Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 6 KN 248/11 U
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 15 U 205/13
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge sowie höhere Verletztenrente.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger war auf der Zeche Sophia Jacoba unter Tage als Hauer beschäftigt, als sich am 18.11.1994 ein badewannengroßer Gesteinsbro-cken aus der Deckenschicht löste und auf ihn stürzte. Der Durchgangsarztbericht des Arztes für Chirurgie Dr. U. vom 21.11.1994 spricht von einer oberflächlichen Prellmarke im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule mit Klopfschmerzhaftigkeit der unteren Lendenwirbelsäule ohne Hinweis auf eine intra-abdominelle Organverletzung und ohne Hinweis auf eine frische Knochen-verletzung. Die Beklagte holte ein Gutachten des Chirurgen Dr. C. vom 30.08.1996 ein, der die aus den Folgen resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 10 vom Hundert (vH) einschätzte. Daraufhin erkannte die Beklagte das Ereignis mit Bescheid vom 06.12.1996 als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung von Verletztenrente ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 06.08.1997) erhob der Kläger unter dem Aktenzeichen S 5 BU 67/97 Klage, die er am 15.01.1998 zurücknahm. Auf einen am 02.02.1999 gestellten Verschlimmerungsantrag hin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Chirurgen Prof. Dr. I., der die MdE auf 10 vH einschätzte. Mit Bescheid vom 24.08.1999 gewährte die Beklagte dem Kläger vom 01.01. bis 12.06.1995 Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH und lehnte eine Rentengewährung über den 12.06.1995 hinaus ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger unter dem Az. S 5 KN 45/00 U Klage. Im gerichtlichen Verfahren wurde ein Gutachten des Orthopäden Dr. S. vom 18.09.2000 sowie ein Gutachten des Chirurgen Dr. I. vom 18.01.2001 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 01.08.2001 eingeholt. Während Dr. S. zu dem Ergebnis gelangte, aus den Unfallfolgen resultiere keine MdE mehr, schätzten Dres. I. und P. die MdE jeweils auf 10 vH ein. Daraufhin nahm der Kläger am 13.12.2001 die Klage zurück. Auf einen vom Kläger am 31.08.2005 gestellten Verschlimmerungsantrag hin holte die Beklagte unter dem 19.04.2006 ein Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. L. ein, welcher die verbleibende MdE auf unter 10 vH einschätzte. Daraufhin lehnte die Beklagte mit mittlerweile bestandskräftigem Bescheid vom 12.05.2006 eine Rentengewährung erneut ab. Einen vom Kläger am 22.01.2007 gestellten Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 12.05.2006 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.03.2007 ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 19.04.2007) erhob der Kläger unter dem Az. S 1 KN 48/07 U erneut Klage. Im Klageverfahren wurde ein Gutachten des Chirurgen Dr. S. vom 12.02.2008 eingeholt, der die aus den Unfallfolgen verbleibende MdE auf unter 10 vH einschätzte. Der auf Antrag des Klägers gehörte Orthopäde T.-G. kam in seinem unter dem 23.06.2008 erstellten Gutachten zu dem gleichen Ergebnis. Daraufhin nahm der Kläger am 24.07.2008 die Klage zurück. Am 06.05.2009 stellte der Kläger einen Antrag auf Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide vom 06.12.1996 sowie vom 24.08.1999. Zur Begründung führte er aus, er habe als Folge des Arbeitsunfalls vom 18.11.1994 eine psychische Störung erlitten. Die Beklagte wertete Berichte der Ärztin für Psychiatrie Dr. N.-C. vom 29.01.2002, des Facharztes für Neurologie Dr. W. vom 17.06.2004 sowie des Arztes für Neurolo-gie und Psychiatrie Dr. L. vom 15.04.2003 aus. Weiter zog sie einen Befundbericht und ein Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes der Knappschaft vom 26.07.2002 bzw. vom 17.03.2000 bei und wertete einen Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 15.05.2000 aus. Darüber hinaus holte sie ein Gutachten des psychologischen Psychotherapeuten Prof. Dr. F. vom 21.12.2009 sowie ein neurologisches Zusatzgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 24.11.2009 ein. Während Dr. T. zu dem Ergebnis gelangte, neurologische Defizite ließen sich bei dem Kläger nicht feststellen, nahm Prof. Dr. F. an, als Folge des Arbeitsunfalls vom 18.11.1994 liege bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vor. Die hieraus resultierende MdE schätzte er auf 40 vH ein. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. X. vom 01.02.2010 nach Aktenlage ein, welcher das Vorliegen einer PTBS verneinte. Nach Befragung der bei dem Unfall anwesenden Arbeitskollegen des Klägers holte die Beklagte unter dem 08.11.2010 eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F. ein, der an seiner Einschätzung festhielt. Nach Stellungnahme des Dipl.-Psychologen X. vom 02.12.2010, welcher das Vorliegen einer PTBS ebenfalls verneinte, holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 18.04.2011 ein. Dr. G. gelangte zu dem Ergebnis, auf unfalltraumatologischem Gebiet seien keinerlei Unfallfolgen verblieben. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.05.2011 eine Rücknahme der "früher erlassenen Bescheide" ab und führte aus, bei dem Kläger liege keine PTBS als Unfallfolge vor. Der Kläger legte am 30.06.2011 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2011 zurückwies.
