L 2 SO 2048/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SO 4552/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SO 2048/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Januar 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten steht die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 30. Juni 2003 und vom 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2004 sowie nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2006 sowie die Erstattung von Leistungen in Höhe von insgesamt 9.663,83 EUR im Streit.

Die 1937 geborene Klägerin und ihr 1942 geborener Ehemann sind türkische Staatsangehörige mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland. Am 13. Januar 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bewilligung von Grundsicherungsleistungen. Sie erklärte hierbei, über keine Vermögenswerte, insbesondere nicht über Hauseigentum oder sonstigen Grundbesitz zu verfügen, das Antragsformular wahrheitsgemäß ausgefüllt zu haben, Änderungen insbesondere der Vermögensverhältnisse unverzüglich und unaufgefordert mitzuteilen, und bestätigte dies mit ihrer Unterschrift. Mit Bescheiden vom 17. Februar 2003 und 6. März 2003 bewilligte die Beklagte der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. März 2003 monatliche Grundsicherungsleistungen in Höhe von 247,86 EUR und für die Zeit vom 1. April 2003 bis 30. Juni 2003 in Höhe von 101,86 EUR.

Am 4. Dezember 2003 beantragte die Klägerin erneut die Gewährung von Grundsicherungsleistungen und erklärte hierbei wiederum, weder über Hauseigentum noch über sonstigen Grundbesitz zu verfügen, bestätigte die Richtigkeit der von ihr gemachten Angaben durch ihre Unterschrift und erklärte außerdem, etwaige Änderungen in den Vermögensverhältnissen unverzüglich und unaufgefordert mitzuteilen. Mit Bescheiden vom 16. Dezember 2003, 9. Februar 2004 und 11. Mai 2004 bewilligte die Beklagte der Klägerin sodann für die Zeit vom 1. Dezember 2003 bis 31. Januar 2004 monatliche Grundsicherungsleistungen in Höhe von 119,27 EUR, für die Zeit vom 1. Februar 2004 bis 30. April 2004 in Höhe von 139,79 EUR und für die Zeit vom 1. Mai 2004 bis 30. Juni 2004 in Höhe von 290,69 EUR.

Im Weiterbewilligungsantrag vom 20. Juni 2004 erklärte die Klägerin erneut, über kein Vermögen zu verfügen, bestätigte auch hier die Richtigkeit ihrer Angaben durch ihre Unterschrift und erklärte, dass sie der Beklagten etwaige Änderungen in den Vermögensverhältnissen unverzüglich und unaufgefordert mitteilen werde. Im Folgenden bewilligte die Beklagte mit Bescheiden vom 21. Juni 2004 und 30. Juli 2004 der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2004 bis 31. August 2004 monatliche Grundsicherungsleistungen in Höhe von 290,69 EUR und für die Zeit vom 1. September 2004 bis 31. Dezember 2004 in Höhe von 150,69 EUR. Mit weiteren Bescheiden vom 19. Januar 2005, 8. Juni 2005 und 17. Juni 2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. Mai 2005 in Höhe von monatlich 265,27 EUR, für Juni 2005 265,27 EUR zuzüglich einer Nachzahlung in Höhe von 51,13 EUR und für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2006 in Höhe von 397,12 EUR.

Im Folgeantrag vom 5. Juni 2005 erklärte die Klägerin, dass sich gegenüber dem letzten Antrag keine Änderungen ergeben hätten. Sie bestätigte erneut die Richtigkeit ihrer Angaben durch ihre Unterschrift und erklärte, etwaige Änderungen in den Vermögensverhältnissen unverzüglich und unaufgefordert mitzuteilen. Mit Bescheiden vom 8. Juni 2005, 17. Juni 2005, 16. November 2005 und 8. Juni 2006 bewilligte die Beklagte der Klägerin Grundsicherungsleistungen in Höhe von 397,12 EUR für die Zeit von 1. Juli 2005 bis 30. November 2005, in Höhe von 381,22 EUR für die Zeit vom 1. Dezember 2005 bis 30. April 2006 und in Höhe von 457,43 EUR für die Zeit vom 1. Mai 2006 bis 30. Juni 2006.

