L 3 VE 1/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 29 VU 2/08
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 VE 1/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme des durch Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2000 (S 29 VU 1/98) abgeschlossenen Verfahrens.

Nach erlittener politischer Haft in der DDR wurde der Kläger 1993 rehabilitiert und erhielt eine entsprechende Bescheinigung, in der als Verfolgungszeit eine Haftzeit vom 27. Juli 1973 bis zum 24. Oktober 1973 sowie eine sich daran anschließende weitere Verfolgungszeit bis zum 11. Dezember 1985 festgesetzt wurde. Auf den Antrag des Klägers auf Leistungen nach dem Gesetz über die Rehabilitierung und Entschädigung von Opfern rechtsstaatswidriger Strafverfolgungsmaßnahmen im Beitrittsgebiet (Strafrechtliches Rehabilitierungsgesetz – StrRehaG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 22. Juli 1997 einen "chronischen psychophysischen Erschöpfungszustand" als Schädigungsfolge der Inhaftierung an und lehnte gleichzeitig die Anerkennung weiterer Schädigungsfolgen, insbesondere von Rücken- und Gelenkschmerzen, sowie die Gewährung einer Rente ab, da die Erwerbsfähigkeit weniger als 25 vom Hundert gemindert sei. Die hiergegen erhobene Klage, mit welcher der Kläger die Anerkennung eines Tinnitusleidens sowie von Rücken- und Gelenkbeschwerden als weitere Schädigungsfolgen, die Berücksichtigung seiner Albträume und seiner Schweißausbrüche bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sowie weiterhin die Gewährung einer Beschädigtenrente forderte, wies das Sozialgericht nach Einholung eines nervenärztlichen Gutachtens durch Urteil vom 14. Dezember 2000 (S 29 VU 1/98) ab. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus, die geltend gemachten Störungen seien nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die politische Haft zurückzuführen. Vielmehr nehme die Beeindruckung durch die Stasihaft im Zusammenhang mit den diversen Lebensbelastungen durch schwierige äußerliche Umstände einen nachgeordneten Rang ein, so dass eine MdE aufgrund von Schädigungsfolgen nicht anzuerkennen sei. Im Verfahren der Berufung gegen dieses Urteil (L 4 VU 1/01) holte das Landessozialgericht ein Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. ein, der befand, dass der von den behandelnden Ärzten des Klägers erhobene psychopathologische Befund, welcher übereinstimme mit dem von ihm während der Untersuchung des Klägers erhobenen Befund, dem im Bescheid vom 22. Juli 1997 anerkannten Leiden entspreche. Daraufhin nahm der seinerzeit anwaltlich vertretene Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. Januar 2004 seine Berufung zurück. Mit Schreiben vom 14. Januar 2008 beantragte der Kläger die vorliegend streitige Überprüfung des Urteils vom 14. Dezember 2000 wegen Rechtsverletzung. Zur Begründung führte er aus, das Gericht habe sich in seiner Entscheidung maßgeblich von dem nervenärztlichen Gutachten des Dr. F. leiten lassen. Dieses sei aber im Wesentlichen falsch, ja verleumderisch und somit auch das Urteil.

Durch Gerichtsbescheid vom 16. Februar 2011 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Überprüfung bzw. Aufhebung des Urteils vom 14. Dezember 2000. Die Voraussetzungen, unter denen nach § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein rechtskräftig beendetes Verfahren wieder aufgenommen werden könne, lägen allesamt nicht vor. Zwar behaupte der Kläger, der medizinische Sachverständige Dr. F. habe verleumderisch behauptet, er – der Kläger – sei für das Ministerium der Staatssicherheit der DDR tätig geworden. Insoweit komme grundsätzlich der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 3 Zivilprozessordnung (ZPO) in Betracht. Jedoch sei insoweit unabhängig davon, ob tatsächlich eine strafbare Verletzung der Wahrheitspflicht vorliege, eine Restitutionsklage ausgeschlossen. Denn diese finde nach § 581 Abs. 1 ZPO im Falle des § 580 Nr. 3 ZPO nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen sei oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen könne, was jedoch vorliegend nicht der Fall sei. Der Restitutionsgrund des §§ 580 Nr. 7 b ZPO, das Auffinden oder die Möglichkeit der Benutzung einer Urkunde, die eine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeigeführt haben könnte, komme ebenfalls nicht in Betracht. Denn insoweit setze die Zulässigkeit einer Restitutionsklage nach § 582 ZPO voraus, dass die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, den Restitutionsgrund in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Einspruch oder Berufung, geltend zu machen. Dies sei jedoch hinsichtlich aller vor dem 27. Januar 2004 erstellten gutachterlichen Bewertungen und Bescheinigungen, welche der Kläger bereits im Berufungsverfahren hätte vorlegen können bzw. vorgelegt hat, nicht der Fall. Soweit der Kläger sich auf nach dem genannten Zeitpunkt erstellte Urkunden beziehe, werde zwar vertreten, dass im Wege der analogen Anwendung von § 580 Nr. 7 b ZPO auch später erstellte Urkunden berücksichtigt werden könnten, wenn sie Tatsachen bewiesen, die einer zurückliegenden Zeit angehören. Gleichwohl sei bereits nach § 586 Abs. 1, 2 ZPO die Erhebung der Restitutionsklage auch insoweit nicht zulässig, da in Gestalt sämtlicher vorgelegter ärztlicher Bescheinigungen die Klagefrist von einem Monat ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes nicht eingehalten sei. Alle bezögen sich auf Behandlungen, welche vor Abschluss des Berufungsverfahrens stattgefunden hätten, so dass der Kläger sich die entsprechenden Bescheinigungen bereits während des Berufungsverfahrens hätte erteilen lassen und dem Gericht hätte vorlegen können. Auf die dem Kläger am 19. Februar 2011 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

