Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 178 SB 2621/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 252/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ab dem 23. Oktober 2008 (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. ab dem 1. Januar 2013 Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht).
Die 1942 geborene Klägerin ist verwitwet und Rentenbezieherin.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Juni 2001 stellte der Beklagte zugunsten der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest.
Auf den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 23. Oktober 2008, mit dem sie auch die Zuerkennung der Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung), "T" (Berechtigung der Teilnahme am Telebusfahrdienst) und "RF" geltend machte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 einen GdB von 90 aufgrund folgender Behinderungen fest:
Fußheber- und Fußsenkerschwäche, Steifigkeit und Verschleiß im Bereich des rechten Sprungsgelenkes, Zehenverkrüppelung bei Zustand nach Klumpfußoperation rechts, Zustand nach Außenbandriss im Bereich des linken Sprunggelenkes und schmerzhafte Bewegungseinschränkung (Einzel-GdB 50)
Insulinpflichtiger Diabetes Mellitus, Hypercholesterinämie, Adipositas (Einzel-GdB 40)
Beeinträchtigung der Hirnfunktion, Polyneuropathie, Friedreichsche Ataxie (Einzel-GdB 40)
Herzleistungsminderung bei koronarer Herzerkrankung (Durchblutungsstörungen des Herzens) mit Bypass, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung (Einzel-GdB 30)
Verschleißerscheinungen beider Hüftgelenke bei Fehlanlage mit linksseitigen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen (Einzel-GdB 20)
Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit cervicalen Reizerscheinungen (Einzel-GdB 20)
Karpaltunnelsyndrom beidseits, rechts Zustand nach Operation (Einzel-GdB 10).
Zudem anerkannte der Beklagte neben dem Merkzeichen "G" das Merkzeichen "B"; das Merkzeichen "RF" lehnte er indes ab.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages würden behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leiden an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Gebührenpflicht befreit. In Anwendung der weiterhin maßgeblichen Nr. 33 der Anhaltspunkte für die Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in der Fassung der Ausgabe 2005 sei der Klägerin die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht unmöglich. Denn trotz ihrer erheblichen Gehbehinderung könne die Klägerin auch in Begleitung - das Merkzeichen "B" läge vor - und eventuell unter Zuhilfenahme eines Rollstuhls an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen.
Gegen den ihr am 20. September 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Oktober 2010 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
Der Senat hat die Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. F mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 6. September 2012 gelangt die Sachverständige nach körperlicher Untersuchung der Klägerin vom 4. September 2012 unter Beibehaltung des GdB von 90 zu der Einschätzung, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" nicht gegeben seien. Die Klägerin könne mit einem Rollator und mit Hilfe einer Begleitperson öffentliche Veranstaltungen besuchen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Sachverständigen nicht gefolgt werden könne. Insbesondere verfüge diese über keine hinreichenden Erfahrungen hinsichtlich der bei ihr bestehenden Friedreich-Ataxie.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 zu verpflichten, bei ihr ab dem 23. Oktober 2008 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist zutreffend. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF".
Maßgebliche Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 69 Abs. 4 des IX. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Danach stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auch das Vorliegen gesundheitlicher Merkmale fest, soweit sie Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung gehört zu diesen Merkmalen das Merkzeichen "RF", das im Schwerbehindertenausweis einzutragen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 nunmehr lediglich noch für die Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht erfüllt.
Landesrechtlich maßgeblich sind insoweit für die Zeit bis zum 31. Dezember 2012 die Vorschriften des am 1. April 2005 in Kraft getretenen § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8 sowie Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages in der Fassung des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) i. V. m. § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. Seite 82) - wobei spätere Änderungen, zuletzt im 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag i. V. m. § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 15. Dezember 2010 (GVBl. S. 551) die insoweit maßgeblichen Voraussetzungen unberührt gelassen haben - sowie für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 der zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages i. V. m. dem Berliner Zustimmungsgesetz vom 20. Mai 2011 (GVBl. S. 211).
