivität aufweise – mit einem Einzel-GdB von 20, kann dahinstehen, da es hierauf hinsichtlich des Gesamt-GdB nicht ankommt.
Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Nr. 19 Abs. 3 der AHP bzw. Teil A Nr. 3c der Anlage zur VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.
Ab Antragstellung ist danach bei dem Kläger der Gesamt-GdB auf 60 festzusetzen. Führende Behinderung ist das Bronchialasthma des Klägers mit einem Einzel-GdB von 40. Das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 30 wirkt sich nach den gutachterlichen Feststellungen verstärkend aus. Nach der Überzeugung des Senats sind die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft dadurch zu berücksichtigen, dass der Einzel-GdB von 40 im Hinblick auf das Wirbelsäulenleiden um einen Grad von 20 auf einen Gesamt-GdB von 60 angehoben wird.
Da der Kläger mit seinem Hauptantrag durchgedrungen ist, bedarf es keiner Entscheidung über den Hilfsantrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Grad des gegenseitigen Unterliegens der Beteiligten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des Grades der Behinderung (GdB).
Auf den Antrag des 1969 geborenen Klägers vom 27. Oktober 2004 stellte der Beklagte nach versorgungsärztlicher Auswertung der eingeholten ärztlichen Befunde mit Bescheid vom 17. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 bei ihm einen GdB von 30 fest. Dem legte er folgende (verwaltungsintern mit den aus den Klammerzusätzen ersichtlichen Einzel-GdB bewertete) Funktionsbeeinträchtigungen zugrunde:
a) Lungenfunktionseinschränkung, chronische Bronchitis, Bronchialasthma (30), b) Ohrgeräusche (Tinnitus) (10), c) Schuppenflechte (10), d) Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (10).
Mit der Klage bei dem Sozialgericht Potsdam hat der Kläger die Feststellung eines GdB von 70 begehrt. Das Sozialgericht hat neben Befundberichten das Gutachten der Arbeitsmedizinerin Dr. Fr vom 9. Juli 2008 mit ergänzenden Stellungnahmen vom 25. September 2008 und vom 19. Mai 2010 eingeholt, die auf der Grundlage der von ihr festgestellten Behinderungen, nämlich
a) Bronchialasthma und Heuschnupfen (30), b) Wirbelsäulenfunktionsbehinderung, Wirbelsäulenfehlhaltung, Osteoporose (30), c) Schuppenflechte (10), d) Ohrgeräusche (10), e) Knorpelschaden linkes Kniegelenk (10),
einen Gesamt-GdB von 40 vorgeschlagen hat. Der Beklagte hat daraufhin mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2008 erklärt, bei dem Kläger ab Antragstellung einen GdB dieser Höhe festzustellen. Der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen und im Übrigen sein Begehren weiter verfolgt.
Auf den Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Sozialgericht den Internisten Dr. M gehört, der in seinem Gutachten vom 17. November 2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 15. Februar 2010 auf seinem Fachgebiet ein Asthma bronchiale festgestellt und mit einem Einzel-GdB von 50 bewertet hat.
Mit Urteil vom 22. Juli 2010 hat das Sozialgericht den Beklagten verpflichtet, bei dem Kläger ab Antragstellung einen Gesamt-GdB von 50 festzustellen, und im Übrigen die Klage abgewiesen: Das Asthma bronchiale sei im Hinblick auf die ausgeprägte klinische Symptomatik mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Dem Vorschlag des Gutachters Dr. M, hierfür einen Einzel-GdB von 50 anzusetzen, werde nicht gefolgt, da eine dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion nicht festgestellt worden sei. Der Einzel-GdB für das Lungenleiden sei im Hinblick auf die von der Sachverständigen überzeugend mit einem Einzel-GdB von 30 bewertete Wirbelsäulenerkrankung um einen Zehnergrad auf den Gesamt-GdB von 50 anzuheben. Die übrigen Behinderungen, die jeweils mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten seien, wirkten sich nicht erhöhend aus. Mit Ausführungsbescheid vom 7. September 2010 hat der Beklagte bei dem Kläger mit Wirkung ab 27. Oktober 2004 einen Gesamt-GdB von 50 festgestellt.
