L 8 U 1394/13 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 3470/12 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1394/13 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 26.02.2013 - S 3 U 3470/12 ER - wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (ASt) wendet sich mit der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe (SG), das seinen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt hat. Der ASt hatte im Wege der einstweiligen Anordnung eine Reha-Behandlung und die Bereitstellung einer Haushaltshilfe begehrt.

Der ASt hatte am 24.01.2012 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem er sich eine Oberschenkelmehrfragmentfraktur rechts zuzog. Er wurde vom 24.01.2012 bis 06.02.2012 stationär im Krankenhaus L. behandelt. Anschließend erfolgte eine ambulante Behandlung.

Die Beklagte gewährt Heilbehandlung und zahlt Verletztengeld. Aufgrund der Untersuchung des ASt am 21.09.2012 wurde bei fortbestehende Arbeitsunfähigkeit die Durchführung einer erweiterten ambulanten Physiotherapie (EAP) für 4 Wochen und danach der Beginn einer Arbeitsbelastungserprobung empfohlen (Untersuchungsbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. – BG-Klinik – vom 27.09.2012).

Im Haushalt des ASt lebt außer seiner Ehefrau auch seine am 02.04.1985 geborene Tochter, die behinderungsbedingt sich an 5 Tagen in der Woche von 8:00 Uhr bis 16:00 Uhr in einer Tagesförderstätte aufhält, ansonsten zuhause betreut wird.

Am 10.04.2012 bescheinigte PD Dr. M. die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe für 3 Stunden täglich. Im Zwischenbericht vom 14.05.2012 wurde von PD Dr. M. die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe bis 11.05.2012 angegeben.

Mit Bescheid vom 31.05.2012 wurde die Gewährung einer Haushaltshilfe abgelehnt. Entsprechend den Angaben des ASt sei die behinderte Tochter den größten Teil in einer Förderstätte und die häusliche Betreuung sei bisher schon von der Ehefrau und auch von weiteren Familienangehörigen geleistet worden. Der hiergegen eingelegte, nicht näher begründete Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28.08.2012 zurückgewiesen.

Hiergegen erhob der ASt am 12.09.2012 Klage vor dem SG.

Am 21.09.2012 beantragte er den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Bewilligung einer Haushaltshilfe und zur Bewilligung einer Reha-Behandlung. Vorgelegt wurde die mit eidesstattliche Versicherung überschriebene Erklärung des ASt und seiner Ehefrau vom 24.10.2012, wonach der ASt nach seiner stationären Behandlung ca. 2 Monate im Rollstuhl gesessen habe. Er habe sich in dieser Zeit auch nicht um die behinderte Tochter kümmern können. Nunmehr könne er an Krücken gehen, doch der verletzte Fuß schwelle während des Tages an. Er müsse auch abends ausgezogen und zu Bett gebracht werden. Auch jetzt sei eine Pflege der schwer behinderten Tochter nicht denkbar. Die beiden Nichten sowie der Neffe der Ehefrau seien während der Tätigkeit der Ehefrau, die als Aushilfe auf 400 EUR Basis arbeite, eingesprungen.

Die Antragsgegnerin verwies darauf, dass einer 4-wöchigen EAP-Maßnahme zugestimmt und diese genehmigt worden sei. Vergleichsweise wurde angeboten, eine Haushaltshilfe für die Dauer von 2 Monaten ab 24.01.2012 für 2 Stunden täglich zum maßgeblichen Stundensatz von 8,25 EUR zu bewilligen. Dies entspreche dem vom ASt unter dem 15.10.2012 angegebenen Betreuungsaufwand vor dem Unfall.

Der ASt nahm das Vergleichsangebot nicht an. Mit Beschluss vom 26.02.2013 lehnte das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung ab. PD Dr. M. habe im Bericht vom 14.05.2012 die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe nur bis 11.05.2012 bejaht. Es sei eine Befundverbesserung eingetreten. Eine Gewährung von Leistungen für den Zeitraum vor dem Antrag auf Erlass einer einstweiliger Anordnung könne nur bei einem so genannten Nachholbedarf in Betracht kommen, der vorliegend weder glaubhaft gemacht noch ersichtlich sei.

Der ASt hat am 18.03.2013 beim SG Beschwerde eingelegt und verweist ohne konkrete Antragstellung zur Begründung auf die dem SG bereits vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom 24.10.2012.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie macht geltend, eine Notwendigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sei nicht zu erkennen. Die Anordnung hinsichtlich Gewährung weiterer Heilbehandlungsmaßnahmen sei nicht mehr thematisiert worden und auch nicht angezeigt. Auf den beigefügten Bericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik vom 20.02.2013 werde verwiesen.

II.

Die Beschwerde des ASt ist statthaft. Ausschlussgründe nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des ASt vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bereits bestehenden Rechtszustands geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht.

Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung). Besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens ergeben sich aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG), wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (BVerfG 12.05.2005 NVwZ 2005, 927, 928).