Hiergegen richtet sich die am 14.11.2011 erhobene Klage.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.05.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2011 zu verurteilen, den Bescheid vom 06.12.1996 in der Fassung der weiteren Bescheide vom 24.08.1999, 12.05.2006 und 16.03.2007 abzuändern und ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.11.1994 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 40 vom Hundert der Vollrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 04.01.2012, der Ärztin für Psychiatrie Dr. N.-C. vom 12.01.2012 sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 14.01.2012 eingeholt. Sodann hat es eine Begutachtung des Klägers durch den Dipl-Psychologen Dr. L. sowie den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. veranlasst. Dr. C. ist in seinem unter dem 18.09.2012 erstellten Gutachten – das die Ergebnisse des psychologischen Gutachtens von Dr. L. vom 11.09.2012 hat mit einfließen lassen – zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe keine PTBS erlitten.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 25.05.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2011. Der Bescheid vom 25.05.2011 verhält sich ausweislich seines Tenors zu den "früher erlassenen" bestandskräftigen Be-scheiden. Dies sind neben den Bescheiden vom 06.12.1996 und 24.08.1999 auch die weiteren Bescheide vom 12.05.2006 und vom 16.03.2007.
Die so verstandene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichts-gesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme der angefochtenen Bescheide und wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.11.1994 auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von wenigstens 40 vom Hundert der Vollrente.
Grundlage für den Anspruch des Klägers ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozi-algesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.
Hierbei kann es dahin stehen, ob die Vorschrift zwei unterschiedliche Tatbestände der unrichtigen Tatsachenfeststellung und der unrichtigen Rechtsanwendung enthält oder lediglich zwei unterschiedliche Gründe umschreibt, die zu einer (ursprünglichen) Rechtswidrigkeit eines Bescheides führen können (siehe etwa die Nachweise bei Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 3. Ergänzungslieferung 2012, § 44 Rdnr. 14, 24 ff.). Denn diese Auffassungen führen im vorliegenden Fall nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Selbst nach der herrschenden Ansicht, die § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X extensiv interpretiert, liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift in der Person des Klägers nicht vor. Die bestandskräftigen Bescheide vom 06.12.1996, 24.08.1999, 12.05.2006 und 16.03.2007 stehen nämlich mit der Rechtslage in Einklang, weil der Kläger wegen der Folgen des als Arbeitsunfall anerkannten Unfalls vom 18.11.1994 über den 12.06.1995 hinaus keinen Anspruch auf Verletztenrente hat.
Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um we-nigstens 20 vom Hundert gemindert ist. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern, § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwir-kende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu-rechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (sog. Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (zum Ganzen etwa BSG, Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 29/07 R = juris, Rdnr. 16 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.01.2012 – L 3 U 329/09 = juris, Rdnr. 19 ff.; Bayerisches LSG, Urteil vom 14.12.2011 – L 2 U 504/10 = juris, Rdnr. 41 ff.). Vollbeweis in jenem Sinne bedeutet, dass die entsprechenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest stehen müssen (statt vieler Bayerisches LSG, a.a.O., Rdnr. 41). Dies ist der Fall, wenn ihr Vorliegen in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass sämtliche Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.08.2010 – L 3 U 138/07 = juris, Rdnr. 31; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.03.2011 – L 15 U 263/03 = juris, Rdnr. 33).
Für die Bereiche der Kausalität (Unfallkausalität und haftungsbegründende sowie haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Eine Verursachung liegt danach nur dann vor, wenn bei wertender Betrachtung der Versicherungsfall den Gesundheitsschaden wesentlich verursacht hat. Hierfür bedarf es nicht lediglich einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (siehe nur BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R = juris, Rdnr. 13 ff.). Angesichts der bestehenden Beweisschwierigkeiten genügt für den Ursachenzusammenhang, dass das Unfallereignis selbst und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache die wesentliche Bedingung bildet (st. Rspr. des Bundessozialgerichts, vgl. nur BSG, Urteil vom 28.06.1988 – 2/9b RU 28/87 = BSGE 63, 277, 278, mit weiteren Nachweisen). Welcher Umstand als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Betracht kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mit bewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Die bloße Möglichkeit reicht demnach nicht aus (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 12.11.1986 – 9 B RU 76/86 = juris). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (st. Rspr. des BSG, siehe nur Urteil vom 02.02.1978 – 8 RU 66/77 = BSGE 45, 285, 286).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben steht zur Überzeugung der Kammer nicht fest, dass bei dem Kläger Unfallfolgen vorliegen, welche eine MdE von wenigstens 20 vH bedingen. Fest steht lediglich, dass der Arbeitsunfall vom 18.11.1994 wesent-liche Ursache für eine bei dem Kläger bis zum 12.06.1995 vorliegende Bewegungs-einschränkung der Lendenwirbelsäule mit Schmerzhaftigkeit derselben war, die mittlerweile abgeheilt ist. Das Vorliegen der vom Kläger geltend gemachten PTBS steht demgegenüber schon nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und damit nicht im Vollbeweis fest, ohne dass es insoweit auf die Frage einer Verursachung ankäme.
Nach dem medizinischen Diagnoseklassifikationssystem "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Revision (ICD-10)" ent-steht die mit dem Diagnoseschlüssel F43.1 verschlüsselte Posttraumatische Belas-tungsstörung (PTBS)
"als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Be-drohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Ver-zweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankhei-ten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syn-droms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Fakto-ren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Ge-fühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer La-tenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann ( )"
Demgegenüber beschreibt das Diagnoseklassifikationssystem für psychische Er-krankungen "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Auflage" (DSM IV), Ziff. 309.81, eine posttraumatische Belastungsstörung als
"( ) die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumtische Ereignis beinhaltet das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Andro-hung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat oder die Beobachtung eines Ereig-nisses, das mit dem Tod, einer schweren Verletzung oder einer anderen Be-drohung der körperlichen Unversehrtheit einer anderen Person zu tun hat oder das Miterleben eines unerwarteten oder gewaltsamen Todes, schweren Leids, oder Androhung des Todes oder einer Verletzung eines Familienmitglieds oder einer nahestehenden Person (Kriterium A1). Die Reaktion der Person auf das Ereignis muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kri-terium A2) " (Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen – Textrevision 2000 – DSM IV-TR, bearbeitet von Saß/Wittchen/Zaudig/Houben, Hogreve Verlag für Psychologie, 2003, 515 [zitiert nach Burghardt, Med. Sach 108 (2012), 186 (190) in Fn. 14]).