Nach der vorliegend in Betracht kommenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages in der Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages werden für die Zeit bis zum 31. Dezember 2012 von der Rundfunkgebührenpflicht befreit
behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Unter den identischen Voraussetzungen wird der nunmehr ab dem 1. Januar 2013 durch diesen Personenkreis zu leistende Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 auf ein Drittel ermäßigt (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern, also nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1982, 9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr. 15 = BSGE 53, 175). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen kann nur dann bejaht werden, wenn der Schwerbehinderte in einem derartigen Maße eingeschränkt ist, dass er praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden ist. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der auch aus anderen Gründen problematische Nachteilsausgleich "RF" (vgl. insbesondere BSG, Urteile vom 10. August 1993, 9/9a RVs 7/91, in: Breith 1994, S. 230, und vom 16. März 1994, 9 RVs 3/93, bei Juris, das die Auffassung vertritt, es erscheine wegen der nahezu vollständigen Ausstattung aller Haushalte in Deutschland mit Rundfunk- und Fernsehgeräten zunehmend zweifelhaft, dass durch den Nachteilsausgleich "RF" tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen werde) nur Personengruppen zugute kommt, die den ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
Der Senat vermag den vorliegenden ärztlichen Feststellungen nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die geschilderten Voraussetzungen erfüllt. Zwar wurde ihr ein GdB von 90 zuerkannt. Bei ihr bestehen jedoch keine Leiden im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages bzw. des § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Rundfunkbeitragstaatsvertrages, die sie ständig daran hinderten, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Die Klägerin leidet unstreitig unter schweren körperlichen Einschränkungen, die sich insbesondere auf deren Fortbewegungsfähigkeiten auswirken, und deretwegen das Versorgungsamt die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt hat. Allerdings ist es ihr zuzumuten, öffentliche Veranstaltungen unter Verwendung eines Rollators bzw. Rollstuhls und mit Hilfe einer Begleitperson zu besuchen. Durch die Notwendigkeit entsprechender Hilfsmittel und einer Begleitperson ist ein Schwerbehinderter nicht von öffentlichen Veranstaltungen ständig ausgeschlossen (so BSG, Urteil vom 3. Juni 1987, 9a RVs 27/85, SozR 3870 § 3 Nr. 25). Dass die Klägerin in der zuvor skizzierten Weise in die Lage versetzt wird, an öffentlichen Veranstaltungen der beschriebenen Art teilzunehmen, ist durch das nachvollziehbare und überzeugende Gutachten der Sachverständigen Dr. F bestätigt worden. Anlass, die Feststellungen und Bewertungen der Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, ergeben sich zur Überzeugung des Senats nicht.
Aufgrund der Feststellungen der Sachverständigen werden auch keine Umstände aufgezeigt, dass im Fall der Klägerin derart außergewöhnliche Besonderheiten gegeben sind, die es rechtfertigen, den gesetzlichen Regelfällen vergleichbar, die Voraussetzungen von der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. sogar von der Rundfunkbeitragspflicht aufgrund einer besonderen Härte als gegeben anzusehen (§ 6 Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages bzw. § 4 Abs. 6 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages). Anlass zur Einholung eines weiteren Gutachtens besteht nicht. Der Sachverhalt ist ausermittelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" ab dem 23. Oktober 2008 (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. ab dem 1. Januar 2013 Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht).
Die 1942 geborene Klägerin ist verwitwet und Rentenbezieherin.
Mit bestandskräftigem Bescheid vom 12. Juni 2001 stellte der Beklagte zugunsten der Klägerin einen Grad der Behinderung (GdB) von 80 sowie das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) fest.