Diese bereits im angefochtenen Beschluss dargelegten Vorschriften und Rechtsgrundsätze hat das SG rechtlich zutreffend angewendet, weshalb der Senat nach eigener Überprüfung auf die Gründe des Beschlusses vom 26.02.2013 Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die mit der Antragsschrift vom 13.09.2012 begehrte Regelungsanordnung zu einer Reha-Behandlung im Gesundheitsstudio W. in P. nicht Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist. Das SG hat den Erlass einer einstweiligen Anordnung insgesamt abgelehnt, jedoch in den Entscheidungsgründen nur Ausführungen zum Antrag auf Bereitstellung einer Haushaltshilfe gemacht. Mit der Beschwerde ist aber nicht ausdrücklich gerügt worden, dass das SG über diesen Antrag nicht entschieden habe. Ein konkreter Antrag ist im Beschwerdeverfahren nicht gestellt. Vielmehr ist der beigezogenen Akte zu entnehmen, dass am 28.09.2012 eine EAP-Maßnahme entsprechend der Empfehlung von PD Dr. M. zur Durchführung im Gesundheitszentrum W.-R. in P. genehmigt wurde, was in der Antragserwiderung der Beschwerdegegnerin auch vorgetragen worden war. Verfahrensbeendende Prozesserklärungen (Antragsrücknahme oder Erledigungserklärung) sind nicht erfolgt. Ebenso wenig enthält das Beschwerdevorbringen aber Ausführungen darüber, dass die Notwendigkeit einer Reha-Behandlung fortbesteht. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass damit der Eilantrag des Antragstellers sich erledigt hat und dass mit der Beschwerde dieser Antrag nicht weiter verfolgt wird.

Soweit mit dem Beschwerdevorbringen weiter die Bereitstellung einer Haushaltshilfe im Wege der einstweiligen Anordnung begehrt wird, ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des SG darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit einer Haushaltshilfe in der Vergangenheit den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zu begründen vermag. Die vorgelegte Erklärung des Ast und seiner Ehefrau vom 24.10.2012 enthält keine Ausführungen zur fortbestehenden Dringlichkeit der begehrten Regelungsanordnung auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats. Vielmehr ergibt sich aus dem vorgelegten Befundbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. vom 20.02.2013, dass die Mehrfragmentfraktur am rechten Oberschenkel knöchern konsolidiert ist. Bei der Untersuchung des Antragstellers am 13.02.2013 zeigten sich reizlose Weichteilverhältnisse bei intakter Durchblutung, Motorik und Sensibilität. Die Beweglichkeit der rechten Hüfte und des rechten Kniegelenks war frei. Bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit wurde eine Arbeits-Belastungs-Erprobung über 4 Wochen eingeleitet. Es ist nicht ersichtlich, dass durch die unfallbedingten Funktionsbeeinträchtigungen auch noch im April 2013 die üblichen häuslichen Arbeiten des ASt in dem vor dem Unfall üblichen Umfang nicht möglich ist. Außerdem ergibt sich aus dem Vorbringen des Ast, dass Verwandten der Ehefrau zur Betreuung der behinderten Tochter zur Verfügung stehen. Dass dies ab April 2013 nicht mehr der Fall ist, wird nicht behauptet. Außerdem ist nicht erkennbar, dass die im zeitlichen und qualitativen Umfang der ersten Belastungsstufe einer Belastungserprobung entsprechenden vergleichbaren Arbeiten im Haushalt wegen unfallbedingter Funktionseinschränkungen nicht durchgeführt werden können bzw. die darüber hinausgehenden einzelnen, schwereren Verrichtungen durch zeitliche und personale Einteilung auch nicht vorübergehend durch andere Familienmitglieder wahrgenommen werden können.

Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob sich der Anordnungsanspruch aus §§ 39 Abs. 1 Nr. 2, 42 SGB VII (Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft und ergänzende Leistungen) in Verbindung mit § 54 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX ergibt, der Haushaltshilfe nach SGB IX grundsätzlich nur für Haushalte mit Kindern bis 12 Jahren oder für behinderte und der Hilfe bedürftige Kinder, d.h. nicht für Erwachsene, gewährt. Erwachsene Kinder des Versicherten sind nach Überzeugung des Senats davon grundsätzlich nicht erfasst, denn Kind als Verwandtschaftsbeziehung ist in § 54 SGB IX nicht gemeint, da der Anspruch auf Haushaltshilfe gerade auch dann entsteht, wenn das vor dem Unfall im Haushalt lebende Kind kein Abkömmling des Versicherten ist, eine Angehörigenbeziehung ist ohne Bedeutung (BSG SozR 3-2200 § 569a Nr. 1). Das Tatbestandsmerkmal "Kind" ist deshalb die Kennzeichnung einer Altersbegrenzung. Es kann dahinstehen, ob im Rahmen des Härteausgleichs nach § 39 Abs. 2 SGB VII vergleichbare Leistungen beansprucht werden können, wenn die Betreuung eines im Haushalt des Versicherten lebenden, erwachsenen Behinderten ermöglicht werden muss.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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