Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 5387/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 736/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Januar 2012 aufgehoben. Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1961 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Vom 02.08.1976 bis 07.10.2008, dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, war der Kläger als angelernter Galvaniseur beschäftigt. Vom 18.11.2008 bis 26.11.2009 bezog er Krankengeld einschließlich Übergangsgeld, vom 27.11.2009 bis 26.11.2010 Arbeitslosengeld (Alg) I und vom 01.02.2011 bis 01.03.2012 (der Abmeldung) Alg II. Er ist zwei Stunden täglich als Zeitungsausträger tätig; seit 01.06.2011 dabei rentenversichert.
Am 08.10.2008 wurde der Kläger an der linken Schulter operiert (Rekonstruktion der Supraspinatussehne). Die rechte Schulter war im Jahr 1999 und 2007 operativ behandelt worden. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) vom 80 und das Merkzeichen RF seit 20.11.2009 anerkannt.
Vom 02.12.2008 bis 30.12.2008 absolvierte der Kläger ein Heilverfahren in der Rehaklinik S ... Die dortigen Ärzte entließen ihn als arbeitsunfähig und führten aus, als Galvaniseur (mit ständigem Stehen und viel Überkopfarbeiten, schwere Hebe- und Tragebelastungen) sei der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten, ohne ständiges Arbeiten auf Schulterhöhe, ohne Schub- und Zugbelastung, ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne größere Anforderungen an die Hörfähigkeit könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten.
Am 19.07.2010 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ein auf Veranlassung der Agentur für Arbeit erstattetes Gutachten von Dr. N. vom 30.11.2009 (Minderbelastbarkeit des linken Schulter-Arm-Systems, Hörminderung, volle Leistungsfähigkeit), den Entlassungsbericht der Rehaklinik S. vom 09.01.2009 sowie den Befundbericht des Orthopäden Dr. K. vom 08.12.2009 nebst Arztbriefen bei und ließ diese Unterlagen durch den Chirurgen Dr. S. auswerten, der leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen täglich sechs Stunden und mehr für zumutbar hielt.
Mit Bescheid vom 03.08.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, da der Kläger trotz seiner Krankheiten und Behinderungen (Belastungsminderung beider Schultergelenke nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion, mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit) noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2010 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 20.12.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgt. Zur Begründung hat er vorgetragen, es sei nicht berücksichtigt worden, dass er unter einer hochgradigen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit leide, weswegen viele Tätigkeiten nicht in Betracht kämen. Wegen der Schultergelenksproblematik könne er seine Arme praktisch nicht mehr zum Arbeiten benutzen. Überkopfarbeiten und ein Heben der Arme auf Schulterhöhe sei nicht mehr möglich. Von Seiten der Schultergelenke habe er permanente Schmerzen und keine Kraft.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die HNO-Ärztin Dr. medic/IM T. C. hat unter dem 21.03.2011 und 05.10.2011 erklärt, beim Kläger liege eine an Taubheit grenzende Schallleitungsschwerhörigkeit beidseits vor. Er sei nicht in der Lage, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Maßgeblich hierfür seien die hochgradige Schwerhörigkeit und ein Zustand nach vierfacher Schulteroperation. Das Hauptleiden liege auf orthopädischem Gebiet. Mit den am 30.07.2001 verordneten Hörgeräten sei die Kommunikation mit anderen Personen deutlich eingeschränkt. Die sehr teuren neuen Hörgeräte, die eine bessere Qualität als die alten aufwiesen, könne sich der Kläger nicht leisten. Deswegen seien Tätigkeiten als Museumswärter, Parkraumaufsicht und Kassierer nicht möglich.
Der Orthopäde Dr. K. habe unter dem 14.04.2011 ausgeführt, eine körperlich leichte Tätigkeit könne der Kläger sechs Stunden täglich verrichten.
Die Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Z. hat unter dem 14.06.2011 und 04.11.2011 ausgeführt, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sei ein zumindest sechsstündiges Leistungsvermögen des Klägers gegeben.