Auf den Neufeststellungsantrag der Klägerin vom 23. Oktober 2008, mit dem sie auch die Zuerkennung der Merkzeichen "B" (Notwendigkeit ständiger Begleitung), "T" (Berechtigung der Teilnahme am Telebusfahrdienst) und "RF" geltend machte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 30. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 einen GdB von 90 aufgrund folgender Behinderungen fest:
Fußheber- und Fußsenkerschwäche, Steifigkeit und Verschleiß im Bereich des rechten Sprungsgelenkes, Zehenverkrüppelung bei Zustand nach Klumpfußoperation rechts, Zustand nach Außenbandriss im Bereich des linken Sprunggelenkes und schmerzhafte Bewegungseinschränkung (Einzel-GdB 50)
Insulinpflichtiger Diabetes Mellitus, Hypercholesterinämie, Adipositas (Einzel-GdB 40)
Beeinträchtigung der Hirnfunktion, Polyneuropathie, Friedreichsche Ataxie (Einzel-GdB 40)
Herzleistungsminderung bei koronarer Herzerkrankung (Durchblutungsstörungen des Herzens) mit Bypass, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung (Einzel-GdB 30)
Verschleißerscheinungen beider Hüftgelenke bei Fehlanlage mit linksseitigen schmerzhaften Bewegungseinschränkungen (Einzel-GdB 20)
Degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule mit cervicalen Reizerscheinungen (Einzel-GdB 20)
Karpaltunnelsyndrom beidseits, rechts Zustand nach Operation (Einzel-GdB 10).
Zudem anerkannte der Beklagte neben dem Merkzeichen "G" das Merkzeichen "B"; das Merkzeichen "RF" lehnte er indes ab.
Die daraufhin erhobene Klage hat das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 13. September 2010 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Nach der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages würden behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leiden an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Gebührenpflicht befreit. In Anwendung der weiterhin maßgeblichen Nr. 33 der Anhaltspunkte für die Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (AHP) in der Fassung der Ausgabe 2005 sei der Klägerin die Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen nicht unmöglich. Denn trotz ihrer erheblichen Gehbehinderung könne die Klägerin auch in Begleitung - das Merkzeichen "B" läge vor - und eventuell unter Zuhilfenahme eines Rollstuhls an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen.
Gegen den ihr am 20. September 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 11. Oktober 2010 Berufung eingelegt, mit der sie ihr Begehren weiterverfolgt.
Der Senat hat die Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. F mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 6. September 2012 gelangt die Sachverständige nach körperlicher Untersuchung der Klägerin vom 4. September 2012 unter Beibehaltung des GdB von 90 zu der Einschätzung, dass die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" nicht gegeben seien. Die Klägerin könne mit einem Rollator und mit Hilfe einer Begleitperson öffentliche Veranstaltungen besuchen.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Sachverständigen nicht gefolgt werden könne. Insbesondere verfüge diese über keine hinreichenden Erfahrungen hinsichtlich der bei ihr bestehenden Friedreich-Ataxie.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 13. September 2010 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 30. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 zu verpflichten, bei ihr ab dem 23. Oktober 2008 das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für zutreffend.
Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist zutreffend. Der Bescheid des Beklagten vom 30. Januar 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF".
Maßgebliche Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 69 Abs. 4 des IX. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IX). Danach stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden auch das Vorliegen gesundheitlicher Merkmale fest, soweit sie Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 der Schwerbehindertenausweisverordnung gehört zu diesen Merkmalen das Merkzeichen "RF", das im Schwerbehindertenausweis einzutragen ist, wenn der schwerbehinderte Mensch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 nunmehr lediglich noch für die Ermäßigung von der Rundfunkbeitragspflicht erfüllt.
Landesrechtlich maßgeblich sind insoweit für die Zeit bis zum 31. Dezember 2012 die Vorschriften des am 1. April 2005 in Kraft getretenen § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 und 8 sowie Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages in der Fassung des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) i. V. m. § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. Seite 82) - wobei spätere Änderungen, zuletzt im 14. Rundfunkänderungsstaatsvertrag i. V. m. § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 15. Dezember 2010 (GVBl. S. 551) die insoweit maßgeblichen Voraussetzungen unberührt gelassen haben - sowie für die Zeit ab dem 1. Januar 2013 der zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretene § 4 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages i. V. m. dem Berliner Zustimmungsgesetz vom 20. Mai 2011 (GVBl. S. 211).