Nach DSM IV ist weiter Voraussetzung, dass ein traumatisches Wiedererleben durch Intrusionen, Träume oder Flashbacks erfolgt (sog. Kriterium B). Außerdem kommt es bei den Betroffenen zu Vermeidungsreaktionen (Kriterium C), die sich in Erinnerungsverlusten, verminderter Teilnahme bzw. Interesse an wichtigen Aktivitäten oder ähnlichem äußern können, sowie zu einer Übererregbarkeit (Kriterium D) in Form von Ein- und Durchschlafproblemen, Konzentrationsstörungen, erhöhter Reizbarkeit oder ähnlichem äußern können (zum Ganzen etwa Sachse, Störungsorientierte Psychotherapie der Traumasynthese durch Traumaexposition bei PTBS, abrufbar unter http://www.lptw.de/archiv/vortrag/2010/sachsse u.pdf sowie Nolting, An Erinnerun-gen fast zerbrochen – Idealfall Traumatherapie – Resümee einer erfolgreichen The-rapie, abrufbar unter http://www.hss.de/fileadmin/migration/downloads/VortragNolting 01.pdf, beide mit weiteren Nachweisen).
Zur Überzeugung der Kammer steht nicht fest, dass der Kläger die in den soeben genannten Diagnoseklassifikationssystemen genannten Kriterien einer PTBS erfüllt.
So hat der Sachverständige Dr. C. im Rahmen seines ausführlichen Gutachtens darauf hingewiesen, dass bereits das A2-Kriterium einer PTBS nach DSM IV nicht erfüllt ist. Der Kläger hat allein 15 Jahre nach dem Unfallereignis erklärt, es hätten intensive Ängste bestanden. In keinem der zahlreichen medizinischen Gutachten indessen, sind solche intensiven Ängste zeitnah nach dem Unfall belegt. Derartige gravierende funktionelle Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen, wie sie sowohl nach ICD-10, als auch nach DSM IV beschrieben werden, sind ebenfalls nicht dokumentiert. Eine tiefgreifende Verzweiflung wird nirgends berichtet, zumal der Kläger ab 1995 eine berufliche Tätigkeit unter Tage wieder aufgenommen hat. Überdies fehlt es auch an dem Kriterium B nach DSM IV. So werden in keinem der zahlreichen Gutachten, die zeitnah nach dem Unfallereignis erstellt worden sind, Intrusionen, Träume oder Flashbacks des Klägers berichtet. Dass der Kläger nunmehr – ca. 18 Jahre nach dem entsprechenden Ereignis – im Rahmen der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er sei "zitternd aus dem Schlaf hochgeschreckt", ist hierfür nicht ausreichend. Selbst der im Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 04.01.2012 zu findende Hinweis auf ein Wiedererleben des Traumas in Träumen und am Tage reicht hierfür nicht aus. Denn zeitnah nach dem Ereignis sind Intrusionen oder Flashbacks nicht dokumentiert. Auffallend ist überdies, dass der Kläger ebenfalls im Rahmen der mündlichen Ver-handlung berichtet hat, er habe erstmals ca. Ende 1995 gemerkt, dass "psychisch etwa nicht gestimmt" habe. Eine derart lange Latenzzeit wird gerade nach ICD-10 bei Vorliegen einer PTBS nicht beschrieben.
Hinzuweisen ist ferner darauf, dass der muttersprachliche Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. im Rahmen seines Gutachtens vom 01.08.2001 eine PTBS aus-drücklich ausgeschlossen hat (Bl. 344 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Der von Dr. P. erhobene psychische Befund war insgesamt unauffällig. Es zeigten sich nicht annähernd Hinweise, die auf Vorliegen einer PTBS hätten hindeuten können. Einwendungen gegen die Art und Weise der Begutachtung durch Dr. P. indessen sind vom Kläger erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung erhoben worden, als der Kläger ausdrücklich mit dem Ausschluss einer PTBS in jenem Gutachten konfrontiert worden war, so dass diese nicht geeignet sind, das Gutachten in Frage zu stellen. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass auch die Ärztin für Psychiatrie Dr. N.-C., welche den Kläger über Jahre behandelt hat, keine PTBS festzustellen vermocht hat. So finden sich im Rahmen des von ihr erstellten Befundberichtes vom 29.01.2002 (Bl. 648 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten) lediglich die Diagnosen eines chronischen Schmerzsyndroms mit Somatisierungstendenzen. Weiter führt Dr. N.-C. im Rahmen jenes Befundberichtes aus, der Kläger sei "über die Richtigkeit der bisherigen Gutachten informiert" worden.