Mit der Berufung hat der Kläger sein Begehren zunächst weiter verfolgt, mit der er u.a. vorbringt, das Bronchialasthma sei mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten, da er an einer Hyperreagibilität mit Serien schwerer Anfälle und einer dauernden Einschränkung der Lungenfunktion leide. Wegen seiner Osteoporose sei er bereits um 6 cm geschrumpft. Er habe ständig Schmerzen im gesamten Rücken und den Knien.
Neben Befundberichten des Internisten Dr. E vom 12. September 2011 und des Nervenarztes R vom 20. Februar 2012 hat der Senat das Gutachten des Orthopäden Dr. E vom 17. Februar 2012 eingeholt. Nach Untersuchung des Klägers hat der Sachverständige vorgeschlagen, die bei dem Kläger auf seinem Fachgebiet vorliegenden GdB-relevanten Funktionsbeeinträchtigungen wie folgt zu bewerten:
a) Verschleißerscheinungen der Halswirbelsäule mit geringen funktionellen Auswirkungen, Verschleißerscheinungen der Brustwirbelsäule mit Dorsalgien bei Fehlstatik, degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit Lumboischialgien, Osteoporose (30), b) schmerzhafte Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (ab November 2009: 10), schmerzhafte Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke (ab Februar 2011: 20) c) Psoriasis-Arthraligien der Gelenke der oberen und unteren Extremitäten (10), d) geringer Verschleißzustand der Kniescheibengleitlager (10).
Ferner hat der Senat das Gutachten des Pneumologen Dr. S vom 22. Juni 2012 eingeholt, der nach Untersuchung des Klägers ein Asthma bronchiale ohne dauernde Einschränkung der Lungenfunktion festgestellt und mit einem Einzel-GdB von 40 angesetzt hat.
Der Kläger wendet sich gegen die Ergebnisse der Gutachten: Angesichts der sehr umfangreichen therapeutischen Maßnahmen erschließe es sich ihm nicht, aus welchen Gründen der Gutachter Dr. S eine dauerhafte Einschränkung der Lungenfunktion verneint habe. Auch seien die Ausführungen des Sachverständigen Dr. E bezüglich der Psoriasis-Arthropathie unzutreffend. Insoweit verweist der Kläger auf den Arztbrief des Rheumatologen Dr. V vom 3. August 2012. Ferner hat er den Befund einer am 7. September (o.J.) durchgeführten Bodyplethysmographie und weitere ärztliche Unterlagen eingereicht.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14. März 2013 hat der Kläger erklärt, keinen höheren GdB als 60 mehr geltend zu machen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 22. Juli 2010 zu ändern sowie den Beklagten unter Änderung des Bescheides vom 17. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 in der Fassung des Ausführungsbescheides vom 7. September 2010 zu verpflichten, bei ihm ab dem 27. Oktober 2004 einen Grad der Behinderung von 60 festzustellen, hilfsweise, die Sachverständigen Dr. M, Dr. E und Dr. S zur Erläuterung ihrer jeweiligen Gutachten mündlich zu hören.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, soweit der Rechtsstreit nicht erledigt ist.
Er hält an seiner Entscheidung fest.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist – soweit der Kläger diese aufrecht erhalten hat – begründet.
In dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang hat das Sozialgericht mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid die Klage zu Unrecht als unbegründet abgewiesen. Insoweit sind die Bescheide des Beklagten rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten.
Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Anspruch, dass dieser bei ihm ab 27. Oktober 2004 einen GdB von 60 feststellt.
Nach den §§ 2 Abs. 1, 69 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX) sind die Auswirkungen der länger als sechs Monate anhaltenden Funktionsstörungen nach Zehnergraden abgestuft entsprechend den Maßstäben des § 30 Bundesversorgungsgesetz zu bewerten. Hierbei sind als antizipierte Sachverständigengutachten die vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit (AHP) heranzuziehen, und zwar entsprechend dem streitgegenständlichen Zeitraum in den Fassungen von 2004, 2005 und – zuletzt – 2008. Seit dem 1. Januar 2009 sind die in der Anlage zur Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412) festgelegten "Versorgungsmedizinischen Grundsätze" in Form einer Rechtsverordnung in Kraft, welche die AHP – ohne dass hinsichtlich der medizinischen Bewertung eine grundsätzliche Änderung eingetreten wäre – abgelöst haben.