Mit Urteil vom 12.01.2012 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2010 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 30.06.2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei voll erwerbsgemindert, da er aufgrund seiner Erkrankungen auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Die Leistungseinschränkungen bedingten für sich genommen zwar lediglich Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens des Klägers, führten in ihrer Summierung jedoch zur Aufhebung des quantitativen Leistungsvermögens. Dem Kläger sei demnach der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen. Die Rente sei auf Zeit zu gewähren. Eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers sei durch adäquate Hörgeräteversorgung möglich. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 30.01.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.02.2012 Berufung eingelegt und vorgetragen, der Auffassung des SG vermöge sie sich nicht anzuschließen. Was die Schwerhörigkeit des Klägers betreffe, die im Übrigen seit Jahrzehnten bestehe, sei zu beachten, dass zum Ausgleich von Hörbehinderungen die Krankenkassen grundsätzlich für diese Versorgung mit solchen Hörgeräten aufzukommen hätten, die nach dem Stand der Medizintechnik die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubten. Demzufolge begrenze der für ein Hilfsmittel festgesetzte Betrag die Leistungspflicht der Krankenkassen dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreiche. Im Übrigen sei Schwerhörigkeit allein nicht als schwere spezifische Leistungseinschränkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anzusehen. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger in der Lage, leichte Arbeiten zu verrichten, wobei Arbeiten in Armvorhalte für den linken Arm, Arbeiten über der Horizontalen für beide Arme und Überkopfarbeiten auszuschließen seien. Es handle sich um keine ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen, sodass auch nicht die Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bestehe. Ungeachtet dessen sei dem Kläger das Verpacken, Prüfen oder Montieren von leichten Industrie- und Handelsprodukten zumutbar. Darüber hinaus kämen auch Sortier-, Klebe-, Abnehm-, Zureich- und Ettikettierarbeiten in Frage.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Januar 2012 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erwidert, zutreffend gehe das SG davon aus, dass er voll erwerbsgemindert sei, da er aufgrund seiner Erkrankungen auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Die AOK habe mit Bescheid vom 23.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2012 die Kostenübernahme von Hörgeräten über den Festbetrag hinaus abgelehnt.
In den angefochtenen Bescheiden hat die AOK ausgeführt, die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 29.6.2012 habe ergeben, dass beim Kläger lediglich eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit (Hörverlust 60 dB auf dem besseren Ohr) vorliege. Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit liege nicht vor. Es könne davon ausgegangen werden, dass bei engagierten Anpassbemühungen eine adäquate Versorgung im Rahmen der regulären Festbeträge erfolgen könne.
Im Erörterungstermin vom 18.12.2012 ist dem Kläger eine Kopie des Urteils des Senats vom 31.01.2012 - L 9 R 5729/08 - ausgehändigt worden.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, dem Entlassungsbericht der Rehaklinik S. vom 09.01.2009, dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten des Dr. N. vom 30.11.2009, der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. vom 14.04.2011 (nebst Befundbericht vom 08.12.2009), der sachverständigen Zeugenaussagen der HNO-Ärztin Dr. C. vom 21.03.2011 und 05.10.2011 sowie der beratungsärztlichen Stellungnahmen des Chirurgen Dr. S. vom 30.7.2010 und der Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Z. vom 14.06.2011 und 04.11.2011.
Beim Kläger liegen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und HNO-ärztlichem Gebiet vor. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um eine Schulterteilsteife links bei Zustand nach operativ versorgter Rotatorenmanschettenruptur 10/08 und Acromioplastik 1995, eine chronische Periarthritis humeroscapularis rechts bei Zustand nach operativ versorgter Rotatorenmanschettenruptur rechts 1/08 und Acromioplastik 1999 mit lediglich endgradiger Bewegungseinschränkung, ein chronisch degeneratives Halswirbelsäulen-Syndrom (HWS-Syndrom) und eine Schwerhörigkeit beidseits, die durch Hörgeräte beidseits teilweise ausgeglichen ist.