Zu einer anderen Betrachtung zwingen weder der Befundbericht von Dr. L. vom 04.01.2012, noch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. F ... Was den Befundbericht von Dr. L. angeht, so hat eine Behandlung dort erst am 12.02.2009 begonnen. Dr. L. hat die Diagnose einer PTBS aus Sicht des Gerichts unkritisch aus den anamnestischen Angaben des Klägers rund fünfzehn Jahre nach dem Unfallereignis übernommen. Demgegenüber sind die von ihm beschriebene Angst und Unruhe sowie die Schlafstörungen zeitnah nach dem Ereignis nicht beschrieben worden. Hinzu kommt, dass die beschriebenen Zustände nicht das Maß der Verzweiflung annehmen, welches den o.g. Beschreibungen der Symptome einer PTBS nach ICD-10 bzw. DSM IV innewohnt. So hat Dr. C. darauf hingewiesen, dass Angst und Sorge um die körperliche Gesundheit nach einem derartigen Unfallmechanismus "normale" Reaktionen darstellen und in keiner Weise ausreichend für das A 2-Kriterium sind. Auch dem Gutachten von Prof. Dr. F. vermag sich die Kammer nicht anzu-schließen. Allerdings teilt das Gericht seine Einschätzung, dass das Ereignis vom 18.11.1994 grundsätzlich die Voraussetzungen des sog. Traumakriteriums zw. A1-Kriteriums einer PTBS erfüllt. Was das Kriterium A2 nach DSM IV angeht, so be-schränkt sich indessen das Gutachten von Prof. Dr. F. auf die Feststellung, der Kläger leide an Herzklopfen und Atemnot, sobald er liege. Dies sei die Position, die er mit Streb innegehabt hatte, als er unter dem Steinbrocken lag (Seite 27 des Gutachtens vom 21.12.2009). Dies indessen ist keinesfalls ausreichend für das zweite Kriterium einer PTBS. Demgegenüber sind intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen zeitnah nach dem Unfallereignis nicht beschrieben worden. Zu Recht hat der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ebenfalls gehörte Dr. G. im Rahmen seines Gutachtens vom 18.04.2011 darauf hingewiesen, dass der Kläger im Rahmen der zahlreichen Begutachtungen verschiedentlich über das Ereignis vom 18.11.1994 reden musste, hierbei aber keine psychopathologischen Auffälligkeiten zeigte (Seite 50 jenes Gutachtens). Weiter beschränkt sich auch die Feststellung des sog. C-Kriteriums im Rahmen des Gutachtens von Prof. Dr. F. auf die Beschreibung, es würden Umstände, welche der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, vermieden. Hierbei wird aus Sicht der Kammer übersehen, dass weder durch Dr. P., noch durch die langjährige Behandlerin Dr. N.-C. (massive) Erinnerungsverluste, verminderter Teilnahme oder vermindertes bzw. fehlendes Interesse an wichtigen Aktivitäten beschrieben worden sind. So hat Dr. G. zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger zwischenzeitlich z.B. in einer Gaststätte gearbeitet hat und ein Rückzugsverhalten nicht objektivierbar war (Seite 52 des Gutachtens vom 18.04.2011). Auch die relativ lange Latenzzeit von einem Jahr vom Unfallereignis bis zum Auftreten psychischer Beschwerden hat Prof. Dr. F. nicht zu thematisieren vermocht. Überdies war im Rahmen der Untersuchung durch Dr. G. ein "nahezu unauffälliger" psychopathologischer Befund erhoben worden. Auch dies lässt sich mit einer gravierenden psychiatrischen Erkrankung nicht in Einklang bringen.
Die Kammer ist auch nicht vom Vorliegen anderer psychischer Erkrankungen des Klägers überzeugt, welche im Sinne einer wesentlichen Verursachung auf das Un-fallereignis vom 18.11.1994 zurückzuführen sein könnten. So hat der im Verwal-tungsverfahren gehörte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. im Rahmen seines Gutachtens darauf hingewiesen, dass angesichts des nahezu unauffälligen psychopathologischen Befundes andere schwere psychische Erkrankungen bereits nicht im Vollbeweis zu sichern sind. Der im gerichtlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. C. hat bei dem Kläger eine chronifizierte Depression sowie eine anhaltende somatoforme Schmerz-störung diagnostiziert, eine Verursachung durch das Unfallereignis indessen ver-neint. Zur Begründung hat Dr. C. auf bei dem Kläger vorliegende paranoide, schizoide, impulsive, narzißtische sowie selbstunsicher-ängstliche und abhängige Persönlichkeitsmerkmale hingewiesen, welche möglicherweise eine erhöhte prämorbide Vulnerabilität des Klägers begründet haben. Dem entspricht die Wertung im Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 18.04.2011, S. 40 ff., der die Schmerzstörung als unfallunabhängig einstuft. Auch der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. hat bereits im Rahmen seines Befundberichtes vom 15.05.2000 (Bl. 689 f. der Verwaltungsvorgänge der Beklagten) auf eine unfallunabhängige psychogene Störung mit deutlicher depressiver Herabstimmung und Vitalitätsverlust hingewiesen. Damit ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 18.11.1994 wesentliche Ursache für die bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer chronifizierten Depression ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Anerkennung einer posttraumatischen Belastungsstörung als Unfallfolge sowie höhere Verletztenrente.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger war auf der Zeche Sophia Jacoba unter Tage als Hauer beschäftigt, als sich am 18.11.1994 ein badewannengroßer Gesteinsbro-cken aus der Deckenschicht löste und auf ihn stürzte. Der Durchgangsarztbericht des Arztes für Chirurgie Dr. U. vom 21.11.1994 spricht von einer oberflächlichen Prellmarke im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule mit Klopfschmerzhaftigkeit der unteren Lendenwirbelsäule ohne Hinweis auf eine intra-abdominelle Organverletzung und ohne Hinweis auf eine frische Knochen-verletzung. Die Beklagte holte ein Gutachten des Chirurgen Dr. C. vom 30.08.1996 ein, der die aus den Folgen resultierende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 10 vom Hundert (vH) einschätzte. Daraufhin erkannte die Beklagte das Ereignis mit Bescheid vom 06.12.1996 als Arbeitsunfall an und lehnte die Gewährung von Verletztenrente ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 