Nach der vorliegend in Betracht kommenden Vorschrift des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages in der Fassung des Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrages werden für die Zeit bis zum 31. Dezember 2012 von der Rundfunkgebührenpflicht befreit
behinderte Menschen, deren Grad der Behinderung nicht nur vorübergehend wenigstens 80 vom Hundert beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Unter den identischen Voraussetzungen wird der nunmehr ab dem 1. Januar 2013 durch diesen Personenkreis zu leistende Rundfunkbeitrag nach § 2 Abs. 1 auf ein Drittel ermäßigt (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages in der Fassung des 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrages).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher, unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern, also nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1982, 9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr. 15 = BSGE 53, 175). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen kann nur dann bejaht werden, wenn der Schwerbehinderte in einem derartigen Maße eingeschränkt ist, dass er praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden ist. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der auch aus anderen Gründen problematische Nachteilsausgleich "RF" (vgl. insbesondere BSG, Urteile vom 10. August 1993, 9/9a RVs 7/91, in: Breith 1994, S. 230, und vom 16. März 1994, 9 RVs 3/93, bei Juris, das die Auffassung vertritt, es erscheine wegen der nahezu vollständigen Ausstattung aller Haushalte in Deutschland mit Rundfunk- und Fernsehgeräten zunehmend zweifelhaft, dass durch den Nachteilsausgleich "RF" tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen werde) nur Personengruppen zugute kommt, die den ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
Der Senat vermag den vorliegenden ärztlichen Feststellungen nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die geschilderten Voraussetzungen erfüllt. Zwar wurde ihr ein GdB von 90 zuerkannt. Bei ihr bestehen jedoch keine Leiden im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages bzw. des § 4 Abs. 2 Nr. 3 des Rundfunkbeitragstaatsvertrages, die sie ständig daran hinderten, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Die Klägerin leidet unstreitig unter schweren körperlichen Einschränkungen, die sich insbesondere auf deren Fortbewegungsfähigkeiten auswirken, und deretwegen das Versorgungsamt die Merkzeichen "G" und "B" zuerkannt hat. Allerdings ist es ihr zuzumuten, öffentliche Veranstaltungen unter Verwendung eines Rollators bzw. Rollstuhls und mit Hilfe einer Begleitperson zu besuchen. Durch die Notwendigkeit entsprechender Hilfsmittel und einer Begleitperson ist ein Schwerbehinderter nicht von öffentlichen Veranstaltungen ständig ausgeschlossen (so BSG, Urteil vom 3. Juni 1987, 9a RVs 27/85, SozR 3870 § 3 Nr. 25). Dass die Klägerin in der zuvor skizzierten Weise in die Lage versetzt wird, an öffentlichen Veranstaltungen der beschriebenen Art teilzunehmen, ist durch das nachvollziehbare und überzeugende Gutachten der Sachverständigen Dr. F bestätigt worden. Anlass, die Feststellungen und Bewertungen der Sachverständigen in Zweifel zu ziehen, ergeben sich zur Überzeugung des Senats nicht.
Aufgrund der Feststellungen der Sachverständigen werden auch keine Umstände aufgezeigt, dass im Fall der Klägerin derart außergewöhnliche Besonderheiten gegeben sind, die es rechtfertigen, den gesetzlichen Regelfällen vergleichbar, die Voraussetzungen von der Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht bzw. sogar von der Rundfunkbeitragspflicht aufgrund einer besonderen Härte als gegeben anzusehen (§ 6 Abs. 3 des Rundfunkgebührenstaatsvertrages bzw. § 4 Abs. 6 des Rundfunkbeitragsstaatsvertrages). Anlass zur Einholung eines weiteren Gutachtens besteht nicht. Der Sachverhalt ist ausermittelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
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