Das Bronchialasthma des Klägers mit einem Einzel-GdB von 40 zu bewerten. Der Senat folgt hierbei den Feststellungen des Pneumologen Dr. S. Im Gutachten vom 22. Juni 2012 hat der Sachverständige nachvollziehbar darlegt, dass bei dem Kläger eine Hyperreagibilität mit häufigen und/oder schweren Anfällen im Sinne der Nr. 26.8 (Bl. 69) der AHP bzw. Teil B Nr. 8.5 der Anlage zur VersMedV vorliegt. Die Ansicht des in erster Instanz nach § 109 SGG gehörten Sachverständigen Dr. M, dass für das Bronchialasthma ein GdB von 50 anzusetzen sei, überzeugt nicht. Denn seine Einschätzung, dass von einer dauernden Einschränkung der Lungen-funktion auszugehen sei, hat sich durch das Gutachten des Pneumologen Dr. S nicht bestätigen lassen, der darauf hingewiesen hat, dass die Lungenfunktionsprüfungen normale Werte gezeigt haben.
Der Senat hält einen Einzel-GdB von 30 für das Wirbelsäulenleiden des Klägers für angemessen. Er folgt hierbei der überzeugenden Bewertung des Orthopäden Dr. E im Gutachten vom 17. Februar 2012. Der Gutachter hat nachvollziehbar dargelegt, dass hierbei neben den reinen Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule auch die Osteoporose, die sich bei dem Kläger infolge der wegen seines Asthmas notwendigen Medikamente entwickelt hat, zu berücksichti-gen ist.
Daneben leidet der Kläger nach den Feststellungen des Gutachters Dr. E an Schulterbeschwerden, die der Sachverständige mit einem GdB von 10 ab November 2009 bzw. mit einem GdB von 20 ab Februar 2011 bewertet hat. Die Ohrgeräusche und Kniebeschwerden sind nach den gutachterlichen Feststellungen mit einem Einzel-GdB von jeweils 10 anzusetzen. Ob die von Dr. E vorgenommene Bewertung der Psoriasis-Arthraligien der Gelenke der oberen und unteren Extremitäten mit einem Einzel-GdB von 10 zu bewerten sind oder – im Hinblick auf die Ausführungen des den Kläger seit Januar 2010 behandelnden Rheumatologen Dr. V im Arztbrief vom 3. August 2012, wonach der Kläger an einer Psoriasis-Arthritis leide, die eine einerseits anhaltende, andererseits wechselnd, zeitweise deutlich ausgeprägte Aktivität aufweise – mit einem Einzel-GdB von 20, kann dahinstehen, da es hierauf hinsichtlich des Gesamt-GdB nicht ankommt.
Liegen – wie hier – mehrere Beeinträchtigungen am Leben in der Gesellschaft vor, ist der GdB gemäß § 69 Abs. 3 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Nach Nr. 19 Abs. 3 der AHP bzw. Teil A Nr. 3c der Anlage zur VersMedV ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB von der Funktionsstörung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.
Ab Antragstellung ist danach bei dem Kläger der Gesamt-GdB auf 60 festzusetzen. Führende Behinderung ist das Bronchialasthma des Klägers mit einem Einzel-GdB von 40. Das Wirbelsäulenleiden mit einem Einzel-GdB von 30 wirkt sich nach den gutachterlichen Feststellungen verstärkend aus. Nach der Überzeugung des Senats sind die sich hieraus ergebenden Auswirkungen auf die Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft dadurch zu berücksichtigen, dass der Einzel-GdB von 40 im Hinblick auf das Wirbelsäulenleiden um einen Grad von 20 auf einen Gesamt-GdB von 60 angehoben wird.
Da der Kläger mit seinem Hauptantrag durchgedrungen ist, bedarf es keiner Entscheidung über den Hilfsantrag.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Grad des gegenseitigen Unterliegens der Beteiligten.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
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