06.08.1997) erhob der Kläger unter dem Aktenzeichen S 5 BU 67/97 Klage, die er am 15.01.1998 zurücknahm. Auf einen am 02.02.1999 gestellten Verschlimmerungsantrag hin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung durch den Chirurgen Prof. Dr. I., der die MdE auf 10 vH einschätzte. Mit Bescheid vom 24.08.1999 gewährte die Beklagte dem Kläger vom 01.01. bis 12.06.1995 Verletztenrente nach einer MdE von 20 vH und lehnte eine Rentengewährung über den 12.06.1995 hinaus ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhob der Kläger unter dem Az. S 5 KN 45/00 U Klage. Im gerichtlichen Verfahren wurde ein Gutachten des Orthopäden Dr. S. vom 18.09.2000 sowie ein Gutachten des Chirurgen Dr. I. vom 18.01.2001 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. vom 01.08.2001 eingeholt. Während Dr. S. zu dem Ergebnis gelangte, aus den Unfallfolgen resultiere keine MdE mehr, schätzten Dres. I. und P. die MdE jeweils auf 10 vH ein. Daraufhin nahm der Kläger am 13.12.2001 die Klage zurück. Auf einen vom Kläger am 31.08.2005 gestellten Verschlimmerungsantrag hin holte die Beklagte unter dem 19.04.2006 ein Gutachten des Arztes für Chirurgie Dr. L. ein, welcher die verbleibende MdE auf unter 10 vH einschätzte. Daraufhin lehnte die Beklagte mit mittlerweile bestandskräftigem Bescheid vom 12.05.2006 eine Rentengewährung erneut ab. Einen vom Kläger am 22.01.2007 gestellten Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 12.05.2006 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 16.03.2007 ab. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren (Widerspruchsbescheid vom 19.04.2007) erhob der Kläger unter dem Az. S 1 KN 48/07 U erneut Klage. Im Klageverfahren wurde ein Gutachten des Chirurgen Dr. S. vom 12.02.2008 eingeholt, der die aus den Unfallfolgen verbleibende MdE auf unter 10 vH einschätzte. Der auf Antrag des Klägers gehörte Orthopäde T.-G. kam in seinem unter dem 23.06.2008 erstellten Gutachten zu dem gleichen Ergebnis. Daraufhin nahm der Kläger am 24.07.2008 die Klage zurück. Am 06.05.2009 stellte der Kläger einen Antrag auf Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide vom 06.12.1996 sowie vom 24.08.1999. Zur Begründung führte er aus, er habe als Folge des Arbeitsunfalls vom 18.11.1994 eine psychische Störung erlitten. Die Beklagte wertete Berichte der Ärztin für Psychiatrie Dr. N.-C. vom 29.01.2002, des Facharztes für Neurologie Dr. W. vom 17.06.2004 sowie des Arztes für Neurolo-gie und Psychiatrie Dr. L. vom 15.04.2003 aus. Weiter zog sie einen Befundbericht und ein Gutachten des sozialmedizinischen Dienstes der Knappschaft vom 26.07.2002 bzw. vom 17.03.2000 bei und wertete einen Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 15.05.2000 aus. Darüber hinaus holte sie ein Gutachten des psychologischen Psychotherapeuten Prof. Dr. F. vom 21.12.2009 sowie ein neurologisches Zusatzgutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. vom 24.11.2009 ein. Während Dr. T. zu dem Ergebnis gelangte, neurologische Defizite ließen sich bei dem Kläger nicht feststellen, nahm Prof. Dr. F. an, als Folge des Arbeitsunfalls vom 18.11.1994 liege bei dem Kläger eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) vor. Die hieraus resultierende MdE schätzte er auf 40 vH ein. Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten des Facharztes für Nervenheilkunde Dr. X. vom 01.02.2010 nach Aktenlage ein, welcher das Vorliegen einer PTBS verneinte. Nach Befragung der bei dem Unfall anwesenden Arbeitskollegen des Klägers holte die Beklagte unter dem 08.11.2010 eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. F. ein, der an seiner Einschätzung festhielt. Nach Stellungnahme des Dipl.-Psychologen X. vom 02.12.2010, welcher das Vorliegen einer PTBS ebenfalls verneinte, holte die Beklagte ein weiteres Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 18.04.2011 ein. Dr. G. gelangte zu dem Ergebnis, auf unfalltraumatologischem Gebiet seien keinerlei Unfallfolgen verblieben. Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.05.2011 eine Rücknahme der "früher erlassenen Bescheide" ab und führte aus, bei dem Kläger liege keine PTBS als Unfallfolge vor. Der Kläger legte am 30.06.2011 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2011 zurückwies.
Hiergegen richtet sich die am 14.11.2011 erhobene Klage.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 25.05.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2011 zu verurteilen, den Bescheid vom 06.12.1996 in der Fassung der weiteren Bescheide vom 24.08.1999, 12.05.2006 und 16.03.2007 abzuändern und ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.11.1994 Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 40 vom Hundert der Vollrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhalts Befundberichte des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 04.01.2012, der Ärztin für Psychiatrie Dr. N.-C. vom 12.01.2012 sowie des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 14.01.2012 eingeholt. Sodann hat es eine Begutachtung des Klägers durch den Dipl-Psychologen Dr. L. sowie den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. C. veranlasst. Dr. C. ist in seinem unter dem 18.09.2012 erstellten Gutachten – das die Ergebnisse des psychologischen Gutachtens von Dr. L. vom 11.09.2012 hat mit einfließen lassen – zu dem Ergebnis gelangt, der Kläger habe keine PTBS erlitten.
Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der genannten Unterlagen verwiesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und die übrige Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist
Entscheidungsgründe:
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 25.05.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2011. Der Bescheid vom 25.05.2011 verhält sich ausweislich seines Tenors zu den "früher erlassenen" bestandskräftigen Be-scheiden. Dies sind neben den Bescheiden vom 06.12.1996 und 24.08.1999 auch die weiteren Bescheide vom 12.05.2006 und vom 16.03.2007.
