L 27 P 9/11

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 86 P 180/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 27 P 9/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2011 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger erstrebt die Gewährung von Leistungen der Pflegeversicherung nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) in Form eines Pflegegeldes der Pflegestufe I von der Beklagten.

Der am 1973 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich pflegepflichtversichert und bezieht eine zunächst wiederholt befristet und seit Juli 2009 unbefristet bewilligte Erwerbsunfähigkeitsrente von seinem Rentenversicherungsträger. Er lebt in einem Haushalt zusammen mit seiner Lebensgefährtin, die zugleich seine Pflegeperson ist, und den gemeinsamen fünf minderjährigen Kindern.

Der Kläger beantragte unter Bezugnahme auf eine psychische Erkrankung am 24. Oktober 2007 bei der Beklagten die Gewährung eines Pflegegeldes. Die Beklagte ließ den Umfang der Pflegebedürftigkeit des Klägers daraufhin durch den M begutachten. Die Ärztin H stellte in ihrem Gutachten vom 13. März 2008 nach einem Hausbesuch bei dem Kläger am 4. März 2008 aufgrund eines bei diesem bestehenden Verdachtes auf eine Angststörung, Depression sowie Panikstörung einen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege im Umfang von 18 Minuten am Tag (14 Minuten Körperpflege für Teilübernahmen und Anleitung beim Waschen, Duschen und Baden sowie für Anleitung bei der Zahnpflege, beim Kämmen und Rasieren; 4 Minuten Mobilität für Anleitung beim Ankleiden und Entkleiden) und im Bereich der Hauswirtschaft im Wochendurchschnitt im Umfang von 60 Minuten am Tag fest. Unter Bezugnahme auf diese Feststellungen lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 14. März 2008 mit der Begründung ab, der Kläger erfülle die gesetzlichen Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht, da bei ihm kein Grundpflegebedarf von mehr als 45 Minuten täglich bestehe. Den dagegen am 18. März 2008 einlegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2008 zurück.

Der Kläger hat am 2. Mai 2008 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben, mit der er sein Begehren mit der Begründung weiter verfolgt, seine Lebensgefährtin und Pflegeperson versorge ihn rund um die Uhr. Das Sozialgericht hat zunächst Befundberichte des den Kläger behandelnden Neurologen und Psychiaters K vom 8. September 2008 sowie des Arztes H vom 1. Januar 2009 eingeholt. Im Anschluss daran hat das Sozialgericht Beweis erhoben über den Umfang der Pflegebedürftigkeit des Klägers durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Psychiater Prof. Dr. Z. Der Sachverständige diagnostizierte in seinem Gutachten vom 6. Juni 2009 nach einem Hausbesuch am Vortag und unter Berücksichtigung von ihm dabei übergebenen Krankenhausentlassungsberichten der Cvom 28. Mai 2009 und des S vom 4. Juni 2009 bei dem Kläger eine generalisierte Angststörung sowie eine Somatisierungsstörung und beschrieb einen daraus resultierenden Grundpflegebedarf im Umfang von 15,14 Minuten am Tag (im Bereich der Körperpflege in Form von Anleitung und Impulsgaben beim Waschen sowie Baden und Duschen, in Form von Impulsgaben bei der Zahnpflege sowie in Form von Impulsgabe und teilweiser Übernahme beim Rasieren: 11,14 Minuten; im Bereich der Ernährung: 0 Minuten; im Bereich der Mobilität in Form von Impulsgaben beim Aufstehen/Zubettgehen sowie An- und Auskleiden: vier Minuten) und einen Bedarf an hauswirtschaftlicher Hilfe im Umfang von 45 Minuten am Tag im Wochendurchschnitt. Dazu führte der Sachverständige aus, dass der gesamte Pflegebedarf des Klägers durch die Folgen der chronischen psychischen Erkrankung bedingt sei und dem Grunde nach im Wesentlichen unverändert seit Jahren bestehe. Der Kläger sei dringend intensiv psychiatrisch, psychotherapeutisch und sozialtherapeutisch behandlungsbedürftig, um sich aus seiner neurotischen Regression zu lösen, auf die die derzeitige Versorgungs- und Pflegesituation einen stabilisierenden Effekt habe.