Im Folgeantrag vom 14. Mai 2006 erklärte die Klägerin erneut, dass sich gegenüber dem letzten Antrag keine Änderungen ergeben hätten und bestätigte ebenso wieder die Richtigkeit der von ihr gemachten Angaben durch ihre Unterschrift und erklärte außerdem, dass sie der Beklagten etwaige Änderungen in den Vermögensverhältnissen unverzüglich und unaufgefordert mittteilen werde. Die Beklagte bewilligte sodann mit Bescheid vom 8. Juni 2006 der Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 2006 bis 30. Juni 2007 Grundsicherungsleistungen in Höhe von 355,17 EUR pro Monat.

In allen Bewilligungsbescheiden war die Klägerin auf ihre gesetzliche Pflicht hingewiesen worden, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Sozialhilfeleistungen erheblich seien oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden seien, unverzüglich mitzuteilen.

Am 7. Dezember 2006 teilte der Ehemann der Klägerin der Beklagten mit, in der Zeit vom 9. Juni 2006 bis 6. Dezember 2006 wie jedes Jahr vier bis fünf Monate Urlaub in der Türkei gemacht zu haben. Mit Anhörungsschreiben vom 8. Dezember 2006 setzte die Beklagte die Klägerin über ihre Absicht in Kenntnis, die Grundsicherungsbescheide für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. August 2006 für die Zeiten der Abwesenheit im Ausland aufzuheben. Am 13. Dezember 2006 erklärte die Klägerin, sie habe in der Urlaubszeit mit ihrem Ehemann in einer Wohnung in Istanbul gelebt, die ihr gehöre.

Mit Bescheid vom 7. Mai 2007 hob die Beklagte die Bescheide vom 17. Februar 2003, 16. Dezember 2003, 9. Februar 2004, 11. Mai 2004, 21. Juni 2004 und 30. Juli 2004 für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis 30. Juni 2003 und vom 1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2004 sowie die Bescheide vom 19. Januar 2005, 8. Juni 2005, 17. Juni 2005, 16. November 2005 und 8. Juni 2006 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 31. August 2006 vollständig auf und machte gegen die Klägerin einen Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 9.724,96 EUR geltend. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin habe vorsätzlich nicht mitgeteilt, über verwertbares, im Ausland belegenes Grundvermögen zu verfügen. Da dessen Wert die Vermögensfreigrenze überschreite, habe von Anfang an keine Hilfebedürftigkeit vorgelegen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch mit der Begründung, dass sie keine vorsätzlich falschen Angaben gemacht habe, da sie der deutschen Sprache kaum mächtig sei und den Sinn der Frage nicht verstanden habe. Im Übrigen sei die Wohnung in Istanbul wegen ihres schlechten baulichen Zustandes und diverser Mängel und Schäden praktisch nicht veräußerbar und besitze keinen das Schonvermögen übersteigenden Verkehrswert. Die Klägerin legte ferner ein unter dem Datum 30. April 2008 vom Vorsteher des Stadtteils Ö. aufgenommenes Protokoll vor, wonach das im Jahr 1972 bebaute Anwesen Ö. Mahallesi G-40 Sokak Nr. 11 einen Anschaffungswert von 10.000 Neue Türkische Lire (etwa 4.983,- EUR, Stand 30. April 2008) habe, und führte ergänzend aus, dass das Gebäude durch ein Erdbeben im Jahre 1997 erheblich beschädigt und bislang nicht saniert worden sei. Mit Schreiben vom 27. April 2009 teilte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in Istanbul mit, dass der Wert des Gebäudes nach Auskunft des Grundbuchamtes 46.000 Türkische Lira (etwa 23.000,- EUR) und nach Auskunft eines Immobilienmaklers 210.000 Türkische Lira (etwa 105.000,- EUR) betrage.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juni 2009 wies die Beklagte daraufhin den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, die Rücknahme der Bescheide über Leistungen nach dem GSiG vom 17. Februar 2003, 6. März 2003, 16. Dezember 2003, 9. Februar 2004, 11. Mai 2004, 21. Juni 204 und 30. Juli 2004 stütze sich auf § 48 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz für Baden-Württemberg (LVwVfG), die Rücknahme der Leistungsbescheide nach dem SGB XII vom 19. Januar 2005, 8. Juni 2005, 17. Juni 2005, 16. November 2005 und 8. Juni 2006 auf § 45 Abs. 1, Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren - (SGB X). Das in der Türkei belegene Grundstück sei verwertbar, da es marktgängig sei und von der Klägerin nicht bewohnt werde. Diese habe ihren ständigen Wohnsitz in Stuttgart. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin nicht berufen, da sie jedenfalls grob fahrlässig keine vollständigen und richtigen Angaben zu ihrem in der Türkei belegen Vermögen gemacht habe. Die Kenntnis dieser Pflicht habe die Klägerin durch ihre Unterschrift auf den jeweiligen Leistungsanträgen ausdrücklich bestätigt. Grobe Fahrlässigkeit sei einem Ausländer regelmäßig auch dann vorzuwerfen, wenn er sich in Kenntnis seiner sprachlichen Verständigungs- und Leseschwierigkeiten nicht um ausreichende Hilfe durch andere Personen bemüht habe, um den Inhalt rechtserheblicher Bescheide und Erklärungen oder Hinweise umfassend zur Kenntnis zu nehmen. Bei der Ausübung des Rücknahmeermessens sei insbesondere berücksichtigt worden, dass der Beklagten ohne Kenntnis des im Ausland belegenen Vermögens keine darlehensweise Hilfegewährung möglich gewesen und daher rechtswidrig nicht rückzahlbare Beihilfe in Höhe von insgesamt 9.663,83 EUR bewilligt worden sei. Die Klägerin habe in Stuttgart über hinreichende Möglichkeiten verfügt, sich in ausreichender Weise über den Inhalt rechtserheblicher Erklärungen und Schriftstücke zu informieren. Da auch keine besonderen Gründe erkennbar seien, die einer Aufhebung der Bescheide entgegenstünden, sei die Rücknahme dieser Bescheide im Interesse einer sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel sowie im Interesse der Rechtsstaatlichkeit geboten und seien daher insgesamt 9.663,83 EUR zu erstatten.