Die so verstandene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Kläger wird durch die angefochtenen Bescheide nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichts-gesetz (SGG) beschwert, da sie nicht rechtswidrig sind. Er hat keinen Anspruch auf Rücknahme der angefochtenen Bescheide und wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 18.11.1994 auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von wenigstens 40 vom Hundert der Vollrente.
Grundlage für den Anspruch des Klägers ist § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozi-algesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt worden oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist.
Hierbei kann es dahin stehen, ob die Vorschrift zwei unterschiedliche Tatbestände der unrichtigen Tatsachenfeststellung und der unrichtigen Rechtsanwendung enthält oder lediglich zwei unterschiedliche Gründe umschreibt, die zu einer (ursprünglichen) Rechtswidrigkeit eines Bescheides führen können (siehe etwa die Nachweise bei Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand: 3. Ergänzungslieferung 2012, § 44 Rdnr. 14, 24 ff.). Denn diese Auffassungen führen im vorliegenden Fall nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen. Selbst nach der herrschenden Ansicht, die § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X extensiv interpretiert, liegen die Voraussetzungen dieser Vorschrift in der Person des Klägers nicht vor. Die bestandskräftigen Bescheide vom 06.12.1996, 24.08.1999, 12.05.2006 und 16.03.2007 stehen nämlich mit der Rechtslage in Einklang, weil der Kläger wegen der Folgen des als Arbeitsunfall anerkannten Unfalls vom 18.11.1994 über den 12.06.1995 hinaus keinen Anspruch auf Verletztenrente hat.
Anspruch auf eine Rente haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um we-nigstens 20 vom Hundert gemindert ist. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern, § 56 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII).
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten, § 7 Abs. 1 SGB VII. Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwir-kende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen, § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII.
Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzu-rechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (sog. Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheits(erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(erst)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. statt vieler BSG, Urteil vom 09.05.2006 – B 2 U 1/05 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17).
Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derjenigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (zum Ganzen etwa BSG, Urteil vom 02.04.2009 – B 2 U 29/07 R = juris, Rdnr. 16 ff.; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.01.2012 – L 3 U 329/09 = juris, Rdnr. 19 ff.; Bayerisches LSG, Urteil vom 14.12.2011 – L 2 U 504/10 = juris, Rdnr. 41 ff.). Vollbeweis in jenem Sinne bedeutet, dass die entsprechenden Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fest stehen müssen (statt vieler Bayerisches LSG, a.a.O., Rdnr. 41). Dies ist der Fall, wenn ihr Vorliegen in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass sämtliche Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.08.2010 – L 3 U 138/07 = juris, Rdnr. 31; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.03.2011 – L 15 U 263/03 = juris, Rdnr. 33).
Für die Bereiche der Kausalität (Unfallkausalität und haftungsbegründende sowie haftungsausfüllende Kausalität) gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Eine Verursachung liegt danach nur dann vor, wenn bei wertender Betrachtung der Versicherungsfall den Gesundheitsschaden wesentlich verursacht hat. Hierfür bedarf es nicht lediglich einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, sondern auch im Sinne der Zurechnung des eingetretenen Erfolges zum Schutzbereich der unfallversicherungsrechtlichen Norm als eines rechtlich wesentlichen Kausalzusammenhangs (siehe nur BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R = juris, Rdnr. 13 ff.). Angesichts der bestehenden Beweisschwierigkeiten genügt für den Ursachenzusammenhang, dass das Unfallereignis selbst und nicht eine andere, unfallunabhängige Ursache die wesentliche Bedingung bildet (st. Rspr. des Bundessozialgerichts, vgl. nur BSG, Urteil vom 28.06.1988 – 2/9b RU 28/87 = BSGE 63, 277, 278, mit weiteren Nachweisen). Welcher Umstand als wesentlich angesehen werden muss, ist durch eine wertende Betrachtung aller in Betracht kommenden Umstände zu ermitteln. Die einzelnen Bedingungen müssen gegeneinander abgewogen werden; ob eine von ihnen wesentlich den Erfolg mit bewirkt hat, ist anhand ihrer Qualität zu entscheiden. Auf eine zeitliche Reihenfolge oder die Quantität kommt es nicht an. Die bloße Möglichkeit reicht demnach nicht aus (vgl. hierzu nur BSG, Urteil vom 12.11.1986 – 9 B RU 76/86 = juris). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der geltenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht und ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Verursachung ausscheiden (st. Rspr. des BSG, siehe nur Urteil vom 02.02.1978 – 8 RU 66/77 = BSGE 45, 285, 286).
Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben steht zur Überzeugung der Kammer nicht fest, dass bei dem Kläger Unfallfolgen vorliegen, welche eine MdE von wenigstens 20 vH bedingen. Fest steht lediglich, dass der Arbeitsunfall vom 18.11.1994 wesent-liche Ursache für eine bei dem Kläger bis zum 12.06.1995 vorliegende Bewegungs-einschränkung der Lendenwirbelsäule mit Schmerzhaftigkeit derselben war, die mittlerweile abgeheilt ist. Das Vorliegen der vom Kläger geltend gemachten PTBS steht demgegenüber schon nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit und damit nicht im Vollbeweis fest, ohne dass es insoweit auf die Frage einer Verursachung ankäme.