Das Sozialgericht hat nach Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25. Januar 2011 abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass der Kläger nach der durchgeführten medizinischen Sachaufklärung die Voraussetzungen für die Bewilligung eines Pflegegeldes der Pflegestufe I nicht erfülle. Entscheidend sei dabei nicht der tatsächliche Pflegeaufwand der Pflegeperson des Klägers, sondern der objektive Zeitbedarf einer nicht gelernten Pflegekraft, den der Sachverständige Dr. Z nachvollziehbar begründet habe. Rein passive Anwesenheitszeiten zählten nicht zu den pflegerelevanten Verrichtungen.

Der Kläger hat gegen den ihm am 4. Februar 2011 zugestellten Gerichtsbescheid am 24. Februar 2011 Berufung zum Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt, mit der er sein Begehren unter Vorlage des Entlassungsberichtes der C vom 28. Mai 2009 und des S vom 4. Juni 2009 sowie eines weiteren Entlassungsberichtes des S vom 20. Oktober 2009 weiter verfolgt. In letzterem wird berichtet, dass die Stimmung des Klägers nach wenigen Tagen der Behandlung deutlich aufgehellt gewesen und er daher in teilremittierten Zustand in die ambulante Weiterbehandlung entlassen worden sei. Dazu hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat angegeben, dass er in psychiatrischer Behandlung sei und Tabletten nehme. Seine Angstzustände und sein Pflegezustand seien weiterhin unverändert.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 25. Januar 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2008 zu verurteilen, ihm ab dem 1. Oktober 2007 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Diese waren Gegen-stand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Absatz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung in Form eines Pflegegeldes der Pflegestufe I gegen die Beklagte. Der Bescheid der Beklagten vom 14. März 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Senat nimmt insoweit auf die auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens weiterhin zutreffenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides Bezug, denen er folgt, und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Absatz 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Absatz 2 SGG nicht gegeben sind.

Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe

I. Rechtsmittelbelehrung

Dieses Urteil kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde angefochten werden.

Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozessbevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form beim

Bundessozialgericht Postfach 41 02 20 34114 Kassel

Graf-Bernadotte-Platz 5 34119 Kassel,

einzulegen. Die Beschwerdeschrift muss bis zum Ablauf der Monatsfrist bei dem Bundessozialgericht eingegangen sein.

Die elektronische Form wird durch eine qualifizierte signierte Datei gewahrt, die nach den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht (ERVVOBSG) vom 18. Dezember 2006 (BGBl I 3219) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist. Die hierfür erforderliche Software kann über das Internetportal des Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfachs (www.egvp.de/) unter "Downloads" lizenzfrei heruntergeladen werden.

Als Prozessbevollmächtigte sind zugelassen: 1. Rechtsanwälte, 2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, 3. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung für ihre Mitglieder, 4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, 5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, 6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder, 7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.

Die Organisationen zu Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.

Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.

In der Begründung muss • die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder • die Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts von der das Urteil abweicht, oder • ein Verfahrensmangel, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann, bezeichnet werden. Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 I Satz 1 Sozialgerichtsgesetz nicht und eine Verletzung des § 103 Sozialgerichtsgesetz nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

II. E r l ä u t e r u n g e n z u r P r o z e s s k o s t e n h i l f e

Für die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Beteiligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen.

Der Beteiligte kann die Prozesskostenhilfe selbst beantragen. Der Antrag ist beim Bundessozialgericht entweder schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.

Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck kann von allen Gerichten oder durch den Schreibwarenhandel bezogen werden. Er kann auch über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) unter "Das Gericht" - "Zugang zur Revisionsinstanz" - "Prozesskostenhilfe" heruntergeladen und ausgedruckt werden.

Wird Prozesskostenhilfe bereits für die Einlegung der Beschwerde begehrt, so müssen der Antrag und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse - gegebenenfalls nebst entsprechenden Belegen - bis zum Ablauf der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht eingegangen sein. Soll der Vordruck beim Bundessozialgericht in elektronischer Form eingereicht werden, ist ein Vordruck in Papierform auszufüllen, zu unterzeichnen und mittels Einscannen in eine Datei umzuwandeln, die qualifiziert signiert ist und nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundessozialgericht (s.o.) in den elektronischen Gerichtsbriefkasten zu übermitteln ist.

Mit dem Antrag auf Prozesskostenhilfe kann ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt benannt werden.

Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Anwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.

Dr. Kärcher Dr. Lemke Dr. Naumann
Rechtskraft
Aus
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