Hiergegen hat die Klägerin am 3. Juli 2009 vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie geltend gemacht, die Rücknahme sei rechtwidrig, sie sei kaum der deutschen Sprache mächtig und bedürfe beim Ausfüllen der Antragsformulare besonderer Erläuterungen. Ihr sei nie mitgeteilt worden, dass auch im Ausland belegenes Grundvermögen anzugeben sei. Außerdem verfüge das Grundstück über keinen nennenswerten Verkehrswert und sei wegen seines schlechten Zustandes praktisch nicht veräußerbar. Die Wohnung liege in einem Armenviertel und sei lediglich etwa 4.000,- EUR wert. Dieser Wert stehe in keinem Verhältnis zu dem doppelt so hohen Rückforderungsanspruch der Beklagten. In dem Zusammenhang hat die Klägerin einen unter dem Datum des 14. Juli 2009 verfassten Bericht des Vorstehers des Stadtviertels Ö. Mahallesi vorgelegt, wonach das auf den Namen der Klägerin ins Grundbuch eingetragene Haus etwa 4.850,- EUR wert sei, da es alt sei und nur aus einem Stockwerk bestehe.

Das SG hat bei dem staatlich anerkannten und allgemein vereidigten Gutachter Metin K. ein Wertgutachten zu der Immobilie der Klägerin vom 5. Oktober 2010 eingeholt. Danach hat die Immobilie der Klägerin auf Grundlage der im Grundbuch eingetragenen Daten, der Lage des Anwesens, der baulichen Eigenschaften des Gebäudes und des derzeitigen Bebauungsstatus einen aktuellen Verkehrswert von 123.987 Türkische Lira (etwa 62.611,- EUR) gehabt.