Diese Gesundheitsstörungen führen zu qualitativen Leistungseinschränkungen, hindern den Kläger jedoch nicht daran, körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der übereinstimmenden Beurteilungen der Ärzte der Rehaklinik S. im Entlassungsbericht vom 09.01.2009, des Dr. N. im Gutachten vom 30.11.2009, des Orthopäden des Dr. K. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 14.04.2011 sowie der Beratungsärzte der Beklagten, des Chirurgen Dr. S. und der Ärztin für Sozialmedizin Z., deren Beurteilungen als qualifizierter Beteiligtenvortrag verwertet werden.
Wegen der Schultergelenksbeschwerden links kann der Kläger keine schweren Tätigkeiten sowie keine Tätigkeiten mit Überkopfarbeiten und ständigen Arbeiten auf Schulterhöhe mehr verrichten. Wegen der Schwerhörigkeit scheiden Tätigkeiten aus, die größere Anforderungen an das Hörvermögen stellen. Damit ist der Kläger jedoch nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten (z. B. leichte Verpackungs-, Sortier- und Montierarbeiten) zu verrichten, zumal eine belangvolle Einschränkung der Hände nicht vorliegt. Auch wenn beim Kläger eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliegen sollte, wäre er nicht gehindert, derartige Tätigkeiten auszuüben. Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob das Hörvermögen des Klägers derart gravierend eingeschränkt ist, zumal die Krankenkasse nach Begutachtung durch den MDK eine Kostenübernahme für teurere Hörgeräte mit der Begründung abgelehnt hat, beim Kläger liege lediglich eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit (Hörverlust 60 dB am besseren Ohr) vor und im Erörterungstermin eine Verständigung mit dem Kläger unproblematisch möglich war. Darüber hinaus war der Kläger bis zum Auftreten der Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet im Oktober 2008 nicht gehindert, trotz seiner Schwerhörigkeit berufstätig zu sein. Seit Mai 2004 ist zwar nach den Messungen der HNO-Ärztin Dr. C. im März 2011 eine leichte Verschlechterung links um 3 % eingetreten; diese dürfte jedoch keine wesentlichen Auswirkungen haben.
Soweit Dr. C. ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen damit begründet, dass es für den Kläger schwierig sei, andere Personen zu verstehen und deswegen Tätigkeiten als Museumswärter, Parkraumaufsicht und Kassierer nicht möglich seien, berücksichtigt sie nicht, dass es zahlreiche Tätigkeiten (z. B. Sortier-, Verpackungs- und Montierarbeiten) gibt, bei denen eine Kommunikation nicht im Vordergrund steht. Angesichts dessen vermag sich der Senat der Beurteilung von Dr. Curca nicht anzuschließen.
Eine Erwerbsminderung liegt bei dem sechs Stunden täglich leistungsfähigen Kläger auch nicht wegen einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes vor.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt Erwerbsunfähigkeit (jetzt: volle Erwerbsminderung) auch dann vor, wenn der Arbeitsmarkt verschlossen ist. Begründet wird dies damit, dass die Anweisung des Gesetzgebers, die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, es nicht ausschließe, weiterhin Personen für erwerbsunfähig (jetzt: voll erwerbsgemindert) zu halten, die aus gesundheitlichen Gründen unter den betriebsüblichen Bedingungen nicht arbeiten können oder nur für Tätigkeiten in Betracht kommen, die ihrer Art nach nur selten in der Arbeitswelt vorkommen. Denn ihre Unfähigkeit, durch Arbeit Erwerb zu erzielen, beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem praktisch gänzlichen Fehlen entsprechender Arbeitsplätze in der Berufswelt bzw. einer nur theoretischen Möglichkeit, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für an sich mögliche - zeitlich nicht eingeschränkte - Tätigkeiten eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt. In diesen Fällen sind konkrete Verweisungstätigkeiten zu benennen. Der 4. und 5. Senat des BSG (SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139) haben hierfür einen Katalog mit insgesamt sieben Fallgruppen erstellt:
1. Tätigkeiten, die nur unter nicht betriebsüblichen Arbeitsbedingungen ausgeübt werden können 2. Arbeitsplätze, die der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nicht von der Wohnung aus aufsuchen kann 3. Tätigkeiten, bei denen die Zahl der in Betracht kommenden Stellen dadurch nicht unerheblich reduziert ist, dass der Versicherte nur in Teilbereichen des Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann 4. Tätigkeiten, bei denen es sich um typische "Schonarbeitsplätze" handelt, die regelmäßig leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Betriebes vorbehalten bleiben und somit als Eingangsstelle für Betriebsfremde außer Betracht bleiben 5. Tätigkeiten, die auf einem Arbeitsplatz ausgeführt werden, der als Einstiegsstelle für Berufsfremde nicht zur Verfügung steht 6. Arbeitsplätze, die lediglich an bewährte Mitarbeiter als Aufstiegspositionen durch Beförderung oder Höherstufung vergeben werden 7. Fälle besonderer Art, in denen es naheliegt, dass der Arbeitsplatz trotz einer tariflichen Erfassung nur in ganz geringer Zahl vorkommt.