Nach dem medizinischen Diagnoseklassifikationssystem "International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems, 10. Revision (ICD-10)" ent-steht die mit dem Diagnoseschlüssel F43.1 verschlüsselte Posttraumatische Belas-tungsstörung (PTBS)
"als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Be-drohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Ver-zweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, z.B. zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankhei-ten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syn-droms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Fakto-ren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Ge-fühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer La-tenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann ( )"
Demgegenüber beschreibt das Diagnoseklassifikationssystem für psychische Er-krankungen "Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders, 4. Auflage" (DSM IV), Ziff. 309.81, eine posttraumatische Belastungsstörung als
"( ) die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumtische Ereignis beinhaltet das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Andro-hung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat oder die Beobachtung eines Ereig-nisses, das mit dem Tod, einer schweren Verletzung oder einer anderen Be-drohung der körperlichen Unversehrtheit einer anderen Person zu tun hat oder das Miterleben eines unerwarteten oder gewaltsamen Todes, schweren Leids, oder Androhung des Todes oder einer Verletzung eines Familienmitglieds oder einer nahestehenden Person (Kriterium A1). Die Reaktion der Person auf das Ereignis muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kri-terium A2) " (Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen – Textrevision 2000 – DSM IV-TR, bearbeitet von Saß/Wittchen/Zaudig/Houben, Hogreve Verlag für Psychologie, 2003, 515 [zitiert nach Burghardt, Med. Sach 108 (2012), 186 (190) in Fn. 14]).
Nach DSM IV ist weiter Voraussetzung, dass ein traumatisches Wiedererleben durch Intrusionen, Träume oder Flashbacks erfolgt (sog. Kriterium B). Außerdem kommt es bei den Betroffenen zu Vermeidungsreaktionen (Kriterium C), die sich in Erinnerungsverlusten, verminderter Teilnahme bzw. Interesse an wichtigen Aktivitäten oder ähnlichem äußern können, sowie zu einer Übererregbarkeit (Kriterium D) in Form von Ein- und Durchschlafproblemen, Konzentrationsstörungen, erhöhter Reizbarkeit oder ähnlichem äußern können (zum Ganzen etwa Sachse, Störungsorientierte Psychotherapie der Traumasynthese durch Traumaexposition bei PTBS, abrufbar unter http://www.lptw.de/archiv/vortrag/2010/sachsse u.pdf sowie Nolting, An Erinnerun-gen fast zerbrochen – Idealfall Traumatherapie – Resümee einer erfolgreichen The-rapie, abrufbar unter http://www.hss.de/fileadmin/migration/downloads/VortragNolting 01.pdf, beide mit weiteren Nachweisen).
Zur Überzeugung der Kammer steht nicht fest, dass der Kläger die in den soeben genannten Diagnoseklassifikationssystemen genannten Kriterien einer PTBS erfüllt.
So hat der Sachverständige Dr. C. im Rahmen seines ausführlichen Gutachtens darauf hingewiesen, dass bereits das A2-Kriterium einer PTBS nach DSM IV nicht erfüllt ist. Der Kläger hat allein 15 Jahre nach dem Unfallereignis erklärt, es hätten intensive Ängste bestanden. In keinem der zahlreichen medizinischen Gutachten indessen, sind solche intensiven Ängste zeitnah nach dem Unfall belegt. Derartige gravierende funktionelle Einschränkungen in verschiedenen Lebensbereichen, wie sie sowohl nach ICD-10, als auch nach DSM IV beschrieben werden, sind ebenfalls nicht dokumentiert. Eine tiefgreifende Verzweiflung wird nirgends berichtet, zumal der Kläger ab 1995 eine berufliche Tätigkeit unter Tage wieder aufgenommen hat. Überdies fehlt es auch an dem Kriterium B nach DSM IV. So werden in keinem der zahlreichen Gutachten, die zeitnah nach dem Unfallereignis erstellt worden sind, Intrusionen, Träume oder Flashbacks des Klägers berichtet. Dass der Kläger nunmehr – ca. 18 Jahre nach dem entsprechenden Ereignis – im Rahmen der mündlichen Verhandlung berichtet hat, er sei "zitternd aus dem Schlaf hochgeschreckt", ist hierfür nicht ausreichend. Selbst der im Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. vom 04.01.2012 zu findende Hinweis auf ein Wiedererleben des Traumas in Träumen und am Tage reicht hierfür nicht aus. Denn zeitnah nach dem Ereignis sind Intrusionen oder Flashbacks nicht dokumentiert. Auffallend ist überdies, dass der Kläger ebenfalls im Rahmen der mündlichen Ver-handlung berichtet hat, er habe erstmals ca. Ende 1995 gemerkt, dass "psychisch etwa nicht gestimmt" habe. Eine derart lange Latenzzeit wird gerade nach ICD-10 bei Vorliegen einer PTBS nicht beschrieben.
Hinzuweisen ist ferner darauf, dass der muttersprachliche Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. im Rahmen seines Gutachtens vom 01.08.2001 eine PTBS aus-drücklich ausgeschlossen hat (Bl. 344 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten). Der von Dr. P. erhobene psychische Befund war insgesamt unauffällig. Es zeigten sich nicht annähernd Hinweise, die auf Vorliegen einer PTBS hätten hindeuten können. Einwendungen gegen die Art und Weise der Begutachtung durch Dr. P. indessen sind vom Kläger erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung erhoben worden, als der Kläger ausdrücklich mit dem Ausschluss einer PTBS in jenem Gutachten konfrontiert worden war, so dass diese nicht geeignet sind, das Gutachten in Frage zu stellen. Hinzuweisen ist ferner darauf, dass auch die Ärztin für Psychiatrie Dr. N.-C., welche den Kläger über Jahre behandelt hat, keine PTBS festzustellen vermocht hat. So finden sich im Rahmen des von ihr erstellten Befundberichtes vom 29.01.2002 (Bl. 648 der Verwaltungsvorgänge der Beklagten) lediglich die Diagnosen eines chronischen Schmerzsyndroms mit Somatisierungstendenzen. Weiter führt Dr. N.-C. im Rahmen jenes Befundberichtes aus, der Kläger sei "über die Richtigkeit der bisherigen Gutachten informiert" worden.