Der Kläger hat am 15. März 2011 Berufung eingelegt und sich zu deren Begründung auf die nach seiner Auffassung inhaltliche Unrichtigkeit der Entscheidung bezogen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 16. Februar 2011 aufzuheben, das sozialgerichtliche Verfahren S 29 VU 1/98 unter Aufhebung des Urteils vom 14. Dezember 2000 wieder aufzunehmen, den Bescheid des Versorgungsamtes Hamburg vom 22. Juli 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. November 1997 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm unter zusätzlicher Anerkennung eines Tinnitus, von Rücken- und Gelenkbeschwerden, Albträumen sowie Schweißausbrüchen als Folge der politischen Haft in der DDR eine Beschädigtenrente zu gewähren.

Der Beklagte tritt der Berufung entgegen und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich der Sitzungsniederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 105 SGG i.V.m. § 151 SGG statthafte Berufung ist zulässig, namentlich fristgerecht (§ 105 Abs. 2 Satz 1 SGG) eingelegt worden. Sie bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg. Vielmehr hat das Sozialgericht der Klage zu Recht keinen Erfolg beigemessen. Der Wiederaufnahmeklage fehlt vorliegend allerdings nicht bereits die Statthaftigkeit gemäß § 586 Abs. 2 SGG i.V.m. § 179 Abs. 2 SGG. Denn die Rechtskraft des Urteils vom 14. Dezember 2000 ist erst mit Rücknahme der dagegen eingelegten Berufung am 27. Januar 2004 eingetreten, so dass der am 15. Januar 2008 eingegangene Wiederaufnahmeantrag noch die maßgebliche Fünf-Jahres-Frist wahrte. Jedoch war die Wiederaufnahmeklage bereits im Übrigen unzulässig. Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Endurteil abgeschlossenen Verfahrens kann durch Nichtigkeitsklage und durch Restitutionsklage erfolgen (§ 578 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 179 Abs. 1 SGG). Das Gericht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Klage an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist erhoben ist (§ 589 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Klage als unzulässig zu verwerfen (§ 589 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Voraussetzung ihrer Zulässigkeit ist, dass der Antragsteller einen im Gesetz vorgesehenen Wiederaufnahmegrund schlüssig behauptet (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29. Januar 1992 – VIII K 4/91 = NJW 1992, 1062, 1063; Bundessozialgericht, Beschluss vom 2. Juli 2003 – B 10 LW 8/03 B = juris Rn. 6). Soweit das Sozialgericht für seine Entscheidung davon ausgegangen ist, dass der Restitutionsgrund des § 580 Nr. 3 ZPO grundsätzlich in Betracht komme, weil geltend gemacht werde, der Sachverständige Dr. F. habe sich einer strafbaren Verletzung der Wahrheitspflicht schuldig gemacht, wird ein Restitutionsgrund schon nicht schlüssig behauptet und ist eine hierauf gegründete Restitutionsklage bereits unzulässig. Denn wie das Sozialgericht in seiner Entscheidung weiter richtig ausführt, findet nach § 581 Abs. 1 ZPO im Falle des § 580 Nr. 3 ZPO eine Restitutionsklage nur statt, wenn wegen der Straftat eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist oder die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen nicht erfolgen kann. An diesen Voraussetzungen fehlt es vorliegend jedoch.

Soweit das Sozialgericht für seine Entscheidung unter Hinweis auf § 580 Nr. 7 b ZPO die Vorlage unterschiedlicher Urkunden im Wiederaufnahmeverfahren problematisiert, fehlt es aus den von dem Sozialgericht in seiner Entscheidung dargelegten Gründen ebenfalls nicht erst an der Begründetheit der Klage. Vielmehr fehlt es auch insoweit schon an einer schlüssigen Behauptung eines Restitutionsgrundes und ist die Restitutionsklage mit Blick auf den Umstand, dass der Kläger die Urkunden bereits in dem früheren Verfahren hätte vorlegen können oder jedenfalls binnen eines Monats nach Kenntniserlangung von dem Anfechtungsgrund die Klage hätte erheben müssen, bereits unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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