Mit Urteil vom 11. Januar 2011 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass die Rücknahme der Bewilligungs- und Änderungsbescheide letztlich zu Recht erfolgt sei. So sei die Rücknahme der Bescheide schon formell rechtmäßig erfolgt. Die im Verwaltungsverfahren unterbliebene Anhörung der Klägerin sei wirksam im Widerspruchsverfahren nachgeholt worden. Auch materiell-rechtlich sei die erfolgte Aufhebung der Bewilligungs- und Änderungsbescheide nicht zu beanstanden, weder hinsichtlich der Rücknahme der Verwaltungsakte über Leistungen nach dem GSiG noch im Hinblick auf die Rücknahme von Verwaltungsakten über die Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bescheide über die Bewilligung von Leistungen nach dem GSiG sei § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG gewesen. Die danach maßgeblichen Voraussetzungen seien erfüllt gewesen, die streitigen Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide seien von Anfang an rechtswidrig gewesen, da die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen sei. Unter Beachtung der nach § 3 Abs. 2 GSiG für den Einsatz von Einkommen und Vermögen geltenden §§ 76 bis 88 des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) sei das gesamte verwertbare Vermögen zu berücksichtigen (§ 88 Abs. 1 BSHG), wozu auch das in der türkischen Stadt Istanbul-Atasehir gelegene, im Eigentum der Klägerin stehende, mit einem etwa 85 m2 großen einstöckigen Haus bebaute, dinglich nicht belastete, 264 m2 große Grundstück in der Straße G-40 Nihavent Sokak Nr. 11 zähle. Nach Überzeugung des SG betrage der Verkehrswert des der Klägerin gehörenden Grundstücks in Instanbul-Atesehir 62.611,- EUR. Das SG hat sich hierbei auf das Gutachten des Sachverständigen K. vom 5. Oktober 2010 gestützt, der den Verkehrswert auf Grundlage der Daten aus dem Grundbuch, der konkreten baulichen Eigenschaften des Gebäudes, des Umfeldes und der Lage der Immobilie und des kommunalen Bebauungsplanes schlüssig und nachvollziehbar dargelegt habe. Die Einwände der Klägerin, die Verkehrswerteinschätzung lasse etwa jeden Bezug zu den realen Marktverhältnissen vermissen, greife nicht durch. Die bei der Bewertung angewandte Vergleichsmethode stelle gerade auf den tatsächlichen Immobilienmarkt ab. Der Sachverständige habe dabei zutreffend auf Eigentumswohnungen des selben Stadtviertels mit vergleichbarer Lage, Größe, Nutzungsfunktionalität, Bauqualität und Werbungsfähigkeit abgestellt. Auch der Einwand fehlender fachlicher und persönlicher Qualifikation des Sachverständigen könne nicht durchgreifen. Dieser sei in der Türkei als Gerichtsgutachter zugelassen. Als in Deutschland und in der Türkei zugelassener Rechtsanwalt sei der Sachverständige insbesondere im Wirtschafts-, Handels- und Gesellschaftsrecht tätig und als solcher mit wirtschaftlichen Fragestellungen vertraut. Er habe auch transparent die von ihm berücksichtigten Daten dargestellt und der von ihm letztlich zugrundegelegte Gesamtpreis eines bebauten Quadratmeters sei im konkreten Fall noch am unteren Ende des ortsüblichen Vergleichswertes gelegen. Nicht hingegen überzeugen könnten die von der Klägerin vorgelegten, vom Vorsteher des Stadtteils Ö. Mahallesi auf Antrag der Klägerin erstellten Bescheinigungen vom 30. April 2008 und 14. Juli 2009. Das Protokoll vom 30. April 2008 teile einen Anschaffungswert von 10.000,- Neuen Türkischen Lira mit, was nach dem Vortrag der Klägerin etwa 4.983,38 EUR entspräche. Diese Schätzung werde jedoch mit keinem Wort begründet und sei schon deshalb für das SG nicht nachvollziehbar. Außerdem lasse der darin bestätigte Anschaffungswert der Immobilie im Jahre 1997 keine Rückschlüsse auf den maßgeblichen Verkehrswert in der Zeit des Leistungsbezuges zu. Auch die unmittelbar nach Klageerhebung ausgestellte Bescheinigung des Ortsvorstehers vom 14. Juli 2009 über einen materiellen Wert des Hauses in Höhe von 4.850,- EUR könne gleichfalls keine belastbare Grundlage einer gerichtlichen Entscheidung sein. So werde zum einen der Wert des Hauses pauschal ohne erkennbaren Rechenweg mit dessen Alter und Stockwerkzahl begründet, zum anderen ziehe das SG die Richtigkeit der Schätzung auch deshalb in Zweifel, da der Auswurf eines Betrages in Euro und nicht in der türkischen Landeswährung weitere Begründungsanforderungen an dessen Ermittlung stelle. Auch werde lediglich der Wert des Hauses bescheinigt. Maßgeblich sei jedoch das gesamte Vermögen der Klägerin, also der Gebäude- und Grundstückswert. Hierüber mache die Bescheinigung vom 14. Juli 2009 keine Angaben. Ergänzend weise das SG darauf hin, dass die Hilfebedürftigkeit der Klägerin selbst dann nicht gegeben wäre, wenn man die von ihr vorgelegten unsubstantiierten Wertbescheinigungen des Stadtteilvorstehers gleichwohl als wahr unterstellte. Denn der Freibetrag der Klägerin in Höhe von 2.915,- EUR werde selbst bei einem unterstellten Verkehrswert von 4.983,38 EUR bzw. 4.850,- EUR so deutlich überschritten, dass der festgestellte monatliche Bedarf der Klägerin hierdurch stets vollständig hätte gedeckt werden können. Im Übrigen werde auch die Behauptung der Klägerin, das Grundstück sei wegen Baufälligkeit des Hauses nicht verwertbar, durch das schriftliche Gutachten des Sachverständigen widerlegt. Die Rücknahme sei im Übrigen innerhalb der maßgeblichen Jahresfrist (§ 48 Abs. 4 Satz 1 LWvVfG) erfolgt. Das Rücknahmeermessen sei auch entsprechend dem Zweck der Ermächtigung und innerhalb der gesetzlichen Grenzen des Ermessens ausgeübt worden, Anhaltspunkte für Ermessensfehler seien nicht vorgetragen oder ersichtlich. Desweiteren sei Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Bescheide über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Auch diesbezüglich seien die maßgeblichen begünstigenden Bescheide von Anfang an rechtswidrig gewesen, da die Klägerin keinen Anspruch auf Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII gehabt habe, da sie nicht hilfebedürftig gewesen sei. Die Ausnahmevorschrift des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII sei im Übrigen auch nicht erfüllt, da das Hausgrundstück in Istanbul-Atasehir nicht von der Klägerin allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt werde und nach ihrem Tod von ihren Angehörigen bewohnt werden sollte. Schließlich sei der Einsatz und die Verwertung des Hausgrundstückes auch nicht gem. § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII ausgeschlossen, da nämlich unabhängig davon, ob man die von der Klägerin vorgelegten Wertbescheinigungen über 4.850,- EUR bzw. 4.983,38 EUR als wahr unterstelle oder vom schriftlichen Gutachten des Sachverständigen K. ausgehe, der Wert des Hausgrundstücks den Freibetrag der Klägerin so deutlich übersteige, dass ihr gesamter monatlicher Bedarf vollständig gedeckt werden könne. Auch seien keine Anhaltspunkte für einen Härtefall nach § 90 Abs. 3 SGB XII vorgetragen oder ersichtlich. Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht auf Vertrauen berufen, da die Bewilligungsentscheidungen auf Angaben beruhten, die sie vorsätzlich oder jedenfalls grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Der Einwand der Klägerin, sie sei kaum der deutschen Sprache mächtig und habe daher zum Ausfüllen der entsprechenden Fragebögen besondere Erläuterungen bedurft, greife ebenfalls nicht durch. Zwar könnten sprachliche Verständigungsschwierigkeiten unverschuldete Irrtümer hervorrufen. Jedoch sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass einem Ausländer ein Sorgfaltsverstoß anzulasten sein könne, wenn er in Kenntnis seiner Verständigungsprobleme nicht das erforderliche unternehme, um das Verständigungsproblem auszuräumen. Insbesondere habe das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) verschiedentlich entschieden, dass einem Ausländer im Rahmen eines Widereinsetzungsbegehrens die Berufung auf Verständigungsprobleme zulässigerweise versagt werden dürfe, wenn er nicht seinerseits alles zumutbare unternommen habe, sich Kenntnis von dem Inhalt des Schriftstücks zu verschaffen (mit Hinweis auf BVerfGE 40, 182, 184; 86, 280, 284 ff). Der Sorgfaltsverstoß liege dann nicht darin, dass der Ausländer den Inhalt des amtlichen Schreibens nicht verstanden, sondern dass er sich nicht zureichend um die Verfolgung seiner Interessen gekümmert habe, obwohl er nach Lage des Falles hierzu Anlass gehabt hätte und in der Lage gewesen sei. Die Klägerin entlaste auch nicht, dass sie geglaubt haben könnte, die Frage nach Vermögen beziehe sich nur auf Vermögenswerte in Deutschland, nicht aber auf solche im Ausland. Das von der Klägerin unterzeichnete Antragsformular gebe nämlich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass nach diesem Kriterium hätte unterschieden werden können. Deshalb habe es sich der Klägerin, habe sie entgegen ihrer Behauptung die Frage doch verstanden, aufdrängen müssen, ihrerseits nachzufragen, ob nur Vermögen in Deutschland gemeint sei. Wenn sie geglaubt haben sollte, dass insoweit ein Unterschied bestehe, und sie dennoch die Nachfrage versäume, so läge darin ebenfalls mindestens ein erheblicher Sorgfaltsverstoß (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg Urteil vom 6. Dezember 2000 - L 5 AL 4372/00, in juris Rdnr. 41 ff). Mithin habe die Klägerin mindestens grob fahrlässig gehandelt. Die Rücknahme sei auch innerhalb der gesetzlichen Fristen erfolgt.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Bevollmächtigten mit Empfangsbekenntnis am 17. Mai 2011 zugestellte Urteil am 18. Mai 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht der Klägerbevollmächtigte geltend, trotz Rüge der Klägerin sei im SG-Verfahren die Befähigung des Gutachters als Bausachverständiger nicht nachgewiesen. Entgegen der Auffassung des SG handle es sich nämlich bei dem sogenannten Gutachten um es "deutlich zu sagen um ein Machwerk", welchem keinerlei Aussagewert zukomme. So falle auf, dass bei der als "Vergleichsmethode" bezeichneten Schätzung unreflektiert auf Daten Dritter zurückgegriffen werde, welche ebenso wie die Sachkunde des Gutachters in keiner Weise belegt oder transparent seien. Daher habe es bei dem von der Klägerin ermittelten Wert von 4.850,- EUR als Grundlage zu verbleiben, welchem ein Freibetrag der Klägerin von 2.915,- EUR entgegenzuhalten sei. Unterstellt, die Klägerin habe - was von ihr nachhaltig bestritten werde - vorsätzlich unrichtige Angaben gemacht, würde sich ihre fehlende Bedürftigkeit allenfalls auf einen Betrag von 1.935,- EUR beziehen, welcher entgegen der Auffassung des SG mit Sicherheit keine Rückforderung in Höhe von 9.663,83 EUR rechtfertige. Im Übrigen sei die angeblich so werthaltige Immobilie zwischenzeitlich aufgrund massiver Baufälligkeit abgerissen worden. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass die Klägerin aufgrund sprachbedingter Verständigungsschwierigkeiten keine Angaben zum Hausgrundstück gemacht habe. Unabhängig hiervon habe sich dieser Umstand aber auch nicht ausgewirkt, da dieses Grundstück keinen nennenswerten Vermögensgegenstand darstelle.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 11. Januar 2011 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Mai 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Juli 2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend und führt ergänzend aus, soweit die Berufung damit begründet werde, dass der Gutachter Kirmizitas keine fachliche Qualifikation zur Erstellung eines Immobiliengutachtens habe, werde zu den Ausführungen des SG ergänzend darauf verwiesen, dass zu den Tätigkeitsschwerpunkten der Anwaltskanzlei auch das Immobilienrecht und Baurecht gehöre. Für die fachliche Qualität des Gutachters spreche zudem, dass auch Faktoren berücksichtigt worden seien, die zu einer Wertminderung des Grundstücks beitragen würden. So sei im Gutachten darauf hingewiesen worden, dass aufgrund der auf dem Bebauungsplan vorgegebenen Bauweise das Grundstück nur zusammen mit dem Nachbargrundstück bebaubar sei und dieser negative Aspekt des Baulandes sich auch auf den Wert des Hauses auswirke.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 8. April 2013 davon in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Den Beteiligten war Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 SGG und weist die Berufung durch Beschluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, weshalb auch dem Antrag des Klägerbevollmächtigten vom 11./12. April 2013 auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu entsprechen war.