Zu einer anderen Betrachtung zwingen weder der Befundbericht von Dr. L. vom 04.01.2012, noch das im Verwaltungsverfahren eingeholte Gutachten von Prof. Dr. F ... Was den Befundbericht von Dr. L. angeht, so hat eine Behandlung dort erst am 12.02.2009 begonnen. Dr. L. hat die Diagnose einer PTBS aus Sicht des Gerichts unkritisch aus den anamnestischen Angaben des Klägers rund fünfzehn Jahre nach dem Unfallereignis übernommen. Demgegenüber sind die von ihm beschriebene Angst und Unruhe sowie die Schlafstörungen zeitnah nach dem Ereignis nicht beschrieben worden. Hinzu kommt, dass die beschriebenen Zustände nicht das Maß der Verzweiflung annehmen, welches den o.g. Beschreibungen der Symptome einer PTBS nach ICD-10 bzw. DSM IV innewohnt. So hat Dr. C. darauf hingewiesen, dass Angst und Sorge um die körperliche Gesundheit nach einem derartigen Unfallmechanismus "normale" Reaktionen darstellen und in keiner Weise ausreichend für das A 2-Kriterium sind. Auch dem Gutachten von Prof. Dr. F. vermag sich die Kammer nicht anzu-schließen. Allerdings teilt das Gericht seine Einschätzung, dass das Ereignis vom 18.11.1994 grundsätzlich die Voraussetzungen des sog. Traumakriteriums zw. A1-Kriteriums einer PTBS erfüllt. Was das Kriterium A2 nach DSM IV angeht, so be-schränkt sich indessen das Gutachten von Prof. Dr. F. auf die Feststellung, der Kläger leide an Herzklopfen und Atemnot, sobald er liege. Dies sei die Position, die er mit Streb innegehabt hatte, als er unter dem Steinbrocken lag (Seite 27 des Gutachtens vom 21.12.2009). Dies indessen ist keinesfalls ausreichend für das zweite Kriterium einer PTBS. Demgegenüber sind intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen zeitnah nach dem Unfallereignis nicht beschrieben worden. Zu Recht hat der im Rahmen des Verwaltungsverfahrens ebenfalls gehörte Dr. G. im Rahmen seines Gutachtens vom 18.04.2011 darauf hingewiesen, dass der Kläger im Rahmen der zahlreichen Begutachtungen verschiedentlich über das Ereignis vom 18.11.1994 reden musste, hierbei aber keine psychopathologischen Auffälligkeiten zeigte (Seite 50 jenes Gutachtens). Weiter beschränkt sich auch die Feststellung des sog. C-Kriteriums im Rahmen des Gutachtens von Prof. Dr. F. auf die Beschreibung, es würden Umstände, welche der Belastung ähneln oder mit ihr im Zusammenhang stehen, vermieden. Hierbei wird aus Sicht der Kammer übersehen, dass weder durch Dr. P., noch durch die langjährige Behandlerin Dr. N.-C. (massive) Erinnerungsverluste, verminderter Teilnahme oder vermindertes bzw. fehlendes Interesse an wichtigen Aktivitäten beschrieben worden sind. So hat Dr. G. zutreffend darauf hingewiesen, dass der Kläger zwischenzeitlich z.B. in einer Gaststätte gearbeitet hat und ein Rückzugsverhalten nicht objektivierbar war (Seite 52 des Gutachtens vom 18.04.2011). Auch die relativ lange Latenzzeit von einem Jahr vom Unfallereignis bis zum Auftreten psychischer Beschwerden hat Prof. Dr. F. nicht zu thematisieren vermocht. Überdies war im Rahmen der Untersuchung durch Dr. G. ein "nahezu unauffälliger" psychopathologischer Befund erhoben worden. Auch dies lässt sich mit einer gravierenden psychiatrischen Erkrankung nicht in Einklang bringen.
Die Kammer ist auch nicht vom Vorliegen anderer psychischer Erkrankungen des Klägers überzeugt, welche im Sinne einer wesentlichen Verursachung auf das Un-fallereignis vom 18.11.1994 zurückzuführen sein könnten. So hat der im Verwal-tungsverfahren gehörte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. im Rahmen seines Gutachtens darauf hingewiesen, dass angesichts des nahezu unauffälligen psychopathologischen Befundes andere schwere psychische Erkrankungen bereits nicht im Vollbeweis zu sichern sind. Der im gerichtlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. C. hat bei dem Kläger eine chronifizierte Depression sowie eine anhaltende somatoforme Schmerz-störung diagnostiziert, eine Verursachung durch das Unfallereignis indessen ver-neint. Zur Begründung hat Dr. C. auf bei dem Kläger vorliegende paranoide, schizoide, impulsive, narzißtische sowie selbstunsicher-ängstliche und abhängige Persönlichkeitsmerkmale hingewiesen, welche möglicherweise eine erhöhte prämorbide Vulnerabilität des Klägers begründet haben. Dem entspricht die Wertung im Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. vom 18.04.2011, S. 40 ff., der die Schmerzstörung als unfallunabhängig einstuft. Auch der behandelnde Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. hat bereits im Rahmen seines Befundberichtes vom 15.05.2000 (Bl. 689 f. der Verwaltungsvorgänge der Beklagten) auf eine unfallunabhängige psychogene Störung mit deutlicher depressiver Herabstimmung und Vitalitätsverlust hingewiesen. Damit ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass das Unfallereignis vom 18.11.1994 wesentliche Ursache für die bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer chronifizierten Depression ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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