Der Senat vermag unter Berücksichtigung dieser Kriterien hier nicht festzustellen, dass es für den Kläger - insbesondere unter Berücksichtigung seines Gehörschadens - keine ausreichende Zahl an Arbeitsplätzen gibt. Der Kläger kann zur Überzeugung des Senats noch unter betriebsüblichen Bedingungen arbeiten.
Die auf HNO-ärztlichem und orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen stehen einer beruflichen Tätigkeit nicht entgegen. Die Schwerhörigkeit, die schon seit Jahren besteht (wohl seit 1985), stellt keine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Zwar scheiden dadurch Tätigkeiten aus, die gesteigerte Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit stellen und ein intaktes Hörvermögen bei gefahrgeneigten Arbeiten erfordern. Mit dem Restleistungsvermögen des Klägers sind jedoch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Anforderungen an die Kommunikation und ohne gefahrgeneigte Situationen wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren sowie Verpacken und Zusammensetzen von Teilen, also einfache ungelernte Tätigkeiten, noch möglich. Ein Katalogfall im o. g. Sinne liegt im Hinblick auf die Hörstörung des Klägers nicht vor (so schon Urteil des Senats vom 31.01.2012 - L 9 R 5729/09 - m.w.N.). Der Kläger ist mit Hörgeräten versorgt und war damit auch in der Lage, bis Oktober 2008 einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die dann eingetretene Arbeitsunfähigkeit beruhte auch nicht auf der Schwerhörigkeit, sondern darauf, dass der Kläger wegen der Schulterbeschwerden links nicht mehr in der Lage war, seine schwere Tätigkeit als Galvaniseur mit Überkopfarbeiten zu verrichten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger auch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten nicht mehr ausüben kann. Auch der Umstand, dass der Kläger noch täglich zwei Stunden Zeitungen austrägt bzw. mit dem Fahrrad - auch bei ungünstigen Witterungsbedingungen - ausfährt, spricht dafür, dass der Kläger wegen der Schultergelenksbeschwerden nicht gehindert ist, leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen ohne Überkopfarbeiten und ohne ständiges Arbeiten auf Schulterhöhe in wechselnder bzw. überwiegend sitzender Körperhaltungen sechs Stunden täglich zu verrichten.
Nach alledem waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Das stattgebende Urteil des SG war deswegen aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1961 geborene Kläger hat keinen Beruf erlernt. Vom 02.08.1976 bis 07.10.2008, dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit, war der Kläger als angelernter Galvaniseur beschäftigt. Vom 18.11.2008 bis 26.11.2009 bezog er Krankengeld einschließlich Übergangsgeld, vom 27.11.2009 bis 26.11.2010 Arbeitslosengeld (Alg) I und vom 01.02.2011 bis 01.03.2012 (der Abmeldung) Alg II. Er ist zwei Stunden täglich als Zeitungsausträger tätig; seit 01.06.2011 dabei rentenversichert.
Am 08.10.2008 wurde der Kläger an der linken Schulter operiert (Rekonstruktion der Supraspinatussehne). Die rechte Schulter war im Jahr 1999 und 2007 operativ behandelt worden. Beim Kläger ist ein Grad der Behinderung (GdB) vom 80 und das Merkzeichen RF seit 20.11.2009 anerkannt.