Die form- und fristgerecht eingelegte (§ 151 Abs. 1 SGG) und statthafte (§ 143 SGG) Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat zu Recht die Klage abgewiesen, denn der Klägerin stand aufgrund des verwertbaren Immobilienvermögens in Istanbul für die streitigen Zeiträume keine Grundsicherung nach dem GSiG bzw. SGB XII zu. Das SG hat zutreffend auf der Grundlage der hier maßgeblichen gesetzlichen Normen und in einer nicht zu beanstandenden Würdigung der vorliegenden Beweismittel Hilfebedürftigkeit der Klägerin für die streitigen Zeiträume verneint und die Voraussetzungen für den Rückforderungsanspruch der Beklagten zutreffend bestätigt, wobei allerdings auch für die hier streitigen Zeiten unter der Geltung des GSiG (1. Dezember 2003 bis 31. Dezember 2004) richtige Rechtsgrundlage für die Aufhebungs- und Rückforderungsentscheidung der Beklagten ebenfalls die §§ 45, 50 SGB X sind (siehe Urteil des BSG vom 26. August 2008 - B 8 SO 26/07 R - Rdnr. 16 nach juris). Zwar sind § 48 LVwVfG und § 45 SGB X nicht vollständig wortgleich, sehr wohl entsprechen sich die Anforderungen aber in vollem Umfang, sodass dies - wie auch die Prüfung des SG zeigt - jeweils zum selben Ergebnis führt. Der Senat nimmt daher im Übrigen auf die Entscheidungsgründe ausdrücklich Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung gemäß § 153 Abs. 2 SGG ab.