Vom 02.12.2008 bis 30.12.2008 absolvierte der Kläger ein Heilverfahren in der Rehaklinik S ... Die dortigen Ärzte entließen ihn als arbeitsunfähig und führten aus, als Galvaniseur (mit ständigem Stehen und viel Überkopfarbeiten, schwere Hebe- und Tragebelastungen) sei der Kläger nur noch unter drei Stunden täglich einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten, ohne ständiges Arbeiten auf Schulterhöhe, ohne Schub- und Zugbelastung, ohne schweres Heben und Tragen sowie ohne größere Anforderungen an die Hörfähigkeit könne der Kläger sechs Stunden und mehr verrichten.
Am 19.07.2010 beantragte der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog ein auf Veranlassung der Agentur für Arbeit erstattetes Gutachten von Dr. N. vom 30.11.2009 (Minderbelastbarkeit des linken Schulter-Arm-Systems, Hörminderung, volle Leistungsfähigkeit), den Entlassungsbericht der Rehaklinik S. vom 09.01.2009 sowie den Befundbericht des Orthopäden Dr. K. vom 08.12.2009 nebst Arztbriefen bei und ließ diese Unterlagen durch den Chirurgen Dr. S. auswerten, der leichte bis mittelschwere Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen täglich sechs Stunden und mehr für zumutbar hielt.
Mit Bescheid vom 03.08.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung von Rente ab, da der Kläger trotz seiner Krankheiten und Behinderungen (Belastungsminderung beider Schultergelenke nach Rotatorenmanschettenrekonstruktion, mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit) noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein könne. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2010 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 20.12.2010 Klage zum Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiter verfolgt. Zur Begründung hat er vorgetragen, es sei nicht berücksichtigt worden, dass er unter einer hochgradigen, an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit leide, weswegen viele Tätigkeiten nicht in Betracht kämen. Wegen der Schultergelenksproblematik könne er seine Arme praktisch nicht mehr zum Arbeiten benutzen. Überkopfarbeiten und ein Heben der Arme auf Schulterhöhe sei nicht mehr möglich. Von Seiten der Schultergelenke habe er permanente Schmerzen und keine Kraft.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die HNO-Ärztin Dr. medic/IM T. C. hat unter dem 21.03.2011 und 05.10.2011 erklärt, beim Kläger liege eine an Taubheit grenzende Schallleitungsschwerhörigkeit beidseits vor. Er sei nicht in der Lage, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Maßgeblich hierfür seien die hochgradige Schwerhörigkeit und ein Zustand nach vierfacher Schulteroperation. Das Hauptleiden liege auf orthopädischem Gebiet. Mit den am 30.07.2001 verordneten Hörgeräten sei die Kommunikation mit anderen Personen deutlich eingeschränkt. Die sehr teuren neuen Hörgeräte, die eine bessere Qualität als die alten aufwiesen, könne sich der Kläger nicht leisten. Deswegen seien Tätigkeiten als Museumswärter, Parkraumaufsicht und Kassierer nicht möglich.
Der Orthopäde Dr. K. habe unter dem 14.04.2011 ausgeführt, eine körperlich leichte Tätigkeit könne der Kläger sechs Stunden täglich verrichten.
Die Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Z. hat unter dem 14.06.2011 und 04.11.2011 ausgeführt, unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen sei ein zumindest sechsstündiges Leistungsvermögen des Klägers gegeben.
Mit Urteil vom 12.01.2012 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.08.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2010 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 30.06.2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger sei voll erwerbsgemindert, da er aufgrund seiner Erkrankungen auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbsfähig zu sein. Die Leistungseinschränkungen bedingten für sich genommen zwar lediglich Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens des Klägers, führten in ihrer Summierung jedoch zur Aufhebung des quantitativen Leistungsvermögens. Dem Kläger sei demnach der allgemeine Arbeitsmarkt verschlossen. Die Rente sei auf Zeit zu gewähren. Eine Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit des Klägers sei durch adäquate Hörgeräteversorgung möglich. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das ihr am 30.01.2012 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20.02.2012 Berufung eingelegt und vorgetragen, der Auffassung des SG vermöge sie sich nicht anzuschließen. Was die Schwerhörigkeit des Klägers betreffe, die im Übrigen seit Jahrzehnten bestehe, sei zu beachten, dass zum Ausgleich von Hörbehinderungen die Krankenkassen grundsätzlich für diese Versorgung mit solchen Hörgeräten aufzukommen hätten, die nach dem Stand der Medizintechnik die bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder erlaubten. Demzufolge begrenze der für ein Hilfsmittel festgesetzte Betrag die Leistungspflicht der Krankenkassen dann nicht, wenn er für den Ausgleich der konkret vorliegenden Behinderung objektiv nicht ausreiche. Im Übrigen sei Schwerhörigkeit allein nicht als schwere spezifische Leistungseinschränkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts anzusehen. Aus orthopädischer Sicht sei der Kläger in der Lage, leichte Arbeiten zu verrichten, wobei Arbeiten in Armvorhalte für den linken Arm, Arbeiten über der Horizontalen für beide Arme und Überkopfarbeiten auszuschließen seien. Es handle sich um keine ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen, sodass auch nicht die Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bestehe. Ungeachtet dessen sei dem Kläger das Verpacken, Prüfen oder Montieren von leichten Industrie- und Handelsprodukten zumutbar. Darüber hinaus kämen auch Sortier-, Klebe-, Abnehm-, Zureich- und Ettikettierarbeiten in Frage.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 12. Januar 2012 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erwidert, zutreffend gehe das SG davon aus, dass er voll erwerbsgemindert sei, da er aufgrund seiner Erkrankungen auf nicht absehbare Zeit außerstande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten. Die AOK habe mit Bescheid vom 23.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.2012 die Kostenübernahme von Hörgeräten über den Festbetrag hinaus abgelehnt.
In den angefochtenen Bescheiden hat die AOK ausgeführt, die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vom 29.6.2012 habe ergeben, dass beim Kläger lediglich eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit (Hörverlust 60 dB auf dem besseren Ohr) vorliege. Eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit liege nicht vor. Es könne davon ausgegangen werden, dass bei engagierten Anpassbemühungen eine adäquate Versorgung im Rahmen der regulären Festbeträge erfolgen könne.
Im Erörterungstermin vom 18.12.2012 ist dem Kläger eine Kopie des Urteils des Senats vom 31.01.2012 - L 9 R 5729/08 - ausgehändigt worden.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Der Kläger ist, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats nicht erwerbsgemindert.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen, dem Entlassungsbericht der Rehaklinik S. vom 09.01.2009, dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten des Dr. N. vom 30.11.2009, der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. K. vom 14.04.2011 (nebst Befundbericht vom 08.12.2009), der sachverständigen Zeugenaussagen der HNO-Ärztin Dr. C. vom 21.03.2011 und 05.10.2011 sowie der beratungsärztlichen Stellungnahmen des Chirurgen Dr. S. vom 30.7.2010 und der Ärztin für Chirurgie und Sozialmedizin Z. vom 14.06.2011 und 04.11.2011.
Beim Kläger liegen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem und HNO-ärztlichem Gebiet vor. Hierbei handelt es sich im Wesentlichen um eine Schulterteilsteife links bei Zustand nach operativ versorgter Rotatorenmanschettenruptur 10/08 und Acromioplastik 1995, eine chronische Periarthritis humeroscapularis rechts bei Zustand nach operativ versorgter Rotatorenmanschettenruptur rechts 1/08 und Acromioplastik 1999 mit lediglich endgradiger Bewegungseinschränkung, ein chronisch degeneratives Halswirbelsäulen-Syndrom (HWS-Syndrom) und eine Schwerhörigkeit beidseits, die durch Hörgeräte beidseits teilweise ausgeglichen ist.
Diese Gesundheitsstörungen führen zu qualitativen Leistungseinschränkungen, hindern den Kläger jedoch nicht daran, körperlich leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der übereinstimmenden Beurteilungen der Ärzte der Rehaklinik S. im Entlassungsbericht vom 09.01.2009, des Dr. N. im Gutachten vom 30.11.2009, des Orthopäden des Dr. K. in der sachverständigen Zeugenaussage vom 14.04.2011 sowie der Beratungsärzte der Beklagten, des Chirurgen Dr. S. und der Ärztin für Sozialmedizin Z., deren Beurteilungen als qualifizierter Beteiligtenvortrag verwertet werden.
Wegen der Schultergelenksbeschwerden links kann der Kläger keine schweren Tätigkeiten sowie keine Tätigkeiten mit Überkopfarbeiten und ständigen Arbeiten auf Schulterhöhe mehr verrichten. Wegen der Schwerhörigkeit scheiden Tätigkeiten aus, die größere Anforderungen an das Hörvermögen stellen. Damit ist der Kläger jedoch nicht gehindert, körperlich leichte Tätigkeiten (z. B. leichte Verpackungs-, Sortier- und Montierarbeiten) zu verrichten, zumal eine belangvolle Einschränkung der Hände nicht vorliegt. Auch wenn beim Kläger eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit vorliegen sollte, wäre er nicht gehindert, derartige Tätigkeiten auszuüben. Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob das Hörvermögen des Klägers derart gravierend eingeschränkt ist, zumal die Krankenkasse nach Begutachtung durch den MDK eine Kostenübernahme für teurere Hörgeräte mit der Begründung abgelehnt hat, beim Kläger liege lediglich eine mittelgradige Innenohrschwerhörigkeit (Hörverlust 60 dB am besseren Ohr) vor und im Erörterungstermin eine Verständigung mit dem Kläger unproblematisch möglich war. Darüber hinaus war der Kläger bis zum Auftreten der Einschränkungen auf orthopädischem Gebiet im Oktober 2008 nicht gehindert, trotz seiner Schwerhörigkeit berufstätig zu sein. Seit Mai 2004 ist zwar nach den Messungen der HNO-Ärztin Dr. C. im März 2011 eine leichte Verschlechterung links um 3 % eingetreten; diese dürfte jedoch keine wesentlichen Auswirkungen haben.
Soweit Dr. C. ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen damit begründet, dass es für den Kläger schwierig sei, andere Personen zu verstehen und deswegen Tätigkeiten als Museumswärter, Parkraumaufsicht und Kassierer nicht möglich seien, berücksichtigt sie nicht, dass es zahlreiche Tätigkeiten (z. B. Sortier-, Verpackungs- und Montierarbeiten) gibt, bei denen eine Kommunikation nicht im Vordergrund steht. Angesichts dessen vermag sich der Senat der Beurteilung von Dr. Curca nicht anzuschließen.
Eine Erwerbsminderung liegt bei dem sechs Stunden täglich leistungsfähigen Kläger auch nicht wegen einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes vor.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt Erwerbsunfähigkeit (jetzt: volle Erwerbsminderung) auch dann vor, wenn der Arbeitsmarkt verschlossen ist. Begründet wird dies damit, dass die Anweisung des Gesetzgebers, die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen, es nicht ausschließe, weiterhin Personen für erwerbsunfähig (jetzt: voll erwerbsgemindert) zu halten, die aus gesundheitlichen Gründen unter den betriebsüblichen Bedingungen nicht arbeiten können oder nur für Tätigkeiten in Betracht kommen, die ihrer Art nach nur selten in der Arbeitswelt vorkommen. Denn ihre Unfähigkeit, durch Arbeit Erwerb zu erzielen, beruht nicht auf der Schwankungen unterworfenen jeweiligen Lage des Arbeitsmarktes, sondern auf dem praktisch gänzlichen Fehlen entsprechender Arbeitsplätze in der Berufswelt bzw. einer nur theoretischen Möglichkeit, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungseinschränkung kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für an sich mögliche - zeitlich nicht eingeschränkte - Tätigkeiten eine ausreichende Zahl von Arbeitsplätzen gibt. In diesen Fällen sind konkrete Verweisungstätigkeiten zu benennen. Der 4. und 5. Senat des BSG (SozR 2200 § 1246 Nrn. 137 und 139) haben hierfür einen Katalog mit insgesamt sieben Fallgruppen erstellt:
1. Tätigkeiten, die nur unter nicht betriebsüblichen Arbeitsbedingungen ausgeübt werden können 2. Arbeitsplätze, die der Versicherte aus gesundheitlichen Gründen nicht von der Wohnung aus aufsuchen kann 3. Tätigkeiten, bei denen die Zahl der in Betracht kommenden Stellen dadurch nicht unerheblich reduziert ist, dass der Versicherte nur in Teilbereichen des Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann 4. Tätigkeiten, bei denen es sich um typische "Schonarbeitsplätze" handelt, die regelmäßig leistungsgeminderten Angehörigen des eigenen Betriebes vorbehalten bleiben und somit als Eingangsstelle für Betriebsfremde außer Betracht bleiben 5. Tätigkeiten, die auf einem Arbeitsplatz ausgeführt werden, der als Einstiegsstelle für Berufsfremde nicht zur Verfügung steht 6. Arbeitsplätze, die lediglich an bewährte Mitarbeiter als Aufstiegspositionen durch Beförderung oder Höherstufung vergeben werden 7. Fälle besonderer Art, in denen es naheliegt, dass der Arbeitsplatz trotz einer tariflichen Erfassung nur in ganz geringer Zahl vorkommt.
Der Senat vermag unter Berücksichtigung dieser Kriterien hier nicht festzustellen, dass es für den Kläger - insbesondere unter Berücksichtigung seines Gehörschadens - keine ausreichende Zahl an Arbeitsplätzen gibt. Der Kläger kann zur Überzeugung des Senats noch unter betriebsüblichen Bedingungen arbeiten.
Die auf HNO-ärztlichem und orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen stehen einer beruflichen Tätigkeit nicht entgegen. Die Schwerhörigkeit, die schon seit Jahren besteht (wohl seit 1985), stellt keine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Zwar scheiden dadurch Tätigkeiten aus, die gesteigerte Anforderungen an die Kommunikationsfähigkeit stellen und ein intaktes Hörvermögen bei gefahrgeneigten Arbeiten erfordern. Mit dem Restleistungsvermögen des Klägers sind jedoch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Anforderungen an die Kommunikation und ohne gefahrgeneigte Situationen wie z. B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren sowie Verpacken und Zusammensetzen von Teilen, also einfache ungelernte Tätigkeiten, noch möglich. Ein Katalogfall im o. g. Sinne liegt im Hinblick auf die Hörstörung des Klägers nicht vor (so schon Urteil des Senats vom 31.01.2012 - L 9 R 5729/09 - m.w.N.). Der Kläger ist mit Hörgeräten versorgt und war damit auch in der Lage, bis Oktober 2008 einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Die dann eingetretene Arbeitsunfähigkeit beruhte auch nicht auf der Schwerhörigkeit, sondern darauf, dass der Kläger wegen der Schulterbeschwerden links nicht mehr in der Lage war, seine schwere Tätigkeit als Galvaniseur mit Überkopfarbeiten zu verrichten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Kläger auch leichte körperliche Tätigkeiten ohne Überkopfarbeiten nicht mehr ausüben kann. Auch der Umstand, dass der Kläger noch täglich zwei Stunden Zeitungen austrägt bzw. mit dem Fahrrad - auch bei ungünstigen Witterungsbedingungen - ausfährt, spricht dafür, dass der Kläger wegen der Schultergelenksbeschwerden nicht gehindert ist, leichte Tätigkeiten in geschlossenen Räumen ohne Überkopfarbeiten und ohne ständiges Arbeiten auf Schulterhöhe in wechselnder bzw. überwiegend sitzender Körperhaltungen sechs Stunden täglich zu verrichten.
Nach alledem waren die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden. Das stattgebende Urteil des SG war deswegen aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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