Ergänzend zum Vorbringen der Klägerin im Berufungsverfahren sei hier nochmals klargestellt, dass auch für den Senat das der SG-Entscheidung zugrundegelegte Gutachten des Gutachters K. in transparenter und nachvollziehbarer Weise den Immobilienwert ermittelt hat. So ist etwa die Einlassung der Klägerin, es handele sich um ein "Armenviertel" für den Senat vor dem Hintergrund der ermittelten Verkaufspreise für entsprechende Eigentumswohnungen im dortigen Wohnviertel ebenso wenig nachvollziehbar wie auch vor dem Hintergrund der unmittelbar aus den vom Gutachter gefertigten Fotografien der Immobilie der Klägerin einschließlich der Umgebungsbebauung. So ist dort keineswegs eine etwa heruntergekommene Bebauung erkennbar, sondern zeigen sich vielmehr die Mehrfamilienhäuser in der Umgebung in einem ordentlichen und gepflegten Zustand, so dass auch dies dafür spricht, dass es sich um ein insgesamt "bürgerliches" Wohnviertel handelt. In diesem Sinne ist auch die Auskunft des Generalkonsulates in Instanbul vom 27. April 2009, wonach dieses Wohnviertel zum näheren Umkreis des neuen Banken-, Geschäfts- und Luxuswohnviertels Atasehir zähle und die Immobilienpreise in dieser Gegend seit dem Umzug der Zentralbank nach Atasehir deutlich angezogen haben. Einer Verwertung dieser Immobilie steht auch - wie bereits vom SG ausgeführt - § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII nicht entgegen, da das Haus nur einige Monate pro Jahr genutzt wird und daher kein Schonvermögen darstellt (siehe BSG Urteil vom 20. September 2012 - B 8 SO 13/11 R - Rdnr. 16 nach juris).

Soweit die Klägerin vorträgt, zwischenzeitlich sei das Haus wegen Baufälligkeit abgerissen,, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Denn auch in diesem Zusammenhang ist nochmals auf das Gutachten und die gefertigten Fotografien abzustellen, ausweislich derer es sich zwar um ein eher einfaches Haus handele, aber ein offensichtlich so schlechter Bauzustand, dass dieses wegen Baufälligkeit abgerissen werden müsste, weder vom Gutachter beschrieben worden noch erkennbar ist.

Schließlich ist hinsichtlich der vom Klägerbevollmächtigten in Abrede gestellten fachlichen Kompetenz des Gutachters darauf zu verweisen, dass zu dessen Tätigkeitsschwerpunkten in der Anwaltskanzlei unter anderem Immobilien- und Baurecht gehören und er daher sehr wohl über eine entsprechende Qualifikation verfügt.

Aus diesen Gründen ist daher die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved